Blogger, die bei Facebook und MySpace twittern, dass sie jetzt auch einen Vlog bei YouTube haben
Die Blogger, die bei Facebook und MySpace twittern, dass sie jetzt auch einen Vlog bei YouTube haben sind die am hellsten strahlenden Leuchten am Firmament der online verrichteten Mitteilsamkeit. Sie sind nicht zu verwechseln mit Facebloggern, die bei Twitter mitspacen, BlogBookern, die bei YouSpace mytuben, YouBook-Zwittern mit eigenem Blog, TweetTubern mit BlogSpace oder FaceTubern auf TwittSpace, denn all diese sind nur RL-Noobs ohne richtiges VL und verschwenden letztlich nur ihre Zeit: Faceblogger – auch wenn sie bei Twitter mitspacen – erreichen zum Beispiel nie die reine YouTube-Szene, BlogBooker können bei YouSpace so viel mytuben, wie sie wollen, sie werden nie Follower auf Twitter haben. Auch bei YouBook-Zwittern mit eigenem Blog sieht es nicht besser aus, verfehlen sie doch ihr potentielles MySpace-Publikum; TweetTuber mit BlogSpace sind noch ärmer dran, denn sie werden auf Facebook überhaupt nicht wahrgenommen, und FaceTuber auf TwittSpace sind völlig angeschmiert: sie haben nicht einmal einen eigenen Blog!
Überhaupt nicht mehr ernstnehmbar sind dagegen FaceSpacer mit Blog, die weder twittern noch tuben, ebenso Bookblogger bei Twitter, solange sie weder Vlog noch MySpace haben. Blogger auf FaceTube bleiben in vollkommener Bedeutungslosigkeit verhaftet, wenn sie nicht endlich auch mybooken, Twitterer auf MySpace können so viel bloggen, wie sie wollen, bei Facebook und YouTube kennt sie keiner mehr; YouBlogger, die nur noch MySpace zur Absicherung nutzen, verpennen womöglich sowohl die neuesten Trendgruppen bei Facebook als auch sämtliche Tweets, sind also quasi blind und taub, und selbst der tubegetwittertste Blogger verschläft das halbe Leben, während auf MyFace und Spacebook die Hölle los ist. Nicht minder gehandicapt sind natürlich facebookende TweetSpacer, die weder MySpace noch Vlog haben. Geradezu bemitleidenswert sind FaceSpaceTuber: ohne Blog und Twitter ist man heute ja praktisch taubstumm und querschnittsgelähmt. TubeFace-Twitterern, wenngleich immerhin nicht taubstumm, fehlt dagegen ihr Space aufs Empfindlichste, und mygespacete TwitterTuber haben nicht einmal einen Blog, auf dem sie über ihre Erlebnisse bei Facebook Buch führen könnten, wenn sie denn solche überhaupt hätten.
Entstehung und Entwicklung
Blogger, die bei Facebook und MySpace twittern, dass sie jetzt auch einen Vlog bei YouTube haben, werden nicht als solche geboren. Sie sind zu Beginn relativ unscheinbare Normalsterbliche, womöglich gar recht zurückhaltend und so gar nicht im Vordergrund ihres Umfeldes stehend und neigen mitnichten dazu, mittels übermächtiger Mitteilsamkeit die Welt in ihren Bann zu ziehen. Nein, sie sind eigentlich klein und still, fast schon uninteressant, man möchte beinahe sagen, sie sind Mauerblümchen und Würstchen, oder noch besser: äußerst erbärmliche, in jeder Beziehung völlig bedeutungslose und vollkommen zu Recht gänzlich unbekannte Niemande, bevor sie sich jäh zu mächtigen Avataren der virtuellen Selbstentfaltung aufwerfen. Dieser erstaunliche Prozess der Selbstverwirklichung im gesamten Internet soll hier einmal am Beispiel des Shaun Steinfegers – inzwischen weltweit in aller Munde – erläutert werden:
Erste Gehversuche
Steinfeger begann, wie er inzwischen in einer seiner zahlreichen Autobiographien verlauten lässt, seine beispielhafte Karriere als schüchterner Leser eines Blogs über Modellhubschrauber. Einerseits fasziniert von Fingerfertigkeit und Geduld des Bloggers, andererseits neidisch auf ebenjene Fertigkeiten und außerdem auf die Beachtung, die diesem dafür zuteilwurde, entschloss er sich bald, sich selbst als Blogger zu versuchen. Die ersten technischen Hürden meisterte er spielend und schon bald konnte man immerhin folgende Worte – angemessen zur Geltung gebracht durch blinkende Werbeeinblendungen – auf seiner nagelneuen Webseite lesen: „mein neuer Blog... in Arbeit... euer Shaun“ Hier nun sah sich Steinfeger einer neuen Herausforderung gegenüber. Es