Diverses:Mein Kumpel Haile Selassie
Vorwissen
Dies ist die Geschichte eines jungen Mannes, welche von seinen Erfahrungen mit dem Militärputsch 1974 in Äthiopien und seiner religiösen Findung der Rastafari handelt. Die Rastafari sind eine religiöse Gruppierung, welche aus dem christlichen Glauben entsprang, jedoch den äthiopischen Kaiser Haile Selassie als Wiedergeburt des Messias ansieht. Anhand des Namens der Religion lässt sich viel über sie sagen: Die Silbe "Rasta" verdeutlicht, dass nur Leute mit krausem Haar und hohem Melaninanteil in der Haut, also sprich Schwarze, diese Religion ausüben. "Fari" hingegen wird als Lari-Fari Übersetzung der Bibel verstanden, welche das Entstehen einer solchen Gruppierung ermöglicht.
Hauptsächlich bekannt sind sie jedoch eher wegen ihrer Kultur, welche Reggae, Dreadlocks und Cannabis beinhaltet.
Nun zu mir
Moin, Moin, mir ist aufgefallen, dass ich mich noch gar nicht richtig vorgestellt habe: Ich bin Olaf! Ihr fragt euch sicher "Olaf und Rastafari? Wie passt das denn zusammen?". Tja, irgendwie braucht halt jeder sein Karma, wie wir immer sagen. Entgegen eurer Vermutungen bin ich nicht bloß wegen dem Cannabis Rastafari, sondern es gibt viel tiefere Beweggründe. Na gut, angefangen hat es schon damit, denn meine Kollegen vom Bau und ich hatten damals, ich glaube 1974, beschlossen Urlaub auf Äthiopien zu machen, weil es da günstiges Gras gibt. Klaus meinte, dass Äthiopien irgendwie eine Insel direkt neben Jamaica ist, deswegen haben die ja auch diesen Filz auf dem Kopf.
Abgesehen davon, dass die Penner mir ständig irgendwelche Spenden aus der Tasche leiern wollen, hatte ich keine Ahnung von dem Land, aber ist ja auch egal - Flieger gebucht und hin.
Flug nach Äthiopien
Der Flug war ziemlich langweilig. Ich versuchte mir die Zeit zu vertreiben, indem ich meine Popel an meinen schlafenden Sitznachbarn schmierte. Blöderweise lehnte er sich irgendwann an mich, sodass ich ihn erst einmal angeschrien hab. Wegen dem Affen muss meine Lederjacke jetzt in die Wäsche.
Als wir eine halbe Stunde in der Luft waren holte Klaus die erste Flasche Jägermeister raus, wir flogen ja immerhin in den Partyurlaub. Ich, Holger, Klaus - das magische Trio auf Sauftour! Wir killten die Flasche wie echte Männer, sprich die Flasche war in 10 Minuten leer - bleiben ja nur noch 6 Stunden und 20 Minuten. Natürlich musste Holger rumpöbeln, aber Gott sei dank waren außer uns und der Schnarchnase neben mir keine Passagiere im Flieger. Im Nachhinein betrachtet hätte uns das vielleicht komisch vorkommen sollen, doch wen interessiert schon die blöde politische Lage in einem Land? Im Endeffekt kann man doch sowieso mit keiner Regierung zufrieden sein!
Weil die Stewardessen immer noch hässlich und wir deshalb wohl noch nicht besoffen genug waren, holte Klaus die Flasche Vodka raus. Als die Stewardess kam und uns bat, den Alkoholkonsum zu reduzieren konnte Holger sich nicht mehr zurückhalten. "Ich reduzier dich gleich mal - und zwar auf deine Brüste!" brüllte er schallend. Wir kamen aus dem Gelächter nicht mehr raus. Krönend rief er ihr noch "3 Bier und deinen knackigen Arsch" nach, während sie rotgesichtig und wütend davon stapfte.
Später, als Holger und Klaus schon im Rauschschlaf waren, kamen zwei Stewardessen, die irgendwie verdammt gleich aussahen und auch ziemlich gleichzeitig liefen. Mussten wohl Zwillinge gewesenen sein. Ich hatte vorher im Bordfernsehen etwas von "Bombenstimmung in Äthiopien" gehört und wollte wissen, was es damit auf sich hat: "He, ihr Mäuschen! Wie ist denn so die Stimmung in Äthiop -hicks- ien?" Gleichzeitig erzählten die beiden etwas von einem Militärputz der da irgendwie stattfinden soll. Auf die Frage, ob sich das Militär denn nicht selbst putzen könne, verdrehten die beiden die Augen und drehten mir ihre Hintern zu und gingen. Ohja, das Wackeln ihrer Gesäße wiegte mich förmlich in den Schlaf!
