Bescherung bei Contessa Pazzanina di Incontinenza
Octavian: Oh Fortuna crudelis! (bleibt in pathetischer Pose vor der Tür stehen. Als er merkt, dass Ljubow nicht reagiert, schlurft er zum Tisch, an den er sich – die Hand an der Stirn – lehnt) Welch Schmerz zerreißt mein Herz! (Als Ljubow wieder nicht reagiert, schlurft er zum Divan) Gewichtige Vorahnungen – düster und drohend wie dunkle Gewitterwolken an einem sonnigen Sommertage – drohen mein sonniges Gemüt zu verfinstern. Ja, der eisige Hauch der Einsamkeit malträtiert mich so sehr, dass es sogar meinen Seelenboden fröstelt. (Wirft sich auf den Divan und seufzt als Ljubows Reaktion ausbleibt. Als auch dieses Seufzen keine Antwort bringt, folgt ein zweites, doch diesmal lauter)
Ljubow: Hat der junge Herr vielleicht Leiden?
Octavian: Mir fehlt meine geliebte Musetta. Wo ist sie? Ich habe sie seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen? Am Ende ertrank sie vielleicht gar im Fluss, als sie ihr liebliches Spiegelbild küssen wollte.
Ljubow: Der junge Herr muss sich nicht sorgen. Sie ist oben bei Ihrem Herrn Oheim und wichst für ihn. Seine Schuhe seien dreckig, hat er gesagt.
Octavian: Sapperment, ein Sabinerinnenraub in der Kammerspielinszenierung! Ach treuer und doch grausamer Oheim, warum können Sie nicht wie jeder andere Mann selber wichsen? Nein, unbedingt muss Ihnen eine junge Schönheit, eine Flora im Stubenmadlgewand, zur Hand gehen und nicht irgendeine Flora, nein, sondern die meinige, meine geliebte Musetta. Dabei taugt sie gar nicht für derlei niedrige Tätigkeit. Wenn sie kommt, ist ihr Gesicht sicherlich voller Wichse. Warum ist der Oheim überhaupt da?
Ljubow: Die Contessa wollte Weihnachten mit der ganzen Familie feiern.
Octavian: Diesen edlen Wunsch hegt meine geliebte Großmutter jedes Jahr, doch nie wird er ihr gewehrt. Mein Oheim und Tante Manon glauben, dass die Krankheit, die der großen Contessa mit Vergessen auch die edle Unschuld eines Kindes schenkte, jede Aufwartung obsolet mache, als hätte nicht der erlebte Moment, sondern nur die Erinnerung einen Wert.
Ljubow: Der junge Herr Augustin missversteht. Wert hat für diese Leute weder Erinnerung noch Augenblick, sondern nur das Geld, daher sind sie auch wegen des Erbes, das heute verteilt werden soll, gekommen und nicht wegen der Contessa.
Octavian: Wenn ihr Herz nach diesem Schalen Trunke dürstet, so sollen sie ihn haben, denn nicht einmal ein Ozean davon könnte die Flammen in meinem Herzen löschen. Doch nur ein Hauch meiner geliebten Musetta und das Höllenfeuer unerfüllter Liebe, das der Beelzebub in meiner Brust entzündet hat, würde auf immer ersterben. Eine Umarmung von ihr macht das Christkind obsolet.
Ljubow: Der junge Herr scheint gar etwas angetan zu sein von Signorina Mignottina.
Octavian: Was soll ich tun? Sie stopft mich mit Liebe wie ein Koch das Martinigansl mit Knödelmasse. Ach, Ljubow, mir kommt die Füllung schon bei den Ohren raus, so sehr stopft sie mich.
Ljubow: Füllung ist das Beste an Gans.
Octavian: Mag sein, aber mich verzehrt es nicht nach einer dummen Gans, sondern nach meiner geliebten Musetta. Was soll ich mit einem komischen Vogel, wenn mir Fortuna in ihrer unbegreiflichen Güte doch ein ungleich feineres Wesen kredenzt? Nur Narr stopft sich mit Ganslhaxen, wenn er doch auch Engelsflügerl haben kann.
Ljubow: Meint der junge Herr vielleicht Wachteln? Soll ich für ihn Wachteln kaufen? Der Mann im Feinkostladen verlangt Vermögen dafür, aber das ist Arschloch.
Octavian: Das ist sehr nett, Ljubow, aber der einzige Hunger, den ich habe, ist der Liebeshunger und den kann nur meine geliebte Musetta stillen. Ein Kuss von ihr würde mich den Rest der Welt schmecken werden lassen.
Ljubow: Darf man dem jungen Herrn einen Rat geben?
Octavian: Selbstverständlich, Ljubow. Jeder Rat ist gern geschehen. Ihre Sorge und Anteilnahme ehrt mich.
Ljubow: Es spricht für den jungen Herrn, dass er bereit ist, so innig zu lieben, aber Signorina Mignottina ist nicht Frau, die man mit Liebe füllt. Sie ist – wie soll ich sagen? – Sie ist Hure.
Octavian: Aber Ljubow, wie können Sie bloß etwas so Garstiges über meine geliebte Musetta sagen. Sie ist die Sonne der Liebe, die selbst die dunkelsten Flecken meiner geschundenen Seele erhellt, der reich ornierte Kachelofen der Emotion, der mein kleines Herz selbst in den kältesten Stunden wärmt, in denen Fortunas eisiger Hauch über mein niedriges Dasein fegt. Sie ist ein Licht- und Hoffnungsbringer, lieblich wie Zerlina, empfindsam wie Pamina, unschuldig wie Barbarina, schlau wie Susanna. Im Zorn eine sternflammene Königin, im Schmerz eine sehnsuchtsvolle Gräfin. So viele Opern kann Mozart gar nicht geschrieben haben, um Musettas Grandezza d'animo beschreiben zu können und doch muss ich auf seine Werke zurückgreifen, denn nur die Musikdramen des größten Genius lassen die alle Sprache transzendierenden Qualitäten erahnen, die Musetta besitzt.
Donnerstag 24. Dezember 2015, 16 Uhr
Bescherung bei Contessa Pazzanina di Incontinenza
Posse in einem Akt
Kirsten Dene |
Nicholas Ofczarek |
Maria Happel |
Florian Teichtmeister |
Frida-Lovisa Hamann |
Joachim Meyerhoff |
Regina Fritsch |
Sarah Viktoria Frick |
Zeit: Gegenwart
Ljubow: Signorina Mignottina ist ja liebes Tschapperl, aber eben verhurtes, liebes Tschapperl.
Octavian: Die Botschaft hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Sie ist eine Helena. Nur, dass sich die großen Griechen irrten. Wie ich jeden Tag erfahren darf, wurde Helena nicht nur die Bilokalität, sondern auch die Bitemporalität geschenkt. Wie sonst könnte sie in Troja, Ägypten und den österreichischen Alpen gleichzeitig sein. Also nicht gleichzeitig im Sinne von gleichzeitig, da Troja schon vor Jahrtausenden fiel, während die Alpen immer noch stehen, aber gleichzeitig im Sinne von nicht gleichzeitig, will heißen zu verschiedenen Zeiten. Ach, ich bin so voll Liebe, dass gar kein Platz für Worte mehr ist.
