Das UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ, auch „Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen“, englisch United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) ist ein internationales Abkommen des Seevölkerrechts, das alle Nutzungsarten der Meere regeln soll. Es wurde am 10. Dezember 1982 in Montego Bay (Jamaika) geschlossen und trat am 16. November 1994, ein Jahr nach Hinterlegung der 60. Ratifikationsurkunde, in Kraft. Das Abkommen ist auch als „UNCLOS III“ bekannt. Die UN-Seerechtskonferenz dauerte von 1973 bis 1982 und war die dritte ihrer Art. Die Konferenzen zuvor werden als „UNCLOS I“ und „UNCLOS II“ bezeichnet.

Das Übereinkommen fasst das vorher geltende, in den Genfer Seerechtskonventionen kodifizierte Seerecht zusammen, legt die vorher umstrittene Breite des Küstenmeeres und seiner Anschlusszone fest und entwickelt die Regelungen zum Festlandsockel fort. Es führt die ausschließliche Wirtschaftszone mit besonderen Rechten der Küstenstaaten, ein internationales Regime des Meeresbodens und seines Untergrundes jenseits der Grenzen des Festlandsockels sowie die Archipelgewässer neu ein. Außerdem werden Schutz und Erhaltung der Meeresumwelt, die wissenschaftliche Meeresforschung sowie Entwicklung und Weitergabe von Meerestechnologie geregelt. Dabei stützt sich das Übereinkommen neben dem älteren Grundsatz der Freiheit der Meere auf den neu eingeführten Grundsatz des gemeinsamen Erbes der Menschheit.

Mit dem Übereinkommen wurden mehrere internationale Institutionen geschaffen:

Zum Seerechtsübereinkommen wurden bisher zwei Zusatzübereinkommen vereinbart:

  • Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982
  • Übereinkommen vom 4. Dezember 1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 in Bezug auf die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände

Geschichte

Eine vertragliche Regelung des internationalen Seerechts wurde notwendig, nachdem einige Staaten die alte gewohnheitsrechtliche Regel aus dem 17. Jahrhundert, welche die nationalen Küstengewässer auf eine Breite von drei Seemeilen (etwa 6 km) begrenzt, nicht mehr anerkannten. Die seewärtigen Gebiete jenseits dieser Küstengewässer wurden damals als „internationale Gewässer“ angesehen.

Einige Staaten beanspruchten eine erweiterte Zone, um Fischbestände zu schützen oder Rohstoffe in dem Gebiet auszubeuten. Auf einer ersten Konferenz im niederländischen Den Haag vom 13. März bis zum 12. April 1930 berieten sich 47 Länder, konnten sich aber auf keinen Vorschlag einigen. Die Vereinigten Staaten unter Präsident Truman erweiterten ihre Zone 1945 bis zum Kontinentalschelf. Andere Länder folgten diesem Beispiel und erweiterten ihre Küstengewässer, im Fall von Chile, Ecuador und Peru beispielsweise auf 200 Seemeilen. Bis 1960 behielten von 103 Staaten 26 die alte Dreimeilenzone bei, 16 beanspruchten eine doppelte Zone von sechs Seemeilen, 34 einen zwölf Seemeilen breiten Meeresstreifen und neun Staaten darüber hinausreichende Küstengewässer.

UNCLOS I, die erste von drei Konferenzen zur Klärung offener seerechtlicher Fragen, fand ab 1956 mit Unterhändlern von 86 Staaten im schweizerischen Genf statt. Die Konferenz führte 1958 zu vier Verträgen, die als Genfer Seerechtskonventionen bezeichnet werden. UNCLOS II im Jahr 1960, auf der insbesondere die bislang offene Frage der Breite des Küstenmeeres geklärt werden sollte, blieb ohne Ergebnis. UNCLOS III wurde 1973 in New York eröffnet und fand erst mit Unterzeichnung des SRÜ am 10. Dezember 1982 ihren Abschluss; mehr als 160 Staaten haben die Konvention bisher ratifiziert.

Zu den Staaten, die dem Seerechtsübereinkommen nicht beigetreten sind, zählen unter anderem die Vereinigten Staaten. Allerdings können die Bestimmungen des SRÜ auch für sie als geltendes Völkergewohnheitsrecht angesehen werden.