Als ich aufwachte war die Schulter vom Kerl neben mir total nass. Ziemlich eklig, wenn Leute im Schlaf sabbern, da ich aber gemerkt habe, dass ich der Sabberer war, brüllte ich laut: "Du Ekel hast dich vollgesabbert!" um den Verdacht von mir abzulenken. Da die Stimme des Piloten ertönte, hatte der Kerl keine Gelegenheit zu antworten und das war mir nur recht. Mit reichlich Restalkohol landeten wir dann nach 7 Stunden Flug in Äthiopien.
Ankunft
Nachdem wir reichlich am Flughafen kontrolliert wurden, nämlich gar nicht, gingen wir zum nächsten Taxistand. Blöderweise waren alle Kamele unterwegs, deswegen mussten wir trampen. Es dauerte fast 2 Stunden bis die nächste Salzkarawane durch Addis Abeba zog, aber immerhin waren es fast 30 Minuten Fußmarsch zu unserer Unterkunft und wer tut sich sowas schon im Urlaub an. Ich versuchte auf Englisch mit den Händlern eine Mitreise auszumachen, doch verstanden sie den Satz "Ähh, Can you take us for travel?" nicht. Besser hingegen verstand er meinen 5€ Schein!
Langsam setzte der Kater vom Flug ein, und das Geschaukel auf den Kamelen machte es nicht gerade besser. Natürlich musste Klaus ausprobieren, ob man die Höcker eines Kamels als Bongos benutzen kann und fing erst einmal an zu trommeln. Ich hörte einen lauten Schrei, drehte mich um und sah, wie Klaus abgeworfen auf dem Boden lag. Er beschimpfte das Tier und trat nach ihm und beim Aufbäumen des Tieres fiel eine der Trageboxen herunter. Wir erschraken ziemlich als wir sahen, was die Karawane wirklich transportierte: Auf dem Boden lagen eine Menge Gewehre verstreut.
Holger fand als erster die Sprache wieder: "Scheiße man, das sind Spielzeugwaffenhersteller!". Er freute wie ein Kind an Weihnachten und nahm eines der Gewehre und tat so, als würde er schießen. Auch Klaus nahm lachend eine Waffe in die Hand mit den Worten: "Kleidung ist wohl nicht das einzige, dass die herstellen können!"
Ich war geschockt. Nicht nur von ihrem Verhalten, weil die Waffen echt zu sein schienen, sondern auch von den zwanzig auf uns gerichteten Gewehre. "Jungs, legt die Waffen wieder hin! Das ist kein Spielzeug" raunte ich ihnen zu. Jetzt bemerkten sie auch die Reaktion der Karawanenheinis und legten die Gewehre wieder hin. Wir hatten Glück, dass sie uns nur im Regen stehen ließen, anstatt uns zu erschießen, was ziemlich ironisch ist, da es in Äthiopien keinen Regen gibt.
Addis Abeba
Wir hatten noch etwa zehn Minuten Fußweg vor uns und unserer Laune wurde mit jedem Schritt schlechter. Total verkatert, brüllende Hitze, schmerzende Füße. In diesem Moment war ich mir sicher, dass es niemandem auf der Welt gerade schlechter geht als mir. Mitten in Addis Abeba vor einem großen Gebäude fand eine Demonstration statt.
Unsere Laune besserte sich schlagartig, denn hier waren wir in unserem Element. Laut brüllen und pöbeln, das kannten wir aus dem Stadion! "Blöd, dass die mir in Frankfurt am Flughafen die Bengalos abgenommen haben", bejammerte ich mein Schicksal, doch die anderen beiden waren bereits in der Menge und konnten mich nicht mehr hören.
Egal, ich war ihnen gefolgt und schnell befanden wir uns in einer Menge schwitzender, schwarzer Männer. Gegen was die Menge demonstrierte, wussten wir nicht, wir wussten nur, dass es einen Höllen Spaß macht zu randalieren. Holger warf den ersten Stein in eine Reihe Polizisten, die versuchten sich gegen die Menge durchzusetzen. Mir fiel wieder ein, was wir ursprünglich hier wollten und sprach einen Schwarzen mit Rastalocken an: "He du, hast du Gras?" Er schien mich nicht zu verstehen, also brüllte ich lauter: "Alter, hast du Gras?" Wieder keine Antwort. Dieses Mal nahm ich ihn mir zur Brust: "Gras, Weed, Shit, Cannabis?" Zwar leuchteten seine Augen rot, doch schien er nicht reagieren zu wollen. Mir platzte der Kragen und ich prügelte auf ihn ein.