Ljubow: Aber nicht nur Worte, sondern auch Sinn wurde delogiert, wie mir scheint. Man sieht ja, dass die Schwärmerei des jungen Herrn keine leere Posse ist, aber Signorina Mignottina braucht eine andere Füllung als Liebe.
Octavian: Aber Ljubow, meine geliebte Musetta ist keine Topfengolatschen. Sie braucht keine Füllung, sondern schmeckt schon perfekt, so wie sie ist, als hätte sie der Herrgott selbst paniert. Jede Locke, die auf ihrer glatten Mähne fällt, ist mir eine Devotionalie. Die Erlösung liegt-
Katharina: In den Armen unseres Herrn Jesus Christus, der für uns am Kreuz gestorben ist. Versündige dich nicht, Octavian, durch eine flapsige Wortwahl, sondern stärke deine Seele im ehrfürchtigen Gebeten, auf dass dich Gott von deiner Liebestollheit befreit.
Octavian: Liebestoll? Vielleicht. Ob nun Armors Biss oder Pfeil, mir ist es einerlei, ich spüre die Liebe in meiner Brust toben wie manch einer sonst nur die Tuberkulose.
Katharina: Aber du darfst den sündigen Versuchungen nicht nachgeben. Heute celebrieren wir die Geburt unseres Erlösers. Nicht irgendein Stubenmädl, sondern der Heilige Geist sollte in dich fahren. Wie heißt es schon in den Sprüchen Salomons: Eine schöne Frau ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem goldenen Ring durch die Nase.
Ljubow: Genau, zu seinem eigenen Schutze sollte der junge Herr nicht so blind lieben. Der junge Herr sollte auf schwesterlichen Rat hören.
Octavian: Liebste Katharina, ich respektiere, dass du aus ehrbarem Gelehrtenstaub deine Gotteserkenntnis ziehst, in keuscher Sisyphusarbeit die Größe der Schöpfung zwischen geheiligten Lettern siehst, aber ich kann das nicht. Ich begreife Gott nicht. Ich fühle ihn und nie hat er sich mir so schön und so deutlich gezeigt, wie durch Musetta. Alles an ihr offenbart die Schönheit und Größe der Schöpfung. Der Liebreiz ihrer Sprache lässt jede Redekunst blass erscheinen. Die Grazilität ihres Ganges ist für sich genommen schon die Apotheose des Tanzes. Augen, Haar und Mund sind von solcher Schönheit, dass Hippias von ihr gesprochen haben muss, als er Sokrates belehrte. Wie in Kindertagen glaubt mein Herz wieder ans Christkind und dieses Christkind trägt den Namen Musetta Mignottina. Es ist Wunder geschehen, liebste Schwester, ein Wunder und ich bin Zeuge geworden.
Ljubow: Hat der junge Herr vielleicht Fieber? Seine Worte klingen so wirr?
Katharina: Mein geliebter Bruder hat kein Fieber, aber er ist liebestoll. Aus ihm spricht daher weder Herz noch Verstand, sondern bloß sein Schoß. Ohne Zögern gibt er sich den rauschhaften Versuchungen des Teufels hin, liebt nicht in keuscher Ehrerbietung, sondern will mitnehmen, einnehmen, aufnehmen, verschlingen und verzehren. Er macht sich zum Knecht des Herrn der Fliegen.
Octavian: Wie kannst du dieses Gottesgeschenk demonisieren, Iago?
Katharina: Du solltest dir selbst zu hören. Du nennst deine eigene Schwester Iago. Du bist der Tor, nicht ich.
Ljubow: Musetta! Hast du brav für den Gast gewichst?
Musetta: Ja.
Octavian: Signorina Mignottina! Sie sind es! Vor Freude hüpft mein Herz so sehr, dass es aus dem Brustkorb springen will. Ich flehe Sie an, nehmen Sie an meiner Seite Platz und berauschen Sie mich mit dem divinen Odeur Ihrer suprahumanen Präsenz, das mir wie Rosenether durch die Nüstern ins Hirn steigt.
Musetta: Hä?
Octavian: Wie treffend! Wie simpel! Wie wahr! Ich wünschte, ich könnte die Dinge so präzise und prägnant fassen wie Sie, Sie Pandora ohne Büchse, Sie Galatea ohne Elfenbeinstatuenvorgeschichte, Sie Persephone ohne Unterweltenwohnzwang. Verzeihen Sie mir mein stürmisches Auftreten, aber bei diesem kunsthistorischen Pallawatsch, der sich in Ihren Zügen manifestiert, ist eine Emotionserruption unvermeidlich. Sie vereinen das Farbgenie der italienischen Renaissancemaler, die elegante Pinselführung der französischen Klassiker und den Ausdruck der Impressionisten. Man müsste Sie im kunsthistorischen Museum aufhängen.
Musetta: I waß ned, was i sogen soi. Der Herr red imma so schen mit mia, owa i versteh ned amoi d’Höfte von seine Sätz.
Octavian: Signorina Mignottina, Sie müssen meine Worte nicht verstehen, sondern nur meine Liebe fühlen. Seit ich Sie letztes Jahr beim Weihnachtsfeste im Hause meiner geliebten Großmutter sah, ist es um mich geschehen. In Ihrem Glanz verblasst der Weltenrest.
Musetta: Es gfeut ma, wenn der Herr so schen von mia red. Da glaub i imma, i bin a Dame.
Octavian: Signorina Mignottina, Sie sind nicht einfach eine Dame. Sie sind eine Charis. Jedes Mal wenn ich die Rosenkranzmadonna von Caravaggio sehe, imaginiere ich das Bild des gnädigen Fräuleins ins Gemälde hinein.
Musetta: Versteh i zwoa ned, is owa sicha liab gmant.
Octavian: Nur die Sprache, jene grausame Weltenbildnerin, trennt uns. Die Herzen mögen verbunden sein, aber Zungen immer noch durch Sie geschieden. Seien Sie mein Christkindl und schenken Sie mir das Du.
Musetta: Wennst wüst.
Octavian: Damit hast du mir das größte Geschenk gemacht, liebste Musetta. Ah, der werte Oheim.
Masetto: Musetta, da bist du ja. Du bist so schnell verschwunden, da konnte ich dir gar nicht mehr sagen, wie gut du gewichst hast. Bei einer Frau ist es wichtig, dass sie gut wichsen kann.
Musetta: Des Lob vom werten Herrn is sehr nett.
Masetto: Ich habe dir doch gesagt, dass du mich Masetto nennen sollst. Der werte Herr war mein Herr Papa. Weil du so gut gewichst hast, Musetta, hast du dir einen Witz verdient. Was macht eine Eskimofrau auf einer Eisscholle?
Musetta: Waß i ned.
Masetto: Abtreiben.
Musetta: Versteh i ned. I muaß jetzt wirklich dem Trinculo in da Kuchl höfen.
