Die Hamas (arabisch حَمَاسْ, DMG ḥamās ‚Begeisterung‘, ‚Eifer‘, ‚Kampfgeist‘, zugleich Akronym HAMAS aus Ḥarakat al-muqāwama al-islāmiyya ‚Islamische Widerstandsbewegung‘) ist eine radikalislamische Palästinenserorganisation bzw. eine sunnitisch-islamistische palästinensische Terrororganisation. Sie wurde 1987 als Zweig der Muslimbruderschaft unter anderem von Ahmad Yasin gegründet. Sie besteht aus den paramilitärischen Kassam-Brigaden, einem Hilfswerk und einer politischen Partei.
Die Hamas hat u. a. das Ziel, den Staat Israel mit militärischen Mitteln zu beseitigen und einen islamischen Staat zu errichten. In ihrer am 18. August 1988 veröffentlichten Gründungscharta bezog sich die Hamas auf die weltweit einflussreichste antisemitische Verschwörungstheorie, die schon 1921 als Fälschung entlarvten Protokolle der Weisen von Zion. Am 1. Mai 2017 veröffentlichte die Hamas ein Grundsatz- und Positionspapier, das die Charta von 1988 ergänzt bzw. nach Meinung einiger Kommentatoren sogar komplett ersetzt.
Ihr militärischer Arm verübt seit 1993 Selbstmordattentate und andere Angriffe, die überwiegend gegen israelische Zivilisten und Soldaten gerichtet sind. Sie wird juristisch von der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten, Israel und anderen – auch arabisch-muslimischen – Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft.
Seit ihrem Wahlsieg 2006 und dem bürgerkriegsartigen Kampf um Gaza im Juni 2007, der international überwiegend als Putsch der Hamas wahrgenommen wurde, regiert die Hamas im Gazastreifen, ohne sich erneut Wahlen zu stellen.
Am 7. Oktober 2023 startete die Hamas einen Angriff auf Israel, bei dem Terroristen in israelische Orte eindrangen, über 1200 Menschen ermordeten und über hundert Zivilisten verschleppten. Dabei verübte die Hamas zahlreiche Gewaltexzesse, darunter die Massaker auf einem Rave-Festival und im Kibbuz Kfar Aza. Außerdem wurden israelische Orte mit Tausenden von Raketen beschossen.
Internationale Einstufung
Die Hamas wird von Historikern, Politologen und Juristen in den meisten westlichen Staaten als terroristische Bewegung beschrieben. Folgende Staaten definieren sie offiziell als terroristische Vereinigung oder haben sich von der Organisation distanziert:
Ägypten | 2014 verbot ein Gericht der Hamas generell, in Ägypten landesweit zu operieren. 2015 stufte ein Gericht den militärischen Flügel der Hamas als Terrororganisation ein. |
Australien | Der militärische Flügel der Hamas, die Izz-ad-Din-al-Qassam-Brigaden, ist als terroristische Organisation gelistet. |
Deutschland | Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2004, die Hamas sei eine einheitliche Organisation, deren humanitäre Aktivitäten nicht von den terroristischen und politischen getrennt werden könnten. |
Europäische Union | Die Hamas ist unter den Organisationen aufgeführt, gegen die es Restriktionen gibt, um Terrorismus zu bekämpfen. Aufgrund verfahrensrechtlich unzureichender Belege wies der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom 17. Dezember 2014 die Europäische Union an, die Hamas nicht mehr in der Liste der terroristischen Organisationen zu führen. Am 26. Juli 2017 entschied der Europäische Gerichtshof zugunsten einer Neueinstufung der Hamas als terroristische Organisation, indem das Urteil eines unteren Hofes vom 17. Dezember 2014 für nichtig erklärt wurde.
Am 23. November 2021 hob der Europäische Gerichtshof das erstinstanzliche Urteil auf und beließ die Hamas auf der Liste der terroristischen Organisationen (AZ.: e C-833/19 P) |
Israel | Das israelische Außenministerium erklärt, dass die Hamas eine terroristische Infrastruktur in Gaza und dem Westjordanland unterhalte und bestrebt sei, terroristische Attacken in den Territorien und Israel auszuüben. (Hamas maintains a terrorist infrastructure in Gaza and the West Bank, and acts to carry out terrorist attacks in the territories and Israel.) |
Japan | Hat 2005 erklärt, es habe die Guthaben terroristischer Organisationen eingefroren, einschließlich der Hamas (terrorist organizations, including […] Hamas.) |
Jordanien | Die Hamas war ab 1999 bis 2011 verboten, Jordanien bezeichnete das Verbot jedoch später als Fehler. |
Kanada | Die Hamas wird beschrieben als eine radikale sunnitisch muslimische Terrororganisation (a radical Sunni Muslim terrorist organization). |
Österreich | In Österreich wird die Hamas auf Basis der Einschätzung der Europäischen Union ebenfalls als Terrororganisation eingestuft. Hamas Symbole dürfen in der Öffentlichkeit weder getragen noch verbreitet werden. |
Vereinigtes Königreich | Die Iz-al-Din-al-Qassem-Brigaden sind als terroristische Organisation gelistet. |
Vereinigte Staaten | Die Hamas ist als ausländische terroristische Organisation gelistet („Foreign Terrorist Organization“). |
Einige Länder stufen die Hamas nicht als terroristische Organisation ein oder pflegen Kontakte aus anderen Gründen:
Norwegen | Norwegen erkannte als erstes westliches Land die kurzlebige palästinensische Einheitsregierung aus Hamas und Fatah in 2007 an. Norwegische Vertretungen trafen dabei verschiedene Male Vertretungen der Hamas. Auf einen Versuch der USA, Norwegen von Kontakten mit der Hamas abzuraten, antwortete der norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre 2006, Norwegen wisse, dass die USA und die EU durch ihre Listen von Terrororganisationen gesetzlich verpflichtet seien, vom Kontakt abzuraten, aber man müsse in der Lage sein, unabhängig darüber zu entscheiden. (We know that the USA and the EU have legal obligations since they have Hamas on their terrorist list. We must be able to take an independent decision about contact.) |
Katar | Katar ist der wichtigste finanzielle Unterstützer und ausländische Verbündete der Hamas. |
Russland | Russland hat die Hamas nicht zur terroristischen Organisation erklärt. Es ist das einzige größere Land, das direkte Gespräche mit der Hamas führt, seit sie die palästinensischen Wahlen gewonnen hat. Russland verteidigt diese Haltung damit, dass es beabsichtige, Druck auf die Hamas auszuüben, damit sie Gewalt ablehne und Israel anerkenne. |
Schweiz | Die Schweiz unterhält Kontakte zur Hamas, da sie – ähnlich wie Norwegen – im Rahmen der schweizerischen Neutralität den Kontakt zu den meisten Akteuren im Nahen Osten aufrechterhält. Diese Kontakte sind in der Schweiz nicht unumstritten. |
Türkei | Die Türkei stuft die Hamas nicht als terroristische Organisation ein. Premier Erdoğan bezeichnete deren Mitglieder 2010 als Freiheitskämpfer, die ihr Land verteidigten. |
Organisation für Islamische Zusammenarbeit | Die Organisation sieht militante Angriffe von Menschen, die unter Besatzung leben, generell nicht als Terrorismus. Die Organisation hat 57 Mitgliedsstaaten. |
- Vereinte Nationen
Am 6. Dezember 2018 brachte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, eine Resolution in die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein, die erstmals die Hamas direkt verurteilen sollte. Im Resolutions-Entwurf stand unter anderem, die Hamas stifte Gewalt, sie habe wiederholt Raketen auf Israel abgefeuert und bringe damit Zivilisten in Gefahr. Sie verwende ihre Ressourcen im Gazastreifen zum Bau militärischer Infrastruktur einschließlich Tunneln zur Infiltration Israels. 87 der insgesamt 193 in der Vollversammlung vertretenen Länder, darunter Deutschland, stimmten am 6. Dezember 2018 für die Resolution, 58 dagegen, 32 enthielten sich. Vor der Abstimmung über den US-Resolutionsentwurf hatte Kuwait im Namen der arabischen Staaten gefordert, die Hürde für eine Annahme auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit hinaufzuschrauben. Diesem Antrag wurde mit sehr knapper Mehrheit zugestimmt. Obwohl die Mehrheit für die Resolution gestimmt hatte, galt dadurch die Resolution als abgelehnt, weil die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreicht worden ist.
