Die erste Mille Miglia, auch Coppa delle Mille Miglia, fand am 27. März 1927 statt und führte über 1639,700 km von Brescia nach Rom und wieder zurück nach Brescia.

Die Vorgeschichte

Die richtige Idee zur richtigen Zeit, von den richtigen Personen umgesetzt: Diesem Umstand verdankte das 1000-Meilen-Rennen durch Oberitalien seine Entstehung. Um die Mille Miglia und deren Entwicklungsgeschichte historisch einordnen zu können, ist ein Blick auf das Italien der 1920er-Jahre unerlässlich. Vom Adel und der katholischen Kirche geprägt, hatte das noch sehr landwirtschaftliche Land nichts mit dem EU-Mitglied der Gegenwart zu tun. 1926 war Viktor Emanuel III. König von Italien und Benito Mussolini war seit vier Jahren Präsident des Ministerrats. In Italien waren 1926 rund 170.000 Autos angemeldet; so viele produzierte die britische Automobilindustrie seit Anfang der 1920er-Jahre pro Jahr. Eine verwirrende Straßenverkehrsordnung sorgte für viele Unfälle. Auf Landstraßen musste man auf der rechten Straßenseite fahren, in den Innenstädten links. Die italienische Automobilindustrie hatte an Innovationskraft eingebüßt und war daran den Anschluss an die europäische Konkurrenz zu verlieren.

Am 4. Dezember 1926 veröffentlichte die italienische Sportzeitung La Gazzetta dello Sport erstmals einen Bericht über die Idee vier jünger Norditaliener, die ein Autorennen über 1000 Meilen von Brescia nach Rom planten. Der 1903 geborene Conte Aymo Maggi, bereits etablierter Rennfahrer und Vizepräsident des Automobile Club Brescia, war Initiator des Rennens. Zu seinen Mitstreitern zählten der damals 21-jährige Conte Franco Mazzotti, Clubpräsident und passionierter Flieger, Auto- und Rennbootfahrer. Der 1893 geborene Giovanni Canestrini war Fußballschiedsrichter und Motorsportjournalist bei der Gazzetta. Der vierte im Bunde war der Motorradrennfahrer Renzo Castagneto. Die vier Freunde wollten Brescia zum Mittelpunkt des italienischen Motorsports machen und entwickelten das Konzept des 1000-Meilen-Rennens. Es sollte ein Straßenrennen – zumeist über unbefestigte Landstraßen – werden und in Brescia starten und enden. Als Streckenlänge ergaben sich ungefähr 1600 Kilometer, was 1000 englischen Meilen entsprach. Da im Römischen Reich in Meilen gemessen wurde, wählten die Organisatoren dieses Längenmaß.

Die vier Organisatoren standen vor einer enormen logistischen Aufgabe. Es gelang ihnen die Unterstützung der italienischen Streitkräfte zu erhalten, die 25.000 Carabinieri als Straßenarbeiter, Ordner und Streckenposten zur Verfügung stellten. Durch die regional aufgesplitterten und zerstrittenen italienischen Polizeibehörden war es den Organisatoren unmöglich, die gesamte Strecke während des Rennens für den normalen Verkehr sperren zu lassen. So war es den lokalen Behörden überlassen, ob Streckenteile für den öffentlichen Verkehr gesperrt waren oder nicht. Dort wo die Rennfahrer auf Ochsenkarren und lokale Kleinkraftrad- und Motorradamateure stießen, kam es zu teilweise haarsträubenden Vorfällen. Das Rennen sollte auch den italienischen Motorsportteams neuen Auftrieb geben. International waren Fiat, die 1926 mit dem 806 ihren letzten Grand-Prix-Rennwagen gebaut hatten, und Alfa Romeo gegen die Fahrzeuge von Bugatti in Rückstand geraten.

Das Rennen

Die Route

BresciaMontichiariAsolaPiadenaCasalmaggioreParmaReggio nell’EmiliaBologna – Raticosapass – FutapassFlorenzPoggibonsiSienaRadicofaniViterboMonterosiRomTerni – Sommapass – SpoletoPerugiaGubbioCastelraimondoTolentinoLoretoAnconaPesaroRiminiForlì – Bologna – FerraraRovigoPaduaNoaleTrevisoFeltreVenedigVerona – Brescia

Der Rennverlauf

Die technische Abnahme der 77 gemeldeten Fahrzeuge fand auf dem Hauptplatz von Brescia statt. Bis auf wenige Ausnahmen waren vor allem italienische Fahrer und Beifahrer am Start. Entlang der Strecke richteten die Organisatoren 14 Kontrollpunkte ein. An einigen dieser Checkpoints legten die Rennmannschaften Depots für Reifen und Benzin an. Weder die Veranstalter noch die Fahrer hatten eine Ahnung, wie lange sie während des Rennens unterwegs sein würden. Für die langsamsten Wagen wurde eine Fahrzeit von zwei Tagen befürchtet. Auch der Materialverschleiß konnte nur geschätzt werden. Wie viele Reifen gewechselt werden müssten, blieb genauso im Dunklen wie der Treibstoffverbrauch. Mitorganisator Aymo Maggi, der einen Isotta Fraschini fuhr, rechnete mit elf Tankstopps.

