Spiegelwelten:UM-Spiel 2008 Vatikan vs. Gayland (Gruppe D)

Gayland hat Anstoß und beginnt. Rudolf Moshammer steht an der linken Außenlinie und genießt eine Prise Koks zum Spielauftakt. Dennis Grote und Oliver Pocher scheinen heute die Autogrammkarten vergessen zu haben, sie stürmen gemeinsam durch die Mitte. Vom Vatikan ist weit und breit nichts zu sehen. Wo ist die vielgerühmte Allgegenwärtigkeit des Spielers???? Pocher zu Grote, Grote zu Pocher, siebzehnfacher Doppelpass, ein Schuss: TOR! TOR FÜR GAYLAND schon in der ersten Minute.

Der Papst hat Anstoß, befindet sich aber auf seiner eigenen halblinken Seite. Was hat er denn da in der Hand? Eine Säge. Holz hat er anscheinend auch mitgebracht. Er baut etwas. Verzeihen Sie mir meine geneigten Zuschauer, aber ich kann noch nicht richtig erkennen, was der Zimmermannssohnfan dort zimmert. Es ist rund und ziemlich groß. Es scheint eine Art Becken zu werden. Es wird doch wohl nicht..., nein, das kann nicht sein. Seine Heiligkeit baut doch nicht gerade ein Taufbecken?

Es ist... EIN TAUFBECKEN!

Ja, meine Damen und Herren, es nimmt langsam Formen an. Es ist ein Taufbecken. Die Spieler Gaylands haben sich neugierig um das Bauwerk versammelt und staunen mit offenen Mündern - sowas haben sie noch nie gesehen! Und, meine Damen und Herren, ich muss gestehen, ich habe in meiner langjährigen Tätigkeit auf den Sportplätzen dieser Welt auch noch nichts vergleichbares gesehen: Der Pontifex Maximus baut ein großes massives Taufbecken und er will offensichtlich nicht nur dies Fußballspiel gewinnen, sondern gleichzeitig noch ein paar Schafe zurück in die Herde des Herrn geleiten.

Es ist fertig! Auf der halblinken Seite des Vatikans steht ein prunkvoll mit Intarsien verziertes Taufbecken. Aus einem 20-l Reservekanister schüttet Benedikt nun Weihwasser in das Becken. Seine Heiligkeit haben aber auch an alles gedacht! Der Papst breitet seine Arme aus und spricht offensichtlich einen Segen über die immer noch staunend dreinblickenden gayländischen Spieler. "In Nomen de Partri et Filii et Spirito Sancto". Der Papst blickt ungeduldig rein. Der erste gayländische Spieler, der reagiert, scheint Frau Wanders zu sein: Ich sehe auf ihren Lippen ein schüchternes "Amen!" Nun scheint eine Taufzeremonie zu beginnen. Das Publikum murmelt auf den Rängen! Waren wir nicht eigentlich zu einem Fußballspiel hierhin gekommen? Dass es eine einseitige Veranstaltung werden könnte, das war uns ja vorher schon klar. Aber mit diesem Verlauf hat wohl wirklich niemand rechnen können! Hoffentlich geht es nun mit richtiger Fußballaction weiter!

Die Taufzeremonie scheint zu Ende zu gehen. Die gayländischen Spieler haben sich in einer schön ordentlichen Schlange hintereinander aufgestellt und ihnen wird der Reihe nach mit dem mitgebrachten heiligen Wasser das Kreuzeszeichen auf die Stirn gemacht - meine Damen und Herren, wir werden hier Zeuge einer sensationellen Entwicklung dieses Spiels. Keine Ahnung, was seine Heiligkeit als nächstes vorhaben. Ich bin gespannt!

Ein Fan erscheint am Spielfeldrand und will auch ans Taufbecken, wird jedoch von den Ordnern wieder auf die Tribüne geschickt!