Vorgeschichte
Erster arabisch-israelischer Krieg
1946 gründete die ägyptische Muslimbruderschaft einen palästinischen Zweig in Ostjerusalem. Unter den etwa 1000 Gründungsteilnehmern hatten sich viele am arabischen Aufstand in Palästina von 1936 bis 1939 beteiligt. Sie erklärten die Beschneidung der Rechte arabischer Palästinenser zur Gefahr für alle Muslime. Sie lehnten den UN-Teilungsplan für Palästina von 1947 ab und bereiteten daraufhin einen als Dschihad aufgefassten bewaffneten Kampf gegen jüdische Siedler vor.
Diese Mudschahedin nahmen 1948 am Palästinakrieg von sechs arabischen Staaten gegen das neugegründete Israel teil. Nach der Niederlage der Angreifer und dem Zustrom von über 700.000 Flüchtlingen in die von Jordanien und Ägypten eroberten Gebiete konzentrierten sich die Muslimbrüder dort auf den allmählichen Aufbau eines Netzwerks zur religiösen Erziehung, die sie als Mittel zur einstigen Rückgewinnung der von Israel eroberten Gebiete ansahen. Sie lehrten Islam und Rückkehr in die verlorene Heimat als gleich wesentlich für palästinensische Identität.
In den 1950er und 1960er Jahren dominierte jedoch der säkulare arabische Nationalismus Ideen und Programme der meisten Palästinensergruppen. Sie hofften, Israel in einem gemeinsamen neuen Krieg aller Araber militärisch schlagen zu können. Ägypten unterdrückte nationalistische und islamistische Tendenzen im von ihm verwalteten Gazastreifen, öffnete aber zugleich seine Universitäten für Palästinenser, die dort eine weltoffene und multikulturelle Ausbildung erhielten. Im nun von Jordanien besetzten Westjordanland wiederum verhielt sich die Muslimbruderschaft unpolitisch und loyal zum Königshaus.
Islamisierung nach Sechstagekrieg
Nachdem Israel im Sechstagekrieg 1967 diese Gebiete Palästinas besetzt hatte, mussten sich die Palästinenser erneut reorganisieren. Die Muslimbruderschaft ergriff im Gazastreifen die Chance zu einer organisatorischen Ausdehnung. Sie verzichtete auf den politischen Dschihad und konzentrierte sich auf die Islamisierung der eigenen Gesellschaft, etwa durch den Bau zahlreicher Moscheen und Koranschulen.
Dabei grenzte sie sich gegen säkulare, linksgerichtete, als westliche Einflüsse verstandene Ideen ab, wie sie auch die 1964 gegründete Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) vertrat. Dazu gründete Yasin im Flüchtlingslager Schati 1967 die Organisation Al-Mudschama, die mit neuer, als islamisch propagierter Mode – Kopftücher und Ganzkörperschleier für Frauen, Anzüge für Männer – ihre Einnahmen erzielte und das Zusammengehörigkeitsgefühl so gekleideter Muslime förderte.
Diese Gruppe war streng hierarchisch organisiert und hatte Abteilungen für Religion, Wohlfahrt, Erziehung, Soziales, Medizin und Sport. Sie dehnte sich rasch im Gazastreifen und im Westjordanland aus:
- bildete Moscheeprediger aus und ernannte sie,
- gab Kindern und Jugendlichen Religionsunterricht,
- vermittelte Kontakte zwischen reichen und armen Familien,
- finanzierte Hausreparaturen,
- half ehrenamtlich bei Straßenreinigung und Festen,
- bot Handarbeitskurse für junge Frauen an,
- vergab Stipendien für ein Studium der Scharia in Saudi-Arabien,
- betreute Jugendtheatergruppen, gründete Sportclubs und Pfadfindergruppen,
- organisierte Sportturniere und Sommerlager.
Drüber hinaus unterhielt sie spendenfinanzierte Arztpraxen, darunter eine Entbindungsstation, sowie eine Bibliothek und Kindergärten. Ein Schlichtungskomitee vermittelte bei lokalen Streitigkeiten.
Verhandlungsbereitschaft von Arafat
1974 erklärte PLO-Führer Jassir Arafat erstmals seine Bereitschaft, Israel unter Umständen anzuerkennen. Auch in Reaktion darauf wuchs der Einfluss des fundamentalistischen Islam etwa von Sayyid Qutb an ägyptischen Universitäten.
1976 gründete die palästinensische Muslimbruderschaft unter Yasin in Gaza-Stadt das Islamistische Zentrum, das im folgenden Jahrzehnt zur Machtzentrale aller islamistischen Gruppen und Einrichtungen im Gazastreifen wurde.
Kandidaten dieses Zentrums gewannen allmählich Leitungspositionen in Berufsverbänden, der Universität Gaza und anderen, bisher von Linksnationalisten dominierten Institutionen. Durch moralische und soziale Hilfen, Bekämpfung der Korruption und Gemeinschaftsprojekte gewann die Muslimbruderschaft im Gazastreifen eine breite und solide Basis in der Bevölkerung.
1979 erlaubte Israel die Al-Mudschama und weitere lokale Ableger dieser Gruppe. In den 1980er Jahren sollen israelische Behörden den Aufstieg der Islamisten im Gazastreifen als Gegengewicht zur Fatah aktiv gefördert haben. Dies wurde in Israel in den 1990er Jahren öffentlich diskutiert.
Islamische Revolution im Iran
Inspiriert von der islamischen Revolution im Iran 1978, spalteten sich radikalere sunnitische Islamisten von der Muslimbruderschaft Ägyptens und propagierten den bewaffneten Terrorkampf, zunächst gegen die als prowestlich geltenden Regimes arabischer Staaten, dann auch gegen Israel zur Rückeroberung ganz Palästinas.
In Ägypten verfolgte radikale Islamisten der Gruppe Al-Dschihad gelangten nach Gaza und gründeten 1981 dort die Gruppe Al-talia al-islamiya („Die islamische Vorhut“), die der Al-Mudschama mit ähnlichen Mobilisierungsmethoden Konkurrenz machte. Auch die Fatah gründete daraufhin im Gazastreifen die bewaffneten „Brigaden des Islamischen Dschihad“ und förderte zudem im Westjordanland die „Islamische Gruppe“. Islamisten aus diesem Umfeld begingen 1983 Mordanschläge auf israelische Zivilisten.
Die 1978 gegründete Islamische Universität in Gaza-Stadt gelangte 1983 unter islamistische Führung, nachdem Al-Mudschama-Anhänger den zur PLO gehörenden Präsidenten gewaltsam vertrieben hatten. Im selben Jahr begann Yasin, durch geheime Kooperation mit der Muslimbruderschaft im Westjordanland Waffen zu beschaffen, um damit eine Untergruppe seiner Al-Mudschama, die „Palästinensischen Heiligen Krieger“, auszurüsten.
Einige seiner Anhänger brachen in ein Waffenlager der Armee Israels ein; diese fand einen Teil der Beute bei einer Durchsuchung im Haus Yasins. Er wurde wegen Vorbereitung der Vernichtung Israels von einem Militärgericht zu 13 Jahren Haft verurteilt, kam aber schon nach 11 Monaten bei einem Gefangenenaustausch frei.