Masetto: Sie ist schon ein geiles Stück. Wann kommt eigentlich das Gemüse?
Katharina: Wovon spricht der werte Oheim?
Masetto: Von der Mama. Gemüse weil die Mama halt damisch ist.
Octavian: Wie können Sie das bloß sagen. Die liebe Frau Großmutter mag vergesslich geworden sein, aber immer noch eine herzensgute Seele.
Masetto: Ist mir auch recht. Wann kommt die Mama?
Ljubow: Wir warten auf Trinculo, der uns sagt, ob Essen schon fertig ist.
Octavian, Katharina: Tante Manon.
Manon: Frohe Weihnachten.
Octavian, Katharina: Frohe Weihnachten.
Manon: Was schaust du so deppert?
Masetto: Ich wusste halt nicht, ob grad meine Schwester oder der Krampus ins Zimmer gekommen ist.
Manon: Da schau her. Nicht nur deppert, sondern auch blind. Das muss wohl die Syphilis sein.
Masetto: Lieber deppert und blind als damisch und schiach. Jedes Mal wenn du in den Friedhof gehst, ist eine Totengräberexistenz in Gefahr.
Manon: Es kann halt nicht jeder im Alleingang die Nuttenwirtschaft einer südostasiatischen Bananenrepublik erhalten.
Masetto: Nur weil du dafür zahlen musst, heißt es nicht, dass jeder das tun muss.
Trinculo: Das Essen kann ihn Kürze serviert werden. Ich denke, es ist an der Zeit die Contessa zu holen.
Ljubow: Gut, ich richte Contessa her.
Manon: Wer bist du?
Trinculo: Der Name ist Feste, Trinculo Feste. Ich bin der Koch der ehrenwerten Contessa.
Manon: Der Koch?
Trinculo: Ja, aber um das wissen zu können, hätte Madama in den letzten sechs Jahren zumindest einmal zu Besuch kommen müssen.
Manon: Mademoiselle.
Trinculo: Ein reizender Vorname, Madama.
Manon: Du sollst mich Mademoiselle nennen.
Trinculo: Ich könnte mich schwerlich zur Indiskretion hinreißen lassen, Madama mit dem Vornahmen anzureden.
Manon: Bist du wo angrennt? Red mich gefälligst als das Fräulein an, das ich bin.
Trinculo: Ich bitte vielmals um Verzeihung. Ist Madamina recht?
Manon: Na bitte, es geht doch. Du bist also der Koch. Welche Qualifikationen hast du vorzuweisen?
Trinculo: Ich war drei Jahre in Rom, Madamina.
Manon: Und in diesen drei Jahren hat er eine Kochlehre absolviert?
Trinculo: Nein, ich habe in meinen drei römischen Jahren bei seiner Heiligkeit die Theologie studiert. Daher bete ich brav vor jeder Zubereitung drei Vater Unser nach vatikanischer Art, damit das Essen gut wird.
Katharina: Trinculo, so sehr ich Ihre Witze schätze, Gott ist keiner davon.
Trinculo: Man sagt, dass es ein Zeichen von wahrer Größe ist, wenn man über sich selbst lachen kann. Gott in seiner unermesslichen Größe müsste daher wohl ständig über sich scherzen.
Katharina: Seien Sie gewarnt, Trinculo. Man darf den Namen Gottes nicht missbrauchen. Es wäre sehr bedauerlich, wenn ein herzensguter Kerl wie Sie auf ewig im Höllenfeuer schmorren müsste.
Masetto: Ja, wir haben’s kapiert. Ewige Verdammnis und all diese theologischen Spompanadeln. Was gibt’s zum Essen?
Trinculo: Das Festmahl beginnt mit einer Frittatensuppe, gefolgt von einer Ente mit Rotkraut und Erdäpfelknödel. Als Dessert gibt es einen Kaiserschmarren.
Masetto: Das lob ich mir, so feiert man Weihnachten. Wann gibt's die Bescherung?
Trinculo: Direkt nach dem Essen. Hat der Herr schon seine Geschenke unter den Baum gelegt?
Masetto: Das ist mir wurscht. Ich wollte wissen, wann die Contessa verrät, wer das Erbe bekommt.
Trinculo: Das obliegt der Contessa. Nun muss ich aber in die Küche. Nicht, dass die Ente noch ausfliegt.
Manon: Dieser Witzbold wird sofort gekündigt, sobald das ganze Zeug von der Mama mir gehört.
Masetto: Wer sagt, dass du das Geld bekommst? Ich bin sicherlich der Erbe und weil ich den Trinculo mag, bleibt er angestellt.
Manon: Warum sollte die Mama dir das Geld geben? Damit du es irgendwelchen Nutten in Thailand oder Kambodscha in den Rachen wirfst. Dir würd ich sogar zutrauen, dass du dir bei Daesh irgendeine versklavte Jesidin besorgst.
Masetto: Du weißt, dass die Mama dement ist. Die weiß die Schlampereien nicht mehr. Die würd sogar vergessen, sich den Arsch abzuwischen, wenn die Scheiße nicht picken bliebe. Aber dein Gesicht ist so hässlich, dass würd sogar ein Blinder merken.
Manon: Was weißt du schon von Schönheit?
Masetto: Genug um zu wissen, dass die Kinder im Advent schreiend vor dir davonlaufen.
Manon: Wenn du mit diesem Schmäh das Erbe kriegen willst, habe ich ja leichtes Spiel.
Octavian: So leid es mir tut, Ihnen das sagen zu müssen, aber diese seelenzerfressende Gier ekelt mich an. Die liebe Frau Großmutter ist eine großartige Person und kein Bausparer.
Manon: Geh, red nicht goschert.
Masetto: Genau. Schau ma mal, wo das Musettamausi ist, wenn du arm wie eine Kirchenmaus bist.
Octavian: Liebende brauchen nur sich selbst.
Masetto: So schwuchtelig wie das klingt, wärst du wohl in einem Schwulenklub besser aufgehoben.
Ljubow: Contessina, das sind ihre beiden Enkel, Katharina und Octavian.
Octavian: Schön Sie wieder zu sehen, liebste Großmutter.
Katharina: Ich hoffe, Sie hatten eine besinnliche Adventszeit.
Contessa: Danke, uns geht es gut. Und wer ist die Dame?
Manon: Wie kannst du so etwas überhaupt fragen? Ich bin deine Tochter.
Contessa: Da muss eine Verwechslung vorliegen, gnädige Frau. Wir sind zu jung, um ihre Mutter zu sein.
Manon: Zu jung?
Contessa: Selbstverständlich. Oder würde uns sonst ein so fescher Kerl die Aufmachung machen?
Ljubow: Das ist Ihr Sohn, Contessina.
Contessa: Ah so. Das erklärt das fesche Gesicht.
Masetto: Zu viel der Ehre. Ich bin nur ein bescheidener Bewunderer dieses lieblichen Antlitzes, welches so frisch ist wie der Frühlingstau.
Manon: Wir haben Winter.
