Der I. Große Preis von Deutschland fand am 11. Juli 1926 auf der AVUS in Berlin statt.

Er war das erste internationale Rennen in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg und nominell als Sportwagenrennen ausgeschrieben, in der Realität jedoch als formelfreies Rennen mit eigenen Regularien ausgetragen. Es führte über 20 Runden à 19,57 km, was einer Gesamtdistanz von 391,38 km entsprach. Im Verlauf der Veranstaltung kam es zu einigen schweren Unfällen. Schon während des Trainings am 9. Juli verunglückte Carlo Cattaneo als Beifahrer und Mechaniker von Luigi Platé tödlich. Beim Rennunfall Adolf Rosenbergers kamen zwei Rennoffizielle ums Leben.

Sieger wurde Rudolf Caracciola auf einem modifizierten Mercedes-M218-Grand-Prix-Rennwagen von 1924.

Rennen

Nachdem im Vorjahr der Automobilclub von Deutschland wieder in den Internationalen Automobilverband AIACR aufgenommen worden war, konnte 1926 auch in Deutschland erstmals ein internationales Grand-Prix-Rennen ausgetragen werden. Da der Nürburgring allerdings noch im Bau war, entschied man sich für die 1921 eröffnete Avus in Berlin als Austragungsort, die im Wesentlichen aus zwei knapp 10 km langen parallelen Geraden mit je einer Kurve an jedem Ende bestand.

Eine solche Veranstaltung wurde seitens des Verbands der deutschen Automobilindustrie zwiespältig gesehen, denn nach einem Ende 1925 gefällten Beschluss, dass sich seine Mitglieder im kommenden Jahr nicht an Rennveranstaltungen beteiligen würden, hatte kein Hersteller eine konkurrenzfähige Konstruktion für die geltende Internationale Grand-Prix-Rennformel entwickelt, in der zweisitzige Rennwagen von maximal 1,5 Liter Hubraum vorgegeben waren.

Um die überlegenen Rennwagen aus dem Ausland fernzuhalten, wurde der Große Preis von Deutschland daher zumindest formal für Sportwagen ausgeschrieben, die in drei Klassen eingeteilt und getrennt gestartet wurden. Dennoch wurde aus den gefahrenen Zeiten auch ein Gesamtklassement ermittelt. In den beiden „großen“ Hubraumklassen von 1,5 bis 2 Liter (Mindestgewicht 800 kg) und von 2 bis 3 Liter (Mindestgewicht 1000 kg) mussten die Wagen vier Sitze aufweisen, in der „kleinen“ Klasse von 1,1 bis 1,5 Liter waren dagegen Zweisitzer erlaubt. Neben diesen Bestimmungen ließ das Reglement den Teilnehmern jedoch viel Freiraum, die „Sportwagen“ durch einige „Erleichterungen“ wie das Entfernen von Kotflügeln, Beleuchtung, Stoßstangen, Windschutzscheibe usw., den Verzicht auf Schalldämpfer im Auspuff und durch Leistungssteigerung der Motoren doch wieder in verkappte Rennwagen zu verwandeln. Der frisch fusionierte Mercedes-Benz-Konzern stellte den beiden nominell „unabhängigen“ Fahrern Rudolf Caracciola und Adolf Rosenberger sogar zwei echte Grand-Prix-Achtzylinder von 1924 zur Verfügung, deren Karosserie, um dem Reglement zu genügen, um zwei Notsitze im Heck verlängert wurde.

Insgesamt versammelte sich ein stattliches Feld von 38 Teilnehmern zum Start, darunter neben zahlreichen deutschen Fabrikaten mit dem Achtzylinder-OM von Ferdinando Minoia sogar ein aktuelles Grand-Prix-Modell aus Italien und zwei 1925 in der Voiturette-Klasse sehr erfolgreiche französische Talbot-Vierzylinder des Tschechoslowaken Hugo Urban-Emmerich und des Franzosen Jean Chassagne. Während des Trainings war Luigi Platé mit seinem Chiribiri mit einem anderen Teilnehmer kollidiert, wobei sein Beifahrer Carlo Cattaneo ums Leben kam.

Vor 230.000 Zuschauern übernahm zunächst Rosenberger die Führung vor Minoia und den beiden Talbot, während sich Caracciola mit dem zweiten Mercedes erst durchs Feld nach vorn arbeiten musste. Der Motor war am Start abgestorben, sodass sein Mechaniker Eugen Salzer das Auto anschieben musste. Kurz darauf fiel auch Minoia nach einem Boxenstopp zurück und musste das Rennen schließlich mit technischem Defekt aufgeben.