1986 gründete er die weitere bewaffnete Untergruppe al-Madschd: Ihre Mitglieder sollten „unislamisches Verhalten“ von Palästinensern ausspähen und bestrafen. Sie blieben anonym, kannten und trafen einander nicht.
1987 verübten sie erste Brandanschläge auf Videotheken, deren Inhaber sie des Handels mit Pornografie verdächtigten; später ermordeten sie Palästinenser wegen angeblicher Kollaboration mit Israel. Yasin hatte Kollaborateuren mit einer Fatwa die Todesstrafe angedroht.
Erste Intifada & Etablierung der „HAMAS“
Nach Beginn der Ersten Intifada trafen sich die palästinensischen Muslimbrüder am 9. Dezember 1987 in Gaza-Stadt und beschlossen eine Abkehr von der bisherigen politischen Enthaltsamkeit und die Teilnahme an der Intifada.
Eines ihrer Flugblätter rief die Bevölkerung des Gazastreifens am 14. Dezember 1987 zum „Widerstand gegen die israelische Besatzung“ auf und trug erstmals die Unterschrift der Ḥarakat al-muqāwama al-islāmiyya, noch ohne das Akronym HAMAS.
Deren Gründung sollte die palästinensische Muslimbruderschaft davor bewahren, im Falle des Scheiterns der Intifada ihre Macht einzubüßen. Erst auf dem vierten Flugblatt, das am 16. Februar 1988 erschien, gab sich die „Bewegung des Islamischen Widerstands“ als „mächtiger Arm“ der Muslimbruderschaft zu erkennen.
Angebliche Unterstützung durch Israel
Einige Publikationen und Personen behaupten die Unterstützung der Hamas Ende der 1980er Jahre durch Israel. So schrieb der aus Israel stammende Professor für Internationale Beziehungen an der University of Oxford im Vereinigten Königreich, Avi Shlaim, in der Zeitung The Guardian Anfang 2009:
“In the late 1980s, Israel had supported the nascent Hamas in order to weaken Fatah, the secular nationalist movement led by Yasser Arafat.”
Nach anderen Quellen fällt die Zusammenarbeit in die Zeit von 1967 bis 1975, die die Hamas in ihrer Selbstbeschreibung „Moscheebau-Periode“ nennt. In einem Gespräch mit David Shipler, dem früheren Nahostkorrespondenten der New York Times, erzählte der damalige israelische Militärgouverneur des Gazastreifens, Brigadegeneral Yitzhak Segev, dass er die Hamas als Gegenspieler der PLO und der Kommunisten finanziell unterstützt habe: „Die israelische Regierung gab mir ein Budget, und die Militärregierung übergab sie an die Moscheen.“ Shipler ergänzte im Jahr 2002: „Diese frühe Finanzierung säte die Saat von Hamas und anderen islamischen Bewegungen, die mit Terrorismus den israelisch-palästinensischen Friedensprozess untergruben.“
Die Gewährung finanzieller Hilfen Israels an die Hamas wird heute von beiden Seiten kategorisch abgestritten. Der Journalist Ulrich W. Sahm gibt dazu eine Aussage des israelischen Brigadegenerals a. D. Schalom Harari im Jahr 2011 wie folgt wieder:
„Im Dezember 1987 wurde die HAMAS gegründet. Bis heute habe ihm [Schalom Harari] kein Offizier oder Politiker den gewünschten Beweis [für die Unterstützung der Hamas durch Israel] geliefert. Er hält es für ein Märchen, dass Israel mit der HAMAS ein politisches Gegengewicht zur PLO schaffen wollte.“
Ideologie
Gründungscharta
Am 18. August 1988 veröffentlichte die Hamas ihre Gründungscharta. Darin sind Ideologie und strategische Überlegungen vereint. Die Charta stellt laut Colin Shindler, Dozent für moderne Judaistik an der Universität London, eine Synthese aus der Bildersprache des Korans, historischer Tatsachenverdrehung und ungetrübtem Antisemitismus her. Auf die Protokolle der Weisen von Zion wird ungeachtet ihres Fälschungscharakters in diesem Dokument mehrfach Bezug genommen, um damit ein dämonisierendes Charakterbild vom Weltjudentum zu erstellen.
Artikel 8 enthält die Losung der Hamas: „Allah ist ihr Ziel, der Prophet ihr Vorbild, der Koran ihre Verfassung, der Dschihad ihr Weg und der Tod für Gott ihr hehrster Wunsch.“ Palästina umfasst für die Charta die gesamte Region inklusive Israels und Teilen Jordaniens. Israel wird als „zionistisches Gebilde“ bezeichnet, dessen „islamisches Heimatland“ (Waqf) niemals Nicht-Muslimen überlassen werden dürfe, weil es bis zum Tag des Jüngsten Gerichts den Muslimen anvertraut worden sei (Art. 11). Deshalb sei es die religiöse Pflicht (fard `ain) eines jeden Muslims, für die Eroberung Israels zu kämpfen. Diese Ideologie wird theologisch mit Koranzitaten begründet. Sie verneint das Existenzrecht Israels und impliziert die Auflösung dieses Staates und jeder nichtreligiösen palästinensischen Verwaltungsbehörde.
Verhandlungen und Konferenzen lehnt die Hamas als für die Anliegen der Palästinenser untaugliche „Zeitverschwendung“ und „vergebliche Bemühungen“ ab. Sie seien „nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen“. Doch für Palästina gebe es keine andere Lösung als den Dschihad; dabei sei „die Vernachlässigung irgendeines Teils von Palästina gleichbedeutend mit Vernachlässigung des islamischen Glaubens“. „Sogenannte Friedenslösungen und internationale Konferenzen“ stünden „im Widerspruch zu den Prinzipien der islamischen Widerstandsbewegung“ (Artikel 13).
Deshalb kritisiert die Charta die weltliche Agenda der PLO und deren Zustimmung zu den UN-Resolutionen 242 und 338, mit denen die PLO den Staat Israel 1988 anerkannte. Andererseits bezeichnet die Charta die PLO als Vater, Bruder, Verwandten oder Freund der islamistischen Bewegung und betont, sie habe die gleichen Ziele, dasselbe Schicksal und den gemeinsamen Feind.
Die Charta akzeptiert andere Religionen in der Region nur unter den „Fittichen des Islams“. Nur unter ihm könnten die „Anhänger anderer Religionen sicher und unter dem Schutz von Lebensart, Eigentum und Rechten leben“. Ohne den Islam komme Uneinigkeit auf und gedeihten Ungerechtigkeit und Korruption (Art. 6). In Artikel 31 heißt es daher: Nur unter den Fittichen des Islams bekämen Recht und Ordnung die Oberhand. Der Ausdruck „unter den Fittichen des Islams“ bedeutet, dass Nicht-Muslime als Dhimmi innerhalb eines islamischen Staates gegen die Entrichtung einer speziellen Kopfsteuer (Dschizya) zwar vor Verfolgung geschützt sind und in religiösen Fragen ihren eigenen Autoritäten unterstellt sind (z. B. Heirat, Scheidung), gegenüber Muslimen jedoch als Bürger zweiter Klasse gelten. Dieses äußert sich z. B. dadurch, dass ihre Aussage vor Gericht weniger gilt, sie keine Waffen tragen dürfen usw.