Masetto: Ich weiß, er steht zwei Meter rechts von mir. Von dir zieht's so frostig weg, da hat man ja Angst, krank zu werden.
Manon: Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du hast sicherlich so viel Penicillin im Körper, dass man deine Leiche als Sondermüll verscharren muss.
Katharina: Ich hoffe doch sehr, dass der Oheim auf geweihtem Boden bestattet wird. Nur so kann er am Tage des Jüngsten Gerichts aus der Erde steigen und sich Gottes Armee anschließen. Bei seinem aktuellen Lebenswandel würde er zwar in der ewigen Verdammnis landen, aber ich bin mir sicher, dass der werte Oheim einsichtig wird und auf den rechten Pfad zurückkehrt.
Octavian: Ich finde es auch grausam, den geliebten Bruder, das eigene Fleisch und Blut einfach so entsorgen zu wollen, wie eine alte Zeitung. Antigone wäre schockiert.
Manon: Ist mir wurscht. Ich kenn die Antogine nicht. Von mir aus kann sie sich ruhig Goschn bamstig reden.
Contessa: Warum sind die beiden Enkerl denn so sonderbar?
Manon: Die törichte Mutter hat während der Schwangerschaft und sogar im Wochenbett gelesen.
Contessa: Gelesen?
Manon: Ja, nämlich Goethe. Beim Burschen den Werther, darum ist der auch so schwächlich, und beim Madl die Iphigenie. Zumindest hat sie’s versucht, aber die törichte Mutter war zu deppert dafür und hat dann letztendlich zur Kinderbibel gegriffen.
Contessa: Das erklärt einiges. Den Werther... Der arme Bursch.
Trinculo: Nehmen Sie bitte Platz. Das Essen wird in Kürze serviert.
Contessa: Wie schön, ein Narr! Ulkig wie sein Hauberl ausschaut. Er mache etwas Lustiges.
Trinculo: Hier liegt wohl ein Irrtum vor. Ich mag zwar ein Narr sein, aber nicht weil ich lustig wäre, sondern bloß weil ich allen Übeln in der Welt zum Trotze immer noch der Hoffnung die Treue halte.
Contessa (lacht):Vortrefflich. Er gibt den Titus vom Herrn Mozart. Mehr! Mehr! Mehr! Wir können schon die Musik hören.
Ljubow: Aber Contessina, unser Trinculo Feste ist Koch. Er bereitet gerade unser Weihnachtsmahl zu.
Contessa: Koch und Narr, wie sonderbar. Hoffentlich schmeckt die Suppe nicht komisch.
Katharina: In meiner Suppe fehlen die Frittaten.
Octavian: Auch in der meinigen. Sonderbar.
Manon: Bei mir auch. Sind dir die Zutaten ausgegangen oder willst du uns einfach verarschen?
Trinculo: Es sind genügend Mehl und Zucker im Haus, um alle am Tisch wie einen Mehlspeisenmidas durch den eigenen Wohlstand zu Grunde zu richten. Einzig meine Motivationsreserven reichten nicht für Frittaten und Kaiserschmarren.
Katharina: Warum haben Sie nicht um Hilfe gebeten, wenn Ihnen die Arbeit zu viel war? Ein Wort und wir wären Ihnen zur Hand gegangen.
Trinculo: Zum Glück habe ich während meiner drei Jahre in Rom die Metaphysik studiert und verstehe mich daher auf die Essenzenlehre. Frittaten und Kaiserschmarren sind im Wesen verschwistert, auf höher Ebene verbunden, also hab ich den Kaiserschmarren einfach in der Suppe ziehen lassen, damit die geteilte Essen ins Wasser übergeht. Das ist zwar bislang nur Theorie, aber eine Bestätigung in der Praxis würde die Metaphysik revolutionieren.
Manon: Was, du hast den Kaiserschmarren im Suppenwasser eingeweicht? Bist du wo angrennt oder liegt dir die Dummheit auch im Wesen?
Trinculo: Weder noch Madamina. Ich habe mich eingehend mit der platonischen Ideenlehre beschäftigt. Die Gegenstände, denen wir im Alltag begegnen, sind nicht die wirklichen Dinge, sondern vielmehr Abbilder der wahren und ewigen Ideen. Nun möchte ich nicht mit elementarer Metaphysik langweilen, die jedem gebildeten Menschen geläufig sein sollte, weshalb ich gleich den konkreten Fall behandeln werde: Frittaten und Kaiserschmarren haben Teil an der gleichen Idee, daher ist es dem reflektierenden Esser durch die Ideenschau möglich, vom Kaiserschmarren zu den Frittaten zu kommen. Basale Metaphysik.
Katharina: Eher gottloses Geschwätz und bloße Wortmagie. Zumindest meine Suppe hat wenig mit einer Frittatensuppe gemein und das ist auch nicht überraschend, denn nur der Herr kann über seine Schöpfung gebieten.
Manon: Wurscht ob gottlos oder nicht, Schmarrn bleibt Schmarrn.
Trinculo: Nun muss man aber wissen, dass die tiefe Ideenerkenntnis und damit auch echte Welterkenntnis ein ganz anderes Kaliber ist als das triviale Bibelstudium. Vom einzelnen Kaiserschmarren aus erkennt man die physische Kaiserschmarrigkeit. Nun muss man über die physische Kaiserschmarrigkeit reflektieren, um zur absoluten Idee des Kaiserschmarrens zu kommen. In dieser Idee lassen sich wiederum die Ideen des Mehls, des Wassers et cetera entdecken und so gelangt man zur Idee der Frittatität. Eine Methode, die – in Perfektion beherrscht – tiefe Einsicht in die Struktur des Daseins bietet, etwa in den weltbestimmenden Dualismus von Sachertorte und Schlagobers.
Octavian: Ich habe Diotimas Worte anders in Erinnerung. Kann es sein, Trinculo, dass du eine schlechte Übersetzung von Platons Symposium gelesen hast?
Trinculo: Mit Verlaub, aber Platon ist veraltet und überholt; und auch noch sexistisch, weil er von uns verlangt, dass wir die Schönheit im Körper des Anderen suchen, sprich: Er will, dass wir Personen durch unser sexuelles Begehren zum Objekt machen. Eine Forderung, die spätestens seit Kant, der immer auch einen Zweck in den Menschen setzt, als unmoralisch zu gelten hat. Aber wenn man das Zauberflötenlibretto als Antwort auf Kants Kritik der praktischen Vernunft liest, was auch der eigentlich Zweck des Textes ist, zeigt uns Schikaneder durch die Figur des Papageno einen Ausweg aus diesem Dilemma.
Masetto: Was du redest, purer Schwachfug. Ich hab zwar keine Ahnung, wovon du sprichst, aber deine Red klingt so, wie deine Suppe schmeckt.
Trinculo: Vielen Dank, für die gütigen Worte.
Masetto: Geh, schleich dich in die Kuchl, bevor du noch auf die Idee kommst, dass die Suppe gleichzeitig auch der Hauptgang sei, weil Enten brunzen können und man den Kochprocess nur Rückwerts denken muss, um zum Vogel zu kommen.