Bei mittlerweile einsetzendem Regen kam Rosenberger ausgangs der siebten Runde bei etwa 150 km/h in der Nordkurve von der Strecke ab und schleuderte in die dort aufgebaute Zeitnahme. Ein Helfer und der Bediener der Anzeigetafel starben an ihren Verletzungen, Rosenberger und sein Mechaniker kamen jedoch mit Verletzungen davon. Infolgedessen lag nun Urban-Emmerich vor Chassagne und Caracciola in Führung, in der neunten Runde wurde jedoch auch sein Wagen auf dem rutschigen Belag aus der Nordkurve getragen und geriet dabei in die Zuschauerränge, unter denen es drei Verletzte gab. Urban-Emmerich konnte seinen Talbot wieder befreien und das Rennen fortsetzen. Beinahe zeitgleich hatte auch sein Markengefährte Chassagne am entgegengesetzten Ende in der Südkurve einen mehrfachen Überschlag, bei dem aber ebenso wie beim Unfall des Pluto-Fahrers Mederer in der Nordkurve die Zuschauer einer Katastrophe knapp entkamen. Nachdem Caracciola kurz vorher seinen geplanten Boxenstopp eingelegt hatte, lag nun der Austro-Daimler-Fahrer Deilmann vor Cleer auf Alfa Romeo und Clause auf Bignan in Front. Caracciola arbeitete sich unter den extrem widrigen Bedingungen wieder nach vorne und übernahm nach dem Ausfall von Deilmann in der 14. Runde die Führung, ohne es selbst mitzubekommen. Erst beim Überfahren der Ziellinie erkannte er am Jubel der Zuschauer, dass er gewonnen hatte. Durch diesen Sieg erwarb er sich den Beinamen „der Regenmeister“, obwohl sein Erfolg zum Teil dem Ausfall seiner Gegner zu verdanken war. Er gewann das Rennen in einer Zeit von 2:54:17,8 Stunden beziehungsweise mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 135 km/h vor Christian Rieken auf NAG. Die schnellste Runde fuhr Ferdinando Minoia mit 7:29,9 Minuten beziehungsweise 161,2 km/h.

Ergebnisse

Meldeliste

Team Nr. Klasse Fahrer Chassis Motor Reifen
 Hans Lohmann 1 D1  Hans Lohmann Komnick 8/30 Komnick 2.1L I4
 Nationale Automobil-Gesellschaft 2 D  Hans Berthold NAG C.4b NAG 2.6L I4
5  Christian Riecken
9  Edwin Orska
11  Wilhelm Heine
 Steiger AG 3 D  Ernst Hofer Steiger 12/70 Sport Steiger 2.9L I4
 Austro-Daimler 4 D  Carl Deilmann Austro-Daimler ADM 3 Liter Austro-Daimler 3.0L I6 S
6  Paul von Guilleaume
 Willi Cleer 7 D  Willi Cleer Alfa Romeo RL Super Sport Alfa Romeo 3.0L I6
 Richard Carl Krüger 8 D  Richard Carl Krüger Alfa Romeo RL Super Sport Alfa Romeo 3.0L I6
 Fritz Feldmann 10 D  Fritz Feldmann Hansa 2.1 Lloyd 2.1L I4
 Arno Hänsel 12 E2  Arno Hänsel Bugatti T30 Bugatti 2.0L I8
 Rudolf Breier 13 E  Rudolf Breier Bugatti T30 Bugatti 2.0L I8
 Rudolf Caracciola 14 E  Rudolf Caracciola Mercedes 2-l-8-Zylinder-Rennwagen Mercedes M218 2.0L I8 Kompressor C
 Josef Ludewig 15 E  Josef Ludewig Bugatti T30 Bugatti 2.0L I8
 Max zu Schaumburg-Lippe 16 E  Max zu Schaumburg-Lippe OM 665 Superba OM 2.0L I6
 Dürkopp & Co 17 E  Reinhold Dürkopp Dürkopp P8A Dürkopp 2.0L I4
 A.F. Komnick AG 18 E  Otto Komnick Komnick 8/40 PS Komnick 2.0L I4
 Adolf Rosenberger 19 E  Adolf Rosenberger Mercedes 2-l-8-Zylinder-Rennwagen Mercedes M218 2.0L I8 Kompressor C
 Pierre Clause 20 E  Pierre Clause Bignan Bignan 2.0L I4
 Hans Kolb 21 E  Hans Kolb Bugatti T30 Bugatti 2.0L I8
 Rittmeister von Mosch a. D. 22 E  Otto von Mosch Dürkopp P8A Dürkopp 2.0L I4
 Brauda Motoren AG 23 E  Hans Santner OM 665 Superba OM 2.0L I6
 Hans Hanft 24 F3  Hans Hanft Bugatti Brescia Bugatti 1.5L I4
 Brennabor-Werke AG 25 F  Albert Mitzlaff Brennabor 1500 Sport Brennabor 1.5L I4
41  Eduard Reichstein
44  Fritz Backasch
 AF Zella-Mehlis GmbH 26 F  Alfred Mederer Pluto Sport s/c Pluto 1.1L I4
31  Hermann Friedrich
43  Cord von Einem
 Officine Meccaniche 27 F  Ferdinando Minoia OM Tipo 856 Grand Prix OM 1.5L I8 P
 Neckarsulmer Fahrzeugwerke 28 F  Jakob Scholl NSU 6/60 s/c NSU 1.5L I6 Kompressor
29  Josef Müller
32  Georg Klöble
37  Franz Islinger
39  August Momberger
 Max Georg Fiedler 30 F  Max Georg Fiedler Bolle-Fiedler BFA 2-stroke Fiedler 1.5L I4
 Max Wälti 33 F  Max Wälti Bugatti T13 Bugatti 1.5L I4
 Otto Groninger 34 F  Otto Fettkenheuer Bob 1020cc Siemens & Halske 1.0L I4
 Luigi Platé 35 F  Luigi Platé Chiribiri 12/16 Monza S Chiribiri 1.5L I4
Inga Industriegesellschaft 36 F  Jean Chassagne Talbot 3 VC Supersport Talbot 1.5L I4 M
 Georg Kimpel 38 F  Georg Kimpel Bugatti T39 Bugatti 1.5L I8
 G. M. Gendron & Co 40 F  Theo van Horn GM Janvier 1.5L I4 M
 Hugo Urban-Emmerich 42 F  Hugo Urban-Emmerich Talbot 3 VC Supersport Talbot 1.5L I4
Dr. Kurt Eimer 45 F  Willi Loge Aga 30 hp Aga 1.5L I4
 Heinz Erblich 46 F  Heinz Erblich Alfi Alfi 1.5L I4