Inhalt (Auswahl)

Das SRÜ gliedert sich in 17 Teile und 320 Artikel. Der wichtigste Inhalt des SRÜ ist die Regelung der Hoheitsbefugnisse der Küstenstaaten. Ausgehend von der Küstenlinie legt das SRÜ verschiedene, teils sich überschneidende Zonen für die Ausübung der Hoheitsgewalt fest. Dabei nimmt mit der Entfernung von der Küste die Kontrolle des Küstenstaates ab. Streitigkeiten ergeben sich häufig bei Meerengen, wenn sich die Ansprüche auf das zu nutzende Gebiet überlagern.

Teil II: Küstenmeer und Anschlusszone

Das Küstenmeer, auch als Territorial- oder Hoheitsgewässer bezeichnet, ist das Gebiet, das sich bis maximal zwölf Seemeilen (22,2 km) von der Basislinie (in der Regel die Niedrigwasserlinie, es sind aber auch gerade Basislinien möglich) erstreckt. Dem Staat stehen in seinem Küstenmeer sämtliche Hoheitsbefugnisse zur Verfügung. Die Zwölf-Seemeilen-Zone wurde im Seerechtsübereinkommen der UN in Artikel 3 definiert. In den meisten Staaten löst sie die früher übliche Drei-Meilen-Zone (5,56 km) ab.

In der an das Küstenmeer angrenzenden Anschlusszone, die von der Basislinie maximal 24 Seemeilen (44,4 km) betragen darf, kann der Staat die erforderliche Kontrolle ausüben, um Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits- und Einreisevorschriften zu verhindern, oder Verstöße, die bereits in seinem Hoheitsgebiet oder Küstenmeer begangen wurden, zu ahnden.

Teil V: Ausschließliche Wirtschaftszone

In der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) kann der Staat bis zu einer Ausdehnung von 200 Seemeilen (370,4 km) ausschließlich über die natürlichen Ressourcen, also Meeresbewohner und Bodenschätze, verfügen und wirtschaftliche Nutzungen steuern. Es bestehen darüber hinaus jedoch keine Rechte, die sich aus der Souveränität des Staates ergeben. Hoheitliche Befugnisse können daher nur im geringen Maße ausgeübt werden. Die häufigsten seevölkerrechtlichen Streitigkeiten beziehen sich auf die Nutzung der Wirtschaftszone.

Teil VI: Festlandsockel

Der rechtliche Festlandsockel ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem geologischen Kontinentalschelf. Er erstreckt sich mindestens bis 200 Seemeilen von der Basislinie. Nach einer komplexen, im Seerechtsübereinkommen festgelegten Formel kann seine Grenze bis zu 350 Seemeilen von der Basislinie liegen, im Einzelfall noch darüber hinaus (100 Seemeilen von der 2500-Meter-Wassertiefenlinie). Jenseits des Festlandsockels liegt der internationale Meeresboden. Der Abbau von Ressourcen des Meeresbodens ist allein dem Staat vorbehalten. Der Festlandsockel verändert den Status der über ihm liegenden Gewässer nicht.

Teil VII: Hohe See

Als Hohe See bezeichnet das Übereinkommen in Art. 86 alle Teile des Meeres, die nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone, zum Küstenmeer oder zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern eines Archipelstaats gehören, nach einer Resolution der Vereinten Nationen zum Seerechtsübereinkommen vom 24. Dezember 2017 auch areas beyond national jurisdiction (ABNJ). Gem. Art. 89 darf kein Staat den Anspruch erheben, irgendeinen Teil der Hohen See seiner Souveränität zu unterstellen. Die Hohe See steht vielmehr allen Staaten, ob Küsten- oder Binnenstaaten, offen und wird gemäß den Bedingungen des Seerechts-Übereinkommens und den sonstigen Regeln des Völkerrechts ausgeübt (Art. 87).

Das Gebiet und seine Ressourcen sind nach einer Erklärung der Vereinten Nationen von 1970 „gemeinsames Erbe der Menschheit“ (Common Heritage of Mankind). Sie unterliegen der Verwaltung durch die Internationale Meeresbodenbehörde.

