Eine Ritualmordlegende (auch: Ritualmordfabel, Ritualmordvorwurf, Blutbeschuldigung, Blutanklage, Blutlüge; englisch blood libel) sagt gesellschaftlich diskriminierten Minderheiten Ritualmorde an Angehörigen einer Mehrheitsgruppe nach. Die Kolporteure greifen oft unaufgeklärte Entführungs-, Unglücks- oder Tötungsfälle auf, besonders von Kindern, und bieten dafür „Sündenböcke“ an. Historisch besonders folgenreich wurden Ritualmordvorwürfe im europäischen Christentum, die behaupteten: Die Juden würden heimlich christliche Kinder entführen und ermorden, weil sie deren Blut für ihre Pessachfeier und zu verschiedenen magischen oder medizinischen Zwecken bräuchten.

Solche Legenden wurden von kirchlichen Interessengruppen gezielt erfunden, erstmals 1144 in England, und mit Predigtkampagnen, Traktaten, Volkssagen und religiöser Folklore in weiten Teilen Europas verbreitet. So wurde daraus ein dauerhaftes Stereotyp des christlichen Antijudaismus. Ritualmordanklagen von Christen gegen Juden lösten jahrhundertelang immer wieder Judenpogrome, Verfolgungen und Vertreibungen jüdischer Minderheiten aus oder rechtfertigen sie nachträglich. Sie blieben bis ins 20. Jahrhundert hinein „ein allgemein akzeptiertes Kulturmuster des christlichen Europa, das kirchenpolitisch und zeitweise staatspolitisch normative Geltung hatte.“

Daraus entstand die Verschwörungstheorie eines angeblichen Weltjudentums, das sich heimlich für schwerste Verbrechen an Nichtjuden verabrede. Ritualmordanklagen gegen Juden überdauerten die Aufklärungsepoche und wurden im modernen Antisemitismus seit 1800 erneut verbreitet. Die Nationalsozialisten benutzten die überlieferten Legenden zur systematischen Volksverhetzung vor und während des Holocaust.

Aktuell lebt die antisemitische Ritualmordlegende in verschiedenen Varianten vor allem im Rechtsextremismus und Islamismus fort.

Antike

Griechisch-Römische Überlieferung

Vorwürfe ritueller Kindesmorde, Menschenverzehr und das Trinken oder der kultische Gebrauch von Menschenblut sind aus griechischer Literatur der Antike seit den Historien des Herodot (5. Jahrhundert v. Chr.) bekannt. Sie richteten sich ursprünglich nicht gegen Juden, sondern andere Fremdvölker.

Im antiken Griechenland wurden Menschenopfer bis etwa 480 v. Chr. abgewertet und verboten. Doch zugleich wurden manche Andersgläubige und Fremde mit Vorwürfen geheimer ritueller Menschenopfer dämonisiert. Im Hellenismus brachten gebildete Griechen solche Gerüchte gegen das Judentum in Umlauf. Dies war Teil der im hellenistischen Bildungsbürgertum üblichen Judenfeindschaft.

Der Sophist Apion verleumdete die Juden in Alexandria um 40 n. Chr. gezielt beim römischen Kaiser Caligula, um jüdischen Widerstand gegen den Kaiserkult zu brechen. Apions Vorwürfe, die der jüdische Historiker Flavius Josephus in seiner Gegenschrift Contra Apionem (94 n. Chr.) wiedergab, gipfelten in der Erzählung: Der seleukidische Herrscher Antiochos IV. Epiphanes habe 167 v. Chr. im Jerusalemer Tempel einen Griechen gefesselt aufgefunden. Dieser habe berichtet, dass Juden ihn gefangen, im Tempel isoliert eingeschlossen und ein Jahr lang für ein rituelles Menschenopfer gemästet hätten, das sie jährlich vollzögen. Dabei würden sie das Fleisch des Opfers essen und ihrem Gott einen mächtigen Eid schwören, die Feindschaft zu den Griechen aufrechtzuerhalten.

Die Einzelmotive der Legende (Menschenopfer, kannibalischer Opferverzehr, eines geraubten Fremden, für einen Gott, als jährliches Ritual, im Zentralheiligtum, zum Bekräftigen einer Feindschaft) lassen sich jeweils auf ältere Vorbilder zurückführen, darunter die antijüdischen Traktate des Ägypters Manetho (3. Jahrhundert v. Chr.). Dem Althistoriker Bezalel Bar-Kochva zufolge wurden die Motive von Menschenopfern und Kannibalismus schon vor den Makkabäeraufständen (ab ~160 v. Chr.) im Perserreich und in Ägypten zu einer antijüdischen Verleumdung kombiniert und gelangten über Hofhistoriker der Seleukiden und Römer an Apion.

Dieser nannte laut Josephus die griechischen Historiker Poseidonios und Apollonius Molon (beide 1. Jahrhundert v. Chr.) als Quellen der Legende, um die Tempelentweihung und Judenverfolgung des Antiochus zu rechtfertigen. Schon Diodorus hatte diese Verfolgung mit angeblichen jüdischen Bräuchen gerechtfertigt.

Laut dem byzantinischen Lexikon Suda schrieb der (sonst unbekannte) griechische Historiker Damokritos kurz vor oder nach der Tempelzerstörung 70 n. Chr. in seinem Werk „Über die Juden“: „… dass die Juden ihre Köpfe vor einem goldenen Esel beugen und alle sieben Jahre einen Nichtjuden fangen, als Opfer anbieten, sein Fleisch zerreißen und ihn so töten.“ Damokritos variierte hier wohl die von Apion überlieferte Legende.

Im Römischen Kaiserreich übertrugen gebildete Römer die etablierten Vorwürfe ab etwa 150 n. Chr. auf die Christen und behaupteten wie zuvor von Juden, dass sie Eselsköpfe verehrten und kleine Kinder in geheimen Ritualen verspeisten. Solche Vorwürfe wurden mitunter durch Folter-Verhöre von Christen scheinbar bestätigt. Sie sind fast nur in Werken christlicher Apologeten und Kirchenväter belegt, die ihnen entgegentraten: darunter Justin der Märtyrer in seiner Apologiae pro Christianis (um 150); im Dialog mit dem Juden Tryphon (um 160); bei Origenes in Contra Celsum (um 250); bei Eusebius von Caesarea in den Praeparatio evangelica (um 320).

Die römischen Gegner der Christen missdeuteten deren Bräuche, etwa die Adoption von ausgesetzten römischen Neugeborenen und die Eucharistie. Die nächtlichen Feiern der Christen verstärkten das römische Misstrauen: Man glaubte, sie übten dort geheime okkulte und staatsfeindliche Praktiken. Bei den Christenverfolgungen im Römischen Reich sagten regionale und staatliche Verfolger den Christen etwa nach, Neugeborene und Kleinkinder zu entführen, heimlich rituell zu töten und zu verspeisen. Dies beschrieb der Christ Minucius Felix in seinem Dialog Octavius (um 200):

„Ein Kind, mit Teigmasse bedeckt, um die Arglosen zu täuschen, wird dem Einzuweihenden vorgesetzt. Dieses Kind wird von dem Neuling durch Wunden getötet, die sich dem Auge völlig entziehen; er selbst hält durch die Teighülle getäuscht die Stiche für unschädlich. Das Blut des Kindes – welch ein Greuel! – schlürfen sie gierig, seine Gliedmaßen verteilen sie mit wahrem Wetteifer. Durch dieses Opfer verbrüdern sie sich …“

Judentum

Im frühen Judentum galten Kindesmord und Kannibalismus als Kennzeichen von Götzendienst der Fremdvölker. Die Israeliten kannten in alter Zeit noch Kulte, die ein Opfer des ersten Kindes verlangten (2 Chr 33,6 ; 2 Kön 23,10 ). Dieses verbietet die jüdische Tora streng und wiederholt (Ex 13,2 ; 13,12f ; 22,28f ; 34,19f ; Num 3,15f ; 18,15 ; Dtn 15,19 ) und bedroht es mit Todesstrafe (Lev 20,2–5 ). Die biblischen Propheten verurteilten Menschenopfer als Götzendienst (Jes 57,5 ; Jer 7,31 ; 32,35 ; Ez 16,20 ; 23,37 ) und tabuisierten sie so.

Eventuell schon in der vorstaatlichen Zeit um 1200 v. Chr., spätestens bis 800 v. Chr. ersetzten im Judentum nach Gen 22  Tieropfer jedes Menschenopfer. Die Tora verbietet diese als „Greuel für JHWH“ wiederholt streng (Lev 18,21 ; 20,2-5 ; Dtn 12,31 ; 18,10 ). Auch die Tieropfer regelte die Tora streng und verbietet Juden unter anderem den Blutgenuss, da im Blut das Leben sei und dieses ausschließlich dem Schöpfergott gehöre (Gen 9,4 ; Lev 3,17 ; 7,26-28 ; 17,10–14 ). Damit wurde eine wesentliche Begründung für Opfer, das Hingeben und Einverleiben fremder Lebenskraft, entkräftet.

Das apokryphe Buch der Weisheit (~1. Jahrhundert v. Chr.) rechtfertigte die fiktive Ausrottung der Kanaanäer bei der Landnahme der Israeliten nachträglich mit deren angeblichen Kindesopfern (Weish 12,5 ).

Christentum

Im Christentum tauchten Kindesmordvorwürfe zunächst gegen manche gnostischen oder christlichen Sekten auf. So überlieferte Augustinus von Hippo als Gerücht über die Montanisten, sie hätten einem einjährigen Kind kleine Wunden zugefügt, ihm das Blut entzogen, dieses mit Mehl verrührt zu Brot gebacken und dieses bei ihrem Abendmahl verzehrt. Falls das Kind starb, habe man es als Märtyrer, falls nicht, als Hohepriester verehrt.

Die Kirchenväter übernahmen das biblische Verbot der Menschenopfer und begründeten es mit dem Kreuzestod Jesu Christi: Dort sei Gottes Versöhnung mit der Welt ein für allemal geschehen (Joh 3,16 ). Das stellvertretende Selbstopfer des Sohnes Gottes habe alle weiteren Opfer überflüssig gemacht (Heb 9,12 ; 10,10 ). Sie unterstellten Juden daher zunächst keine kultischen Menschenopfer. Aber mit der These vom jüdischen Gottesmord, einer angeblichen Kollektivschuld aller Juden am Tod Jesu, sowie der Ersetzung des erwählten Gottesvolks Israel durch die Kirche (Substitutionstheologie) schufen sie die theologische Basis, auf die spätere Ritualmordlegenden sich stützten. Nach der Konstantinischen Wende stieg die Kirche bis 391 zur Staatsreligion des Römischen Reiches auf und beanspruchte dann auch politisch die Alleingeltung ihres Glaubens. Bald stellte fast nur noch die jüdische Minderheit diesen Absolutheitsanspruch in Frage, indem sie den Glauben an die Messiaswürde und Göttlichkeit Jesu und Heilswirkung seines Todes ablehnte und allen Bekehrungsversuchen widerstand. Juden galten daher neben „Ketzern“ als Hauptfeinde des Christentums und wurden systematisch diskriminiert.

In der Spätantike waren Ritualmordvorwürfe von Christen gegen Juden noch selten und spielten dann auf das um 160 n. Chr. etablierte Dogma vom Gottesmord an. Mit der Kirchenherrschaft wurde der Glaube an die Heilkraft der christlichen Sakramente dogmatisiert. Parallel dazu wuchs die Vorstellung, die Juden wollten und müssten aufgrund ihrer erblichen Verbindung mit Satan oder dem Antichrist die Folter und Kreuzigung Jesu Christi ständig wiederholen. Dies zeigt der Bildfrevel, den Athanasius von Alexandria († 373) den Juden von Berytos (Beirut) zuschrieb, wobei er das biblische Bilderverbot überging: Sie hätten Jesu Marter an einem Christusbild wiederholt. Das Bild habe begonnen zu bluten und Wunder zu wirken; dies habe die Juden zur Taufe bewegt. Diese Legende wurde später weit verbreitet und vielfach abgewandelt: etwa in der Weltchronik des Sigebert von Gembloux († 1112), aber auch von dem Protestanten Hieronymus Rauscher († 1569). Sie lebt als Wallfahrtslegende in Oberried (Breisgau) bis heute fort.

Der antike Kirchenhistoriker Socrates Scholasticus beschrieb in seiner Historia ecclesiastica (~415) einen Unfall bei einem jüdischen Purim-Fest: Betrunkene Juden hätten in einem syrischen Dorf einen Christenknaben aufgehängt und eher versehentlich zu Tode gefoltert. Cecil Roth, der britische Herausgeber der Encyclopaedia Judaica, sah hier den Ursprung der christlichen Ritualmordlegende und interpretierte diese damit als Fehlwahrnehmung jüdischer Bräuche. Diese Erklärung wird heute als spekulativ zurückgewiesen, da jene Episode keine Bezüge zu einem rituellen Opfer und Blutgenuss enthält und die christliche Legende sich nirgends auf das Purimfest bezog.

Hochmittelalter

Seit dem Hochmittelalter breiteten sich Ritualmordanklagen im von der Römisch-Katholischen Kirche beherrschten Europa aus. Sie wurden zum festen Bestandteil der Verfolgung Andersgläubiger, vor allem von Juden, seltener auch sogenannter Ketzer und Hexen.

