Sitz
Sitz ist im Zusammenhang mit den Worten Platz, Bleib, Steh und Aus eine aus der imperativen Wortgewalt deutscher Hundebesitzer nicht mehr wegzudenkende Vokabel. Sitz bedeutet Bodenkontakt der Vorderläufe (sog. Pfoten) sowie des Hintern eines Hundes. Ist der Vierbeiner in diese Stellung gebracht, verharrt er in der Position, bis ein neuer Befehl erfolgt.
Politiker, die sich gerne der Sprache anderer Kulturen bedienen, verwenden diesen Begriff für ihren im Bundestag bereitgestellten Stuhl. Sie setzen sich zu Tagungsbeginn darauf, verharren in dieser Position und warten, bis ein neuer Befehl erfolgt. Beliebte Befehle sind hier: Redeerlaubnis, Pause, Wochenende und Feierabend.
Warnung vor dem Hund
Ein durchschnittlich begabter Hund ist in der Lage, bis zu 15 Befehle zu verstehen. Damit ist das Tier klüger als der durchschnittliche Halter, dem meist nicht mehr als acht Befehle einfallen. Derart unterfordert, erstaunt es nicht, dass Hunde keine komplexen Handlungsabläufe bewerkstelligen, sondern sich auf einfachste Darbietungen beschränken.
Das erste Kommando, das ein Hund beherrscht, ist SITZ! Zu Beginn der Übung versucht der Hund, sein Herrchen oder Frauchen zu provozieren, indem er zum Beispiel wegläuft, mit dem Schwanz wedelt oder sich auf den Boden legt. Der beste Freund des Menschen weiß, dass die Geduld seines Futtergebers endlich ist und dass dieser Lösungen möchte. Um das Ergebnis zu beschleunigen, denkt der Mensch, dass kleine, fressbare Belohnungen hilfreich sein könnten und er zückt ein sogenanntes Leckerli. Erkennt der Hund, dass sein Herrchen in diesem Zustand hilfloser Ohnmacht angekommen ist, setzt er sich. Wenn es gefordert ist, legt er den Kopf noch auf die Seite, macht auf lieb oder hebt eine Pfote. Er erhält das Leckerli, der Mensch fühlt sich überlegen und gibt vor lauter Freude noch eine Belohnung.
Würde der Hund das sofort von ihm verstandene simple Kommando ad hoc umsetzen, blieben die Leckerlis aus, weil das Herrchen die korrekte Umsetzung seines Befehls als Teil seiner Autorität versteht. Diese Art der Selbstüberschätzung äußert sich im weiteren Verlauf der Beziehung als störend.
Herrchen oder Frauchen werden auf Grund dieses rudimentären Befehls auch als Besitzer des Vierbeiners bezeichnet.
Parlamentarisches Sitz!
Das Leben in der Bananenrepublik Deutschland ist geprägt durch mehrere Feier-, Urlaubs- und Arbeitstage. Darüber hinaus gibt es noch den Bundestag, ein Tag der hoheitliche Rechte genießt und über allen anderen steht. Auffälligster Unterschied ist, dass die meisten Tage in Zeiteinheiten eingeteilt sind, der Bundestag jedoch in Sitze.
Diese Sitze werden von Politiker belegt, die dort für einen längeren Zeitraum (daher der Name Tag) für sehr viel Geld nichts tun. Diese Tätigkeit ist sehr begehrt, sodass immer mehr Anwärter auf die Stühle vorhanden sind, als es Sitzmöglichkeiten gibt. Im Zuge einer ordentlichen Wahl ist das deutsche Volk durchschnittlich alle vier Jahre aufgerufen, diejenigen Personen, die es durch seine Steuergelder fürs Nichtstun bezahlen möchte, auszusuchen.
Nach Auszählung der Wahlstimmen werden die Sitze verteilt. Diese Verteilung ist derart kompliziert, dass man dazu übergegangen ist, alle Bewerber um die heißen Stühle in einen Vorraum zum Bundestag, der sogenannten Bundestagskammer, zu versammeln. Nachdem alle Beteiligten eingetroffen sind, werden die Außentüren verschlossen und man lässt die Politiker für ca. eine Stunde in der Kammer um die besten Plätze rangeln. Anschließend öffnen Kammerdiener die Türen zum Plenarsaal, der Bundestagspräsident ruft Sitz!, und die Politiker stürmen den Raum. Jeder, der sich auf einen der Stühle setzt, darf bleiben. Wenn alle Sitze belegt sind, werden die frei umherirrenden, sitzlosen Politiker von den Kammerdienern hinaus befördert. Bei Weigerung oder krampfhaftem Festhalten an Tischbeinen oder Mikrofonständern werden Kammerjäger hinzugeholt, die die Verlierer gewaltsam entfernen.