Am 4. März 2023 einigten sich die UN-Mitgliedstaaten auf Grundlage des Seerechtsabkommens auf ein Hochseeabkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt erstmals im Bereich der Hohen See.

Teil XV: Beilegung von Streitigkeiten

Mit Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens wurde für die Anwendung des Völkerrechts auf See eine eigenständige Gerichtsbarkeit geschaffen, nämlich der Internationale Seegerichtshof mit Sitz in Hamburg. Er hat seine Arbeit im Jahr 1996 aufgenommen.

Vertragsstaaten

Beitrittsjahr Staat Beitrittsjahr Staat
1982  Fidschi 1996  Algerien
1983  Bahamas  Brunei
 Belize  Bulgarien
 Ägypten  Volksrepublik China
 Ghana  Tschechien
 Jamaika  Finnland
 Mexiko  Frankreich
 Namibia  Georgien
 Sambia  Haiti
1984  Elfenbeinküste  Irland
 Kuba  Japan
 Gambia  Südkorea
 Philippinen  Saudi-Arabien
 Senegal  Malaysia
1985  Bahrain  Mongolei
 Kamerun  Monaco
 Guinea  Mauretanien
 Irak  Myanmar
 Island  Niederlande
 St. Lucia  Norwegen
 Mali  Nauru
 Sudan  Neuseeland
 Tansania  Panama
 Togo  Palau
 Tunesien  Rumänien
1986  Guinea-Bissau  Slowakei
 Indonesien  Schweden
 Kuwait 1997  Benin
 Nigeria  Chile
 Paraguay  Spanien
 Trinidad und Tobago  Vereinigtes Königreich
1987  Kap Verde  Äquatorialguinea
 São Tomé und Príncipe  Guatemala
 Jemen  Mosambik
1988  Brasilien  Pakistan
 Zypern  Papua-Neuguinea
1989  Antigua und Barbuda  Portugal
 Demokratische Republik Kongo  Südafrika
 Kenia Russland
 Oman  Salomonen
 Somalia 1998  Belgien
1990  Angola EG
 Botswana  Gabun
 Uganda  Laos
1991  Dschibuti  Nepal
 Dominica  Polen
 Föderierte Staaten von Mikronesien  Suriname
 Grenada 1999 Ukraine
 Marshallinseln  Vanuatu
 Seychellen 2000  Luxemburg
1992  Costa Rica  Malediven
 Uruguay  Nicaragua
1993  Barbados 2001  Bangladesch
 Guyana  Madagaskar
 Honduras  Serbien
 Malta 2002  Armenien
 St. Kitts und Nevis  Ungarn
 St. Vincent und die Grenadinen  Katar
 Simbabwe  Tuvalu
1994  Australien 2003  Albanien
 Bosnien und Herzegowina  Kanada
 Komoren  Kiribati
 Deutschland  Litauen
 Nordmazedonien 2004  Dänemark
 Mauritius  Lettland
 Singapur 2005  Burkina Faso
 Sierra Leone  Estland
 Sri Lanka 2006  Belarus
 Vietnam  Niue
1995  Argentinien  Montenegro
 Österreich 2007  Moldau
 Bolivien  Marokko
 Cookinseln  Lesotho
 Kroatien 2008  Republik Kongo
 Griechenland  Liberia
 Indien 2009  Schweiz
 Italien  Dominikanische Republik
 Jordanien  Tschad
 Libanon 2010  Malawi
 Samoa 2011  Thailand
 Slowenien 2012  Ecuador
 Tonga  Eswatini
2013  Osttimor
 Niger
2015  Palästina
2016  Aserbaidschan
2023  Ruanda
Insgesamt 169 Staaten; Stand: 19. September 2023