Die antijüdische Ursprungslegende

In Norwich, der damals zweitgrößten englischen Stadt, wurde 1144 der christliche Junge William tot aufgefunden. Wie bei ungeklärten Todesfällen üblich, wurden ortsansässige Juden als seine Mörder verdächtigt, aber der örtliche Vogt schützte sie und ein Gericht wies die Anklage ab. Um 1150 kam der Benediktinermönch Thomas von Monmouth nach Norwich und schrieb von da an bis zu seinem Tod 1172 sein siebenbändiges Werk The Life and Passion of Saint William the Martyr of Norwich. Er behauptete, Juden hätten den 12-jährigen William im März 1144 gekauft, gemartert und gekreuzigt. Ostersamstag habe man seine Leiche gefunden. An seinem Grab hätten sich fortan immer wieder Wunder ereignet. Die als Faktenbericht ausgegebene Legende sollte einen Heiligen- und Märtyrerkult in Norwich etablieren, wundergläubige Pilger anwerben und so Einkünfte für den 1096 begonnenen Bau einer Kathedrale gewinnen. Obwohl der Papst diesen Kult nicht autorisierte, stimmten die englischen Bischöfe dem Vorhaben zu und legitimierten damit auch den Ritualmordvorwurf gegen Juden.

Die Kernpassage der Legende lautet:

„Seinerzeit kauften die Juden vor Ostern ein Christenkind und taten ihm all die Martern an, die unser Gott erlitten hat; und zu Karfreitag hängten sie es an ein Kreuz wegen unseres Gottes und dann beerdigten sie es. Sie dachten, es würde nicht entdeckt werden, aber unser Gott offenbarte, daß der Knabe ein heiliger Märtyrer sei, und die Mönche nahmen ihn und bestatteten ihn zeremoniell im Kloster, und Dank unseres Gottes tut er großartige und vielfältige Wunder, und er wird St. William genannt.“

Diese Motive tauchten in vielen Ritualmordanklagen der folgenden Jahrhunderte immer wieder auf:

  • Bezug auf den jährlichen Karfreitag,
  • Motiv des „unschuldigen Kindes“,
  • Entführung oder „Kauf“ und Folterung des Opfers,
  • blasphemisch verspottende Nachahmung der Kreuzigung Jesu,
  • Schuldbeweis durch Wunder, die von der Leiche des vermeintlichen Opfers ausgehen.

Nur der Blutgenuss fehlte noch.

Monmouth stellte Williams Folterung als verabredete Rache von Juden für Grausamkeiten dar, die Christen ihnen bezüglich der Kreuzigung Jesu unterstellt hätten. Das spielte auf die Gottesmordthese an, mit der die christlichen Kreuzfahrer ihre Judenpogrome rechtfertigten, und projizierte deren Motive und Taten auf die Juden zurück.

Der Vogt, der die Juden 1144 geschützt hatte, war 1147 gestorben. Teilnehmer des Zweiten Kreuzzugs (1147–1149) kehrten nach England zurück, brauchten Arbeit und Einkünfte. 1149 hatte ein verschuldeter christlicher Handwerker, Simon de Novers, in Norwich seinen Gläubiger getötet, den jüdischen Bankier Deulesalt. 1150 wurde Novers in London vor Gericht gestellt. 1150/51 wurde Williams Leichnam erst in die Klosterkapelle, dann die Kathedrale umgebettet. Um Novers zu entlasten, brachte sein Verteidiger, der Bischof von Norwich, den angeblichen Judenmord an William ins Spiel. Monmouth wollte diese Behauptung mit seiner Legende untermauern. Dazu nannte er den Juden, in dessen Haus William angeblich gefangen und gemartert worden war, „Deulesalt“.

Während des Gerichtsverfahrens schmückte er die Legende weiter aus und behauptete: Sein Mitmönch Theobald von Cambridge, ein konvertierter Jude, habe ihm von einem jährlichen Treffen der führenden Juden Spaniens in Narbonne erzählt. Dort werde ausgelost, in welcher Stadt im laufenden Jahr ein Christenkind zu opfern sei, um den Judengemeinden weltweit Christenblut bereitzustellen. 1144 sei das Los auf Norwich gefallen. Jüdische Schriften verlangten dieses jährliche Opfer, weil die Juden nur so ihre Freiheit und verlorene Heimat wiederzuerlangen glaubten.

Hier begann die Theorie der jüdischen Weltverschwörung. Sie verknüpfte den angeblichen jüdischen Ritualmord mit der jüdischen Befreiungshoffnung, an die das Pessachfest erinnert, und stellte diese als Ursache für das Leiden Jesu und der Christen dar. Ritualmordanklagen wurden daher stets in der Karwoche oder zeitlich nahe beim jüdischen Pessachfest erhoben.

Der Historiker Israel Yuval deutete die christlichen Ritualmordanklagen als Reaktion auf die Selbstauslöschung jüdischer Gemeinden bei den Gezerot Tatnu von 1096 im Rheinland. Vor die Wahl zwischen Taufe und Tod gestellt, töteten viele Juden zuerst ihre Kinder, dann sich selbst. Jüdische Chroniken verherrlichten dies als „Heiligung des Gottesnamens“ (Kiddusch Haschem) in Erwartung kommender göttlicher Gerechtigkeit. Dies habe die Christen bestärkt, Juden eine bösartige Gier nach Rache an Christen und nach Kindesopfern zuzuschreiben. Die christlichen Legenden spiegelten die jüdische Märtyrertheologie. Ohne jüdisches Leiden zu bestreiten, wies Yuval dem Judentum damit eine Mitverantwortung für mittelalterliche Ritualmordlegenden zu. Diese Erklärung setzte sich nicht durch.

Scheinprozesse

Im französischen Blois wurden Juden 1171 beschuldigt, sie hätten ein totes christliches Kind in einen Fluss geworfen. Weder wurde ein Kind vermisst noch eine Leiche gefunden. Die bedrohten lokalen Juden zeigten den Fall bei König Ludwig VII. an, der ihnen Hilfe versprach. Gleichwohl erklärten der Bischof und der Graf von Blois dutzende Juden in einem Schauprozess zu Mördern. Die Angeklagten schlugen Angebote aus, sich freizukaufen und christlich taufen zu lassen, um ihre Gemeinde nicht künftigen Erpressungen auszuliefern. Darauf wurden am 26. Mai 1171 mehr als 30 Juden verbrannt. Der Abt Robert von Torigni behauptete später in seiner Chronik einen jüdischen Ritualmord und legitimierte so nachträglich den Massenmord. Die jüdische Gebetsliturgie zum Jom Kippur und zum Tischa beAv erinnert daran.

Auch Legenden zu Richard in Pontoise (1167), Harald in Gloucester (1168) und Rodbertus in London (1181) stellten diese Todesfälle christlicher Knaben analog zur Marter und Kreuzigung Jesu dar und beschrieben Wunder, um die Schuld der Juden zu beweisen und einen Heiligenkult zu gründen. Mit dem Pogrom von 1171 in Blois griffen Ritualmordanklagen auf Frankreich und Spanien über. Auch 1179 in Paris, 1182 und 1250 (Domingo de Val) in Saragossa sollten Juden christliche Knaben gekreuzigt haben. Alle Prozesse dazu endeten mit Todesurteilen.

1191 in Bray-sur-Seine ermordete ein königlicher Vasall einen Juden. Die Opferangehörigen erwirkten gegen Geldzahlungen, dass der Täter verurteilt und ihrer Gemeinde übergeben wurde. Dessen Hinrichtung beim Purimfest stellten dann viele vermeintliche Zeugen als Ritualmord und Bestätigung weiterer Ritualmordanklagen hin. König Philipp II. nutzte dies, um seine Herrschaft in der Region zu festigen. Er zog nach Bray, stellte die Juden dort vor die Wahl zwischen Taufe und Tod und verurteilte 80 Gemeindeglieder zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Viele töteten sich vorher selbst. Im englischen Winchester dagegen wurde eine Klage gegen Juden wegen der fehlenden Leiche 1192 abgewiesen. 1244 wurde in London ein toter Säugling gefunden, Wundmale auf der Leiche als hebräische Schriftzeichen gedeutet und Londoner Juden angeklagt. Sie konnten nicht überführt werden und ein Todesurteil gegen hohe Geldstrafen abwenden. Der Londoner Chronist Matthäus Paris hielt fest, frühere Ritualmordberichte, Märtyrerüberführungen und folgende Wunder hätten die Kleriker zu dieser Anklage bewogen.

1255 fand man in Lincoln den Knaben Hugh nahe beim Haus eines Juden tot auf. Dieser wurde gefoltert, gestand einen rituellen Auftragsmord, wurde daraufhin durch die Londoner Straßen geschleift und zuletzt gehängt. König Heinrich III. griff die Anklage auf und ließ nach einem Schauprozess 97 (andere Quellen: 18) weitere Juden hängen. Andere Mordanklagen gegen Juden tauchten nach Leichenfunden von christlich getauften Mädchen auf: etwa in Boppard (1179), Speyer (1195), Valréas (1247), Pforzheim (1267), Lienz (1442). Sie zeigen, wie sich der Vorwurf aus seinem rituellen Kontext löste und verallgemeinerte.

Folklore und Literatur

Um 1200 erzählte eine Legende in England von einem jungen Klosterschüler, der durch die Judengasse gezogen sei und dabei das Marienlied Alma redemptoris mater gesungen habe. Ein Jude habe ihn aus Wut erschlagen und in seinem Haus verscharrt. Doch seine Leiche habe weitergesungen und den Täter verraten. Auch Chroniken verbreiteten das Motiv: Matthäus von Paris († 1259) stellte Hughs angebliche Marter in grausamen passionsähnlichen Details dar. Darauf beriefen sich Ankläger in späteren Fällen, so der Stadtprediger von Celle, Sigismund Hosemann, noch 1699 in seinem Pamphlet Das schwer zu bekehrende Juden-Hertz. Geoffrey Chaucer (ca. 1340–1400) nahm die Legende vom Marienlied in seine Canterbury Tales auf und verknüpfte sie mit dem Motiv des Herodianischen Kindermords (Mt 2,16) und dem angeblichen Martyrium des Hugh von Lincoln.

Diese Legenden verstärkten den Judenhass, bis die Juden 1290 aus England vertrieben wurden. Danach bestanden nur noch kleine jüdische Enklaven in manchen englischen Städten fort. Das Stereotyp des blutgierigen, heimtückischen, auf Verbrechen an Christen lauernden Juden wanderte in englische Bühnenstücke ein, so in Christopher Marlowes Der Jude von Malta (1592) und William Shakespeares Der Kaufmann von Venedig (1596–1598).

Christenblut als „Heilmittel“

1215 dogmatisierte das 4. Laterankonzil die Transsubstantiationslehre: Weil sich Wein und Brot bei der Eucharistie in das reale Blut und den Leib Christi verwandeln sollten, schrieb man der Hostie magische Kräfte zu. Ihr Missbrauch konnte im Aberglauben der Bevölkerung weitreichende Folgen haben. Seitdem verband sich der Ritualmordvorwurf mit dem des Hostienfrevels. Mit der Entfaltung der christlichen Blutmystik trat neben die Analogie zum Leiden Jesu immer öfter die Behauptung, Juden bräuchten Christenblut zum Einbacken in ihre Mazzen, für Zauberei oder zur Heilung ihnen angeborener Leiden. Sie seien demnach nicht nur aus Religion, sondern auch von ihrer „Natur“ her genötigt, solche Morde zu begehen. Ihnen wurde also eine analoge Sakramentalisierung ihrer Riten nachgesagt und der eigene Glaube an die Heilswirkung des Blutes unterstellt.

Diese Blutanklage tauchte erstmals 1235 in Fulda auf deutschsprachigem Boden auf. Dort kamen am Heiligabend fünf Kinder bei einem Hausbrand ums Leben. Man beschuldigte örtliche Juden, sie hätten zwei der Opfer ermordet und ihr Blut in Säcke abgefüllt, um es als Heilmittel zu verwenden. Von einer rituellen Tötung reden die Akten nicht; doch erschien die ganze Judengemeinde beteiligt. Zufällig anwesende Kreuzfahrer verbrannten am 28. Dezember 34 ihrer Mitglieder. Seit diesem Massenmord bezeichneten deutsche Aschkenazim alle derartigen Ritualmordanklagen, auch die früheren englischen und französischen, als „Blutbeschuldigung“ (englisch blood libel).

Der Dominikaner Thomas von Cantimpré schrieb 1263, Gott habe die Juden seit ihrer Selbstverfluchung (Mt 27,25 ) mit einem hässlichen Blutfluss gestraft, der erst aufhöre, wenn sie sich bekehrten. „Sie glaubten aber, sie könnten von ihrer geheimen Qual befreit werden, wenn sie christliches Blut vergössen!“ Darum würden sie jedes Jahr Christen ermorden.

Erfolglose Schutzbemühungen

Das Papsttum folgte gegenüber der jüdischen Minderheit vom 12. bis ins 20. Jahrhundert dem aus der Substitutionstheologie abgeleiteten Prinzip der doppelten Schutzherrschaft: Einerseits mussten sich die Juden den Christen unbefristet unterwerfen, erhielten weniger Rechte und getrennte Berufs- und Wohnbereiche, andererseits sollten sie die Überlegenheit der katholischen Kirche bestätigen und für die Judenmission verfügbar bleiben. Daher verboten einige Päpste den Christen mit Schutzbullen, die Juden zu ermorden und zu verfolgen, so Calixtus II. (Sicut Judaeis, 1120) und Innocenz III. (Licet perfidia Judeorum, 1199). Einige Bullen nahmen explizit auf Ritualmordlegenden Bezug. Während des zweiten Kreuzzugs (1147–1149) verurteilte der Abt Bernhard von Clairvaux in Briefen an Bischöfe die Zerrbilder angeblicher Mordlust der Juden an Christen. Dem folgten Gregor IX. (1233) und einige spätere Päpste. Sie konnten ihre Schutzgarantien für Juden jedoch oft nicht durchsetzen.