1923 hatte der Rennfahrer Enzo Ferrari den Wechsel des Fiat-Technikers Vittorio Jano zu Alfa Romeo vermittelt. Jano hatte die Alfa Romeo RL/RM zu RL Super Sport weiterentwickelt. Die Rennabteilung meldete zwei RL Super Sport für Gastone Brilli-Peri, der 1925 für Alfa Romeo den Großen Preis von Italien gewonnen hatte, und Artiro Mercanti. Mercanti, in Brescia geboren, startete unter dem Pseudonym Frate Ignoto (zu Deutsch etwa Bruder Unbekannt), um Unmutsäußerungen der Zuschauer zu vermeiden. Mercanti hatte 1922 als Präsident des Mailänder Automobilklubs das Autodromo Nazionale di Monza errichten lassen und dabei die Wünsche der Gemeinde Brescia, die nationale Rennbahn auf einem Areal in seiner Heimatstadt zu bauen, ignoriert. Zum Favoritenkreis zählten die drei Werks-OM Tipo 665 Sport von Ferdinando Minoia sowie den Danieli-Brüdern Tino und Mario. Vincenzo Lancia machte eine Ausnahme von seiner Abneigung gegenüber dem Automobilsport und meldete sechs Lancia Lambda. Tazio Nuvolari, der ein Rennteam mit seinem späteren Erzrivalen Achille Varzi unterhielt, steuerte einen Bianchi Tipo 20 Sport Torpedo.

Um 8 Uhr in der Früh am 27. März 1927 eröffnete Aymo Maggi die lange Geschichte der Mille Miglia, als Rennleiter Renzo Castagneto seinen Isotta 8A SS auf die lange Reise nach Rom schickte. In Bologna führte Gastone Brilli-Peri im Alfa Romeo mit einem Vorsprung von fünf Minuten auf den OM von Ferdinando Minoia. Brilli-Peri lag auch in Rom in Führung und war der erste Fahrer, den der Rennfluch traf: Wer in Rom führt, kann die Mille Miglia nicht gewinnen. Auf dem Weg über den Apennin Richtung Adria begann der Alfa-Romeo-Motor Öl zu verlieren, weil sich die Ölpumpe aus der Verankerung gelöst hatte und ein Leck in die Ölwanne schlug. Bis Spoleto hielt der Motor durch, dann musste Brilli-Peri, noch immer in Führung liegend, aufgeben. Auch Attilio Marinoni und Giulio Ramponi bekamen die Härte des Rennens zu spüren, als sie knapp vor dem Ziel mit großem Vorsprung nach einem Differentialschaden am Alfa Romeo ausschieden.

Mit einem Dreifachsieg von OM mit Ferdinando Minoa an der Spitze ging die erste Mille Miglia zu Ende. Das Siegerteam war 21:04:48,200 Stunden unterwegs. Der langsamste Wagen, ein Peugeot 5 HP Tipo MM, erreichte nach einer Fahrzeit von 37:50:33,000 Stunden das Ziel. In den Medien wurde das Rennen als großer Erfolg gefeiert, wodurch die Fortsetzung 1928 gesichert war.