Artikel 7 der Charta erklärt das Töten von Juden – nicht nur von jüdischen Bürgern Israels oder Zionisten – zur unbedingten Pflicht jedes Muslims, indem sie sie zur Voraussetzung für das Kommen des Jüngsten Gerichts erklärt:
„Die Stunde des Gerichtes wird nicht kommen, bevor Muslime die Juden bekämpfen und töten, so dass sich die Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken, und jeder Baum und Stein wird sagen: 'Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn!'“
In Artikel 22 übernimmt die Charta die in Europa entstandene antisemitische Verschwörungstheorie vom Weltjudentum als Tatsache: Die Protokolle der Weisen von Zion seien echt, die Freimaurer, der Lions Club und der Rotary-Club arbeiteten insgeheim „im Interesse der Zionisten“. Die Juden seien für die Französische Revolution, den „westlichen Kolonialismus“, den Kommunismus und die Weltkriege verantwortlich: „Es gibt keinen Krieg, wo sie nicht ihre Finger im Spiel haben…“
Daraus folgert Artikel 32:
„Den Kreis des Konflikts mit dem Zionismus zu verlassen ist Hochverrat. Alle, die das tun, sollen verflucht sein. 'Wer immer ihnen den Rücken zukehrt […] zieht sich den Zorn Allahs zu, und seine Wohnung soll die Hölle sein … (Koran, 8:16)“
Der Weltzionismus trachte im Verein mit imperialistischen Mächten durch eine ausgeklügelte Strategie danach, die arabischen Staaten nacheinander aus dem Kämpferkreis gegen den Zionismus auszuschließen, um dann ausschließlich dem palästinensischen Volk gegenüberzustehen. Ägypten habe man zum Beispiel durch das heimtückische Camp-David-Abkommen aus der anti-israelischen Front herausbrechen können. Zionisten strebten nach weltweiter Expansion.
Rezeption
Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel bezeichnete die Charta der Hamas 2008 als „das bis heute wohl wichtigste Manifest des Islamismus“. Sari Nusseibeh, der palästinensische Präsident der al-Quds-Universität zu Jerusalem, beurteilte besonders den antisemitischen Teil der Charta: Er klinge wie ein direktes Zitat aus dem nationalsozialistischen Hetzblatt Der Stürmer.
Ob die Charta die Hamas-Positionen noch bestimmt, wurde nach ihrem Wahlerfolg 2006 verschiedentlich bezweifelt. Laut MEMRI ist die arabische Originalfassung der Charta nur schwer aufzutreiben. Eine Befragung von Hamas-Aktivisten und -Abgeordneten durch die Jerusalem Post ergab, dass viele die antisemitischen Aussagen der Charta nicht kannten. Der Historiker Khaled Hroub sieht neuere Dokumente der Hamas wie ihr Wahlmanifest von 2005 als Abweichung von Positionen der Gründungscharta. Diese ist jedoch nie verändert worden. Aufrufe zum Mord an Juden und zur Zerstörung des zionistischen Gebildes von Hamasvertretern zeigten, dass sie die Ziele der Charta nach wie vor verfolgen.
Holocaustleugnung
Als Antwort auf eine Konferenz über den Holocaust vom Januar 2000 in Stockholm bezeichnete ein Text der Hamas den Holocaust als zionistische Geschichtsfälschung. Abd al-Aziz ar-Rantisi, einer der Gründer und zwischenzeitlich der Führer der Hamas, bezeichnete den Holocaust als die größte aller Lügen, als Propaganda, die die Zionisten über die Medien verbreiteten. Er führte zudem aus, dass die Ermordung vieler Juden durch die Nationalsozialisten von den Zionisten unterstützt worden sei, um die Juden zum Auswandern nach Palästina zu zwingen. Er behauptete außerdem, dass die Nationalsozialisten finanziell von den Zionisten unterstützt worden seien.
2008 distanzierte sich jedoch Bassem Naeem, der Informations- und Gesundheitsminister der Hamas-Regierung im Gazastreifen, in einem britischen Zeitungsartikel von der Holocaustleugnung.
2009 und 2011 erhob die Hamas vehementen Einspruch gegen die Thematisierung des Holocausts an Schulen der UNRWA, einer UN-Organisation, die im Gazastreifen Schulen unterhält. In einer Stellungnahme eines Hamas-Sprechers des Ministeriums für Flüchtlingsangelegenheiten hieß es u. a., damit würde „das Denken der Schüler vergiftet“.
Organisation
Struktur
Die Hamas ist lose in Organisationen strukturiert, die sowohl im Geheimen als auch öffentlich in Moscheen und sozialen Hilfseinrichtungen arbeiten, um Mitglieder zu werben, Gelder zu sammeln und Aktivitäten zu organisieren. Eines der wichtigsten Organe ist der Schūrā-Rat, von dem nur wenige Mitglieder bekannt sind. Der Rat bestimmt die Strategie und wählt die Führung, zum Beispiel die Mitglieder des Politbüros. Neben dem nationalen Schūrā-Rat stellt das Politische Büro das zweite zentrale Organ des politischen Arms der Hamas dar. Besonders unter Palästinensern, die im Gazastreifen leben, erfreut sich die Hamas großer Beliebtheit. Aber auch im Westjordanland und – in geringerem Maße – in anderen Staaten des Nahen Ostens (einschließlich Israels) findet sie Unterstützer. Diese Beliebtheit beruht auch auf ihren sozialen Dienstleistungen und der Hoffnung selbst langjähriger Fatah-Parteigänger und Aktivisten, durch die Hamas werde ein Ende der Korruption in der alten Arafat-Partei und so eine Erneuerung der politischen Landschaft möglich.
Verschiedene Hamas-Organisationen haben sowohl politische als auch gewaltsame (einschließlich terroristischer) Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele angewandt (wie etwa Selbstmordattentate). Die Hamas betrachtet alle diese Handlungen als legitimen „Widerstand“ gegen die „Besatzungsmacht“ Israel. Im militärischen Flügel der Hamas sind verschiedene Gruppierungen vertreten:
- die Studenten Ayyaschs, die Studenteneinheiten des Ingenieurs Yahya Ayyasch (im Gedenken an Yahya Ayyasch, verantwortlich für den Tod von mehr als 50 Israelis; er wurde 1996 vom Schin Bet mit einem präparierten Handy getötet),
- die Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Brigaden bzw. -Bataillone (im Gedenken an Scheich Izz ad-Dīn al-Qassām, getötet von den Briten 1935).
- die Exekutiv-Einheiten, die als etwa 6000 Mann starke Sicherheitstruppe (Stand: Juni 2007) von Ismail Haniyya, dem 2006 von der Hamas gestellten Premier der palästinensischen Einheitsregierung, aufgestellt wurden. Die Exekutiv-Einheiten stehen in Konkurrenz zu den von Präsident Mahmud Abbas kontrollierten Polizei-, Militär- und Fatah-Milizeinheiten. Diese Truppe war maßgeblich am Sieg der Hamas über die Fatah im Gazastreifen im Juni 2007 beteiligt.
Die Hamas wirbt ständig um Mitglieder in Moscheen und Universitäten. Eine Schätzung geht von 80.000 Mitgliedern aus, der harte Kern der Hamas wird auf 300 bis 3.000 Mitglieder geschätzt. Was die Gender-Verteilung in den politischen Führungsstrukturen anlangt, so ist das Politische Büro ausschließlich mit Männern besetzt, doch sind Frauen in externe politische Strukturen eingebunden: So zogen Hamas-Frauen nach den Wahlen von 2006 in Kommunalräte und in den Palästinensischen Legislativrat ein.
Die Hamas und ihre Unterorganisation, die Kassam-Brigaden, werden von der EU, Australien, Kanada, Israel, den USA, Japan und anderen, vor allem westlichen Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Außenminister der EU setzten 2003 die Hamas selbst und deren politischen Arm auf die Liste terroristischer Vereinigungen. Hamas-Anhänger können seitdem strafrechtlich verfolgt und ihre Konten eingefroren werden.
Die Behörden in Jordanien schlossen 1999 das Hamas-Büro in Amman. Die Mitglieder des Politbüros wurden festgenommen und ausgewiesen. Im April 2006 wurden nach Angaben der jordanischen Regierung Mitglieder der Hamas in Jordanien verhaftet, die auf Anweisung der syrischen Exilführung der Hamas Attentate in Jordanien ausführen sollten. Im jordanischen Fernsehen wurden Waffenlager gezeigt, die nach Behördenangaben durch die Hamas angelegt worden waren. Im November 2011 bezeichnete die Regierung die Ausweisung als Fehler, im Januar 2012 folgte ein erster offizieller Empfang des Politbüro-Chefs der Hamas durch den jordanischen König.