galt die Frage zu klären, worüber er denn eigentlich schreiben sollte. Es fehlte die zündende Idee, die seinen neuen Blog erst so richtig interessant machen würde. So spannende Hobbies wie Modellbau pflegte er keine, politisch war er weder aktiv noch interessiert, und auch seine Arbeit als Archivassistent im Fischereiamt lieferte kaum geeignetes Material. Jedoch, so erkannte Steinfeger schnell, war dieses Problem ohnehin sekundär: solange er gar keine Leser hatte, wäre jedes weitere Wort in seinem Blog verschwendete Arbeit gewesen! Zunächst einmal musste er sich also um Leser bemühen, die das lesen würden, was er schreiben wollte, wenn er wüsste, was er schreiben sollte.
Zum Glück gab es Netzwerke, in denen er seinen neuen Blog bequem promoten konnte. Steinfeger wollte von Anfang an alles richtig machen und mied daher Seiten mit eingeschränkter Zielgruppe. StudiVZ und Konsorten waren viel zu eng, er wollte sich nicht auf Studenten beschränken und auch nicht auf Deutsche, nein, die Menschheit sollte sein Publikum sein. Er wollte das gesamte Internet und die Gesellschaft von Grund auf revoltoluzzonieren. Als geeignet, weil international, allgemein und kostenlos boten sich Facebook und MySpace gleichermaßen an. Die Qual der Wahl ersparte sich Steinfeger höchst salmonellisch: beinahe gleichzeitig legte er auf beiden Seiten ein eigenes Nutzerkonto an. Voller Freude spürte er schon, wie sich seine Schreibblockade zu lösen begann, denn was entdeckte er in seinem jungfräulichen Profil? Da war eine nette Tabelle für ihn vorbereitet, in die er seine Lieblingsmusik, Lieblingszitate und Lieblingsmeinung nur noch einzutragen brauchte! Dankbar für die Anleitung füllte er brav alle Felder aus und anschließend, mutig geworden durch das Erfolgserlebnis, setzte er zuunterst einen Link auf seinen Blog. Seine bange Hoffnung, zuvor noch diffus und kaum in Worte zu fassen, hatte sich nun schon als wahr erwiesen: die Inspiration kommt einfach so beim Schreiben! Denn nachdem er sich ein wenig in Facebook und MySpace eingearbeitet, die erste Gruppe gegründet („Leute, die Shaun Steinfegers neuen Blog extrem klasse finden“) und ein paar Kontakte geknüpft hatte, da war ihm sofort klar, womit er nun seinen Blog füllen konnte: mit seinen Erlebnissen bei Facebook und MySpace natürlich! Während er sich dort gewissermaßen von vorn, von seiner besten Seite präsentierte, konnte man nun in seinem Blog genauestens nachvollziehen, was dabei in ihm vorging, wie sich ihm sein neues Hobby als Selbstdarsteller selbst darstellte. „Heute habe ich mich bei Facebook und MySpace registriert. Ich finde es dort extrem spannend. Bei Facebook kann man selbst Gruppen gründen und extrem spannende Leute aus aller Welt kennen lernen, und bei MySpace hat man extrem viel Platz, um sich zu entfalten. Da kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen.“ Und mit diesem Blogeintrag hatte er wiederum allen Grund, seine beiden Profile zu aktualisieren: „UPDATE: neuer Eintrag im Blog online!!!“ Nun ging es in großen Schritten voran. Unermüdlich stöberte er in den Netzwerken, trat allen möglichen Gruppen bei und kommentierte alles, was man kommentieren konnte, lechzte nach Aufmerksamkeit und bekam sie auch. Böse Zungen behaupteten, er wäre ein Troll und Spammer, aber das konnte er wegstecken: „Wer eine Meinung hat und dazu steht, der eckt auch schon einmal an!“ Dieser Satz war nur die erste von vielen äußerst trivialen Feststellungen, zu denen er immer stärker neigte und die er selbst als „eigene Aphorismen“ in seinem MySpace-Profil festhielt in der unverhohlen dazu geschriebenen Hoffnung, an geeigneter Stelle zitiert zu werden. Zwar sollte diese Hoffnung lange unerfüllt bleiben, aber immerhin fand er tatsächlich eine ganze Reihe von Lesern, die ihn dazu ermunterten, immer mehr, bald auch ausführlicher und tatsächlich sogar etwas stilsicherer zu schreiben. So arbeitete er daran, das Wort „extrem“ nicht mehr ganz so oft zu benutzen, und ersetzte es gekonnt durch sympathische Synonyme wie „megamäßig“, „hammer“ und „fettkrass“.