Ergebnisse

Schlussklassement

Pos. Klasse Nr. Team Fahrer/Beifahrer Fahrzeug Fahrzeit
1 2.0 14 Officine Meccaniche Ferdinando Minoia
Giuseppe Morandi
OM Tipo 665 Sport 21:04:48,200
2 2.0 13 Officine Meccaniche Tino Danieli
Renato Balestrero
OM Tipo 665 Sport 21:20:53,600
3 2.0 12 Officine Meccaniche Mario Danieli
Archimede Rosa
OM Tipo 665 Sport 21:28:02,200
4 3.0 17 Lancia Ermenegildo Strazza
Attilio Varallo
Lancia Lambda Torpedo 21:42:48,000
5 3.0 99 Lancia Umberto Pugno
G. Bergia
Lancia Lambda 21:55:14,600
6 8.0 5 Aymo Maggi Aymo Maggi
Bindo Maserati
Isotta Fraschini Tipo 8A SS Torpedo 22:00:35,800
7 3.0 49 SA Alfa Romeo Artiro Mercanti
Carlo Sozzi
Alfa Romeo RLSS 22/90 22:06:11,000
8 2.0 71 Franco Cortese
M. Baroncini
Itala Tipo 61 22:45:46,200
9 3.0 74 W. Gutermann
Roberto Munaron
Alfa Romeo RLSS 22/90 22:53:57,000
10 3.0 89 Tazio Nuvolari Tazio Nuvolari
Alessandro Cappelli
Bianchi Tipo 20 Sport Torpedo 23:12:02,000
11 2.0 33 Emilio Bonamico
S. Felicioni
Itala Tipo 61 23:16:45,000
12 1.5 55 G. Binda
A. Belgir
Bugatti T40 23:18:23,000
13 1.5 36 Pietro Cattaneo
L. Beccaria
Ceirano Tipo S 150 23:28:29,000
14 3.0 47 Albino Marinon
O. Morbidini
Ansaldo 6B IV Serie 23:28:44,000
15 2.0 72 Ernesto Tamburi
A. Attili
Itala Tipo 61 23:41:09,400
16 3.0 24 Fratelli Battaglini Augusto Battaglini
Romeo Battaglini
Lancia Lambda 23:41:43,600
17 2.0 11 P. Anselmi
Carlo Gazzabini
OM Tipo 665 Sport 24:02:14,000
18 3.0 95 Cesare Schieppati
G. Ferretti
Diatto Tipo 35 24:05:00,600
19 3.0 81 E. Giraudo
P. Pagliero
Diatto Tipo 26 24:18:55,000
20 1.1 39 P. Moalli
Bartolo Ferrari
Fiat 509S 24:23:41,000
21 1.1 59 Giuseppe Ricci
Gay
Fiat 509S 24:27:32,400
22 5.0 41 Eugenio Silvani
Giovanni Minozzi
Fiat 519S Spider 24:52:54,000
23 2.0 45 Carlo Bucchetti
E. Alessandrini
Ansaldo 6B 24:58:12,800
24 1.1 1 Alfonso Zampieri
A. Bertoldi
Amilcar CGS 25:07:17,400
25 3.0 66 Lancia Emilio Giacosa
G. Storari
Lancia Lambda 25:12:24,000
26 1.5 58 Rossato
Filippo Tassara
Ceirano Tipo S 150 25:26:26,400
27 3.0 46 Novi
Ciompi
Ansaldo 6B IV Serie 25:31:06,000
28 1.1 38 N. Manenti
C. Ricceri
Fiat 509S 25:37:03,000
29 2.0 75 A. Antici
Grasselli
OM Tipo 665 Sport 25:49:34,000
30 3.0 19 Lancia M. Benelli
Filippo Benelli
Lancia Lambda 25:53:13,800
31 2.0 96 A. Sansoni
L. Viano
Diatto Tipo 30 26:32:22,000
32 3.0 90 C. Moschini
A. Concari
Lancia Lambda 26:36:18,600
33 3.0 44 Natale Romano
Cesare Villa
Bianchi Tipo 20 26:43:59,000
34 3.0 85 Corrado Lotti
A. Bartolini
Ansaldo 6B IV Serie 26:46:03,000
35 1.5 4 C. Comelli
Badini
OM Tipo 469 26:49:12,000
36 2.0 100 Stanislao Terziani
Giuseppe Forti
Ansaldo 4H 26:59:23,000
37 2.0 76 Emilio Bernardi
Passerini
OM Tipo 665 Sport 27:48:47,200
38 1.5 8 U. Donati
G. Tartaglia
Fiat 501S 27:56:10,000
39 3.0 18 Lancia Ferruccio Radice
Ezio Cattaneo
Lancia Lambda 28:01:47,600
40 1.1 16 Gino Crespi
A. Vaghi
SAM Tipo C 25F Spider 28:10:05,000
41 5.0 40 E. Weber
B. Menchetti
Fiat 519S 28:12:52,000
42 1.1 26 Giorgio Ambrosini
Cossalter
Fiat 509S Guida Interna 28:16:11,000
43 1.5 53 Emilio Romano
M. Martinelli
Fiat 501S 28:16:48,000
44 1.1 67 Dino Ravasio
A. Fozzato
Fiat 509S 28:17:56,000
45 1.1 101 L. Negri
Battacchi
Amilcar CGS 29:43:14,000
46 1.1 9 C. Chiabotti
Candiani
Fiat 509S 29:45:00,000
47 1.5 3 Giuseppe Favero
Giovanni Salvioni
Bugatti Brescia Modifiée 30:00:09,000
48 2.0 73 Rino Casarotti
A. Marino
Itala Tipo 61 Berlina Aerodinamica 30:30:37,000
49 1.5 30 Enzo Crotti
Buozzi
Fiat 501S 30:31:14,400
50 1.1 2 T. Saccomani
M. Fiumi
Amilcar CGS 32:04:10,000
51 1.1 88 F. Pirola
C. Pensi
Bianchi Tipo 20 Sport 32:15:49,000
52 1.5 77 A. Arrivabene
F. Gatti
Fiat 501 Testa Silvani 33:46:18,000
53 750 84 Giuseppe Cazzulani
Alberto Monferroni
Peugeot 5 HP Tipo MM 33:51:33,000
54 750 83 Du Petit Thouars
L. Siregni
Peugeot 5 HP Tipo MM 37:48:26,000
55 750 83 Lauvergne
Labergue
Peugeot 5 HP Tipo MM 37:50:33,000
Ausgefallen
56 3.0 7 G. Cirio
G. Benno
Lancia Lambda
57 1.5 10 G. Vaccari
A. Bogani
Fiat 501 Testa Silvani
58 3.0 25 E. Guerrero
A. Frassinelli
Lancia Lambda
59 1.1 28 Francesco Matrullo
Fiammi
Fiat 509S
60 3.0 42 SA Alfa Romeo Gastone Brilli-Peri
Bruno Presenti
Alfa Romeo RLSS 22/90
61 3.0 43 SA Alfa Romeo Attilio Marinoni
Giulio Ramponi
Alfa Romeo RLSS 22/90
62 1.1 50 Giuseppe Gilera
B. Ghiringhelli
Fiat 509S
63 1.1 51 Umberto Capello
Tomei
Fiat 509S
64 1.5 52 G. Viola
A. Viola
Ceirano Tipo S 150
65 2.0 54 Claudio Sandonnino
P. Reggiani
Bugatti T40
66 1.1 60 Luigi Fagioli
Lanzi
Salmson 1100
67 1.5 61 Gioacchino Leonardi
C. Spineto
Ceirano Tipo S 150
68 1.1 63 Ezio Barbieri
Guidelli
SAM Tipo C 25F
69 1.5 64 Rolli
Fontanesi
Ceirano Tipo S 150
70 2.0 65 R. Ruvioli
Giombini
Ansaldo 4H
71 1.5 69 Piero Lissoni
E. Fumagalli
Fiat 501S
72 3.0 79 Giulio Aymini
Delpodio
Diatto Tipo 35
73 3.0 80 G. Ceratto
F. Sartorio
Lancia Lambda
74 3.0 86 A. Bornigia
Massei
Ansaldo 6B IV Serie
75 1.1 92 M. Riolo
Geri
Fiat 509S
76 1.1 93 Giovanni Portioli
G. Dall’Olio
Amilcar CGS
77 3.0 94 L. Arpinati
R. Bertoni
Alfa Romeo RLSS 22/90