Nach dem Präzedenzfall von Fulda 1244 wollte Kaiser Friedrich II. ähnliche Pogrome verhindern. Er setzte eine Untersuchungskommission ein, der Theologen und jüdische Konvertiten aus ganz Europa angehörten. Sie stellten fest:

„Weder im Alten noch im Neuen Testament kann man erfahren, dass die Juden begierig wären, Menschenblut ausströmen zu lassen, ja im Gegenteil […] hüten sie sich vor der Befleckung durch jegliches Blut gemäß der Bibel, in den von Moses gegebenen Geboten, die hebräisch Berechet heißen, und in den jüdischen Gesetzen, die hebräisch Talmilloht (Talmud) heißen. Es spricht auch eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass diejenigen, denen sogar das Blut erlaubter Tiere verboten ist, keinen Durst nach Menschenblut haben können. Gegen diesen Vorwurf spricht: 1) der Horror dieser Sache; 2) dass es die Natur verbietet; 3) die menschliche Verbindung, die Juden auch den Christen entgegenbringen; 4) dass sie nicht willentlich ihr Leben und Eigentum gefährden würden. Aus diesen Gründen haben wir im Konsens mit den regierenden Fürsten entschieden, die Juden des Reiches von dem schweren Verbrechen, dessen man sie angeklagt hat, freizusprechen und die übriggebliebenen Juden von allen Verdächtigungen frei zu erklären.“

Mit dieser rationalen Begründung verbot er weitere Ritualmordanklagen. Doch diese erfolgten weiterhin, verbreiteten sich europaweit und endeten fast alle mit Massenhinrichtungen oder Massakern.

1247 in Valréas gaben die Angeklagten nach grausamer Folter alles zu, was die Ankläger hören wollten: Juden würden weltweit am Karfreitag zur Beschimpfung und Entmachtung Jesu ein Christenkind kreuzigen, sein Blut auffangen und dieses am Karsamstag, ihrem heiligen Sabbat, trinken, um so wie früher durch Opfer im Tempel entsühnt und gerettet zu werden. Daraufhin sandten die Judengemeinden eine Petition an Papst Innozenz IV. Dieser erließ eine Schutzbulle, die häufige Motive der Anklagen benannte:

„Wir haben die flehentliche Klage der Juden vernommen, dass manche kirchlichen und weltlichen Würdenträger wie auch sonstige Edelleute und Amtspersonen in Euren Städten und Diözesen gottlose Anklagen gegen die Juden erfänden, um sie aus diesem Anlass auszuplündern und ihr Hab und Gut an sich zu raffen. Diese Männer scheinen vergessen zu haben, dass es gerade die alten Schriften der Juden sind, die für die christliche Religion Zeugnis ablegen. Während die Heilige Schrift das Gebot aufstellt: Du sollst nicht töten! und ihnen sogar am Passahfest die Berührung von Toten untersagt, erhebt man gegen die Juden die falsche Beschuldigung, dass sie an diesem Feste das Herz eines ermordeten Kindes äßen. Wird irgendwo die Leiche eines von unbekannter Hand getöteten Menschen gefunden, so wirft man sie in böser Absicht den Juden zu. Es ist dies alles nur ein Vorwand, um sie in grausamster Weise zu verfolgen. Ohne gerichtliche Untersuchung, ohne Überführung der Angeklagten oder deren Geständnis, ja in Missachtung der den Juden vom apostolischen Stuhl gnädig gewährten Privilegien beraubt man sie in gottloser und ungerechter Weise ihres Besitzes, gibt sie den Hungerqualen, der Kerkerhaft und anderen Torturen preis und verdammt sie zu einem schmachvollen Tode … Solcher Verfolgungen wegen sehen sich die Unglückseligen gezwungen, jene Orte zu verlassen, wo ihre Vorfahren von alters her ansässig waren. Eine restlose Ausrottung befürchtend, rufen sie nun den apostolischen Stuhl um Schutz an …“

Er forderte daher die Adressaten auf, die Christen dazu anzuhalten, den Juden „freundlich und wohlwollend zu begegnen“. Doch er war es auch, der den Talmud und Disputationen mit Juden offiziell verbot, so dass sie ihre Religion den Christen nicht erklären konnten. Zudem erlaubte er der Inquisition, Blutanklagen, die oft von Priestern und Theologen formuliert wurden, mit Foltergeständnissen zu bekräftigen. Zwischen 1264 und 1267 erfolgten ständige Judenpogrome. Nach dem Regierungsantritt der Habsburger häuften sich die Ritualmordprozesse, so 1283 in Mainz, 1286 in München und 1288 in Oberwesel.

Eine Schutzbulle von Papst Gregor X. (1272) zeigt, dass Anklagen bewusst gefälscht wurden: Christen würden Juden nicht nur zu Unrecht der Kindesentführung bezichtigten, sondern sogar bewusst Kinder verstecken und Juden eine Anklage androhen, um von ihnen Geld zu erpressen. Dennoch lebte der Glaube an die Legende fort: Manchmal bot man Juden sogar Kinder zum Kauf an. Weitere Schutzbullen von Martin V. (1417–1431), Nikolaus V. (1447–1455) und Paul III. (1534–1549) zeigen die Kontinuität der Anklagen. Päpstliche und königliche Verbote blieben weitgehend wirkungslos. So ist in Ritualmordprozessen von 1200 bis 1500 nur ein einziger Freispruch bekannt (1329 in Savoyen).

Das Statut von Kalisch, das Herzog Bolesław der Fromme 1264 erließ, sicherte allen Juden von Großpolen den Schutz ihres Lebens und Vermögens zu und verbot, sie vor Gericht zu diskriminieren. Der Eid eines angeklagten Juden sollte vor Gericht als Beweis gelten. Das Dokument ist nur noch als Kopie aus dem 16. Jahrhundert bekannt. Die folgenden Herrscher Polens bestätigten die darin erlassenen Rechte. Gleichwohl kam es in Polen später zu Ritualmordprozessen, erstmals 1547.

Kultstiftung

Im Jahr 1287 sollten Juden Werner von Oberwesel aus religiösen Motiven ermordet haben. Die Legende entstand 1288 und löste blutige Verfolgungen der Juden im ganzen Rheinland aus. In Bacharach wurden deswegen 26 Juden ermordet. Heinrich Heine erinnerte in seiner fragmentarischen Erzählung Der Rabbi von Bacherach daran. Um die Leiche des Jungen entstand ein Kult: Man schrieb ihr besondere Leuchtkraft zu und weigerte sich zunächst, sie zu beerdigen. Um 1370 berichtete eine lateinische Chronik, Juden hätten ihn an den Füßen aufgehängt, um eine Hostie, die er gerade verschlucken wollte, zu erlangen. Daraufhin wurde Werner als Märtyrer mit einem Fest jedes Jahr am 19., später am 18. April verehrt.

Am 17. April 1294 wurde Rudolf von Bern ermordet. Als Täter wurden die Berner Juden verantwortlich gemacht. Auch er wurde später als Märtyrer verehrt. Zudem wurde das Stereotyp mittels christlicher Kunst und volkstümlicher Passionsspiele im Volksglauben verankert. Altar- und Deckengemälde in Kirchen zeigen, wie Juden den kreuzförmig ausgestreckten Leib ihres angeblichen Opfers mit Messern oder Lanzen verletzen oder schächten, ihm Blut entziehen, dieses auffangen usw.; oft auch nach einer vorherigen Beschneidung, so auf dem Herrenberger Altar von Jörg Ratgeb (1518).

1303 wurde den Juden in Weißensee (Thüringen) ein Ritualmord an dem verschwundenen Knaben Conrad nachgesagt, was zu ihrer Verfolgung in der Region führte. Conrad wurde ansatzweise als Heiliger verehrt. Diese Episode wurde in mehreren Chroniken überliefert. Sie war auch Martin Luther bekannt und diente ihm 1543 dazu, allen Juden heimliche Mordabsichten an den Christen zu unterstellen.

Frühe Neuzeit

Ketzer und Hexen

Im 15. Jahrhundert kamen auch Ritualmordvorwürfe gegen weibliche und männliche „Hexen“ auf. Ihnen wurden Praktiken vorgeworfen, die die kirchliche Inquisition seit dem 13. Jahrhundert Katharern und Waldensern unterstellt und mit Folterverhören „bestätigt“ hatte: nächtliche orgiastische Zusammenkünfte mit Teufelsanbetungen oder Huldigungsritualen an böse Geister und Kinderopfern. Nachdem bis dahin nur vereinzelte Klagen gegen als Zauberer Verdächtigte laut geworden waren, wurde nun eine bedrohliche Sekte angenommen, die Praktiken wie „Schwarze Magie“ heimlich verabrede und zur Zerstörung des Christentums ausübe. Motive wie der „Hexensabbat“ (vom Schabbat), die „Synagoge“ (für den Hexentanz) und Ritualmord stammten aus älteren antijudaistischen Vorstellungen.

Die Chronik des Hans Fründ aus Luzern (~1431) zählte erstmals auf, was angeblich an einem Hexensabbat geschehe: Teufelspakt, Luftflug, Herstellung und Verwendung von Hexensalben, orgiastisches Mahl mit geraubten Lebensmitteln, Schadenzauber, ritueller Kindesmord und Kannibalismus. Prozessakten und Chroniken wie die des Heidelberger Hofkaplans Matthias von Kemnat zeigen, wie die heimlichen Praktiken, die Christen Juden unterstellten, auf Ketzer und Hexen übertragen wurden.

Juden

Um 1430 sind 30 Ritualmordanklagen gegen Juden im deutschen Sprachraum dokumentiert, vier in Spanien und Italien, zwei in Polen und eine in Ungarn. Sie endeten fast alle tödlich für die Angeklagten. Im Juli 1430 wurden die meisten Juden der Gemeinden von Lindau, Ravensburg und Überlingen verbrannt. Die Übrigen flohen oder wurden vertrieben; einige ließen sich taufen. Aus Buchhorn wurden die Juden 1433 zumindest vertrieben und ihnen die Ansiedlung verboten. In Konstanz wurden inhaftierte Juden gegen hohe Geldbußen aus der Haft entlassen, so auch in Zürich. In allen Verläufen waren die jeweiligen Interessen der Obrigkeit entscheidend. Wo ein dringender Tatverdacht vorgelegt wurde, kam es in der Regel zu Folter, um Geständnisse und Hinrichtungen zu erreichen. Wo Stadträte die Vorwürfe nicht glaubten, nutzten sie die Anzeigen oft, um Gegner und Konkurrenten auszuschalten. Im Ergebnis wurden Juden auch dort meist vertrieben, wo die Anklage entkräftet wurde.

1451 dehnte Papst Nikolaus V. die Inquisition unter Johannes von Capistrano auch gegen Juden aus. Dieser erneuerte die Vorwürfe von Ritualmord und Hostienfrevel gegen sie, die Innozenz IV. 1247 zurückgewiesen hatte. War die Anklage einmal erhoben, dann wurden die Begründungen dafür beliebig ausgetauscht, bis das durch Folter erpresste Geständnis das gewünschte Ergebnis lieferte. Ein Verhörprotokoll aus Endingen am Kaiserstuhl 1470 spiegelt die verzweifelte Suche des mit dem christlichen Aberglauben wenig vertrauten Juden Merklin nach der „richtigen“ Antwort, die seine Qual beenden würde: Er und seine Angehörigen bräuchten das Christenblut als heilsame Arznei; dann für die Fallsucht eines seiner Söhne; dann als Odor gegen ihren üblen Körpergeruch; dann als Chrisam (Salböl) für die Beschneidung. Das Christenblut sollte für die Ankläger also die Erlösung garantieren, die Juden nach der Patristik seit Jesu Blutopfer verloren hätten. Merklins Familie wurde lebendig verbrannt. Kaiser Friedrich III. konnte die Ausweitung des Verfahrens auf andere Städte verhindern, nach einem zähen Rechtsstreit 1476–1480 die Regensburger Juden retten und damit die kaiserliche Rechtshoheit über die Reichsstädte wahren.

Die Geschichte des Simon von Trient wurde in ganz Deutschland und Oberitalien bekannt und folgenreich: 1475 begann Bernhardin von Feltre als neu ernannter Prior des Franziskanerklosters eine Serie von Hetzpredigten gegen die Juden von Trient, die ihr bisheriges friedliches Zusammenleben mit den Christen beendete. Am Gründonnerstag (23. Mai) gab er öffentlich den Juden die Schuld am Verschwinden eines Knaben und prophezeite, sie würden noch vor dem bevorstehenden Osterfest ihre Bosheit beweisen. Der jüdische Hofbesitzer Samuel fand am Karsamstag im Bach vor seinem Haus Simons Leiche und meldete den Fund den Behörden. Diese nahmen ihn und weitere Vertreter der jüdischen Gemeinde fest. In einem zweijährigen Verfahren nutzte der Tridentiner Bischof Johannes Hinderbach alle verfügbaren Foltergeständnisse von Ritualmorden im Bodenseegebiet für seine eigenen Verhöre. An der Folter starben 14 der Angeklagten, die übrigen legten erfolterte Scheingeständnisse ab.

Hinderbach gab noch vor Prozessende Druckwerke in Auftrag, die in drastischen Holzschnitten die angebliche Marter Simons illustrierten. Daraufhin beauftragte Papst Sixtus IV. eine Untersuchungskommission mit der Prüfung des Falls. Deren Vorsitzender, ein Freund Feltres, stellte das Unrecht der Foltergeständnisse fest, zugleich aber das Recht zur Festnahme der Juden und zur Anklage gegen sie. Diese wurde nun ergebnislos fallengelassen. Aber mit „Augenzeugenberichten“ über Simons Leiden und Eingaben erreichte Feltres Orden schließlich, dass der Papst Simon heiligsprach.