Trinculo: Wie der Herr wünscht.
Contessa: Köstlich dieser Narr. Sogar seine Suppe ist ein Witz.
Masetto (deutet Musetta, die Suppen abzuräumen): Zum Totlachen. Aber Mama weißt du, was kein Witz ist? Meine Gutmenschenambitionen. Ich hege schon seit längerer Zeit den Wunsch, junge Frauen in Not zu unterstützen. Mein Mitgefühl ist so groß, dass ich jeder helfen möchte, aber meine Börse lässt das leider nicht zu. Was kann ich dafür, dass meine Liebe größer als mein Vermögen ist? Es bricht mir immer das Herz, wenn ich ein hübsches, junges Fräulein sehe, dass nichts mir zu tun haben möchte, will heißen, das der Welt auf ewig Adieu sagen möchte.
Manon: Wenn du der Welt einen Gefallen tun möchtest, geh zum Tierarzt und lass dich kastrieren. Es geht aber nicht an, dass du mein Vermögen, ich meine, das Erbe von der Mama in irgendwelche südostasiatische Mösen spritzen willst. Deine Generosität reicht nur so weit wie deine Grabbelfinger.
Masetto: Natürlich muss die verstaubte Jungfrau, die keiner flachlegen will, die Sexualität verteufeln. Schau, dort unten sind die Frauen noch echte Frauen und wissen, wie man einen Mann zu behandeln hat. Was halt auch bedeutet, dass man aus Dankbarkeit mal an der Zuckerstange lutscht. Aber woher sollst du das verstehen? Für dich ist ein steifer Beidl das gleiche wie ein lebendiger Dodo, nämlich etwas, das du nie zu Gesicht bekommen wirst.
Manon: Wie ich merke, rührt schon die Syphilis in deinem Hirn herum. Wenn man nach deinen Kriterien, die echte Frau bauen sollte, käme am Ende eine Gummipuppe heraus und dir würde der Unterschied ja gar nicht auffallen, denn wie sollen deine gekauften Liebschaften reden, wenn du ihnen dein Zimtstangerl in den Hals rammst. Du glaubst dein Dahinvegetieren als Fickmonstrosität sei der Gipfel des menschlichen Daseins, dabei bist du eine emotionale Kakerlake. Deine asiatischen Schlampen waschen sich danach sicherlich mit Bleichmittel. Und dein Penis schaut aus wie eine Malerpalette.
Masetto: Das hättest du wohl gern, dass ich dir meinen purpurbehelmten Elitekämpfer zeige, du inzestuöse Selbstbesorgerin. Was würdest du mit dem Geld von der Mama machen?
Manon: Ich bin ja recht romantisch-
Masetto: Bei deinem Gfries muss man das auch sein.
Manon: Geh, red nicht so deppert. Auf jeden Fall würde ich das Geld von der Mama besser nutzen wie du. Ich würd mir nämlich einen ehrbaren Burschen suchen.
Octavian: Werte Tante, lieber Oheim, ich störe nur ungern die intime Unterredung unter Geschwistern, aber ich habe Sorge, dass der unbeschwerte Austausch von Lebensträumen in der Präsenz meiner liebsten Großmutter, deren weihnachtliche Laune korrumpieren könnte. Es ist Heilig Abend. Die Bescherung steht vor der Tür. Wir sollten vielleicht ein festlicheres Gesprächsthema anschneiden.
Manon: Geh bitte. Die Mama hat das spätestens morgen eh wieder vergessen, womit ich meine, dass sie merkt, dass wir gewissenhaft mit ihrem Erbe umgehen werden und uns daher spätestens morgen in der Früh die Gemeinheiten verziehen haben wird. Nicht wahr, Mama.
Contessa: Was?
Manon: Du bist uns nicht böse, gell?
Contessa: Ja, Ja. Wir sind ihr nicht böse. Wir sind uns sicher, dass hinterm Hexengesicht ein guter Charakter steckt.
Manon (zerknirscht): Danke, Mama.
Masetto: Mama, weil du mich zum Lachen gebracht hast, möchte ich dir auch einen Witz erzählen.
Contessa: Nur zu, er erzähle uns seinen Witz.
Masetto: Geht Kevin mit seinem Papa durch die Stadt, als sie an einem Bordell vorbeikommen. Da fragt der Kevin: »Papa, was ist in diesem Haus?« »Ein Bordell.« »Und was kann man in einem Bordell machen?« »Die Manon ficken.«
Manon: Du Hurensohn. Ich werde-
Contessa (lacht und klatscht): Köstlich! Köstlich! Köstlich! Fast so komisch wie die Suppe vom Narren.
Octavian: Auch wenn die liebe Großmutter Gefallen an dieser Plaisanterie gefunden hat, scheint sie mir nicht sehr weihnachtlich zu sein.
Katharina: Das stimmt. Wir celebrieren heute die Geburt unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus, der für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist. Wir sollten in Andacht sowie Dankbarkeit beten und uns daran erinnern, in welcher Not Maria und Josef das göttliche Kind zur Welt bringen mussten. Auch heutzutage leben viele Menschen im Elend. Teils durch materielle Not, teils weil sie ihr Seelenheil durch die Konvertierung zur evangelischen Häresie auf Spiel setzten. Wir sollten für diese Menschen beten, damit ihnen Gott den richtigen Weg zeigt und sie dadurch in seiner unendlichen Güte vor den ewigen Höllenqualen errettet. Diesen göttlichen Weg kann man aber auch mit irdischen Mitteln unterstützen. Es ist nie zu spät für die Gegenreformation, die-
Masetto: Halt. Halt. Halt. Ich bete sicherlich nicht dafür, dass mein Geld, will heißen, das Geld von der Mama dem Papst in den Arsch geschoben wird. Deine Religion ist schuld daran, dass man den Frauen in den Philippinen die Ehe versprechen muss, bevor man sie flachlegen kann.
Katharina: Wie kann man bloß so dreist sein, seiner Heiligkeit sodomistische Praktiken zu unterstellen.
Masetto: Was? Katharina schau, es ist mir wurscht, was der Papst dort unten in Rom macht. Vermutlich mit dem Trinculo den Messwein aussaufen. Was weiß ich. Abgesehen von der Hure Babylon gibt es nichts Interessantes für mich in der Bibel, aber ich kann keine Religion gutheißen, die ein bisserl Fickerei zur Sünde macht. Das ist doch pervers.
Katharina: Es steht dir nicht zu, über Gottes Gebote zu richten. Dein Hochmut wird dein Fall sein.
Masetto: Bla, bla, bla. Habe ich alles schon gehört.
Manon: Also hoffentlich schmeckt es besser als es ausschaut.
Masetto: Das denken sich deine Liebhaber auch immer.
Manon: Du musst dich schon entscheiden, ob ich eine frigide Jungfrau oder eine Schlampe ohne Anspruch bin.
Masetto: Dann müsst ich mir Gedanken über dein Sexualleben machen und ich will nicht auf den Tisch speiben.
Manon: Trinculo, was ist das?