Nach der Säuberungsaktion kehrt Ruhe ein und die Stuhlbesetzer dürfen sich Mitglied des Bundestags nennen. Die Sitze sind verteilt.
Sitzarten
Neben den parlamentarischen Sitzen gibt es eine Vielzahl andere Sitzgelegenheiten, die im Wesen vollkommen unterschiedlich sind. Einige stehen den Politikerstühlen sogar reziprok gegenüber.
Hochsitz
Basierend auf der Erkenntnis, dass die Hirntätigkeit zunimmt, wenn die Luft sauerstoffärmer wird, erfand man den Hochsitz. Die erhöhte Sitzposition findet in atmosphärischer Höhe statt. In dieser von Smog, Sauerstoff und anderen Umweltkatastrophen befreiten Gegend versucht das Hirn den letzten Rest lebensnotwendigen Sauerstoffs aus dem Blut zu filtern, sodass es zu übersteigerten Synapsen kommt. Die Denkfähigkeit wird erhöht.
Dieser sogenannte Denkerstuhl steht daher nicht umsonst an Theken, da man hier gezwungen ist, permanent Geistreiches von sich zu geben.
Schleudersitz
In streng hierarchisch gegliederten Firmen sind untere Dienstränge ständig bestrebt, die nächste Stufe der Karriereleiter zu erklimmen. Das Leitern, wie dieser mühselige Aufstieg bezeichnet wird, dauert lange und wird manchmal nicht vor Renteneintrittsalter erreicht.
Schneller geht es mit dem sogenannten Schleudersitz. Wer auf dieser Sitzmöglichkeit zur Ruhe kommt, erlebt sein blaues Wunder. Kaum sitzt derjenige, schon wird er von diesem Stuhl mehrere Stufen (Abteilungen) nach oben katapultiert.
Relativ weit oben angekommen sollte man aufpassen. Erwischt man in dieser Position einen Schleudersitz, wird man auch katapultiert. Allerdings auf die Straße.
Es ist für Karrieristen also wichtig, genau zu wissen, auf welchem Stuhl man geruhsam der Rente entgegensteuert. Ein Schritt zuviel kann dabei töricht sein.
Wohnsitz
Wohnsitz ist ein feststehender Begriff aus dem Behördendeutsch. Man wird dort nicht nach seiner Adresse gefragt, sondern nach seinem Wohnsitz.
Beamte können sich keine andere Möglichkeit, als zu sitzen, vorstellen. Folglich gehen sie davon aus, dass Antragssteller, so sie denn zu Hause sind, dies ausschließlich in sitzender Position tun. Daher das irritierende Wort.
Wohnsitz besagt demnach: Intimzone in privater Umgebung, in der man sich sitzend aufhält oder die Möglichkeit besteht, dies zu tun.
Kindersitz
In der Design- und Möbelwelt hat man nach Retro- und Post-Retro-Design alle Stilrichtungen der vergangenen Epochen mehrfach wiederholt. Die Käufer waren diesem unkreativen Tun überdrüssig und ließen sich nicht länger blenden. Die Designer mussten, um erfolgreich zu sein, tatsächlich Neues entwickeln.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entdeckte man Primatenmöbel, einfachste Holzmöbel, die auch unter dem Namen Art-Brut firmiert wurden, und versuchte diese als le Dernier Cri zu verkaufen. Unglücklicherweise fiel den Verbrauchern auf, dass auch diese rohen Möbel nur eine Neuauflage von bereits seit Jahrhunderten von Eingeborenenstämmen hergestellten Wohnaccessoires darstellen. Ein Verkaufserfolg stellte sich deshalb nicht ein.