Führung
Der Mitbegründer und geistige Führer der Hamas, Scheich Ahmad Yasin, wurde am 22. März 2004 bei einem Raketenangriff durch die israelische Luftwaffe im Rahmen der so genannten Operation Stabwechsel gezielt getötet. Wenige Tage später wurde Yasins Stellvertreter, der Kinderarzt Abd al-Aziz ar-Rantisi, in Gaza zum neuen „Generalkommandanten“ proklamiert. Kurz darauf tauchte er in den Untergrund ab. Er vertrat wie Yasin die Ansicht, dass Terroranschläge ein legitimes Mittel „im Befreiungskampf gegen Israel“ seien. Knapp einen Monat nach seinem Aufstieg zum Hamasführer am 17. April 2004 wurde Rantisi wie Yasin von der israelischen Armee gezielt getötet. Rantisi stand für den radikalen Flügel der Organisation und hatte im Sommer 2003 die Hudna (befristeter Waffenstillstand) abgelehnt. Bekannt wurde er als Sprecher von 400 in den Libanon deportierten Kämpfern und durch seine Kontakte zur Hisbollah und zum Iran.
Nach den gezielten Tötungen durch das israelische Militär ernannte die Hamas keinen alleinigen Anführer der Organisation mehr. Als neues Zentrum galt seither die syrische Hauptstadt Damaskus. Dort hielt sich unter anderem der einflussreiche Chef des Politbüros der Hamas, Chalid Maschal, auf. Während eine weitere Führungsfigur der Hamas, Mahmud az-Zahar, als Hardliner bekannt ist, gilt Ismail Haniyya, der während der palästinensischen Regierung der Nationalen Einheit von 2006 bis 2007 Ministerpräsident war, als gemäßigter Pragmatiker. Oberbefehlshaber des militärischen Flügels der Hamas in Gaza war bis 2012 Ahmed al-Dschabari als Nachfolger von Mohammed Deif. Ein weiteres hochrangiges Mitglied ist Usama al-Mazini, der als religiöser Führer gilt.
Während der israelischen Operation Gegossenes Blei traten Spaltungen und Richtungsstreitigkeiten in der Organisation zutage.
Im Zuge des Bürgerkriegs in Syrien verließ die Exilführung der Hamas Anfang 2012 Damaskus. Der Vorsitzende des Hamas-Politbüros, Chalid Maschal, zog nach Katar, Stellvertreter Mussa Abu Marzouk nach Kairo. Die Hamas beendete ihre Kontakte zur syrischen Regierung und stellte sich auf die Seite der Rebellen. Damals wurden Katar und – bis zum Umsturz 2013 – Ägypten mit dem Wahlsieg der Muslimbrüder wichtige Unterstützer. Stand 2023 hat die politische Führung ihren Sitz in Katar. Der luxuriöse Lebensstil der politischen Führungselite der Hamas wird auch von Katar finanziert.
Im Mai 2017 wählte die Schura der Hamas Ismail Haniyya, bisher Stellvertreter von Chalid Maschal, zum neuen Vorsitzenden ihres politischen Büros. Seither festigten sich die unterbrochenen Beziehungen der Bewegung zu Syriens Regierung wieder.
Finanzierung
Finanziert wurde die Hamas, wie schon ihre Vorgängerorganisation, die Muslimbruderschaft, während der 1970er und 1980er Jahre direkt und indirekt durch verschiedene Staaten, einschließlich Saudi-Arabien und Syrien. Heute kommen finanzielle Mittel von exilierten Palästinensern, vom Iran und Katar, sowie von privaten Unterstützern aus arabischen Staaten. Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa Al Thani, war das erste Staatsoberhaupt, das 2012 die Hamas-Regierung besuchte. Einer Schätzung von 2021 zufolge hatte das Emirat 1,5 Milliarden Euro an die Hamas überwiesen. Finanzierungs- und Propaganda-Aktivitäten finden auch in Westeuropa und den Vereinigten Staaten statt.
Seitdem die Finanzierung der palästinensischen Regierung durch den Westen eingestellt wurde – arabische Banken zahlen, wegen der Boykottdrohung der USA, der Hamas kein Geld aus –, bemüht sich die Hamas verstärkt, Bargeld ins Land zu bringen. So wurde am 19. Mai 2006 Sami Abu Zuhri, Sprecher der Hamas, am Grenzübergang des Gazastreifens zu Ägypten festgehalten, er hatte 900.000 Euro in bar bei sich. Wenige Tage zuvor wurde Außenminister Mahmud Asahar aus Kuwait eine halbe Million Euro gestohlen. Die EU hatte die Kontrolle der Grenzen des Gazastreifens gegen Waffenschmuggel und Eindringen unerwünschter Personen übernommen, eine Bedingung des israelischen Staates für den Abzug aus dem autonomen Gebiet. Infolge des Grenzzwischenfalles wurden Truppenbewegungen der Qassam-Brigaden, einem militanten Flügel der Hamas, am Grenzübergang beobachtet.
Als Organisationen, die die Hamas finanziell unterstützen, werden in Europa verdächtigt: das Comité de Bienfaisance et de Secours aux Palestiniens (CBSP) in Frankreich, die Association de Secours Palestinien (ASP) in der Schweiz, The Palestine Relief and Development Fund (Interpal) in Großbritannien, die Palästinensische Vereinigung in Österreich (PVÖ), Sanabil Al-Aqsa in Schweden und die Al-Aqsa-Stiftung in Deutschland, Dänemark, Belgien und den Niederlanden. Die Organisationen wurden 2003 vom US-Finanzministerium und von der EU benannt. In seiner „Kampagne der 101 Tage“ sammelte Yusuf al-Qaradawi im Jahr 2000 die Unterstützung von über fünfzig Hilfsorganisationen, neben den vorgenannten auch von „Muslim Aid“, der World Assembly of Muslim Youth (WAMY), der „International Islamic Relief Organization“ (IIRO) und der türkischen İHH. Der Dachverband dieser Hilfsorganisationen wurde 2001 unter dem Namen „Bund des Guten“ bzw. Union of Good (arabisch ائتلاف الخير i'tilāf al-Chair) gegründet. Er steht unter der Leitung von al-Qaradawi und wurde im November 2008 in der Executive Order 13224 des US-Finanzministeriums als Organisation zur Unterstützung des Terrorismus gelistet.
Von in Deutschland lebenden Angehörigen der palästinensischen Muslimbruderschaft wurde 1981 der „Islamische Bund Palästina“ (IBP) im Islamischen Zentrum München gegründet. Er vertrat seit der ersten Intifada 1987 bis ca. 2003 offen die Positionen der Hamas. Der IBP, der selbst kein eingetragener Verein ist, hat ca. 300 Mitglieder und nutzte als Treffpunkt das „Islamische Kultur- und Erziehungszentrum Berlin e. V.“ (IKEZ), wo im Juni 2000 auch der 19. Jahreskongress des IBP stattfand. Der IBP sammelte über den 1991 in Aachen gegründeten Verein „al-Aqsa e. V. “ auch Spendengelder zur Unterstützung der Intifada. Bundesinnenminister Otto Schily verbot am 5. August 2002 den Verein als terroristische Vereinigung. Die Ermittler durchsuchten daraufhin das Vereinslokal und Wohnungen von Vorstandsmitgliedern und beschlagnahmten das Vereinsvermögen auf Konten in Aachen und Köln in Höhe von 300.000 Euro. Am 3. Dezember 2004 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Verbots. Der Verein wurde aufgelöst. Am 5. September 2005 wurde die Nachfolgeorganisation „Yatim Kinderhilfe e. V.“ in Essen verboten.