Bei Bischof Hinderbachs Sammlung angeblicher Ritualmordfälle von 1475 bezeugten lokale Gewährsleute, 1442 oder 1443 habe man bei Lienz eine mit vielen Stichwunden übersäte Mädchenleiche aus dem Fluss geborgen. Zwei als Mörder verdächtigte Juden des Ortes gestanden unter der Folter alles. Sie wurden erhängt, ihre Ehefrauen sowie eine Christin, die ihnen das Opfer angeblich verkauft hatte, wurden lebendig verbrannt. Diese Ritualmordlegende zu „Ursula Pöck“ war die älteste aus dem 15. Jahrhundert, blieb aber trotz mehrerer Wiederbelebungsversuche wenig beachtet. Kulturzeugnisse dazu wurden nach 1945 ohne Aufsehen beseitigt.

Nachdem Pilger zum Grab Simons in Trient strömten, erinnerte man sich auch anderswo an unaufgeklärte Todesfälle von Kindern, die sich als Ritualmorde ausgeben ließen, um eine einträgliche Heiligenverehrung in Gang zu bringen: so in Padua (1475), Brescia, Mailand (1476), Motta di Livenza (1480) und Marostica (1485). Nur wenige davon lösten erfolgreich einen Kult aus. Erst 1588 erlaubte ein Papst, Sixtus V., den Kult um Simon von Trient.

Die Schedelsche Weltchronik von 1493 zeigte anschauliche Bilder von Juden, um die gängigen antijudaistischen Stereotype zu belegen. Darunter waren die angebliche Kreuzigung des William von Norwich und die rituelle Tötung des Simon von Trient als markante Beispiele aller Ritualmordlegenden des Mittelalters. Das Bild zu Simon nannte sogar die Namen seiner angeblichen jüdischen Mörder. Es wurde oft nachgedruckt; eine danach gestaltete Figurengruppe befand sich bis 1965 in der Kirche St. Peter und Paul in Trient. Ein um 1475 entstandenes, ebenso wirkmächtiges Wandbild auf einem Brückenturm in Frankfurt am Main kombinierte Simons Leichnam mit einer „Judensau“ und einer Bildunterschrift, die an „der Juden Schelmstück“ im Bund mit dem Teufel erinnerte.

Nach Johannes Matthias Tiberinus beglaubigte der Pseudomediziner Hippolyt Guarinoni um 1620 erneut den angeblichen Ritualmord an Simon, indem er seine Gebeine ausgraben ließ, zu einer Mumie präparierte und dann „obduzierte“. Sein Gutachten stellte exakt 5812 Wunden an Simons Körper fest. Nach diesem Muster schuf und propagierte Guarinoni im Zuge der katholischen Gegenreformation auch die Legende zu Anderl von Rinn. Den Anlass dazu gab ihm eine namenlose Kinderleiche, die seit 1612 in der Dorfkirche von Rinn als Reliquie ausgestellt, aber weithin unbeachtet geblieben war. In Rinn waren keine Juden ansässig. Mit Hilfe des Stadtrats und der Jesuiten im nahen Innsbruck konstruierte Guarinoni daraus einen jüdischen Ritualmord, zunächst mit erfolglosen Verhören von Dorfbewohnern, ab 1619 mit eigenen fiktionalen Texten, zuletzt 1642 mit einem langen Gedicht. Als exaktes Morddatum erfand er den 12. Juli 1462, also vor dem Todesjahr Simons, gab dem Kind den Namen des Apostels Andreas, den auch Simons Vater trug, und seiner Mutter wie Simons Mutter den Namen Maria. 1620 ließ Guarinoni das Skelett in Rinn exhumieren und stellte daran 20 Wunden fest. Ab 1621 popularisierte ein Theaterstück der Innsbrucker Jesuiten, dessen Uraufführung auch Erzherzog Leopold V. besuchte, die Legende rasch. Bis 1670 wurde über dem vermeintlichen Tatort, dem „Judenstein“, eine Wallfahrtskirche gebaut. 1671 wurde die Reliquie dorthin zeremoniell überführt und ausgestellt. Bald folgten Wallfahrten, Prozessionen und viele weitere Theaterstücke zu Anderl. 1730 stellte eine barocke Bildserie den erfundenen Ritualmord blutig und plastisch dar. 1754 gestattete Papst Benedikt XIV. den Anderlkult mit der Bulle Beatus Andreas offiziell. So wurde aus einer literarischen Fiktion ein „VolkstumTirols und eine gewinnträchtige Wallfahrt, die Jahrhunderte überdauerte. Das „Anderl-Spiel“ wurde in der näheren und weiteren Umgebung nachgeahmt und trug erheblich zum Aufschwung des Tiroler Volksschauspiels bei.

Im Jahr 1622 taf den jüdischen Kaufmann Isaak Jeschurun in Ragusa (Dubrovnik), die falsche Anschuldigung eines Ritualmords an einem christlichen Mädchen. In Wahrheit hatte eine nichtjüdische Frau das Kind getötet; sie brachte jedoch die Schutzbehauptung vor, von „einem Juden“ des Blutes wegen zur Tat angestiftet worden zu sein. Isaak wurde verhaftet und wiederholt aufs Grausamste gefoltert. Weil ihn die Folter nicht umbrachte, verurteilte man ihn zu Gefangenschaft unter derart unmenschlichen Bedingungen, dass der baldige Tod unausbleiblich schien. Doch auf wundersame Weise überstand Isaak auch diese Tortur länger als seine Richter es für möglich gehalten hätten und kam endlich frei.

Abklingen

Im 16. Jahrhundert trat der antijudaistische Ritualmordvorwurf in der kirchlichen Theologie Mitteleuropas zurück und konnte vor Gericht kaum noch durchgesetzt werden. Immer öfter stellten sich Klagen als unwahr und betrügerisch heraus, so 1504 in Frankfurt am Main, 1529 in Pösing und 1540 in Sappenfeld. Dort angeklagte Juden zitierten vor Gericht den Reformator Andreas Osiander, der den Vorwurf in einer anonymen Schrift exegetisch und logisch widerlegte (Ob es war und glaublich sey / daß die Juden der Christen Kinder heymlich erwürgen / vnd jr blut gebrauchen, 1540). Die Gegenschrift von Johannes Eck (1541) führte nochmals alle überlieferten angeblichen Beweise für einen religiösen Blutdurst der Juden an, fand aber kaum noch gelehrte Unterstützer. Auch katholische Theologen beriefen sich nun auf die Schutzbulle von Papst Innozenz IV. von 1247. Folglich wurden die Sappenfelder Juden freigesprochen. 1563 prüfte das Reichskammergericht letztmals eine Ritualmordanklage. Dort war von einem Bedarf der Juden an Christenblut keine Rede mehr, der Angeklagte wurde freigelassen.

Später schrieben Katholiken auch Protestanten und Freimaurern solche Praktiken zu, während die Puritaner dies Katholiken zutrauten.

Neuzeit

Polen und Litauen

Nachdem die meisten deutschsprachigen Städte die Juden bis etwa 1700 vertrieben hatten, kam es dort nur noch selten zu neuen Ritualmordanklagen, dafür umso mehr in Osteuropa, wohin viele vertriebene Juden geflohen waren. Besonders in Polen wurden die neuzugezogenen Juden anfangs begrüßt und tolerant behandelt. Doch 1407 kam es erstmals in Krakau zu einem Ritualmordvorwurf, begleitet von einem Pogrom. In der Lubliner Union, so ermittelten Historiker, fanden von 1500 bis 1800 mindestens 89 Ritualmordanklagen und -prozesse statt. Man schätzt 200 bis 300 Hinrichtungen als ihre Folge.

Im Jahr 1758 baten die jüdischen Gemeinden Polens Papst Benedikt XIV., sie gegen die häufigen Ritualmordvorwürfe von Katholiken ihres Landes zu verteidigen. Nach dessen Tod beauftragte das Heilige Offizium den Franziskaner Lorenzo Ganganelli, die Vorwürfe zu prüfen. In seinem Gutachten kam er zu dem Ergebnis, dass historische und aktuelle Beispielfälle unbegründet seien. Er nannte judenhetzende Christen „Pöbel“ und „Lügner“ und wies polnischen Bischöfen ihre widersprüchliche Argumentation für die angeblichen Ritualmorde nach. Man müsse vernunftgemäß argwöhnen, dass die Vorwürfe insgesamt nur „Verleumdung“ der Juden durch Christen seien.

Bei Andreas von Rinn 1462 und Simon von Trient 1475, deren Kulte Päpste anerkannt hatten, fand Ganganelli berechtigte Verdachtsmomente für jüdische Ritualmorde. Er betonte jedoch zugleich: Selbst wenn diese Ritualmorde tatsächlich geschehen seien, seien es Einzelfälle, die auf keinen Fall den Verwandten der Täter oder gar allen Juden angelastet werden und als Eigenart der „jüdischen Nation“ ausgegeben werden dürften. Jüdische Ritualgesetze verböten Menschen-, besonders Kindesopfer. Damit machte er das Durchsetzen von Einzelfallprüfungen aufgrund einer juristisch korrekten Beweisaufnahme zur Pflicht des Heiligen Stuhls. Dem schloss sich Papst Clemens XIII. am 24. Dezember 1759 in allen Punkten an. Die jüdischen Beschwerdeführer erhielten einen päpstlichen Sendbrief, der den polnischen Nuntius beauftragte, sie unter seinen Schutz zu stellen. Erst 1762 informierte dieser den polnischen König von dieser Haltung des Papstes und seinem Auftrag, Ritualmordvorwürfe nur noch nach individueller Beweislage zuzulassen und danach Recht zu sprechen.

Russland

In Russland soll laut einer Überlieferung der Russisch-orthodoxen Kirche ein Junge namens Gavriil 1690 einem jüdischen Ritualmord zum Opfer gefallen sein. Er wurde noch 1914, nach dem Freispruch des angeblichen Ritualmörders Mendel Beilis, von seiner Kirche als Märtyrer heiliggesprochen. Einige Zaren nutzten Ritualmordlegenden gezielt zur Diskriminierung der Juden und des Liberalismus; sie waren dort also Ausdruck eines gesamtpolitischen Antisemitismus. Der erste dortige Ritualmordprozess 1799 in Senno endete für vier angeklagte Juden mit Freispruch aus Mangel an Beweisen. Danach forderte Zar Paul I. einen offiziellen Bericht über Weißrusslands Juden an. Der als Autor beauftragte spätere Justizminister Gawriil Romanowitsch Derschawin hielt Ritualmorde für das Fantasieprodukt unwissender Fanatiker, schloss aber nicht aus, sie könnten früher tatsächlich verübt worden sein. Es gebe in den Judengemeinden noch lebende Täter. Daher seien solche Anklagen ernst zu nehmen und zu verfolgen.

Nach einem weiteren Fall 1816 in Hrodna verbot Zar Alexander I. mit einem Ukas am 6. März 1817, Juden künftig ohne hinreichende Indizien und nur wegen der abergläubischen Ritualmordlegende anzuklagen. Zugleich aber ließ er die Prüfung von Freisprüchen zu, so im Fall von Welisch 1823. Der mit der Untersuchung beauftragte Generalgouverneur Tschowanski – ein bekannter Judenfeind – bezichtigte 1824 in seinem Bericht die ganze jüdische Gemeinde von Welisch als Auftraggeber des Mordes. Darauf ließ der neue Zar Nikolaus I. alle jüdischen Schulen und Synagogen der Stadt schließen. Tschowanski versuchte nun, auch bei weiteren ungeklärten Mordfällen eine Verstrickung von Juden nachzuweisen und dazu den Fall in Grodno wieder aufzurollen.

Doch 1835 sprach der Staatsrat die seit 1825 inhaftierten Juden von Welisch in letzter Instanz frei, verurteilte drei Belastungszeugen wegen Meineids und verbannte sie nach Sibirien. Der Zar akzeptierte das Urteil, bestätigte aber nicht den Ukas seines Vorgängers von 1817, da er an jüdische Sekten glaubte, die christliches Blut für ihre Riten benötigten. Aus Anlass des Falls von Saratow 1853 beauftragte er eine Sonderkommission, die angeblichen „Dogmen des religiösen Fanatismus der Juden“ zu untersuchen. Obwohl diese bis 1856 keine Beweise fand und den Fall einzustellen riet, verurteilte der Staatsrat die Beschuldigten zu lebenslanger Haft im Arbeitslager. Der als Reformzar geltende Alexander II. bestätigte das Urteil 1860 und lehnte Begnadigungsgesuche ab. Zwei der Verurteilten begingen in Haft Suizid, der dritte wurde 1867 begnadigt. Trotz einer Justizreform wurde etwa die Anklage 1879 in Kutaissi (Georgien) zugelassen, die mit Freispruch für zehn Juden endete.

Unter Alexander III. fanden trotz wachsender antisemitischer Stimmung keine Ritualmordprozesse statt, erst wieder 1900 in Vilnius unter Nikolaus II. (1902 Freispruch nach Revision). 1903 in Kischinjow brachten orthodoxe Priester und die vom Geheimdienst Ochrana mitfinanzierte Tageszeitung Bessarabetz nach einem bereits aufgeklärten Mordfall Ritualmordgerüchte auf, die zu einem schweren Pogrom führten. Unter dem Ruf „Tötet die Juden“ wurden vom 6. bis 9. Februar 45 bis 49 jüdische Bewohner der Stadt ermordet, darunter Frauen, Alte, Säuglinge. 400 bis 500 wurden verletzt und über 700 ihrer Wohnungen und Geschäfte geplündert und zerstört. Die Polizei griff nicht ein. Auf internationale Proteste und eine Petition des US-amerikanischen Senats antwortete der Zar nicht. Dies gab dem Zionismus Auftrieb; zehntausende Juden verließen wie schon nach den staatlich geduldeten Judenpogromen von 1880 Russland.

1910 gelang einer jüdischen Familie in Smolensk, mit einer Verleumdungsklage nach einer gefälschten Anklage die Verurteilung der Hauptbelastungszeugin und eines örtlichen Geistlichen zu erreichen, der das Gerücht als Redakteur der reaktionären Zeitung Russkoje Snamja („Russisches Banner“) und Vorsitzender des Sojus russkowo naroda („Bund des russischen Volkes“) geschürt hatte. 1911 wurde die Jüdin Chana Spektor in Taraschtscha noch im selben Monat nach einer Anklage freigesprochen. Nach Protesten bestätigte der Senat den Freispruch 1912.