Als ich mich umblickte sah ich, dass 5 Polizisten neben mir standen und dabei halfen die Umstehenden zu vermöbeln. Schnell löste sich die Versammlung auf, doch sah ich noch, dass einige Demonstranten gefangen genommen wurden. Ein Polizist klopfte mir von hinten auf die Schulter und ich erschrak, doch ließ er von mir ab und schien sich nur bedankt zu haben. "Gerne Dicker!" rief ich ihm noch hinterher, während er die nächste Person brutal in Gewahrsam nahm. Als das Prozedere vorbei war, stand ich alleine auf dem Platz.
"Holger? Klaus? " Keine Antwort.
U-Haft
Ich suchte den Platz bestimmt 3 Minuten nach ihnen ab, doch konnte keinen von ihnen sehen. Immerhin war noch ein Streifenwagen da, dem ich wild gestikulierend erklärte, dass ich meine Freunde suche. Er schien irgendwie blöd zu sein, denn er verstand gar nichts, deutete aber auf die Polizeistation gegenüber auf dem Platz. Ich beschloss mich zu beschweren, dass inzwischen auch taube und blöde bei der Polizei genommen werden. Damit kann das Land doch nur verarmen!
In der Polizeistation konnte man in die U-Haft Zellen direkt einblicken und da waren viele Kumpanen aus der Demo zu sehen. So auch meine, also ging ich zum Tresenheini. Ich hatte nur noch 10 € in Bar dabei, und noch nicht gekifft, also beschloss ich Kameradenschwein zu werden. Ich deutete auf die beiden und auf mich und sagte: "10€; Weed for us", denn immerhin habe ich ja doch etwas Seele. Der Tresenheini nahm meine 10€ und kramte in seiner Tasche.
Zu meiner Enttäuschung holte er jedoch einen Schlüssel heraus und befreite Holger und Klaus aus der Zelle. Anscheinend kann man in diesem Land mit Geld alles kaufen, außer Weed! "Danke man, ich hatte schon Angst um meine Poperze!", lachte Holger und ging pfeifend aus der Polizeistation während Klaus und ich hinterher trotteten.
Es war inzwischen spät am Abend und wir beschlossen erstmal zur Unterkunft zu gehen. Unterwegs fiel mir etwas auf, was meine bisherige Sicht der Dinge stark veränderte, ja nahezu meine Welt erschütterte. "He Jungs, das müsst ihr euch ansehen!", rief ich. Klaus und Holger fragten fast synchron, was ich denn meine. "Ist euch eigentlich aufgefallen, dass es hier keine Gullideckel gibt?" - "Ja na und?", fragte Klaus. "Das bedeutet doch, dass die Äthiopier gar nicht rein fallen können, wie es in Witzen immer heißt!". Die beiden konnten mir jedoch auch nicht erklären, wozu die Knochen in der Nase sonst dienten. Mhh, komische Welt.
Stripschuppen
Die Unterkunft war ziemlich ranzig. Sie befand sich in einer zwielichtigen Straße, die nur etwa fünf Minuten vom Platz der Randale entfernt war. Wir warfen nur unsere Rucksäcke ins Zimmer und dann schnell raus hier. Keiner von uns wollte länger als nötig hier bleiben, also war das neue Ziel eine Frau zum Übernachten zu finden. Zwei Häuser weiter befand sich ein Stripschuppen, wie es sich für jede zwielichtige Straße gehört, also beschlossen wir die Nacht dort zu verbringen.
Dort drinnen war es ziemlich heiß, verglichen mit der abgekühlten Abendluft im Freien. Ich hockte mich an die Bar, denn ich war nicht sehr motiviert mich von den Frauen antanzen zu lassen. Daheim warteten Frau und Kinder und auch wenn man als Mann kein schlechtes Gewissen haben braucht, fühlte ich mich irgendwie unwohl. Holger grölte, denn er hatte bereits die erste Frau im Arm und auch Klaus steckte sein Geld munter in die Slips der Stripperinnen.
"Weiß dein Freund nicht, dass man dafür kein Münzgeld nimmt?", fragte mich eine freundliche Stimme mit komischem Akzent. Ich drehte mich um und ein paar weißer Zähne blitze mich aus dem Nichts an. Erst als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich den dazugehörigen Mann erkennen. Ich lachte über seine Bemerkung, denn es sah urkomisch aus, wie sich die Slips immer mehr ausbeulten.
"Hast du nicht in Django unchained mitgespielt?", fragte ich aufgeregt, denn es war das erste Mal, dass ich einen Promi traf. "Nein, das war Jamie Foxx, aber wir sehen uns in der Tat recht ähnlich", musste der Mann mich leider enttäuschen.