Die 1993 gegründete „Palästinensische Vereinigung in Österreich“ (PVÖ) wurde im August 2003 vom US-Finanzministerium als eine Hilfsorganisation der Hamas bezeichnet und wird nach amerikanischen Angaben durch den österreichischen Repräsentanten der Hamas geleitet. Im Rahmen des – letztlich erfolglosen – österreichischen gerichtlichen Verbotsverfahrens geriet die PVÖ stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und sammelt seit 2003 keine Spenden mehr. Im gleichen Zeitraum bildete sich der „Palästinensische Humanitäre Verein“ (PHV), der teilweise dieselben Adressen wie die PVÖ verwendet, aber weniger in die Öffentlichkeit tritt und als Vereinszweck die Durchführung humanitärer Hilfsleistungen angibt. Im Jahr 2006 will die PHV 784.470 Euro an palästinensische Wohltätigkeitsorganisationen oder direkt an bedürftige Familien überwiesen haben. Während die CIA annimmt, dass die PHV palästinensische Organisationen unterstützt, die mit der Hamas in Verbindung stehen, gab der PHV-Obmann an, er schließe dies aus. Laut Vereinsregister ist Obmann der PHV Hani Abdelhalim und Obmann der PVÖ Adel Doghman (alias Abu-al-Baraa, Adil Abdullah oder Abu Barah). Beide sind bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft als Islamlehrer angestellt. Doghman organisierte im März 2007 das „Erste Europäische Palästinenser-Jugendlager in Wien“, zu dem über 100 meist palästinensische Jugendliche aus mehreren europäischen Ländern anreisten. Doghman wies in einem Interview 2006 jede Verbindung zur Hamas zurück.
In der Türkei finden unter der Regierung Erdoğan zahlreiche NGO-Konferenzen „zur Unterstützung Palästinas“ statt, die nach einer Veröffentlichung von Depeschen US-amerikanischer Botschaften durch WikiLeaks der Sammlung von Spenden für die Hamas dienen.
Nach einem Bericht von Forbes Israel rangiert die Hamas mit einem Jahresumsatz von 1 Milliarde US-Dollar auf Platz zwei der reichsten Terror-Organisationen der Welt.
Im August 2016 berichten verschiedene Medien von der Festnahme des Leiters von World Vision Gaza, Mohammed el-Halabi in Gaza. Nach 50 Tagen in israelischem Staatsgewahrsam wurde er angeklagt, die Hamas unterstützt zu haben. In seiner Funktion als Mitarbeiter von World Vision/Gaza habe er in den vergangenen Jahren bis zu 45 Millionen Euro, statt für Hilfsprojekte in Gaza, an die Hamas weitergeleitet zu haben (ein Betrag, der größer wäre als das gesamte Gazabudget von World Vision während dieser Zeit). Diese habe davon Tunnelanlagen gebaut und Waffenkäufe getätigt. Mohammad bekannte sich in allen gegen ihn erhobenen Anklagepunkten nicht schuldig. Als Reaktion auf die Anschuldigungen stellten die Regierungen von Australien und Deutschland weitere Hilfsgelder für World Vision ein.
Mit ausdrücklicher Duldung Israels wurde der unter der Kontrolle der Hamas stehende Gazastreifen über Jahre hinweg von Katar finanziert. Offiziell erhofften sich Netanjahu-Regierungen durch die Finanzierung eine Anhebung und Stabilisierung des Lebensstandards im Gazastreifen und damit wiederum, dass sich die Bevölkerung politisch mäßigt. Der ehemalige Vize-Ministerpräsident und Justizminister Israels, Chaim Ramon schreibt in seinem 2020 auf Hebräisch herausgegebenen Buch „Neged Haruach“, dass zwischen 2012 und 2018 Netanjahu Katar die Zustimmung gab, eine Summe von etwa einer Milliarde Dollar nach Gaza zu überweisen, von der mindestens die Hälfte Hamas erreichte, einschließlich ihres militärischen Flügels. Laut der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post erklärte Netanjahu in einem privaten Treffen mit Mitgliedern seiner Likud-Partei am 11. März 2019 den Schritt wie folgt: Die Geldüberweisung sei Teil der Strategie, die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland zu spalten. Jeder, der gegen die Gründung eines palästinensischen Staates wäre, müsse die Überweisung des Geldes aus Katar an Hamas unterstützen. Auf diese Weise würde die Gründung eines palästinensischen Staates vereitelt werden.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Hamas nutzt für ihre Öffentlichkeitsarbeit neben den klassischen Printmedien auch Radio, Fernsehen und Internet. Hierzu gründeten die Hamas das Unternehmen Al Ribat Communications and Artistic Productions, mit Fathi Ahmad Hammad als Geschäftsführer.
Nach dem für die Hamas erfolgreichen Wahlausgang im palästinensischen Parlament gründete die Hamas einen Satellitensender „Al-Aqsa TV“ (auch „Hamas TV“ genannt). Er wird von Fathi Ahmad Hammad geleitet. Das Programm enthält vorwiegend propagandistische Inhalte wie ideologisch orientierte Kindersendungen, Talk-Shows und religiös inspirierte Unterhaltung.
Der von der Hamas betriebene Radiosender „Stimme von Al Aqsa“ wird durch den Chefintendant Ibrahim Daher geleitet. Die Hamas gibt zudem zweimal wöchentlich die Zeitungen „Al-Risalah“ (bzw. „Al-Risala“) und „Falastin“ heraus. Im von der Fatah kontrollierten Westjordanland sind diese Hamas-Zeitungen seit 2007 verboten.
Entwicklung bis 2006
Im Sinne der Gründungscharta lehnte die Hamas etwa die Nahostkonferenz von Madrid im Jahre 1991 und den Oslo-Friedensprozess als „Verrat am Willen Gottes“ ab. Sie behauptet zudem, dass Arafat und Abbas nichts für ihre Anerkennung Israels erhalten hätten.
1993 verübte die Hamas den ersten Selbstmordanschlag in Israel, ab 1994 auch gegen Zivilisten. Das israelische Militär blieb nach Eigenangaben bis 2000 jedoch das primäre Anschlagsziel. Seit Beginn der Zweiten Intifada im Jahr 2000 ging die Hamas zu gezielten Terroranschlägen auf israelische Zivilisten über. Die Zahl der Selbstmordanschläge stieg von durchschnittlich drei auf 20 pro Jahr. Die Hamas rechtfertigte die Anschlagswelle von 1994 als Rache für den Massenmord von Baruch Goldstein an 29 Palästinensern in Hebron im Februar 1994 und achtete darauf, auch alle weiteren Selbstmordanschläge in Israel stets als Vergeltung für israelische gezielte Tötungen von palästinensischen Zivilisten auszugeben. Sie behauptete, alle israelischen Zivilisten seien – aufgrund der Wehrpflicht – als „militärische Ziele“ zu betrachten.
Das Außenministerium Israels registrierte zwischen 27. September 2000 und 2004 insgesamt 425 Terrorangriffe der Hamas, durch die 377 Israelis ermordet und 2076 israelische Zivilisten und Soldaten verletzt wurden. Darunter waren 52 Selbstmordanschläge mit 288 getöteten und 1646 verletzten Israelis. Weitere zwölf Selbstmordanschläge schlugen fehl. An öffentlichen Orten wie Einkaufspassagen, Tiefgaragen, Restaurants und Hochhäusern explodierten zahlreiche Sprengsätze. In der Regel war die Zivilbevölkerung das Ziel der Anschläge. Nur wenige galten Einrichtungen der israelischen Armee.
Hamasvertreter begrüßten die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA und hofften, sie würden die USA zu einer Reduzierung der Unterstützung Israels bewegen. In öffentlichen Erklärungen distanziert sich die Hamas von Al-Qaida; nicht zuletzt, um nicht zum Ziel von Anti-Terror-Maßnahmen der US-Regierung zu werden. Die im Rahmen des Roadmap genannten Friedensplans 2002 ausgehandelte Waffenruhe zwischen Israel, der Palästinensischen Autonomiebehörde und militanten islamistischen Gruppen fand bereits nach zwei Monaten durch ein Attentat in Jerusalem ihr Ende, zu dem sich die Hamas bekannte.