Erst nachdem das schwedische Möbelhaus IKEA auf die Idee kam, Stühle von Kleinkindern entwerfen zu lassen, bewegte sich die Design-Szene vorwärts. Heute werden die wackeligen, unproportionierten Sitzgelegenheiten von allen namhaften Möbelherstellern produziert. Der deutsche Stuhlbauer VITRA hat den Kindersitzen bereits ein eigenes Museum gestellt.
Rücksitz
In einer immer hektischer werdenden Zeit fällt es schwer, Rückzugsmöglichkeiten in intimer Umgebung zu finden. Dieses Problem wurde von den Autobauern erkannt. Sie wandelten ihre neuen Modelle in esoterisch angehauchte Private Cabins um.
Wichtigstes Bauteil hierbei war die Umdefinierung des Rücksitzes. Während früher als technische Innovation galt, die Vordersitze in Liegestellung zu bringen, stellen die neuen Rücksitze die Althergebrachten vollkommen in den Schatten.
Die neuen Rücksitze sind voll ausklappbar, geräuscharm und stoßgedämpft, weshalb sie auch als idealer Ort der Kindeszeugung geeignet sind. Abgetönte Scheiben, Plüschverkleidungen und eingebauter DVD-Player stimmen den Nutzer auf heimelige Atmosphäre ein.
Heaven on the backseat of my Cadillac sangen amerikanische Troubadoure bereits in den 70er Jahren. Dass die ansonsten sehr schnell reagierende Automobilbranche weitere 30 Jahre brauchte, um diese Imagination in die Tat umzusetzen, erstaunt bisweil. Der dramatische Anstieg der Geburtenrate gibt ihnen mit der Entwicklung der neuen Rücksitze allerdings recht!
Der Sitz als Strafe: die Sitzhaft
Viele bezeichnen das Leben als verbeamteter oder politischer Sesselkleber (zum Beispiel Heide Simonis, SPD) als Strafe. Dies vernahmen Asiaten, seit über 1.000 Jahren weltweit führend im Erfinden sadistischer Bestrafungsrituale, und setzten diese Technik sofort in ihren Gefängnissen um.
Dieses als Sitzhaft von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen geächtete Strafmaß sieht vor, die Gefangenen mittels Ketten an einen Stuhl zu binden und diesen hinter einen Schreibtisch mit schwacher Beleuchtung zu setzen. Hier müssen die Gefesselten dann ihre Strafe absitzen.
Die Sitzhaft gehört mit Lach-, Wohn-, Ekel- und Krankhaft zu den von der UNO anerkannten Foltermethoden.
Sitzfleisch
Eines der wenigen Worte, für das es keinen Plural gibt, ist Fleisch. Kurz nach Erfindung des Wortes setzte es sich unverrückbar fest und konnte weder dekliniert noch vermehrt werden. Durch sein beharrliches Festhalten an seiner Position wird es häufig als Sitzfleisch betitelt.
Sitzberufe
Besitzer
Jedem, dem etwas gehört, darf sich Besitzer nennen. Zu einigermaßen Wohlstand kommt man jedoch nur, wenn man sich Bank- oder Versicherungsbesitzer nennen kann.
Im Zuge schleichender Arbeitslosigkeit sind jedoch viele Hartz IV-Empfänger dazu übergegangen, sich Besitzer als Profession auf ihre Visitenkarten drucken zu lassen. So kommt es, dass heute Gewächshaus-Besitzer, Fernsehbesitzer oder Waschpulver-Besitzer als oft genannte Berufsbezeichnungen auftauchen.
Beisitzer
In Vereinen, Genossenschaften und Firmenvorständen benötigt man eine gewisse Anzahl von entscheidungsgewaltigen Machern und ein bis zwei Menschen, die tatenlos dabei sitzen. Sie werden als Beisitzer bezeichnet und dürfen bei Vorstandsdebatten auf einem Podest bei den Entscheidungsträgern sitzen.
Der Verdienst liegt etwas unterhalb des Vorstandsvorsitzenden. Dafür trägt man aber keine Verantwortung. Beisitzer dienen einzig dem Zweck, den Machern ein noch größeres Gefühl von Macht zu übermitteln. Diese dürfen über die Beisitzer bestimmen und ihnen Weisungen erteilen. Somit demonstrieren die Machthaber auch Stärke innerhalb eines Vorstandes.
Wenn die Beisitzer damit leben können, haben sie alle Annehmlichkeiten stressfrei.