Der Prozess gegen Mendel Beilis in Kiew 1911 war die letzte international beachtete russische Ritualmordanklage. Sie wurde vom zaristischen Innenministerium selbst konstruiert, um parlamentarische Forderungen nach Aufhebung der seit Jahrzehnten gültigen antijüdischen Knebelgesetze zurückweisen zu können. Trotz fingierter Beweise sprach eine Jury den Angeklagten nach zweijähriger Haft 1913 einstimmig frei; er musste aber emigrieren. Die Haltung der Staatsbehörden fand vielfache Kritik im Ausland und rückte den russischen Antisemitismus ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit. Sie trug auch zur Verständigung von konservativen und revolutionären russischen Oppositionellen in der „Judenfrage“ bei. Nach 1918 wurde die Ermordung der Zarenfamilie von Gegnern der Bolschewiki als Ritualmord hingestellt: Die Thronfolger seien wie bei einer Schächtung regelrecht ausgeblutet worden. Da das verbreitete Theorem des jüdischen Bolschewismus die Revolutionäre ohnehin oft umstandslos mit dem Judentum gleichsetzte, waren schwere antisemitische Ausschreitungen in den von den Weißen beherrschten Gebieten die Folge.

Osmanisches Reich

Das vom Islam geprägte Osmanische Reich pflegte religiöse Toleranz gegen die Minderheiten der Christen und Juden. Im 15. Jahrhundert nahm es die aus Spanien vertriebenen Juden auf. Seitdem traten auch hier Blutanklagen gegen Juden auf. Sie gingen alle von orthodoxen Christen – Griechen und Armeniern – aus, die die Juden als wirtschaftlich privilegierte Konkurrenten sahen. Sie waren bis 1800 aber sehr selten und wurden allesamt mit Dekreten von der Regierung zurückgewiesen.

Ab 1830 und nochmals ab 1860 nahmen solche Anklagen jedoch sprunghaft zu: Bis 1900 sind 80 Fälle verzeichnet, ein Großteil davon in türkischen Hafenstädten des Mittelmeers. Dies hing mit verschärften Spannungen zwischen christlichen Griechen und muslimischen Türken und dem wachsenden Druck der europäischen Kolonialmächte zusammen. Judenfeindliche Agitatoren versuchten, die Ritualmordlegende nach dem Vorbild christlicher Gruppen für politische Ziele zu nutzen und Unruhe in der Bevölkerung zu schüren. Sie fanden unter Muslimen zunächst wenig Glauben.

Ein Pamphlet von 1803 – Die Widerlegung des Judaismus und seiner Gebräuche – wurde jedoch in zahlreiche Sprachen übersetzt und vor allem auf dem Balkan und Kleinasien verbreitet. Autor war der griechische Mönch Noah Belfer, der sich als bekehrter Jude ausgab (Neophytos, „der Wiedergeborene“) und unter dem Pseudonym E.G. Jab behauptete, sein Vater habe ihn als 13-Jährigen in das Einbacken von Christenblut in die Passahmazzen eingeweiht und ihm den Eid abverlangt, dieses Geheimnis nur einem von zehn seiner zukünftigen Kinder weiterzugeben. Es sei nur den Rabbinern bekannt.

Christliche Mönche lösten mit einer Ritualmordanklage gegen Juden in Damaskus 1840 die international beachtete Damaskusaffäre und antijüdische Ausschreitungen in einigen Städten des Osmanischen Reichs aus. Der Vatikan unterstützte ihre Anklage. Diese wurde durch Folter von acht hochgestellten Juden, Kindesentführung, Erpressung und Bestechung gestützt. Ihr folgten weitere Ritualmordanklagen gegen Juden im arabischen wie europäischen Raum. 1870 mussten jüdische Kaufleute in Konstantinopel zur Passahzeit ihre Handelssäcke öffnen, da man den Transport von Kinderleichen darin vermutete. 1872 folgte ein Pogrom in Smyrna; in Marmara wurde eine Synagoge niedergebrannt. 1874 konnte die türkische Polizei ein weiteres Pogrom in Konstantinopel verhindern. – Die Affäre mobilisierte die westeuropäische und nordamerikanische Öffentlichkeit gegen solche Blutanklagen und gilt daher als erstes Zeichen einer globalisierten Mediengesellschaft.

Österreich-Ungarn

Die verschärfte Lage der Juden in Osteuropa führte ab etwa 1800 zu Rückwanderungsbewegungen. Diesen folgten in den Zuzugsländern wie Österreich-Ungarn wiederum neue Ritualmordanklagen, etwa im ungarischen Tiszaeszlár 1882 und im böhmischen Polná 1899. Diese standen nun auch hier bereits im Kontext des modernen Antisemitismus. Im Fall von Tiszaeszlár verteidigten die ungarische politische Elite unter Ministerpräsident Kálmán Tisza die beschuldigten Juden sofort. Der Nationalratsabgeordnete und Rechtsanwalt Károly Eötvös erreichte vor Gericht ihren Freispruch. Ungarns Behörden und Regierungsparteien traten Judenpogromen, die auf die unbegründete Anklage in einigen Orten des Landes folgten, entschieden entgegen und begrenzten sie so.

Frankreich

In Frankreich wurde der jüdische Viehhändler Raphaël Lévy 1670 in Metz wegen eines Ritualmordvorwurfs angeklagt, gefoltert und hingerichtet. Ein ebenfalls angeklagter jüdischer Entlastungszeuge wurde vor der Hinrichtung bewahrt, indem Ludwig XIV. jeden weiteren Ritualmordprozess und sogar den bloßen Glauben an Ritualmordanklagen verbot. Zwar erreichte ein Theologe posthum die juristische Rehabilitation Levys, doch Schmähschriften verbreiteten diese und andere Ritualmordlegenden weit ins 18. Jahrhundert hinein. Selbst Befürworter der jüdischen Emanzipation wie Henri Grégoire schlossen die Möglichkeit einiger vergangener jüdischer Ritualmorde nicht aus.

In der Dreyfus-Affäre (1894–1906) tauchten modernisierte Ritualmordanklagen in Frankreich wieder auf. Einige Vertreter des katholischen Ultramontanismus warfen Juden wie 200 Jahre früher vor, sie stünden hinter der Säkularisierung durch die Regierung. Die katholische Zeitung La Croix warf Juden vor, sie zerstörten die Seele Frankreichs durch ihre angebliche radikale säkular-antikatholische Agenda, so wie Juden früher Christenkinder ermordet hätten. Um die Justiz zum Eingreifen zu bringen, erinnerte Dreyfus’ Verteidiger Joseph Reinach an den Justizmord an Raphael Lévy und das Prozessverbot des damaligen Königs. – Im Jahr 2001 entschuldigte sich ein Urgroßneffe von Didier Le Moyne, dem angeblich von Levy ermordeten Jungen, bei dessen einzigem Nachfahren öffentlich für das seinem Urahnen angetane Unrecht.

Glatigny, die Heimatgemeinde des angeblichen Opfers Lévys, verbot allen Juden das Betreten des Ortes und hob diesen 344 Jahre strikt eingehaltenen Bann erst 2014 auf.

Akademischer Diskurs in Europa

Seit der Aufklärung waren Ritualmordlegenden unter Gebildeten unglaubwürdig geworden. Doch seit 1800 versuchten frühe Antisemiten, sie wiederzubeleben und pseudowissenschaftlich zu untermauern. 1840 löste die Damaskusaffäre in Westeuropa eine breite Debatte darüber aus, ob jüdische heilige Schriften Ritualmorde verlangen. Die Londoner Times druckte Noah Belfers Pamphlet von 1803 nach und kommentierte, falls die Angaben zuträfen, müsse die jüdische Religion eines Tages von der Erde verschwinden. Auch die Leipziger Allgemeine Zeitung gab judenfeindlichen Argumenten viel Raum. In meist anonymen Leserbriefen beriefen sich christliche Autoren auf antijüdische Schriften, etwa von Matthäus Rader (Bavaria Sancta, ab 1615), Johann Christoph Wolf (Bibliotheca hebraica, ab 1683) und Johann Andreas Eisenmenger (Entdecktes Judenthum, 1711; 1759). Daraufhin erinnerten anerkannte Rabbiner an weithin vergessene Zurückweisungen der Legende von Salomo ibn Verga (Schewet Jehuda, ~1554), Menasse ben Israel (Vindiciae Judaeorum, 1656; deutsche Übersetzung und Vorwort von Moses Mendelsohn, 1782); Johann Christoph Wagenseil (Unwidersprechliche Widerlegung der entsetzlichen Unwarheit, Daß die Juden zu ihrer Bedürffnis Christen-Blut haben müssen, 1705) und Aloysius von Sonnenfels (Judaica Sanguinis Nausea, 1753). Beide Seiten bezogen sich auch auf Martin Luthers Judenschriften.

Im Debattenverlauf versuchten Judenfeinde, das Verbot des Blutgenusses in Lev 17,10-12  zum Gebot des Trinkens von Menschenblut am Altar umzudeuten. Der Talmud erlaube den Gebrauch von Menschenblut etwa bei der Beschneidung, geringfügig auch in koscherem Essen und in Mazzen. Dann, so eine Antwort, hätte ja auch Jesus als toratreuer Jude Menschenblut getrunken. Bei den unterstellten Riten, so schon Isaak Bär Levinsohn (Efes Dammim, 1834), müsse jede Synagoge pro Jahr zwei, allein in London also 16 Christen ermorden. Doch habe man seit 100 Jahren nirgends so einen Mord entdeckt und rechtskräftig bewiesen. Somit seien auch die früheren angeblichen Ritualmorde nur durch Folterverhöre belegt. Diese rationalen Argumente verfingen jedoch nicht gegen die seit 1144 übliche Behauptung, Juden würden Morde an Christenkindern bei jährlichen Geheimtreffen verabreden. Diese Treffen waren schon seit 1540 nur noch bestimmten Rabbinerfamilien oder isolierten jüdischen Sekten nachgesagt worden. So erschien nun plausibel, dass früher bei Juden übliche Ritualmorde seit der Aufklärung nur noch bei ungebildeten Ostjuden und „fanatischen Sekten“ außerhalb Europas praktiziert würden. Damit hielten Judenfeinde die Legende trotz fehlender Beweise wach und erhöhten den Anpassungsdruck auf gebildete Juden Europas. Dagegen veröffentlichte Adolphe Crémieux erneut das Vindiciae Judaeorum von 1656. Darin hatte Menasse ben Israel stellvertretend für alle Juden öffentlich den heiligen Eid geschworen, sie seien schuldlos solcher Verbrechen. Spätere Rabbiner wie Jacob Emden, Jonathan Eybeschütz und David Meldola hatten diesen Eid feierlich bekräftigt. Dies taten 1840 auch Solomon Hirschell in England, Emmanuel Deutz und mit ihm viele Rabbiner in Frankreich.

Auch jüdische Konvertiten wie Johann Emanuel Veith, Wildon Pieritz und August Neander traten gegen die Ritualmordlegende auf. Mit seiner Schrift Reasons for Believing that the Charge Lately Revived Against the Jewish People Is a Baseless Falsehood veröffentlichte Alexander McCaul einen Protestbrief von 35 Konvertiten, darunter der Bischof Michael Salomo Alexander. Sie erklärten feierlich, als erfahrene Kenner des Judentums hätten sie „niemals unter Juden davon gehört und erst recht keine Juden gekannt, die den Brauch üben, Christen zu ermorden oder christliches Blut zu benutzen. Wir halten diese Anklage, die früher so oft gegen sie vorgebracht und erst kürzlich wiederbelebt wurde, für eine widerliche und satanische Lüge.“

Ein angeblicher Talmudexperte schrieb anonym in der Leipziger Allgemeinen Zeitung, zwar habe er wie Eisenmenger im Talmud keine Spur von Ritualmordregeln und Blutgenuss gefunden. Doch die Bibelstelle Ez 36,14  hätten auch Rabbiner als Prophezeiung späterer Ritualmordanklagen verstanden. Er behauptete, um das Passahfest herum würden auffällig viele christliche Kinder ermordet; darum müssten nicht alle Legenden unwahr sein. Um jüdische Ritualmorde als möglich darzustellen, veröffentlichte er einige Talmudzitate, die Gojim den Tod wünschten. Gegengutachten zeigten, dass er die Folgesätze weggelassen hatte: Diese verboten strikt direktes oder indirektes Ermorden von Nichtjuden.

In seiner Schrift Ueber den Ursprung der Wider die Juden Erhobenen Beschuldigung (1840) erklärte der gelehrte Konvertit Joachim Biesenthal die Legenden psychologisch als Projektion: Die Christen unterstellten Juden das, was sie ihnen heimlich gern selbst antun würden.

Das 1871 veröffentlichte Werk Der Talmudjude des katholischen Alttestamentlers August Rohling war ein Plagiat von Eisenmengers Pamphlet Entdecktes Judenthum. Obwohl Rohling den Talmud selbst kaum kannte, galt er jahrelang als Experte für das Judentum und behauptete jüdische Ritualmorde auch vor Gericht. Ebenfalls 1871 wies der Rabbiner Theodor Kroner in seiner Gegenschrift (Entstelltes, Unwahres und Erfundenes in dem Talmudjuden Professor Dr. August Rohling’s) nach, dass dieser von 61 herangezogenen Talmudzitaten 29 verdreht und entstellt, 27 erfunden und drei falsch zitiert hatte. Damit schien der Fall erledigt. Doch 1883 bezeugte Rohling im Strafprozess zum Judenpogrom in Tisza-Eszlár (Ungarn), Juden bräuchten für ihr Passahfest christliches Blut. Als der Wiener Rabbiner Joseph Samuel Bloch ihm in mehreren Zeitungsartikeln Fälschung und Verleumdung vorwarf, zeigte Rohling ihn an. Der Konvertit und Alttestamentler Franz Delitzsch erweiterte seine Schrift Rohling’s Talmudjude Beleuchtet (1881) nun zum Gegengutachten (Schachmatt den Blutlügnern Rohling und Justus, 1883). Als das Wiener Gericht ihn als Gutachter zuließ, zog Rohling seine Anzeige kurz vor der Hauptverhandlung zurück. Obwohl er seine Lehrerlaubnis verlor, beeinflussten seine Thesen weitere Ritualmordprozesse und antisemitische Kampagnen in Mittel- und Osteuropa.