Die Hamas rief im Internet anlässlich des Irakkrieges im März 2003 alle Muslime dazu auf, gegen die „tyrannische und kreuzzüglerische Aggression“ der USA und Großbritanniens zu protestieren und die Produkte dieser Staaten zu boykottieren. Ein Hamas-Sprecher appellierte an die Bevölkerung des Irak, „zehntausende Märtyrer“ bereitzustellen, um sich inmitten der amerikanischen Soldaten in die Luft zu sprengen. Das FBI und das US-Justizministerium warnten im April 2004 vor Hamas-Zellen auf dem Gebiet der USA.
2004 erklärte sich die Hamas nur dann zu einem 10-jährigen Waffenstillstand (Hudna) bereit, falls bestimmte Forderungen erfüllt würden, einschließlich eines vollständigen Rückzugs Israels aus den 1967 eroberten Gebieten. Seit September 2004 enthielt sich die Hamas selbst im Allgemeinen der Gewalt gegen Israel, meint aber, dass „Israel die Ursache jeglichen Terrorismus“ sei, und bezeichnet den Beschuss Israels mit Kassam-Raketen durch andere militante Gruppen als Akt der „Selbstverteidigung“. Nach einer am 8. Februar 2005 vereinbarten Waffenruhe verübte die Hamas selbst offiziell keine Attentate mehr. Anschläge anderer Gruppen rechtfertigte die Hamas jedoch auch seit ihrem Wahlsieg 2006, so den Selbstmordanschlag eines 15-Jährigen aus Dschenin am 17. April 2006 in Tel Aviv mit acht Todesopfern und über 60 Verletzten.
Entwicklung seit 2006
Seit 2006 beteiligte sich die Hamas entgegen ihrer bisherigen Ablehnung an den demokratischen Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten und an den Wahlen für die Handelskammer des Westjordanlands. Der spätere palästinensische Außenminister Mahmud az-Zahar machte in Interviews vor und bei der Wahl deutlich, dass die Hamas ihre Ziele nicht aufgegeben habe: Sie sei Teil einer globalen islamischen Bewegung, die dazu bestimmt sei, einen islamischen Staat zu gründen. Die Eroberung Palästinas müsse hierfür der erste Schritt sein. „In der Region hatten wir römischer Besatzung, persischer Besatzung, der Besatzung der Kreuzzügler und der britischen Besatzung zu trotzen. Sie sind alle fort. Der israelische Feind gehört nicht in diese Region. Er passt nicht in die regionale Geschichte, Geographie oder Glaube.“
Die Hamas erhielt bei der Wahl am 25. Januar 2006 etwa 44 Prozent der Stimmen und die absolute Mehrheit der Mandate. Sie wurde nach dem Rücktritt Ministerpräsident Ahmad Qurais (Fatah) mit der Regierungsbildung beauftragt. Als Gründe für ihren Wahlsieg nannten westliche Beobachter eine zunehmende Radikalisierung in dem über Jahrzehnte ungelösten Palästinakonflikt, das soziale Engagement der Hamas und die Frustration der Palästinenser über eine unter der Fatah verbreitete Korruption.
Nach dem Wahlsieg der Hamas sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice dem offiziellen Präsidenten Palästinas und Fatah-Vorsitzenden Mahmud Abbas die Unterstützung der US-Regierung zu und erteilte gleichzeitig einem Dialog mit der Hamas eine Absage. Die USA und die EU stellten ihre bisherigen Finanzhilfen für palästinensische Regierungsbehörden ein, da die Hamas Israels Existenzrecht nicht anerkenne und kein geeigneter Partner für den Friedensprozess sei. Im September 2006 trat die Hamas-Regierung geschlossen zurück und willigte in eine Regierung der Nationalen Einheit mit der Fatah ein. Die Zahlungen der EU wurden daraufhin wieder aufgenommen. Diese Koalition sollte auch die zunehmend gewaltsamen Spannungen zwischen Hamas und Fatah überwinden helfen. Ministerpräsident wurde das Hamas-Mitglied Ismail Haniyya.
Nach einem fehlgeleiteten israelischen Angriff auf ein Wohnviertel nahe Beit Hanun im Gazastreifen mit 24 Toten erklärte die Hamas die Waffenruhe am 8. November 2006 für beendet und kündigte an, wieder Anschläge in Israel durchzuführen. Der militärische Flügel der Hamas rief dazu auf, US-amerikanische Ziele überall auf der Welt anzugreifen, weil die USA den „zionistischen Besatzungsverbrechen“ politische und finanzielle Logistik böten und für das „Massaker“ verantwortlich seien. Deshalb müsse das Volk und die Nation überall auf der Welt dem US-amerikanischen Feind eine „harte Lektion“ erteilen. Regierungssprecher Ghazi Hamad sagte aber gleichzeitig, die Hamas habe nicht vor, US-amerikanische Ziele anzugreifen.
Der Kampf um Gaza beendete die Regierungskoalition zwischen Hamas und Fatah. Nach wochenlangen, blutigen Auseinandersetzungen zwischen ihren Milizionären griffen bewaffnete Verbände der Hamas am 12. Juni 2007 das Fatah-Hauptquartier an und brachten danach den gesamten Gazastreifen unter ihre Kontrolle. Dabei wurden zahlreiche Fatahmitglieder getötet oder zur Flucht in benachbarte Regionen gezwungen. Abbas setzte Haniyya als Ministerpräsidenten ab und bildete im von der Fatah kontrollierten Westjordanland eine Notstandsregierung ohne Hamas-Beteiligung. Abbas wurde dabei von den USA, der EU und der Arabischen Liga unterstützt. Die Hamas lehnte die Auflösung der Regierung als unrechtmäßig ab, ohne jedoch die alleinige Kontrolle über den Gazastreifen aufzugeben.
Menschenrechtsorganisationen warfen beiden Konfliktparteien schwere Verstöße gegen fundamentale Menschenrechte und Kriegsverbrechen wie die Hinrichtung von Gefangenen, das Erschießen von Zivilisten sowie Kämpfe in Krankenhäusern und den Missbrauch von Ambulanz- und Pressefahrzeugen für Kampfeinsätze vor. Generell verschlechterten sich die Menschenrechtslage und die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nach der Machtübernahme durch die Hamas erheblich. Presse- und Bürgerrechte wurden nicht mehr gewährleistet, Internetcafés und Restaurants wurden geschlossen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kam es vermehrt zu willkürlichen Festnahmen, Folterungen und Misshandlungen politischer Oppositioneller. Zudem war eine starke Zunahme von Raketenangriffen auf israelisches Territorium zu verzeichnen.
Trotzdem forderte der römisch-katholische Erzbischof und lateinische Patriarch von Jerusalem Fouad Twal im August 2007 den Dialog mit der Hamas. Auch wenn Israel und die USA die Hamas als terroristisch bezeichneten, müsse man ihre Erfolge im Gazastreifen zur Kenntnis nehmen. Dank der Hamas könne man sehen, dass die Zeit des Chaos vorbei sei, sagte Twal. Die Bewegung gehe mit eiserner Disziplin gegen Kriminalität vor. Es gebe keine Diebstähle mehr, man respektiere sogar die Ampeln.
Im Sommer 2008 kam es nach ägyptischer Vermittlung zu einem sechsmonatigen Waffenstillstand, den Hamas-Anführer Chalid Maschal als „Taktik“ im Kampf gegen den jüdischen Staat bezeichnete. Nach Ablauf des brüchigen Waffenstillstands flammten die Raketenangriffe der Hamas auf Israel erneut auf, was zur israelischen Operation Gegossenes Blei führte.