In einer Art Prozession schreitet die nun getaufte Schar neuer Schafe des Herrn in Richtung der anderen Spielfeldhälfte. Auch dort liegt bereits ein Stapel Bauholz bereit. Was wird denn das jetzt schon wieder? Meine Damen und Herren, hier scheint sich heute nichts und niemand wirklich auf den Fußball zu konzentrieren. Auf den Rängen sehe ich die ersten gayländischen Fans bereits jetzt entsetzt des Geschehen verlassen.

Erneut haben Bauarbeiten begonnen. Hier scheint diesmal etwas größeres zu enstehen. Eine Empore oder vergleichbares! Einige Spieler von Gayland beteiligen sich sogar an den Bauarbeiten und scheinen Spaß daran gefunden zu haben. Irgendwie ist Fußball eh für Gayländer nebensächlich.

Seine Heiligkeit brilliert mit fußballerischem und mit handwerklichem Geschick!

So langsam glaube ich erkennen zu können, was seine Heiligkeit nun hier errichtet: Sollte es ein Altar werden? Wie weiland in Köln auf dem Marienfeld, steht eine große Empore bereit - oben drauf ein Altar und ein Kreuz schwebt wie von Magie getragen darüber!!!! Sogar an fünf kleine Kerzen wurde gedacht!

Die Halbzeit nähert sich und zeitgleich scheint der Altar fertig zu werden! Immerhin scheint der Papst nun alles für die zweite Halbzeit und ein gottgefälliges Fußballspiel vorbereitet zu haben! Chuck Norris und Alfred Biolek stehen unweit des neu errichteten Bauwerks und bewundern die statischen Gegebenheiten!

Der völlig unterbeschäftigte Schiedsrichter pfeift die beiden Teamsn zur Halbzeit. Huch, was sehen meine alten Augen an der Anzeigetafel? 3-1 für den Vatikan!!!! Benedikt scheint unbemerkt von mir und auch offensichtlich unbemerkt von der gayländischen Truppe drei Tore geschossen zu haben! Omnipräsenz ist ein hohes Gut!

Benedikt hat Anstoß und begibt sich in den Mittelkreis. Er tritt gegen den Ball und begibt sich daraufhin langsamen Schrittes in Richtung Altar! Er ruft die heranstürmenden gayländischen Spieler zu sich und es formiert sich eine kleine Prozession. Sogar eine Monstranz hat der Papst aus der Halbzeitpause mitgebracht. Man begibt sich gemeinsam zum Altar. Ohweia, meine Damen und Herren, hier ist von Fußball weit und breit nichts zu sehen! Seine Heiligkeit scheint eine Andacht feiern zu wollen!

Der Papst spricht den Segen "Urbi et Tori" zur Eröffnung seines Gottesdienstes

Immerhin scheint es eine kleine, kurzige, knackige Messe zu werden. Die Katholiken können ja sonst auch anders. Papst Benedikt predigt gerade über die Zusammenhänge von Hunger und Heidentum in der dritten Welt. Die Spieler Gaylands und inzwischen auch der immer noch völlig neben sich stehende Schiedsrichter hören gebannt der Predigt zu.

Leichte Verzögerung des weiteren Fortgangs. Der Papst hat sich in der Predigt doch verzettelt und wettert nun gegen den Einsatz von Kondomen in Lateinamerika. Klaus Wowereit, der besonders auf Latinos steht, hört gebannt zu.

Meine Damen und Herren, so langsam drängt sich mir die Frage auf, ob der Schiedsrichter die Zeit, die die Predigt in Anspruch nimmt, nachspielen lassen wird...

Ein Beichtstuhl mitten auf dem Spielfeld!

Selten einen so kurzen Gottesdienst gesehen! Super, endlich kann es weitergehen! Immerhin bleibt festzustellen, dass dies für die Mehrzahl der gayländischen Spieler auch gleichzeitig die erste heilige Kommunion war! Zwei heilige Sakramente an einem Tag! Seine Heiligkeit stellt damit einen Turnierrekord auf! Was machen sie denn jetzt?! Die Spieler beider Teams formieren sich zu einer erneuten Prozession über das Spielfeld und bringen wieder neues Bauholz aufs Spielfeld. Der gayländische Trainer Alfred Biolek hat das Spielfeld betreten und berät sich mit Benedikt an einem Zeichentisch!