Zusammen mit Delitzsch engagierte sich auch der damals führende Judaist Hermann Leberecht Strack gegen die verstärkte antisemitische Propaganda. 1891 veröffentlichte er den Aufsatz Der Blutaberglaube bei Christen und Juden, den er in den Folgejahren ständig erweiterte und unter neuen Titeln herausgab. Die fünfte Auflage von 1900 hieß Das Blut im Glauben und Aberglauben der Menschheit. Mit besonderer Berücksichtigung der ‚Volksmedizin‘ und des ‚jüdischen Blutritus‘. Mit demselben Anliegen gaben einige christliche Theologen, Orientalisten und Historiker 1899 und 1900 die umfangreichen Dokumente zur Aufklärung heraus. Der erste Band zu den Blutbeschuldigungen gegen die Juden enthielt auch die Schutzbullen der Päpste gegen die Ritualmordlegenden.

In Frankreich reagierten der Journalist Bernard Lazare und der Religionswissenschaftler Salomon Reinach auf die Schrift La France Juive (1886) des Antisemiten Edouard Drumont mit historischen Abhandlungen, auch zur Ritualmordlegende (L’accusation de meurtre rituel, 1893).

Deutschland

Kultüberlieferung

In Mitteleuropa überdauerten Ritualmordlegenden gegen Juden die Aufklärung und Französische Revolution. Sie lebten vor allem in ländlichen Gebieten mündlich fort und wurden auch durch schriftliche und bildliche Überlieferung, vor allem Heiligenverehrung, gestützt und wachgehalten. Großen Einfluss hatte die weithin bekannte Bavaria Sancta des Jesuiten Matthäus Rader von 1627 (1704 ins Deutsche übersetzt). Sie erneuerte einige mittelalterliche Ritualmordlegenden oder erfand neue und beschrieb die angeblichen Opfer als Märtyrer, „Selige“ oder „Heilige“ Bavarias.

Im Kampf von Judengegnern und Nationalisten gegen die Judenemanzipation erhielten diese Legenden im 19. Jahrhundert neuen Auftrieb. Verschwörungsideologische Propaganda verknüpfte Juden nun als angebliche Drahtzieher der Französischen Revolution mit Templern, Freimaurern, Illuminaten und anderen angeblichen Geheimsekten. Aber auch die älteren christlichen Varianten blieben in manchen Gegenden, etwa im katholischen Rheinland, bis 1900 gängiger Volksglaube. Obwohl die Wallfahrten zum Sarg des Werner von Oberwesel 1545 beendet worden waren, zeigten regelmäßig restaurierte Deckengemälde und Altarbilder der Dorfkirche weiter sein angebliches Martyrium. Das Bistum Trier nahm Werner 1761 in den örtlichen Heiligenkalender auf und beging seinen angeblichen Todestag bis 1963 jedes Jahr mit einer Prozession. Womrath, sein angeblicher Geburtsort, widmete ihm noch 1911 eine neue Kapelle mit Kultgemälden und feierte ein jährliches „Wernerfest“ mit eigens komponierten Liedern. Im Kölner Dom war er zusammen mit einem Judensaumotiv in das Chorgestühl eingeschnitzt. Bei Johanneken von Troisdorf gelang der Versuch einer Kultstiftung weniger nachhaltig.

Verfolgungswellen

Vielerorts bedrohte schon das bloße Gerücht eines Ritualmords die ortsansässigen Juden, so in Ilsenburg (Harz) (1599), Feuchtwangen (1656), Gerabronn (1687), Gunzenhausen (1715), Reckendorf (1746), Markt Erlbach (1758), Muggendorf, Pretzfeld (1785), Küps (1797), Uhlstädt-Kirchhasel (1803), Höchberg bei Würzburg (1830), Thalmässing, im Nördlinger Ries (1845) sowie in Enniger (1873), Kempen (1893), Berent (1894) Burgkunstadt (1894), Ulm (1894), Berlin (1896), Issum (1898), Skaisgirren (1898), Schoppinitz (1898), Langendorf (1898), Braunsberg in Schlesien (1898), Oderberg (1900) und Neuss (1910).

Im katholischen Rheinland führten dutzende Ritualmordanklagen wiederholt zu schweren Ausschreitungen gegen Juden: so 1819 in Dormagen, obwohl das ermordete Mädchen dort nachweislich Opfer einer Sexualstraftat war. Trotzdem wurden auch in Neuss, Grevenbroich, Hülchrath, Emmerich, Binningen (Eifel) und Rheinbrohl Synagogen, Friedhöfe und Häuser von Juden angegriffen und teilweise zerstört; Plünderungen blieben aus. In den Vormonaten hatten in größeren Städten anderer Regionen die stärker ökonomisch motivierten Hep-Hep-Krawalle stattgefunden. In Neuenhoven, Bedburdyck, Stessen (heute Ortsteile von Jüchen) kam es 1834 nach einem Sexualverbrechen an einem Jungen (15. Juli) wiederum wochenlang zu schweren Exzessen gegen Juden, denen diesmal auch Plünderungen und Mordversuche folgten, etwa in Grevenbroich, Neuss, Düsseldorf, Rommerskirchen, Güsten, Aachen und Xanten. Preußisches Militär musste die Krawalle beenden, da örtliche Gendarmerie vielfach nicht eingriff.

1835 wurde in Willich bei Krefeld nach dem Fund einer Kinderleiche sofort das Ritualmordgerücht gegen Juden laut. Ein Handwerkslehrling, der sich als Augenzeuge ausgab und damit einen jüdischen Kaufmann vor Ort zu erpressen suchte, wurde als der Mörder überführt. 1836 in Düsseldorf erhielten Lokalzeitungen ein Ritualmordgerücht noch ein Jahr nach dem Fund einer Kinderleiche aufrecht. 1840 inhaftierte man in Jülich ein altes jüdisches Ehepaar eine Woche lang wegen eines angeblichen Mordversuchs an einem neunjährigen Mädchen. Nachdem sich herausstellte, dass Angehörige das Mädchen zu der belastenden Aussage angestiftet hatten, verebbten die anfangs groß aufgemachten Berichte darüber. Dieser Fall war auch ein Echo der international beachteten Damaskusaffäre.

1862 entstand während der Karwoche in Köln eine Hysterie in der Bevölkerung. Ein Mann, der sein eigenes Kind an der Hand führte, wurde von einer Menschenmenge als vermeintlicher jüdischer Kindesentführer bedroht und konnte sich nur mit Mühe als der Vater ausweisen. Andere als Kindesmörder verdächtigte Personen wurden schwer misshandelt. Einen katholischen Passanten, dem Kinder „Blutjude“ nachgerufen hatten, prügelten herbeieilende Erwachsene fast tot.

Propaganda

Ab etwa 1870 begannen deutsche Nationalisten, pseudowissenschaftliche statt religiöse Erklärungen für „jüdische Ritualmorde“ zu konstruieren. Nun leiteten rassistische Antisemiten den angeblichen jüdischen „Blutdurst“ aus Rasse-Eigenschaften her und stützten sich dabei auf vorherige kirchliche Erklärungen. Papst Pius IX. sah die Kirche von der „Synagoge des Satans“ bedroht, erhob Simon von Trient 1867 zum Märtyrer und Heiligen und pries 1869 das antisemitische Pamphlet Der Jude, das Judentum und die Verjudung der christlichen Völker, das die Juden der Neigung zum Ritualmord bezichtigte. Er verlieh dessen Autor Henri Roger Gougenot des Mousseaux einen hohen kirchlichen Orden. Auch Bischof Konrad Martin von Paderborn gab Schriften heraus, die behaupteten, Juden bräuchten das Blut christlicher Kinder für ihre Religionsausübung. Der Antisemit Max Liebermann von Sonnenberg brachte solche christlichen Ritualmordbeschuldigungen als kostenlose Broschüren in Massenauflage in Umlauf. Der nationalsozialistische Ideologe Alfred Rosenberg übersetzte das Pamphlet von Mousseaux 1921 ins Deutsche.

Ab 1881 begann das Jesuiten-Organ La Civiltà Cattolica eine jahrelange antisemitische Artikelserie, die laufende Ritualmordprozesse zum Erneuern der Ritualmordlegende benutzte. Der Autor versuchte zu beweisen, dass das Purimfest, nicht das Pessach diese Ritualmorde veranlasse. Er empfahl den europäischen Regierungen, Sondergesetze für die außerordentlich „verdorbene Rasse“ der Juden einzuführen und ihre Emanzipation zurückzunehmen; das würde sie vor Pogromen schützen. Im Einklang mit damaligen Antisemiten behauptete das Blatt ein heimliches jüdisches Streben nach Weltbeherrschung und Talmudgebote, Christen zu betrügen und zu ermorden.

Die Brüder Grimm nahmen zwei Ritualmorderzählungen in ihre Sammlung Deutsche Sagen auf: den „Judenstein“ als Version der Legende von Anderl von Rinn (Nr. 353) und „Das von den Juden getötete Mägdlein“ (Nr. 354). Für viele weitere deutschsprachige Sagensammlungen gehörten angebliche jüdische Ritualmorde zum beliebten Stoff. So nahm Karl Paulin die Anderle-Legende noch 1972 in seine „Schönsten Tiroler Sagen“ auf und schmückte sie mit grausamen Details aus. Zugleich unterschlug die deutsche Volkskunde alle jüdischen Sagen. So trug sie erheblich zum Judenhass bei. Nur einzelnen Volkskundlern war dies bewusst: So enthielt Will-Erich Peuckerts Sammlung „Schlesische Sagen“ von 1924 nur regionale Ritualmordlegenden, kommentierte sie kritisch und stellte ihnen eine jüdische Messiaserzählung positiv gegenüber.

Der völkische Schriftsteller Max Bewer behauptete in seiner Sammlung „Gedanken“ (1892), die Juden benötigten Christenblut zur Durchführung einer homöopathischen Therapie zwecks Reinhaltung ihrer Rasse. Er versuchte, christliche, nationalistische und rassistische Feindbilder „der Juden“ zu vereinen.

Die Affären in Xanten und Konitz

1885 wurde in Skurz bei Danzig ein Strafprozess wegen eines angeblichen Ritualmords durchgeführt. Am 21. Februar 1889 wurde in Breslau dem Rabbinatskandidaten Max [Moses] Bernstein vorgeworfen, er habe bei einem achtjährigen christlichen Knaben eine „rituelle Blutabzapfung“ vollzogen. Der neu ernannte Justizminister Hermann von Schelling ließ diesen Fall näher untersuchen.

1891 kam es nach dem Fund einer Kinderleiche am 29. Juni in Xanten zur „Affäre Buschhoff“: Adolf Buschhoff, der Metzger und ehemalige Schächter der kleinen jüdischen Gemeinde, wurde eines Ritualmords verdächtigt. Zeugen behaupteten, sie hätten das Kind kurz vor der Tatzeit des Mordes vor seinem Haus spielen und dann hinein gehen sehen. Nach Ausschreitungen gegen Wohnungen und Läden ortsansässiger Juden, einer antisemitischen Pressekampagne und einem fingierten Polizeibericht, der die Zeugenaussagen stützte, wurde Buschhoff im April 1892 wegen Mordes angeklagt. 160 Zeugen wurden verhört, deren Vorwürfe seit den ersten Vernehmungen erheblich präziser und schärfer geworden waren. Doch Buschhoff konnte ein lückenloses Alibi vorweisen und wurde am 14. Juli freigesprochen. Am Vortag hatte man sein Haus in Xanten zerstört; seine berufliche Existenz war vernichtet, und er konnte nicht mehr dorthin zurückkehren. Während des Prozesses und danach kam es in den Kreisen Neuss und Grevenbroich wie 1819 und 1834 zu schweren judenfeindlichen Ausschreitungen. Dort wurden jüdische Friedhöfe verwüstet, Fensterscheiben eingeworfen, Bäume umgehauen, Gärten zerstört, von Juden bewohnte Häuser angezündet und versucht, die Synagoge von Grevenbroich zu sprengen. Ein Viertel der jüdischen Einwohner von Neuss verließ damals den Ort und zog in andere Gegenden. Die übrigen waren gesellschaftlich geächtet und verarmten in den Folgejahren. Bei der Reichstagswahl 1893 erzielte der liberal-katholische Stadtrat Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser gegen den umgebenden Trend mit antisemitischer Propaganda und Unterstützung der ansonsten im Rheinland abgelehnten preußisch-protestantischen Christlich-Sozialen Partei Adolf Stoeckers enorme Stimmengewinne.