"Ich bin Haile Selassie", sagte er und hielt mir die Hand hin. "Olaf Freud, sehr erfreut!", antwortete ich, während mir wieder die weiße Zahnfront entgegensprang. Wir plauderten und tranken ein wenig, bis der Alkohol seine Wirkung tat. "Weißt du, dass es in Deutschland ebenfalls jemand gab, den man mit Heil ansprechen musste?", fragte ich lachend und auch auch Haile fiel in das Lachen mit ein. "Na klar! Ich war im November '54 erst dort. Was glaubst du warum unsere Hauptstadt Adi's Abeba heißt?". Ich kugelte mich vor Lachen, was im Nachhinein betrachtet vielleicht etwas übertrieben war.
Holger war inzwischen im Séparée verschwunden, während Klaus genüsslich an einem Joint nuckelte. Ich habe absolut keine Ahnung, wie er an das Zeug gekommen ist, aber ich hasste ihn in diesem Moment, weil ich es nicht geschafft hatte gras zu besorgen. Entschieden lenkte ich mich mit dem Gespräch ab. "Daher sprichst du also Deutsch?", lallte ich Haile zu und er nickte, wobei es auch sein könnte, dass er einfach seinen Kopf nicht mehr grade halten konnte.
"Olaf", sagte er nach ein paar weiteren Shots und setzte ein Grinsen auf, "darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen?". Ich lachte, denn ich nahm ihn nicht ernst und rechnete nicht mit solch einer Botschaft. "Ich bin der Kaiser von Äthiopien", hauchte er mir ins Ohr und ich musste schreien, so komisch fand ich das! "Na dann senk mal wieder die Kaffeesteuern", sagte ich denn ich hielt sein Geheimnis für einen Scherz. Er hingegen guckte Ernst, "Würde ich ja, wenn die Oromos tun würden, was ich will!". "Oh großer Kaiser", blödelte ich weiter, "Nennst du dein Volk Oreos, nur weil sie schwarz sind und ihre Zähne weiß?". Jetzt lachte auch er wieder und das beklemmende Gefühl, er könnte die Wahrheit sagen, verflog.
Ich wurde übermütig und fragte, "Hat da vorhin eigentlich ein Reiskorn auf der Straße gelegen, oder warum gab es diesen Aufmarsch in der Stadt?". Doch statt eines Lächelns umfing mich Dunkelheit, denn Haile schloss den Mund und guckte traurig, so vermute ich zumindest. "Die waren wegen mir versammelt, um gegen mich zu demonstrieren", sagte er in traurigem Ton.
"Deswegen traue ich mich nur noch umherzuwandern, wenn mich keiner sieht, also bei Dunkelheit". Ich lächelte verunsichert, doch ehe ich weiter nachfragen konnte, schleppten Holger und Klaus mich aus dem Stripschuppen. Klaus hatte versucht einer Stripperin eine Münze in den Hintern zu stecken, weshalb er Stress mit dem Besitzer bekam und den Laden verlassen musste.
Ich konnte Haile grade noch "Machs gut Haile Selassie, mein hoher Kaiser von Äthiopien!" zurufen, da waren wir schon aus der Tür raus. Wir konnten noch eine anschwellende Lautstärke durch die Tür hören, waren jedoch bereits auf halbem Wege in unsere ranzige Unterkunft.
Nächster Tag
Immerhin hatte unsere Unterkunft einen Fernseher mit einer kleinen Auswahl amerikanischer Sender, sonst hätte ich vermutlich nie erfahren, was letztendlich mit Haile geschah. Nachdem ich CNN eingeschaltet hatte, kamen Bilder aus dem Laden, nachdem wir ihn verlassen hatten. Eine blutige Angelegenheit bei der es anscheinend um meinen Freund Haile ging. Ein paar Männer stellten sich als Hailes Bodyguards heraus, ein anderer Teil in dem Stripschuppen als Hailes Gegner. Ich verstand nicht viel von dem Bericht, denn er war auf Englisch, doch hörte ich ein paar Mal "Ethiopia" und "Haile Selassie" zusammen fallen und ich konnte schließlich 1 und 1 zusammenzählen. Es gibt zwei!
Haile war dank des Militärputsches kein äthiopischer Kaiser mehr. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wie hatten sie ihn in der Dunkelheit erkannt?
Rastafari
Holger, Klaus und ich blieben in Äthiopien um Haile beizustehen. Ihm zu Ehren überzeugten wir die Rastafari ihn als Wiedergeburt des Messias anzuerkennen und traten diesen bei. Wir opferten Haile sozusagen unser altes Leben für ein neues voller Qualen namens Cannabis. Nach seinem Tod sorgten wir dafür, dass er an seinem Lieblingsort begraben wurde und so setzte man ihn unter einer Toilette bei.