Nur in der Meldeliste

Zu diesem Rennen sind keine weiteren Meldungen bekannt.

Klassensieger

Klasse Fahrer Fahrer Fahrzeug Platzierung im Gesamtklassement
S 8.0 Aymo Maggi Bindo Maserati Isotta Fraschini Tipo 8A SS Torpedo Rang 6
S 5.0 E. Silvani Giovanni Minozzi Fiat 519S Spider Rang 22
S 3.0 Ermenegildo Strazza Attilio Varallo Lancia Lambda Torpedo Rang 4
S 2.0 Ferdinando Minoia Giuseppe Morandi OM Tipo 665 Sport Gesamtsieg
S 1.5 G. Binda A. Belgir Bugatti T40 Rang 12
S 1.1 P. Moalli Bartolo Ferrari Fiat 509S Rang 20
750 Giuseppe Cazzulani Alberto Monferroni Peugeot 5 HP Tipo MM Rang 53

Renndaten

  • Gemeldet: 77
  • Gestartet: 77
  • Gewertet: 55
  • Rennklassen: 7
  • Zuschauer: unbekannt
  • Wetter am Renntag: unbekannt
  • Streckenlänge: 1639,700 km
  • Fahrzeit des Siegerteams: 21:04:48,200 Stunden
  • Gesamtrunden des Siegerteams: 1
  • Gesamtdistanz des Siegerteams: 1639,700 km
  • Siegerschnitt: 47,990 km/h
  • Pole Position: keine
  • Schnellste Rennrunde: keine
  • Rennserie: zählte zu keiner Rennserie

Literatur

  • R. M. Clarke: Mille Migla, 1927 – 1951, the Alfa und Ferrari Years; Brooklands Books, ISBN 1-85520-4673.
Commons: Mille Miglia 1927 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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