Trinculo: Das ist das linke Bruststück einer Ente. Als Ente bezeichnet man einen-
Manon: Spar dir die Schlaumeierei, bist eh zu deppert dafür. Sag mir lieber, warum das Fleisch so zach ist.
Trinculo: Madamina, ich bitte vielmals um Verzeihung, dass ich nicht sofort erkannt habe, dass sie wissen wollte, warum das Fleisch so zäh sei, als sie fragte, was sich auf dem Teller befinde.
Masetto: Ja, ja, ist schon gut. Wir wissen, dass du nichts taugst. Also warum ist die Ente so zach?
Trinculo: Das liegt nun einmal im Wesen von Gummienten.
Katharina, Octavian: Gummienten?
Trinculo: Ja.
Manon: Haben sie dir ins Hirn geschissen oder wie kommst du auf die Idee eine Gummiente für Weihnachtsessen zu kochen? Wir sind hier nicht in Afrika. Wenn's scheiße läuft fang ich mir bei diesem Plastikvogel noch Salmonellen ein.
Masetto: Genau.
Trinculo: Als ich ehedem drei Jahre in Rom weilte, bot sich mir die Gelegenheit die Chemie zu studieren. Damals lernte ich auch, dass Gummi und Plastik ins Reich der organischen Chemie gehören, ebenso wie die Enten, die man im Teich sieht. Der Geschmack mag gewöhnungsbedürftig sein, der Konsum aber ohne Frage gesünder. Während die wildwachsende Ente weiß Gott woraus bestehen könnte, ist der Fabrikente immer eine Auflistung der Inhaltsstoffe beigelegt. Außerdem hat mich die Contessa extra gebeten, sparsam beim Einkauf zu sein.
Manon: Du spinnst doch. Wegen ein paar Groschen, serviert man doch-
Contessa: Sehr gut gemacht, äh…
Trinculo: Trinculo Feste, contessina.
Contessa: Er hat das sehr gut gemacht, Tricolore.
Masetto: Da muss ich mich anschließen, Trinculo. Gut gewirtschaftet und besonders redlich, dass du dich um mein Erbe, will heißen, um das Vermögen von der Mama sorgst.
Manon (zerknirscht): Stimmt. Trinculo Feste sollte Finanzminister werden. Gummienten gegen das Budgetdefizit. Chlorhendl gegen AIDS. Unser Weltenretter Trinculo Feste.
Trinculo: Verzeihung, hat Madamina etwas gesagt?
Manon (zerknirscht): Gut gemacht, Trinculo. Schön zu sehen, dass du dich um das Geld der Mama sorgst.
Trinculo: Vielen Dank für die lieben Worte, aber ich kann sie nicht zur Gänze genießen. Fühlt sich Madamina vielleicht nicht wohl? Ihr Gesicht wirkt so, wie soll man es nennen, angestrengt.
Masetto: Mach dir keine Sorgen. Das ist die Schminke, die erfolgslos versucht die hässliche Fratze zu verstecken.
Trinculo: Wie meinen?
Masetto: Die schmiert sich jeden Morgen einen Picasso ins Gesicht.
Trinculo: Darf man fragen, wie der Herr auf Picasso kommt?
Masetto: Schau sie dir an. All die Pinselei und trotzdem ist die Hexe immer noch schiach wie die Nacht.
Trinculo: Vortrefflich. Und der Charakter von Malewitsch gezeichnet.
Masetto: Was?
Manon: Genau, red nicht so blöd!
Trinculo: Ich war nur so anmaßend und verglich Madamina mit einem Kunstwerk.
Manon: Spar dir den Schmand, wenn du ihn nicht mit Geschenken süßer machen kannst. Woher willst du überhaupt was von Kunst verstehen? Ist eh nur was für reiche Leut'. Darum weiß ich auch, dass du mich foppst, wennst sagst, mein Charakter ist vom Pallawatsch gezeichnet.
Trinculo: Ich bitte vielmals um Verzeihung, dass sich Börse und Naturell bei mir widersprechen. Dass ich drei Jahre in Rom die Kunst studiert habe, kann ich nun einmal nicht so leicht veräußern wie den Groschen aus meiner Börse, wenn ich denn einen hätte.
Manon: Red nicht so groß daher. Für dich ist ja schon das Erdäpfelknödelkochen eine Kunst. Schau dir den Gatsch am Teller an.
Trinculo: Madamina hat natürlich Recht. Etwas Cadmiumgelb hätte ihren Knödeln sicher nicht geschadet. Nun muss ich aber in die Küche, sonst schmilzt der Eischnee.
Masetto: Musettamausi, könntest du bitte den Tisch abräumen. Es ist schlimm genug, dass ich Manons Gesicht sehen muss, da kann man nicht auch noch verlangen, dass ich diese Weihnachtsentenmissgeburt unter der Nase habe.
Manon: Du lässt auch keine Gelegenheit aus, mein Gesicht runterzumachen.
Masetto: Aber nur weil dein Gesicht eine einzige Einladung ist.
Octavian (als Musetta seinen Teller nehmen will): Liebste, schönste, teuerste Musetta, geh nicht, sondern erlöse mich als mein persönliches Christkind vom Bösen. Wie die heiligen drei Könige dem Jesuskind allerlei Tand geschenkt haben, möchte ich dir meine Liebe darbringen. Oben am Christbaum leuchtet ein Stern, doch hier am Tisch, an meiner Seite leuchtet noch ein viel hellerer. Beschenke mich mit deiner Präsenz.
Musetta: I tät ja gern, owa I muaß des Gschirr wegschoffen.
Octavian: Diese schelmischen Augen, diese liebreizenden Lippen, diese eleganten, filigranen Finger, so weiß und zart wie Schlagobers, sind für andere Tätigkeiten geschaffen.
Musetta: I bin ma sicher, dass die Ljubow des ned so leiwand finden tät, wenn i nimma oarbeiten tät.
Octavian: Grausame! Zuerst becirct du mich mit deiner Zerlinenhaftigkeit und dann, wenn ich mich nach dir verzehre, stößt du mich weg. Die Liebe ist wie ein Vogel. Kaum glaubt man sie in der Hand zu halten, ist sie schon entflogen.
Musetta: I waß ned, was manst. I seh, das redst, owa I hear nur Buchstobn.
Masetto: Na, na, Octavian. Nicht so stürmisch. Wir wollen ja nicht, dass die Hose Flecken bekommt. (Zu Musetta) Aber der Bursche hat schon Recht, Musetta. Warum bleiben du und dein schönen Gesicht nicht einfach ein bisserl sitzen.
Octavian: Ich muss Sie warnen, werter Oheim, wenn es um die Eifersucht geht, kann ich rasch zum Othello werden.
Masetto: Reg dich nicht auf Octavian. Wie wär's mit einem kleinem Witz zur Entspannung: Die Mutter steht am Herd und macht Frauenzeug als die kleine Violetta aus dem Wohnzimmer ruft: »Mama, Mama! Der Hund fickt!« »Geh bitte Violetta, schau einfach weg!« »Aber es tut weh!«
Contessa: Was?