1 Rennklasse bis 3 Liter Hubraum 2 Rennklasse bis 2 Liter Hubraum 3 Rennklasse bis 1,5 Liter Hubraum

Rennergebnis

Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund
1  Rudolf Caracciola  Mercedes 20 1 2:54:12,8 h
2  Christian Riecken  NAG 20 1 + 3:15,4 min
3  Willi Cleer  Alfa Romeo 20 1 + 5:59,0 min
4  Pierre Clause  Bignan 20 + 7:49,6 min
5  Georg Klöble  NSU 20 + 13:09,2 min
6  Max zu Schaumburg-Lippe  OM 20 + 16:39,4 min
7  Jakob Scholl  NSU 20 + 17:36,4 min
8  Franz Islinger  NSU 20 + 19:41,0 min
9  Hans Santner  OM 20 + 22:36,4 min
10  Josef Müller  NSU 20 + 24:07,6 min
11  Fritz Backasch  Brennabor 20 + 27:08,4 min
12  Eduard Reichstein  Brennabor 20 + 32:16,0 min
13  Fritz Feldmann  Hansa 20 + 33:28,0 min
14  Edwin Orska  NAG 20 + 33:53,2 min
15  Albert Mitzlaff  Brennabor 20 + 34:43,8 min
16  Hugo Urban-Emmerich  Talbot 20 + 35:20,0 min
17  Max Wälti  Bugatti 20 + 37:00,0 min
 Hans Hanft  Bugatti 17 DNF Ausfall
 Hermann Friedrich  Pluto 16 DNF Ausfall
 Georg Kimpel  Bugatti 16 DNF Pleuelschaden
 Josef Ludewig  Bugatti 15 DNF Ausfall
 Paul von Guilleaume  Austro-Daimler 14 DNF Ausfall
 Otto Komnick  Komnick 13 DNF Ausfall
 Carl Deilmann  Austro Daimler 12 DNF Ausfall
 Robert Breier  Bugatti 9 DNF Ausfall
 Jean Chassagne  Talbot 8 DNF Unfall
 Alfred Mederer  Pluto 8 DNF Unfall
 Theo van Horn  Gendron 8 DNF gebrochene Ventilsteuerung
 Adolf Rosenberger  Mercedes 6 DNF Unfall
 Ferdinando Minoia  OM 6 DNF 7:17,0 min Motorschaden
 Hans Lohmann  Komnick 6 DNF Ausfall
 Hans Berthold  NAG 5 DNF Ausfall
 Richard Carl Krüger  Alfa Romeo 3 DNF Kupplungsschaden
 Willi Loge  Aga 2 DNF Kühlerschaden
 Ernst Hofer  Steiger 1 DNF Kühlerschaden
 Max Georg Fiedler  Bolle-Fiedler 1 DNF Reifenschaden
 Otto Fettkenheuer  Bob DNS zurückgezogen
 Heinz Erblich  Alfi DNS zurückgezogen

Klassensieger

  • Klasse F (1100–1500 cm³)
    • 1.  Georg Klöble (NSU), 125,8 km/h
    • 2.  Jakob Scholl (NSU)
    • 3.  Franz Islinger (NSU)
Commons: Großer Preis von Deutschland 1926 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Leif Snellman, Hans Etzrodt: GROßER PREIS VON DEUTSCHLAND. www.goldenera.fi, 16. Mai 2023, abgerufen am 9. Oktober 2023 (englisch).
  • I Großer Preis Von Deutschland. (Nicht mehr online verfügbar.) www.teamdan.com, archiviert vom Original am 7. Februar 2019; abgerufen am 17. Februar 2020 (englisch).
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