Zudem folgten der überall publizierten Affäre im ganzen folgenden Jahrzehnt viele weitere Ritualmordbeschuldigungen, auch in weit entfernten und überwiegend protestantischen Regionen: so 1893 in Kempen und Posen, 1894 in Berent, Burgkunstadt, Rotthausen, Ulm, 1895 in Berlin, Köln, Mienken, 1896 in Berlin, Seckenburg, Żerków, 1898 in Bromberg, Chorzów, Issum, Langendorf, Schoppinitz, Skaisgirren, 1899 in Braunschweig, Breslau, Versmold, 1900 in Königshütte, Meseritz, Myslowitz, Übermatzhofen, Pudewitz, Rogasen, 1901 in Großschönau, Kleve, Oderberg, Rittel, Rosenberg, Schneidemühl, Strehlen, Uetersen, 1902 in Marienburg und Schlochau. Diese Fälle fanden meist nur lokale Beachtung. Doch zugleich wurden die von 1890 bis 1917 besonders häufigen Ritualmordbeschuldigungen im zaristischen Russland und in der Habsburger K.u.K.-Monarchie stets von der deutschen Presse aufgegriffen und öffentlich stark beachtet.

Der gewaltsame Tod von Ernst Winter am 11. März 1900 in Konitz (Westpreußen) fand erst durch gezielte, antisemitische Pressepropaganda überregionale Aufmerksamkeit. Ein Berliner Zeitungsverleger, Wilhelm Bruhn, der später wegen Landfriedensbruchs verurteilt wurde, schürte das aufgekommene Ritualmordgerücht mit einem Untersuchungsausschuss, dem viele angesehene Stadtbürger angehörten. Er verfolgte in Konkurrenz zur Polizei Spuren, die auf jüdische Täter verweisen sollten, und gab den jüdischen Metzger Adolph Lewy als Tatverdächtigen aus. Die Presse griff jedes belanglose Detail und nachgewiesen unwahre Zeugenaussagen auf und strickte daraus Szenarien des Tathergangs. Eine Ansichtskartenserie zeigte die Leichenteile, ihre Fundorte, den Beschuldigten, den später des Meineids überführten Hauptbelastungszeugen beim Beobachten der Tat, deren Ausführung als rituelles Schächten im Keller des Metzgers, die dabei Anwesenden, darunter den stadtbekannten Metzgersohn, mit Bärten, Zylindern und Gebetsriemen. Darunter standen Parolen wie „Hütet eure Kinder!“, „Den Mördern zur Warnung, den Christen zur Wahrung ihrer teuersten Güter“, „blutgierige Sekte unter den Hebräern“. Die Bildmotive wurden während der laufenden polizeilichen Suche nach dem Täter in Umlauf gebracht, ihr Verkauf sollte den Bau eines Grabmals für das Mordopfer finanzieren.

Neben antisemitischen Zeitungen machten sich auch katholische und evangelisch-lutherische Presseorgane die Anklage zu eigen. Der über Monate anhaltenden Hetzpropaganda folgte am 10. Juni 1900 (einem Sonntag) ein Massenauflauf auf dem Konitzer Markt. Die Menge ließ sich weder vom Bürgermeister noch der Gendarmerie abhalten, das Haus Lewys und die örtliche Synagoge völlig zu zerstören. Auch in den Nachbarorten Prechlau und Kamin wurden Juden angegriffen. Da die Behörden sie nicht schützten, flohen viele aus der Gegend und ließen ihren Besitz zurück; Gemeinden trafen sich nur noch heimlich in ihren Häusern zu Privatgottesdiensten. Die antijüdische Stimmung hielt in der Gegend jahrelang an: 1903 wurde ein älterer Jude in Stegers bei Schlochau erschlagen, nachdem er in einer Gastwirtschaft jede jüdische Beteiligung am Mord an Ernst Winter bestritten hatte.

Weimarer Republik und NS-Zeit

In der Weimarer Republik verbreiteten vor allem Nationalsozialisten und andere völkische Bewegungen, Vereine und Zeitungen Ritualmordlegenden. Franz Fühmann beschrieb in seiner fiktiven, aber autobiografische Erlebnisse verarbeitenden Erzählung Das Judenauto von 1962, wie ein sudetendeutscher Schüler in den 1920er Jahren antisemitische Ritualmordgerüchte in der Schule hörte und aufnahm.

Das antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“, herausgegeben von Julius Streicher, nutzte diese Gerüchte seit 1923 fortwährend für seine Karikaturen, um Juden als besonders abstoßende, heimtückische „Blutsauger“ darzustellen. Es griff dabei auf antijudaistische Hetzschriften wie die von Eisenmenger und Rohling zurück. Artikel über verschwundene oder tot aufgefundene Kinder wurden stets mit Hinweisen auf das „jüdische Blutritual“ verknüpft. Im Juli 1926 erschien aus Anlass eines Doppelmordes in Breslau ein Heft, das sich ausschließlich mit angeblichen von Juden begangenen Ritualmordfällen befasste. Bis 1929 erschienen mindestens neun Einzelhefte nur zu diesem Thema. Im Illustrierten Beobachter ließ sich Hermann Esser ebenfalls über den vermeintlichen Ritualmord in Breslau aus. Die Legende wurde außerdem verschiedentlich mit zeitgenössischen antisemitischen Motiven verknüpft. So schrieb Johannes Dingfelder 1928 in Alfred Rosenbergs Zeitschrift Der Weltkampf einen Aufsatz unter dem Titel „Schächtung und Weltgewissen“, der sich vordergründig mit Tierschutz und einem daraus abgeleiteten Schächtverbot auseinandersetzt, der aber in erster Linie auf die Verbreitung der Falschbehauptung abzielte, von Juden vorgenommene Schächtungen stünden im Zusammenhang mit einem „Blutglauben“, der besonders in „fanatischen orthodoxen jüdischen Kreisen […] hin und wieder […] zu sogenannten Ritualmorden an Menschen“ führe. Im „Stürmer“ hieß es im selben Jahr über den Mordfall Helmut Daube, er sei wohl von einer „jüdischen Geheimsekte“ ermordet worden, die mit den Genitalien von Heranwachsenden düstere Rituale durchführe. Das bediente Verschwörungsfantasien und voyeuristische Bedürfnisse durch eine stark sexuell konnotierte Berichterstattung über vermeintliche jüdische Sexualverbrechen, Zwangsprostitution und Handel mit heranwachsenden Kindern.

Am 17. März 1929 fand man bei Manau den Jungen Karl Kessler tot auf. Daraufhin schrieb der Zahnarzt Otto Hellmuth als „Sonderberichterstatter“ einen Leitartikel im folgenden Stürmer, der behauptete: „Die Sektion der Leiche ergab, daß der Körper völlig ausgeblutet war. … Damit ist der Beweis einwandfrei geliefert, daß es sich hier nur um einen jüdischen Blutmord handeln kann.“ Der Untersuchungsrichter widersprach öffentlich jedem Detail des frei erfundenen Textes. Doch Hellmuth und der Stürmer-Redakteur Karl Holz hielten im ganzen Landkreis gut besuchte Vorträge zum Thema „Blutmord in Manau“ um das Osterfest (31. März 1929) herum und verteilten dabei eine Hetzschrift mit dem Titel „Jüdische Moral und Blutmysterien“, die 50 vermeintlich nachgewiesene jüdische Ritualmorde behauptete. Daraufhin wurden zahlreiche Juden der Umgebung festgenommen und mussten ein Alibi nachweisen. Am Fundort der Leiche wurde eine Tafel, später ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Karl Kessler – Opfer eines Ritualmordes“ aufgestellt. Dort hielten örtliche NS-Aktivisten nun jährlich Gedenkfeiern ab. Hellmuth stieg zum Gauleiter von Mainfranken auf und betrieb 1934 und 1937 die „Aufklärung“ des Falls, um seine Verdienste für das Gau aus der Zeit vor der Machtergreifung hervorzuheben. Nach einer großen „Gedenkfeier“ am 19. März 1937 verhaftete die Gestapo neun Juden in Würzburg und Erlangen, die gestreute Gerüchte mit dem Tod des Jungen verbanden. Obwohl alle Beschuldigten ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen konnten, wurden sie bis November 1937 inhaftiert.

Am 1. Mai 1934 gab der „Stürmer“ ein Flugblatt mit dem Titel „Jüdischer Mordplan gegen nichtjüdische Menschheit aufgedeckt“ heraus, dessen Titelbild einen angeblichen jüdischen Ritualmord darstellte. Der Text beschuldigte die Juden, sie planten aufgrund angeblicher Ritualmordneigungen Morde an führenden NS-Vertretern, darunter Adolf Hitler. Die Reichsvertretung der deutschen Juden protestierte mit einem Telegramm an die Reichskanzlei und an den Reichsbischof der DEK, Ludwig Müller, gegen die Veröffentlichung: Sie bedrohe Juden an Leib und Leben, schände ihren Glauben und gefährde Deutschlands Ruf im Ausland. Eine Antwort blieb aus. Auch die Gestapo befürchtete, das Flugblatt werde eine unüberschaubare Flut einzelner Gewalttaten gegen Juden auslösen. Es durfte dennoch erscheinen; jedoch ließ Hitler die Restauflage beschlagnahmen. Mit dieser Ritualmordkampagne wurden die Nürnberger Gesetze vom September 1935 angebahnt, vor allem das Verbot von Ehen sowie sexuellen Kontakten zwischen Juden und Nichtjuden („Rassenschande“).

Ein seltenes Beispiel für wissenschaftliche Zivilcourage während der NS-Herrschaft waren die Artikel des Breslauer Volkskundlers Will-Erich Peuckert zu den Stichworten „Freimaurer“, „Jude“ und „Ritualmord“ im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Sie widerlegten kenntnisreich die antisemitische Ritualmordlegende und Verschwörungsthese einer Beziehung zwischen Juden und Freimaurern. Eine Denunziation des NS-Volkskundlers Walther Steller führte 1935 zu einem Gestapoverhör Peuckerts und Entzug seiner akademischen Lehrbefugnis wegen „politischer Unzuverlässigkeit“.

Im Mai 1939 reihte der Stürmer mit einer weiteren Sonderausgabe zum Thema Ritualmord wie die Chroniken des Mittelalters „historische Zeugnisse“ aneinander und griff dabei auf bekannte Bildmotive zurück. Das Titelbild wurde aus der Bavaria Sancta von 1627 übernommen. Ein Aufruf an die Leser, der Redaktion Materialien über ähnliche frühere oder aktuelle Fälle zuzusenden, fand jedoch nicht das gewünschte Echo. Neue spektakuläre Anklagen blieben aus, so dass nur die Neuauflage altbekannter Legenden blieb. Umso mehr intensivierte der „Stürmer“ seine Hetzpropaganda mit Kriegsbeginn: Der Krieg wurde als letzter Ritualmord des „Weltjudentums“ dargestellt.

Ein typisches Hetzpamphlet aus dem Umfeld der faschistischen Sekte Bund für Deutsche Gotterkenntnis von Erich und Mathilde Ludendorff war die Schrift von Wilhelm Matthießen: Israels Ritualmord an den Völkern (München 1939). Sie versuchte einen angeblichen religiösen Zwang des Judentums zum Blutopfer aus der Bibel herzuleiten und behauptete einen jüdischen „Geheimplan zur Völkervernichtung“.

Während des Krieges betonten NS-Pamphlete immer wieder den Zusammenhang, den Hitler in seiner Januarrede 1939 konstruiert hatte, so im Jahr 1942:

„… Ritualmorde zu begehen, blieb dem von Natur aus niedrigen, verbrecherischen Instinkt der Juden vorbehalten – Morde, um ihrer Blutgier zu frönen, Morde, um ihren unstillbaren Haß gegen die Gojim zu befriedigen, Morde, um das Gesetz des Glaubens zu befolgen. Was muß das für ein Gott sein, der solche blutigen Opfer von seinen Anhängern verlangt? … Noch glaubt der Jude, einen letzten Trumpf in der Hand zu haben, da es ihm gelang, den jüdischen Bolschewismus im Verein mit dem nicht minder jüdischen Kapitalismus der Engländer und Amerikaner seinen Interessen dienstbar zu machen. Aber … der von den Juden entfesselte Krieg wird mit der radikalen Vernichtung des Judentums enden…“

Damals war der Holocaust in vollem Gang. Die Ritualmordlegende eignete sich wegen ihrer historischen Konstanz, Volkstümlichkeit und kulturellen Verankerung bestens zu seiner Rechtfertigung. Hellmut Schramm veröffentlichte dazu 1943 das 475 Seiten starke Buch Der jüdische Ritualmord, ausgegeben als „historische Untersuchung“. Es fasste alle früheren Hetzschriften zum Thema zusammen und berief sich ausdrücklich auch auf vatikanische Erklärungen. Nach der Lektüre bestellte Heinrich Himmler eine Auflage des Buchs und sandte es den ihm unterstellten Einsatzkommandos, die die Judenmorde ausführten. Zudem befahl er dem Chef des Reichssicherheitshauptamts Ernst Kaltenbrunner, in den von Deutschland besetzten Gebieten nach weiteren Ritualmordlegenden und Fällen vermisster Kinder zu forschen, um diese Juden anzulasten, für Schauprozesse und antisemitische Radiopropaganda zu nutzen.

Hitler verlangte analog zu dem Film Der ewige Jude in den letzten Kriegsjahren einen Propagandafilm über die Damaskusaffäre, der während des Krieges aber nicht mehr gedreht werden konnte.

Außerhalb Europas

Ritualmordgerüchte wurden im 19. Jahrhundert in China, Indien und Madagaskar auch gegen Europäer verbreitet. Diese wiederum unterstellten der aus Westafrika importierten Voodoo-Religion in Haiti Ritualmordpraktiken, so 1886 in dem populären Buch von Sir Spencer St. John, Haiti or the Black Republic.

In Massena (New York) ereignete sich 1928 die einzige bekannte Ritualmordanklage gegen Juden in den USA. Wer sie aufbrachte, ist unbekannt. Die lokalen Behördenvertreter, Polizei, Justiz und der Bürgermeister machten sich den Verdacht unbesehen zu eigen.