Ljubow: Ihr Sohn hat gerade Witz erzählt, Contessina.
Contessa (klatscht): Köstlich! Köstlich! Köstlich!
Katharina: Gott stehe uns bei.
Masetto: Gib dem armen Kerl ein bisserl eine Ruh! Er ist grad gestorben.
Manon: Das ist Ostern, du Trottel.
Masetto: Nein, ich bin mir ziemlich sicher, das ist Jesus. Deppert reden, aber selbst keine Ahnung haben.
Octavian: Es tut mir leid, Sie korrigieren zu müssen, aber Tante Manon hat Recht, zumindest teilweise. Zu Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu Christi, auch wenn man hier am Tisch nicht wirklich etwas davon merkt. Zu Ostern feiern wir seine Wiederauferstehung, nachdem er am Karfreitag für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist.
Katharina: Das ist die Verkündung. Es ist unbedeutend, ob die falschen Worte aus einem blasphemischen Wesen oder aus schändlicher Unwissenheit entstanden sind, beide Wege führen in die Verdammnis. Zu Weihnachten geht es nicht um Geschenke. Es geht um das Seelenheil.
Masetto: Spompanadeln. Alles nur theologische Spompanadeln. Zu Weihnachten gibt's Ente und zu Ostern einen Lammbraten. Das ist der wahre Unterschied, denn die Messe ist beide Male gleichlangweilig.
Musetta: Mia gfeun ja die Ratschen so guat. Außerdem is a die Eiersuch imma Hetz. Owa zu Weihnachten, wenns Christkindl kummt, gibt's die besten Keks. Und i mog die Keks liaber wie den Schoklad. Samma ehrlich beides is leiwand.
Trinculo: Das Dessert, ein Kaiserschmarren mit Zwetschkenröster, wird nun serviert.
Musetta: I muaß jetzt gehn und beim Serviern höfen.
Octavian: Aber geh nicht für immer, geliebte Musetta.
Masetto: Hoffentlich taugt zumindest die Mehlspeis etwas.
Katharina: Trinculo, ich dachte es gibt Kaiserschmarren.
Trinculo: Ich kann Madama Augustin beruhigen. Wie angekündigt wurde Kaiserschmarren serviert.
Katharina: Aber er ist ganz schwarz.
Trinculo: Wenn Madama wünscht, kann ich das Licht löschen, damit der Unterschied nicht auffällt.
Masetto: Willst du uns frotzeln? Das was du uns serviert hast, schaut aus wie ein industriell gefertigter Kuhfladen. Ein Kaiserschmarren sollte goldbraun in der Farbe, luftig in der Textur und süß im Duft sein. Dein Verbrechen wider der Mehlspeisensittlichkeit ist schwarz wie die Nacht, letschert wie ein Beidl ohne Viagra und riecht wie ein Atomunfall.
Trinculo: Es pressierte etwas, da ich den Kaiserschmarren benötigte, um die Frittatensuppe machen zu können. Daher sah ich mich gezwungen, bei höherer Temperatur zu backen.
Manon: Sind das Kapern?
Trinculo: Rosinen gab es keine mehr im Haus und Kapern schmecken mir genauso wenig. Wenn man mich nun bitte entschuldigen würde.
Manon: Wie ist der Spinner bloß an die Stelle gekommen? Vielleicht ist der Kerl ja ein Kinderverzahrer und irgendein sechsjähriges Sklavenmädchen kocht das Essen. Sandkuchen und Dreckknödel können wohl kaum schlimmer sein.
Masetto: Wie gern hätte ich jetzt einfach Frankfurter mit Estragonsenf und frisch geriebenem Kren.
Trinculo: Ich bitte um Verzeihung, ich habe den Zwetschkenröster vergessen.
Masetto: Jetzt spottet man schon über uns. Das ist das schlimmste Weihnachtsfest aller Zeiten. Zum Glück kenne ich einen Witz, um die Stimmung zu heben. Warum gibt es in der Türkei keine Samenspender? (Peinliches Schweigen) Die ganzen Wichser sind nämlich bei uns.
Contessa: Köstlich! Köstlich! Köstlich! Dieser Schmäh ist fast so komisch wie der Schmarren vom Narren. Er soll das Erbe bekommen.
Ljubow: Aber Contessina.
Masetto: Bestes Weihnachtsfest aller Zeiten!
Manon: Das kann doch nicht dein Ernst sein, Mama. Du kannst ihm nicht das Geld geben, nur weil er depperte Witze reißt.
Contessa: Wir geben ihm das Geld, weil er unser einziger Sohn ist. Der männliche Erstgeborene bekommt das Erbe. Manchmal ist sie schon ein Tschapperl, äh…
Manon: Manon, Mama. Ich heiße Manon.
Contessa: Ist jetzt auch schon wurscht.
Musetta: Bam oida, damit hätt i jetzt ned grechnet.
Manon: Liebster Bruder, du vergisst nicht auf deine teuerste Schwester, gell?
Masetto: Vorher noch eine schwanzgesteuerte Fickmonstrosität und plötzlich der liebste Bruder. Was für eine Wandlung. Grad, dass du nicht zur Jüdin wirst, um aus mir auch noch einen Messias zu machen.
Manon: Herzensguter Bruder, du darfst nicht jedes Wort, das in der geschwisterlichen Neckerei fiel, auf die Goldwaage legen. Was dir als Beleidung erschienen, war nur eine gutgemeinte Warnung vor den Koketten dieser Welt.
Trinculo: Welch geschliffene Diktion. Welch liebkosende Wortwahl. Da sag einer noch, Geld könne nicht bilden.
Masetto: Mir scheint sie hat gerade erkannt, was für ein toller Mensch ich bin.
Trinculo: Auch ich muss eingestehen, dass ich erst jetzt erkannt habe, was für ein großartiger Mensch der werte Herr ist. In Rom habe ich drei Jahre lang als Advocatus diaboli gearbeitet und weiß daher, was einen guten Menschen ausmacht.
Katharina: Aber Trinculo, diese Worte können doch nicht aus Ihrem Herzen kommen.
Trinculo: Ich bin untröstlich, Madama Augustin, aber Prinzipien kann ich mir nicht leisten, dafür hab ich das Geld einfach viel zu gern.
Octavian: Edelste Contessa, teuerste Pazzanina, liebste Großmutter. Seien Sie versichert, dass Ihre Entscheidung meine Liebe zu Ihnen nicht schmälert. Ich mag Ihre Wahl zwar nicht nachvollziehen können, aber dies bedeutet nicht, dass Sie mir fremd geworden wären. Ich drücke Sie immer noch an den mütterlichen Busen der Caritas, auch wenn ich das Enkerl und nicht die werte Frau Urgroßmutter bin.
Contessa: Das ist schön, äh…
Ljubow: Octavian, Contessina
Contessa: Ah genau. Das ist sehr schön von ihm, Octan.