Steile Karriere
Als erster Höhepunkt in Steinfegers Wirken kann ein Zeitraum von fast drei Tagen gelten, den er komplett damit zubrachte, bei MySpace zu schreiben, dass er sein Facebook-Profil aktualisiert hatte, diese Notiz anschließend in seinem Blog aufzubereiten, daraufhin wiederum in seiner Facebook-Gruppe seinen neuen Blog-Eintrag zu vermerken und so fort, bis er schließlich völlig entkräftet an seinem Schreibtisch zusammenbrach. Was für seine Gesundheit ein herber Schlag war, leistete seiner kreativen Arbeit enormen Vortrieb, war eine Phase der tiefen Einsichten und Selbsterkenntnis. Die Schnabeltasse noch in der einen Hand, nahm er die Schreibfeder schon wieder in die andere und protokollierte aufs Ausführlichste die Entwicklung seines prekären Gesundheitszustandes. In dieser Zeit vollzog sich auch seine Wandlung zum weisen Ratgeber, als der er später geradezu verehrt wurde, denn er formulierte folgende Warnung: „Freunde, ich habe eine Bitte. Bitte, bitte übertreibt es nicht! Ich habe es am eigenen Leib erfahren, zu viel Internet ist nicht gut für dich!“ Nun hatte er nämlich Erfahrung, und – natürlich – teilte er sie gern. Zur präzisen und vor allem stets aktuellen Buchführung über seinen Genesungsprozess, so stellte Steinfeger rasch fest, waren seine bisherigen Kommunikationsinstrumente zu behäbig. Er brauchte eine Plattform für Mikroblogging, die er im damals noch relativ jungen Twitter finden sollte. Hier war der rechte Ort für Mitteilungen wie „Oh weh, der Erfinder des Wörtchens 'Würfelhusten' muss meine Not vorhergesehen haben!“ oder auch „Strahl sehr schwach, Stuhl immer noch dünnflüssig“.
Popularitätskrise?
Nach seiner Genesung stellte er nicht ohne Erstaunen fest, dass die Zahl seiner Leser stagniert war. Um sich die quälende Frage nach dem Warum beantworten zu können, studierte er die Kritik, die auf unterschiedlichem Wege (neben oben beschriebenen Netzwerken war er selbstverständlich auch per Mail, ICQ, Skype, MSN und HNG erreichbar) an ihn herangetragen worden war. Zu seinem Ärger war nicht viel davon zu gebrauchen, denn ein Großteil war grob beleidigend formuliert und völlig unqualifiziert. Äußerungen wie „Shaun Steinfeger kann man in der Pfeife rauchen!“, „Selten so ein saudämliches Arschloch gesehen, eingebildet hoch drei und dermaßen stinklangweilig, dass es schon wieder witzig wird.“ oder auch einsilbige Kommentare wie „Abschalten!“ (mehrfach eingesandt) halfen ihm nicht weiter. Doch das war auch gut so, erkannte Steinfeger, denn Kritik von außen reicht niemals an den Wert gesunder Selbsterkenntnis heran (wieder ein Aphorismus für MySpace!), und nach eingehender Selbstvertiefung ging er seinem Problem selbst auf den Grund. Was die Leser abschreckte, so schloss er, war seine schwindende Bürgernähe. Er war zu weit entrückt, eine Art Messias; er war der Mann, der sich selbst zu Tode gebloggt hatte und zurückgekehrt war, um davon zu berichten! Was er brauchte, war eine Möglichkeit, mit seinen Schäfchen wieder auf Augenhöhe zu kommunizieren, und das im Wortsinn. Er brauchte Augenkontakt, musste seine Mimik, Gestik und Stimme für sich sprechen lassen. Er brauchte YouTube.