Ein neues Gebilde entsteht! Meine Damen und Herren, ein hohes Bauwerk von nicht geahnten Ausmaßen wird errichtet. Da passen sicherlich mehrere Leute gleichzeitig rein. Benedikt und Bio diskutieren aufgeregt die Statik des Gebildes. Die Spieler zimmern, als hätten sie in ihrem Leben noch nichts anderes gemacht!

Ich glaube tatsächlich, die beiden Mannschaften haben gerade auf dem Spielfeld einen Beichtstuhl gebaut! Einen richtig klassischen Beichtstuhl mit allem drum und dran! Vorhang, einer Kabine in der Mitte für den Klerus und zwei Außenkabinen für die Beichtendenen Gemeindemitglieder. Meine Damen und Herren, der Papst hat sich offensichtlich vorgenommen, heute auch noch ein drittes Sakrament seinen neu bekehrten Schäflein zu spenden!

Die Mannschaft des Vatikans wurde nun schon über fünf Minuten nicht mehr gesehen: sie ist in den Mitteltrakt des neu errichteten Beichtstuhls verschwunden. Die Spieler Gaylands formieren sich artig als Reihe vor dem Eingang und legen so einer nach dem anderen ihre erste heilige Beichte ab.

Grote, Wanders, Norris und Wowereit sind bereits mit ihrer Beichte fertig. Nun sitzt schon geschlagene fünf Minuten Dirk Bach auf dem Sünderbänkchen. DER scheint ja ganz schön Dreck am Stecken zu haben, wenn Sie mir dies kleine Wortspiel verzeihen!

So, endlich ist sie durch, die gayländische Sündermeute. Nun können sie wahrscheinlich doppelt so schnell sprinten, ohne die schwere Last ihrer Sünden. Wenn man so in die Gesichter einiger gayländischer Akteure schaut, sieht man sofort das Lächeln der Erleichterung. Erleichterung wäre auch bei uns Fußballfans nun zu sehen, wenn es jetzt ENDLICH mit Fußball losging!

Der stolze Bräutigam und seine Braut: Klaus Wowereit und eine brasilianische Transe

OH NEIN, nicht schon wieder! Die Akteure formieren sich zu einer gerade Reihe. Der Papst schreitet die Reihen seiner neuen Gläubigen ab und haut jedem sanft auf die Wange! FIRMUNG! Seine Heiligkeit hat das vierte Sakrament des heutigen Tages gespendet! Weltrekord!

Mit einer gekonnten Linksdrehung verwandelt sich die ordentliche Reihe der Firmlinge in die nächste Prozession. Papst Benedikt führt die Prozession wieder in Richtung des in der ersten Halbzeit errichteten Altars. Meine Damen und Herren, wenn ich die Logik seiner Heiligkeit nun durchschaue, dass er den Spielern Gaylands die Sakramente zuteil werden lassen will... meine Damen und Herren: DANN KOMMT NUN EINE HOCHZEIT!!! ....oder eine Priesterweihe, aber ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass wir damit rechnen dürfen.

Die neuerliche Prozession ist wieder am Altar angekommen. Der Stadionsprecher bittet alle, sich von den Plätzen zu erheben und dazu erklingt nun von Felix Mendelssohn-Bartholdy der Hochzeitsmarsch! Aber wen hat es erwischt? Wer ist der erste schwule, den der Papst persönlich vermählen wird? Es ist: Klaus Wowereit! Seien wir gespannt!

Abpfiff! Der Schiedsrichter beendet das bunte Treiben! Wenn ich die Anzeigetafel lese: Endergebnis 6-1 für den Vatikan! Schon wieder sind mir aufgrund des bunten Spektakels drei Tore Benedikts entgangen! Sechs Tore und fünf Sakramente. Ein unvergessliches Erlebnis. Mit Fußball hatte der heutige Abend zwar wenig zu tun... aber sei's drum. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit. Bleiben Sie uns gewogen! Ihre Oma Gunzelwuns!