Beteiligung Internationaler Organisationen

Das SRÜ sieht neben der Beteiligung von Staaten ausdrücklich auch die Möglichkeit der Beteiligung Internationaler Organisationen vor. Diese Möglichkeit wurde auf die Europäische Gemeinschaft zugeschnitten, welche hiervon auch Gebrauch gemacht hat. Da sich die Regelungen des Seerechtsübereinkommens auf Materien erstrecken, die die Mitgliedstaaten der EG teilweise auf diese übertragen haben, haben sowohl die EG als auch die Mitgliedstaaten jeweils entsprechend ohne Vertragsschlusskompetenz gehandelt; das SRÜ wird daher insoweit auch als „Mixed Agreement“ bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Nienke van der Burgt: The 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea and its Dispute Settlement Procedure. In: Griffin’s View on International and Comparative Law. Band 6, Nr. 1, 2005, ISSN 1567-875X, S. 18–34.
Commons: Seerechtsübereinkommen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. vgl. Hermann Meyer-Lindenberg: Seerechtliche Entwicklungstendenzen auf den Genfer Konferenzen von 1958 und 1960 ZaöRV 1961, S. 38–80.
  2. David Anderson: Modern Law of the Sea. Selected Essays (= Vaughan Lowe [Hrsg.]: Publications on Ocean Development. Nr. 59). Koninklijke Brill NV / Martinus Nijhoff Publishers, Leiden / Boston 2008, ISBN 978-90-04-15891-7, chapter 1, S. 6 (englisch).
  3. League of Nations Codification Conference — About the Comission. In: United Nations. International Law Commission, 31. Juli 2017, abgerufen am 9. Oktober 2019 (englisch).
  4. Harry S. Truman: Proclamation 2667 of September 28, 1945. Policy of the United States with Respect to the Natural Resources of the Subsoil and Sea Bed of the Continental Shelf. (PDF; 85,4 KB) In: gc.noaa.gov. White House, 28. September 1945, abgerufen am 9. Oktober 2019 (amerikanisches Englisch).
  5. David Anderson: Modern Law of the Sea. Selected Essays (= Vaughan Lowe [Hrsg.]: Publications on Ocean Development. Nr. 59). Koninklijke Brill NV / Martinus Nijhoff Publishers, Leiden / Boston 2008, ISBN 978-90-04-15891-7, chapter 1, S. 8 (englisch).
  6. Major Thomas E. Behuniak: The Seizure and Recovery of the S.S. Mayaguez: Legal Analysis of United States Claims, Part 1. In: Military Law Review. 82. Jahrgang. Department of the Army, 1978, ISSN 0026-4040, S. 120 (englisch, jagcnet.army.mil (Memento des Originals vom 28. Dezember 2016 im Internet Archive) [abgerufen am 9. Oktober 2019]).
  7. Tullio Treves: 1958 Geneva Convention on the Law of the Sea. In: United Nations. Audiovisual Library of International Law, 2008, abgerufen am 9. Oktober 2019 (englisch).
  8. David Anderson: Modern Law of the Sea. Selected Essays (= Vaughan Lowe [Hrsg.]: Publications on Ocean Development. Nr. 59). Koninklijke Brill NV / Martinus Nijhoff Publishers, Leiden / Boston 2008, ISBN 978-90-04-15891-7, chapter 1, S. 10 (englisch).
  9. Meeresatlas 2017 - Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean, dort S. 32
  10. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und Übereinkommen zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens, abgerufen am 9. Oktober 2019. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. L 179, 23. Juni 1998, S. 3–134.
  11. vgl. International legally binding instrument under the United Nations Convention on the Law of the Sea on the conservation and sustainable use of marine biological diversity of areas beyond national jurisdiction Resolution 72/249 adopted by the General Assembly on 24 December 2017 (englisch).
  12. Internationale Gewässer NABU, abgerufen am 30. Mai 2020.
  13. Nr. 1 der Erklärung von Grundsätzen für den Meeresboden und den Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse vom 17. Dezember 1970, A/RES/2749 (XXV); engl. Declaration of Principles Governing the Seabed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, beyond the Limits of National Jurisdiction
  14. vgl. Tomma Schröder: Herrscher über die Hohe See: Der Ozean braucht eine Verwaltung Deutschlandfunk, 5. Mai 2016.
  15. https://www.tagesschau.de/ausland/un-hochseeabkommen-101.html
  16. Liste der Mitgliedstaaten, abgerufen am 19. September 2023.

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