Octavian: Das Geld, die Ursache und Kur großer Leiden in der Welt, hätte mir zwar vieles erleichtert, aber ich bin noch jung und mit meiner geliebten Musetta an der Seite schafft es keine von Fortunas Grausamkeiten mir den Wind aus den Segeln des optimistischen Lebenswillen zu nehmen.
Musetta: Was des betrifft, Herr Octavian. Sein's ma bitte ned bes, owa die Goarstigkeiten von da Fortuna san nimma die unsrigen, sondern nur mehr die Ihrigen.
Octavian: Oh Fortuna crudelis! Welch düstere Vorahnung umwölkt meine Sinne? Warum hat der garstige Krampus im Sprachgewand das vom Christkind geschenkte Du der Frischverliebten verschlungen? Mir schwant Böses.
Musetta: Sie hoben mia ja gsogt, dass die Lieb a Vogerl ist. Wissen's Herr Octavian, so a Vogerl muaß a was fressen, sonst krepierts. Daher ist die Lieb zu Ihrem Herrn Oheim gflogen.
Masetto: Und Recht hat das verspielte Vogerl. Spricht aus diesen Augen nicht die Liebe?
Musetta: Na geh, Herr Octavian. Schauen's bitte ned so desperat.
Katharina: Pfui, wie können Sie diese kaltherzige Bitte an eine so sensible Person wie meinen teuren Bruder richten. Es ist keine Überraschung, dass seine gute Seele beim Anblick der ganzen Sündhaftigkeit zerrüttet wurde wie der große Tempel durch die Römer. Wenn Sie am Tage des jüngsten Gerichts vorm Herrgott stehen und dieser Sie in seiner unendlichen Güte den anderen Sündern gleich zu ewigen Höllenqualen verurteilt, werden Sie an den Abend denken, als Sie Ihr Himmelslos gemeinsam mit meinem teuersten Bruder abgewiesen haben.
Masetto: Katharina, mach der Musetta keine Angst mit deinen G’schichten.
Manon: Du redest die ganze Zeit über diesen Religionsschmarren. Wenigstens zu Weihnachten kannst du uns damit in Frieden lassen.
Katharina: Das sind keine Geschichten, sondern-
Octavian: Lass Sie nur reden, teuerste Schwester. Wer keine sinnvollen Worte hat, ist gezwungen leere Wörter auszuspucken. Daher soll nun ein Meer aus Sätzen über das Rinnsal namens Inhalt hinwegtäuschen, damit niemand merkt, dass hinter all dem billigen Zierrat bloß ein kleiner Geist steckt. Ich trete nun von dieser scheinheiligen Bühne, deren janusköpfige Kulissen mich anekeln, und werde mich wie ehedem der Großvater im Kriege mit geladener Waffe meinen Feinden stellen.
Masetto: Immer langsam. Bruder vor Luder. Onkel vor Oberschlampe.
Octavian: Sie können beruhigt sein, liebster Oheim. Ich spreche von den Dämonen, welche in meinem Kopf hausen. Ich werde diesem Kampf ein Ende setzen. Am Heilig Abend soll ich endlich Frieden finden.
Katharina: Tu es nicht, Octavian. Selbstmord ist eine Sünde. Du kommst in die Hölle.
Octavian: Ich bin schon in der Hölle, teure Schwester. Meine trauernde Seele wird vom Dreizack des Liebespeins gepiekst und meine armes Herz über dem Feuer der menschlichen Schlechtigkeiten geröstet. Ja selbst der süße Mehlspeisenduft des Kaiserschmarren sticht mir wie Schwefel in der Nase. Alle Freude-
Manon: Wir haben es kapiert: Dir geht es scheiße. Kein Grund auch unser Leben durch deine fade Lamentation zur Hölle zu machen.
Octavian: Keine Sorge liebste Tante. Aus meinem Munde wird es nie mehr eine Klage geben. Leben Sie wohl, Signorina Mignottina. Hoffentlich finden Sie Ihr Glück.
Katharina: Wie kann man bloß so grausam sein und einem liebenswerten Menschen ohne Zögern das Herz brechen? Jetzt muss er im Gebet Trost finden.
Masetto: Besser das Herz als der Schwanz. So muss er gar nicht beten, sondern kann sich auch selig ficken.
Katharina: Höllenbrut! (eilt zur Tür) Octavian!
Masetto: Der Bursch red, als ob sein Hirnkastl eine Kunstaustellung wär. Das ist doch schon fast gefährlich, wie er mit Worten um sich schmeißt. Wenn man den einfach palavern lässt, erstickt man am Ende gar noch unter einer Satzlawine.
Manon: Und dann hat er auch noch so wirres Zeug über den Papa erzählt. Ich dachte, der Papa hat im KZ Juden vergast und nicht irgendwelche Leute erschossen.
Masetto: Ich dachte auch, dass der Papa Juden vergast hat. Zuerst Andersdenkende gefoltert und weil er das so gut gemacht hat, durfte er dann Juden vergasen. Gell Mama, der Papa hat Juden vergast.
Contessa: Das ist so lange her, wir wissen es nicht mehr. Warum müssen wir unbedingt über die Vergangenheit reden? Das bringt doch nichts mehr. Selbst wenn der werte Herr Papa das goldene Vlies gestrickt hätte, würde das den konfusen Sentenzen dieses Burschen keinen Sinn schenken. Bei dem ist das Schlagobers schon zur Butter geschlagen.
Musetta: Der arme Herr Octavian. Wa ma ned a bisserl harsch?
Masetto: Mach dir keine Sorgen. Der bringt sich nicht um. Der dehydriert höchstens wegen der vielen Tränen. Musettamausi, richt schon mal das Bett.
Musetta: Für was?
Masetto: Warte, ich komm mit. Willst du einen Witz hören?
Musetta: Ja.
Masetto: Also, wie bringt man eine schwatzende Frau zum Schweigen?
Musetta: Waß i ned.
Masetto: Indem man ihr den Schwanz in den Rachen rammt.
Musetta: Versteh i ned
Masetto: Nicht so schlimm. Ich werde dir gleich zeigen, was ich meine.
Manon: Viel Spaß!
Trinculo: Kommen Sie, Contessina. Ich mache Ihnen jetzt die Schokolade, die Ihnen so schmeckt. Mit ganz viel Rum.
Contessa: Er ist aber talentiert. Koch und Narr, wie sonderbar.
Manon: Ljubow, du kümmerst dich um das Geschirr, gell? Was für eine depperte Frage. Dafür wirst du ja bezahlt.
Ljubow: Frohe Weihnachten, Ljubow. Fröhliche Festtage, Ljubow. Danke, dass Sie sich um Geschirr kümmern, obwohl Musetta dafür zuständig ist, Ljubow. Sie sind zentraler Eckpfeiler dieses Haushalts, Ljubow. (Probiert vom Kaiserschmarren) Pfui. Trinculo ist ja ein netter Kerl, aber ab und zu frage ich mich, was er in Rom gemacht hat. (Legt eine Platte auf und sich danach auf den Divan. Es ist der Eingangschor aus Bachs Weihnachtsoratorium zu hören.) Was für eine Bescherung.
Katharina (entfernt): Octavian!