Auf YouTube war er wieder einer von ihnen, ihr Kumpel. Quasi zum Greifen nah. Wenn er sich nicht gerade bei den zahlreichen Abonnenten dafür bedankte, dass sie seine Abonnenten waren, dann begann er seine Videos mit der Vertrauen stiftendenden Wendung „jetzt mal unter uns“, denn er konnte unglaublich gut mit Worten umgehen und wusste um ihre Wirkung. Ansonsten wagte er das Stilmittel des Understatements und gab einfach mal ganz entspannt auch persönliche Schwächen zu: „Heute bei REWE hab ich mich wieder blamiert, da hab ich wieder fast eine halbe Minute gebraucht, um den Bon und das Wechselgeld einzupacken. Das ist ja sonst nur so bei alten Leuten. Kennt ihr das auch? Mann, war das peinlich.“ Steinfegers Channel bei YouTube war der erste, der innerhalb eines einzigen Tages auf 100.000 Abonnenten kam; kein Wunder, konnte er ihn doch bei Facebook und MySpace twittern und in seinem Blog auf seine Tweets linken.
Heute ist Steinfeger vorwiegend als Buchautor tätig („Erfolgreicher Twittern“, „Von Null auf Hunderttausend“) und nutzt seine Internetpräsenzen als Werbeplattform. Außerdem ist er Ehrenprofessor der Petrosilius Zwackelmann Universität Buxtehude, wo er ein gekoppeltes Seminar für Medienkompetenz, gesunde Ernährung und ganzheitliche Selbstwahrnehmung gibt. Die Arbeit hat sich also gelohnt.
Soziale Vernetzung
Nur für den Fall, dass tatsächlich größere Bekanntheit erreicht wird, kann es nie schaden, zur besseren Vernetzung – sowohl mit den Fans als auch der Fans unter einander – rechtzeitig ein eigenes Wiki rund um das Thema der eigenen Wenigkeit zu gründen oder (noch geschickter) von einem Vertrauten gründen zu lassen, bevor es Kritiker, Konkurrenten oder andere launische Subjekte tun. Um sein Prestige noch weiter zu steigern, kann es außerdem sehr sinnvoll sein, eine Tätigkeit als Administrator (Sysop, Bürokrat, Gründer) auch in anderen Wikis anzustreben und an geeigneter Stelle dezent zu vermerken (wichtig: Die Phrase „auf vielfache Nachfrage“ erstickt jeden Verdacht der Selbstbeweihräucherung im Voraus!). Es bieten sich hierfür relativ kleine Projekte an, wie beispielsweise das Windows-98-Pinball-Wiki oder die Kamelopedia, da dort jederzeit hände- bzw. huferingend auf Leute gewartet wird, die farbige Links setzen und kleine Javascripts schreiben können.
Als ganz große Köpfe stehen Blogger, die bei Facebook und MySpace twittern, dass sie jetzt auch einen Vlog bei YouTube haben, stets im Mittelpunkt ihres weitläufigen Umfeldes. Diese Position ist allerdings kein statischer Zustand, sondern definiert sich vielmehr als proaktive Dynamik und Prozess-Werdung im Kontext. Um auf dem Teppich zu bleiben (siehe oben), bloggt der Blogger nämlich nicht nur selbst, sondern lässt sich gern auch dazu überreden, seinerseits überall mitzulesen, zu abonnieren und zu subscriben, und zu gegebenem Anlass outet er sich auch gern salbungsvoll als Fan ausgewählter Nachwuchstalente.
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