Hinter den Kulissen unterstützt die Hamas mit Raketenlieferungen den Islamischen Dschihad, der damit den Süden Israels beschießt. Die israelische Zeitung Haaretz schrieb am 13. April 2007, die Hamas habe unter anderem auch russische Grad-Raketen mit einer Reichweite von 16 Kilometern geliefert. Israelische Sicherheitsquellen meinen, die Hamas verfolge eine Strategie der Dualität, die eine Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Situation beinhalte, inklusive der allgemeinen Feuerpause. Als Grundlage dieser Strategie würden andere palästinensische Terrororganisationen, ungeachtet der Feuerpause, mit gewalttätigen Aktionen gegen Israel fortfahren.
Im April 2008 reiste der ehemalige US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter nach Damaskus und traf sich dort privat mit dem im syrischen Exil lebenden Hamas-Chef Chalid Maschal. Die Ergebnisse der Gespräche präsentierte er am 21. April 2008 auf einer Pressekonferenz in Jerusalem. Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert lehnte es ab, mit Carter zu sprechen, weil er nicht an Verhandlungen mit der Hamas beteiligt sein wolle. Laut Carter „bestehe kein Zweifel, daß die arabische Welt und die Hamas Israels Existenzrecht in den bis 1967 gültigen Grenzen akzeptieren würden“. Ferner hieß es, die Hamas würde ein palästinensisch-israelisches Friedensabkommen akzeptieren, selbst wenn sie mit einzelnen Punkten nicht einverstanden sei, vorausgesetzt, die Palästinenser würden dieses in einem Referendum annehmen. Noch im Laufe des gleichen Tages bekräftigte Chalid Maschal allerdings, dass die Hamas nach wie vor die Anerkennung Israels ablehne. Gleichzeitig bot er Israel einen zehnjährigen Waffenstillstand an.
Die Tötung von Osama bin Laden am 1. Mai 2011 in Pakistan bezeichnete Ministerpräsident Ismail Haniyya als eine Fortsetzung der amerikanischen Unterdrückung und des Blutvergießens von Muslimen und Arabern. Die Hamas bete, dass Bin Ladens Seele in Frieden ruhe. Am 3. Mai 2011 unterschrieb Ismail Haniyya gemeinsam mit Mahmud Abbas ein Versöhnungsabkommen, das die ägyptische Führung in Auftrag der Arabischen Liga eineinhalb Jahre zuvor aufgesetzt und das die Hamas lange abgelehnt hatte. Beide Fraktionen planten, vor der Parlamentswahl 2012 eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden. Palästinensische Politikexperten führten diesen Schritt auf die arabischen Aufstände seit Beginn des Jahres 2011 zurück. Das neue ägyptische Außenministerium kündigte daraufhin an, den Grenzübergang bei Rafah dauerhaft zu öffnen und so die israelische Blockade zu beenden. Nach der Absetzung des islamistischen Präsidenten Mursi durch das ägyptische Militär im Juli 2013 wurde der Grenzübergang geschlossen.
Da sich die Hamas letztmals 2006 Wahlen stellen musste und seitdem im Gazastreifen kein herrschaftsfreier Diskurs mehr stattfand, gründet sich ihre Macht inzwischen nicht mehr auf einer wie auch immer gearteten demokratischen Legitimation, sondern auf der Angst der eigenen Bevölkerung und dem Prestige aus dem letzten Krieg. So werden Untersuchungshäftlinge durch Folter wie zum Beispiel Ausreißen der Zehennägel oder stundenlanges Aufhängen an den Armen zu Geständnissen gebracht. Zur Vollstreckung der Todesstrafe steht dann im Keller des Hochsicherheitsgefängnisses von Gaza ein Galgen zur Verfügung. Auch der Ruf, deutlich weniger korrupt zu sein als die Fatah, schwindet inzwischen. Nach Angaben von Human Rights Watch werden im Machtbereich der Hamas friedliche Kritiker und Oppositionelle systematisch gefoltert.
Siehe auch
Literatur
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- Simon Wunder: Israel-Libanon-Palästina. Der Zweite Libanonkrieg und der Israel-Palästina-Konflikt 2006. Köster, Berlin 2007, ISBN 978-3-89574-620-8.
- Mosab H. Yousef: Sohn der Hamas. Mein Leben als Terrorist. SCM, Holzgerlingen 2010, ISBN 978-3-7751-5223-5.
- Britt Ziolkowski: Die Aktivistinnen der Ḥamās. Zur Rolle der Frauen in einer islamistischen Bewegung. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2017.
Weblinks
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- Charta der Hamas von 1988 englisch/arabisch
- A Document of General Principles and Policies der Hamas von 2017
- Hintergründe
- Jörg Degenhardt: Shoval: Wahlerfolg der Hamas gleicht Machtergreifung der Nationalsozialisten Früherer israelischer Botschafter in den USA lehnt Gespräche mit „Terroristen“ ab. Deutschlandradio, 26. Januar 2006.
- Steven Erlanger: In Gaza, Hamas’s Insults to Jews Complicate Peace. In: New York Times. 1. April 2008.
- Khaled Hroub: A “New Hamas” through Its New Documents. In: Journal of Palestine Studies. Band 35, Nr. 4, Sommer 2006, S. 6.
- Peter Philipp: Hamas und Palästinensischer Islamischer Jihad. Bundeszentrale für politische Bildung, 19. September 2007.
- Hamas Council on Foreign Relations
- Marketing terrorism by Internet: the Hamas terrorist movement continues using Internet Service Providers in Eastern Europe and South East Asia to operate its leading sites. Intelligence and Terrorism Information Center at the Center for Special Studies, Oktober 2005.
- Eigene Texte und Zitate
- Silvia Cattori: Exklusivinterview mit Dr. Naser Dine Muhammad Ahmad Shaer, palästinensischem Vize-Premierminister «Die Palästinenser sind sich angesichts der Sanktionen einig». Réseau Voltaire, 28. August 2006
- Ismail Haniyeh: A just peace or no peace Israeli unilateralism is a recipe for conflict—as is the west's racist refusal to treat Palestinians as equals. The Guardian, 31. März 2006
- Cal Perry: Face-to-face with top Hamas leader in secret location CNN, 26. August 2007 (Interview mit Chalid Maschal)
- Hamas Charter (1988) Palestine Center / Jerusalem Fund (vollständiger Text der Hamas-Charta auf Englisch; auf Deutsch: kritiknetz.de)
- Hamas in Their Own Words Anti-Defamation League, 8. Oktober 2008
- Palestinian Media Watch: Hamas Genocide Ideology
Anmerkungen
- ↑ Die Wortbedeutung ist unabhängig von hebräisch חָמָס (,Gewalt‘).
Einzelnachweise
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- ↑ The Covenant of the Islamic Resistance Movement 18 August 1988
- ↑ Die Charta der „Islamischen Widerstandsbewegung“ (HAMAS) website der Israelischen Botschaft
- ↑ Antisemitismus und Antizionismus in der Charta der Hamas Eine Fallstudie zur Judenfeindschaft im islamistischen Diskurs Armin Pfahl-Traughber. November 2011.
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- ↑ Norway turns down US request over Hamas representatives’ visit. Peoples Daily China, 25. April 2006, abgerufen am 19. Juli 2008.
- 1 2 What is Hamas and who supports it? Hamas has controlled the Gaza Strip since 2007, repeatedly attacking Israel. It has a number of foreign allies. But where does the terror group get the money and supplies to do it? - Deutsche Welle
- ↑ Krisendiplomatie statt Feierlaune: Seit 50 Jahren hat Deutschland diplomatische Beziehungen zu Katar. Eigentlich wollte man das im Kanzleramt feiern. Nun wird der Krieg im Nahen Osten im Fokus stehen, denn Katar unterstützt die Terrororganisation Hamas. - Tagesschau
- ↑ Steven Eke: Moscow risks anger over Hamas visit. BBC, 3. März 2006, abgerufen am 18. Mai 2010.
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