Seit 1945

Römisch-katholische Kirche

In der römisch-katholischen Kirche besiegelte das Dekret Nostra Aetate vom 28. Oktober 1965 die Abkehr von der Gottesmordtheorie und erklärte die Bekämpfung jeder Form von Antisemitismus zur gesamtchristlichen Pflicht. Das entzog auch der christlichen Ritualmordlegende die theologische Basis.

Der Kult um Werner von Wesel wurde im Bistum Trier erst 1963 eingestellt. Er verschwand 1965 aus dem katholischen Heiligenkalender. Der Kult um Simon von Trient wurde 1965 vom zuständigen Diözesanbischof verboten; eine päpstliche Kommission stellte einen Justizirrtum fest und hob Simons Heiligsprechung auf.

Um den Kult zu Anderl von Rinn tobte ein jahrzehntelanger Machtkampf. Der Vatikan ließ die jährlichen Wallfahrten zum Judenstein 1954 einstellen, doch der regionale Weihbischof Paulus Rusch und viele Ortsbewohner widersetzten sich. 1961 verbot Papst Johannes XXIII. den Anderlekult mit einem Dekret. Katholische Kultanhänger deuteten die päpstliche Kultanerkennung von 1755 jedoch als unumkehrbare unfehlbare Entscheidung. Seit 1985 versuchte Bischof Reinhold Stecher das Papstdekret von 1961 durchzusetzen. 1988 unterstützte der Vatikan seine Maßnahmen und erklärte, alle antijüdischen Ritualmordlegenden seien haltloser Aberglaube. Der Wiener Weihbischof Kurt Krenn äußerte kurz nach seinem Amtsantritt 1987 Verständnis für den Anderlekult. Bischof Stecher ließ ein Fresko von Anderls „Schlachtung“ in der Ortskapelle übermalen und suspendierte Kaplan Gottfried Melzer, den Hauptinitiator der Wallfahrten. Regionale katholische und rechtsextreme Antisemiten setzten diese trotzdem fort. Im Frühjahr 1990 veröffentlichte Melzers Loreto-Bote das Sonderheft „Ritualmorde und Hostienschändungen als Werke des Hasses der Gegenkirche“. Der Text behauptete erneut einen Ritualmord von Juden an Anderl. Sie seien Werkzeuge Satans „gegen das von Gott geschaffene Leben“ und gegen die katholische Eucharistie sowie Nachfahren jener, „die Jesus Christus … ans Kreuz schlagen ließen und seine Anhänger unerbittlich verfolgten.“ Das Pamphlet präsentierte 36 Fälle aus der antijüdischen Hetzliteratur als Fakten und verknüpfte sie mit Motiven des Taxil-Schwindels zu einer globalen Verschwörungstheorie: Satan sei der ‚Menschenmörder seit Anbeginn‘ (Joh 8,44); Satans kultische Verehrung gehöre wesentlich zur Freimaurerei; diese werde ausschließlich von Juden geführt; diese hätten die Fristenlösung geplant und verwirklicht; dieser „Massenmord an den ungeborenen Kindern (60 Millionen jährlich)“ sei daher als „‚immerwährendes‘ und ‚unaufhörliches‘ Menschenopfer an Satan […] anzusehen“. Föten würden zu Medikamenten und Schönheitsmitteln verarbeitet und als solche konsumiert. Zweck dieses „weltweiten ‚rituellen Massenmordes‘“ sei, Satans Weltherrschaft anzubahnen. „Wie lange noch wird das Blut der Gemordeten zum Himmel um Rache schreien?!“ Der katholische Theologe Robert Prantner schrieb zum „Anderlegedenken“ 1997 einen antisemitischen Hetzartikel in der neurechten Zeitschrift Zur Zeit. Melzer wurde in Österreich 1999 wegen Verhetzung verurteilt; Prantner dagegen erhielt 2002 trotz Strafanzeige das „Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse“.

Der Vatikan widerrief frühere päpstliche Dekrete, die Kulte um angebliche Ritualmordopfer anerkannt hatten, nicht offiziell. Der Historiker David Kertzer, der die 1998 geöffneten Vatikanarchive für den Zeitraum 1800–1938 auswerten konnte, sah darin ein Zeichen einer Verdrängung der kirchlichen Mitwirkung an der Entstehung des Antisemitismus.

Europa

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand die Ritualmordlegende nicht. Im Zusammenhang mit Fluchtbewegungen überlebender Juden kam es 1946 in Osteuropa zu neuen Pogromen. Das Pogrom von Kielce am 4. Juli 1946 wurde durch Ritualmordvorwürfe ausgelöst, ebenso Angriffe auf Juden in Kunmadaras, Miskolc und Özd in Ungarn im Mai und Juli 1946. In Kunmadaras sollten sieben christliche Kinder unauffindbar verschwunden sein; die Landbevölkerung glaubte, Juden würden sie zu Wurst verarbeiten. Eine aufgebrachte Menge verhinderte die Verhaftung eines ortsbekannten Nazi-Kollaborateurs, erschlug drei und verletzte 18 von 73 Juden des Ortes.

1969 erinnerte das Gerücht von Orléans, jüdische Boutiquenbesitzer würden junge Mädchen entführen, an die Ritualmordlegende. Solche Gerüchte tauchten von 1966 bis 1985 an mindestens 20 Orten Frankreichs auf. In Orléans verurteilten Politiker, Kirchen, Gewerkschaften und Presse das Gerücht rasch und entschlossen, so dass ein Pogrom ausblieb.

2007 erschien in Italien das Werk Pasque di sangue („Passah des Blutes“) des israelischen Historikers Ariel Toaff. Er stützte sich auf Folterverhöre der Damaskusaffäre von 1840 und interpretierte die erfolterten Aussagen als möglicherweise zutreffend. Das Werk löste eine internationale Debatte und viele Proteste aus. Daraufhin stoppte der Verlag den Verkauf. In der gründlich überarbeiteten zweiten Auflage von 2008 stellte Toaff klar, dass die Behauptung, Juden hätten Christenblut verwenden können, eine Legende sei.

2007 versuchte eine Gruppe italienischer Neonazis, den Kult um Simon von Trient wiederzubeleben. 2015 versuchten britische Neonazis die Ritualmordlegende zu Hugh von Lincoln zu erneuern.

Deutsche Rechtsextremisten verbreiten historische antisemitische Ritualmordlegenden im Internet, so seit 2001 eine englische Übersetzung von Hellmut Schramms Pamphlet von 1943. Am Jahrestag der Novemberpogrome 1938, dem 9. November 2004, gab das verfassungsfeindliche Deutsche Kolleg von Reinhold Oberlercher und Horst Mahler die Hetzschrift „Semitischer Ritualmord“ heraus. Diese schrieb den sieben Tage zuvor verübten Mord an Theo van Gogh „Semiten“ (Juden) zu.

Islamische Länder

Die Damaskusaffäre 1840 brachte die christliche Ritualmordpropaganda gegen Juden auch in islamische Länder. Besonders in Ägypten, Jordanien, im Iran und in Saudi-Arabien werden Ritualmordlegenden bis heute auch in staatlich kontrollierten Medien verbreitet. 1983 veröffentlichte Mustafa Tlas, ein ehemaliger Außenminister Syriens, das antisemitische Pamphlet Fatir Ziun („Die Matze von Zion“). Unter dem Vorwand, die Damaskusaffäre historisch zu untersuchen, behauptete er im Anschluss an August Rohlings 1899 ins Arabische übersetzte Werk Der Talmudjude: Der Talmud schreibe Juden den Ritualmord als religiöse Handlung vor und fordere sie zum „Hass gegen die Menschheit“ auf; sie bräuchten das Blut von Nichtjuden für die Mazzen ihrer Rituale. Als Beweise dafür nahm er durch Folter erpresste Aussagen von Opfern der Damaskusanklage 1840. Er behauptete, die islamische Toleranz habe dieses „verborgene, zerstörerische Böse der jüdischen Ideologie“ anders als in Europa in arabischen Ländern bis 1840 verdeckt.

Als im September 2000 die Zweite Intifada gegen Israel begann, veröffentlichten arabische Staatsmedien neue Ritualmordanklagen gegen Juden. Am 24. Oktober 2000 behauptete der PLO-Vertreter und Mufti Scheich Nader Al-Tamimi im Sender Al Jazeera, es könne keinen Frieden mit den Juden geben, da sie während ihrer Feste Purim und Pessach das Blut von Arabern saugten. Die ägyptische Staatszeitung Al-Ahram publizierte am 28. Oktober 2000 einen ganzseitigen Artikel von Adel Hamooda mit dem Titel: „Eine jüdische Mazze, aus arabischem Blut hergestellt.“ Der Autor gab an, schon sein Großvater habe diese Geschichte erzählt. Er habe sie damals für ein Kindermärchen gehalten, später aber in französischen Gerichtsakten der Damaskusaffäre von 1840 entdeckt, dass sie wahr sei. Als Beweise zitierte Hamooda dann ausgiebig ins Arabische übersetzte Auszüge aus damaligen Folterverhören.

Am 10. März 2002 schrieb der Dozent der König-Faisal-Universität Umayma Ahmad Al-Jalahma in der saudi-arabischen Regierungszeitung Al Riad: Die Juden seien für das Purimfest verpflichtet, „Menschenblut aufzutreiben, damit ihre Geistlichen dieses Gebäck für die Feiertage vorbereiten können.“

Im Herbst 2003 erschien zuerst im Fernsehsender der Hisbollah Al-Manar in Syrien, dann auch im Al-Mamnou TV in Jordanien und im Iran die Vorabendserie Asch-Schatat. Über den saudischen Satelliten ArabSat erreichte sie ein Millionenpublikum. Sie stellte die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion szenisch auch für Kinder dar und erweiterte sie um moderne antisemitische Legenden etwa der Täter-Opfer-Umkehr, wonach Juden Hitler beim Holocaust geholfen hätten. Eine Folge zeigt, wie zwei Rabbiner einen christlichen Jungen fangen, ihm die Kehle durchschneiden, sein Blut auffangen und zum Backen von Mazzen verwenden, die sie dann auch säkularen Juden zum Verzehr geben. Eine weitere Folge inszeniert ein angebliches „talmudisches Strafgericht“: Rabbiner halten dem Verurteilten ein Verhältnis zu einer nichtjüdischen Frau vor, füllen seinen Mund mit flüssigem Blei, schneiden ihm ein Ohr ab und schlitzen ihm den Hals auf. Zunächst sollte die Serie im Staatsfernsehen Syriens gezeigt und in mehrere Sprachen übersetzt werden. Auf internationale Kritik hin zog Syriens Regierung den Plan zurück und bestritt, dass sie die Produktion unterstützt habe. Der Direktor des Senders betonte jedoch: „Die Serie zeigt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“

Ende 2005 behauptete ein Dr. Hasan Haizadeh im iranischen Staatssender Jaam-e Jam TV: Juden hätten vor dem Pessachfest 1883 in Paris und London 150 französische und viele englische Kinder ermordet, um ihr Blut an sich zu nehmen. Dies hätten damalige Untersuchungen ergeben, die durch öffentliche Ausschreitungen gegen Juden erzwungen worden seien. Die von Juden und Zionisten beeinflusste westliche Geschichtsschreibung erwähne diese Vorfälle nie. – Im April 2015 listete die iranische Nachrichtenagentur Alef angebliche Ritualmorde von Juden aus der Vergangenheit auf. Als eine der Quellen gab sie eine Ausgabe des NSDAP-Hetzblatts „Der Stürmer“ von 1939 an.

Barack Obama hielt ab 2009 als erster US-Präsident ein privates Seder-Mahl mit seiner Familie zum jährlichen Passahfest. Der Palästinenser Nawwaf Al-Zarou schrieb dazu: „Kennt Obama überhaupt die Beziehung, zum Beispiel, zwischen ‚Passah‘ und ‚christlichem Blut‘?!… Oder sind seine Handlungen bloß Speichelleckerei gegenüber dem Jüdischen Rat…“ In einem langen Text versuchte er dann, jüdische Ritualmorde zum Passah als Faktum darzustellen. Dazu stützte er sich auf das Buch von Ariel Toaff, das die israelische Zeitung Haaretz kurz zuvor besprochen hatte. Am 27. März 2013 publizierte die PLO-nahe Organisation Miftah, die die Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) gegen Israel unterstützt, Al-Zarous Artikel auf ihren Webseiten. Einen Blogger, der dies bekannt machte, griff Miftah als Urheber einer „Schmutzkampagne“ an und löschte den Artikel nur von ihrer englischen, nicht von der arabischen Webseite. Die UNO, die Europäische Union (EU), acht EU-Staaten, mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus den USA und zwei deutsche Parteistiftungen hatten Miftah mit Millionengeldern gefördert. Die meisten setzten dies trotz Kritik nach dem Vorfall fort.

Am 12. Mai 2013 erklärte der Parteipolitiker Khaled Al-Zaafrani im Staatsfernsehen Ägyptens: „Es ist gut bekannt, dass sie [die Juden] während des Passah Mazzen machen, die sie ‚Blut von Zion‘ nennen. Sie nehmen ein christliches Kind, schlitzen seine Kehle auf und schlachten es.“ Die französischen Könige und russischen Zaren hätten dieses Ritual in den Judenvierteln entdeckt. Alle Judenpogrome in ihren Ländern seien Folgen der Entdeckung, dass Juden christliche Kinder entführt und geschlachtet hätten.

Scheich Khaled al-Mughrabi belehrte Jugendliche im Mai 2015 in der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem: „Die Juden suchen nach einem Kleinkind, entführen es und stecken es in ein im Innern mit Nägeln versehenes Fass.“ Um ihren Wunsch nach ewigem Leben zu erfüllen, verzehrten sie dann „mit Kinderblut geknetetes Brot“. Diese Tatsachen seien in Europa enthüllt worden und hätten dort zur Vertreibung und in Deutschland zur Vernichtung der Juden geführt.

Neuere Varianten

Dämonisieren von Abtreibung

Ab 1970 entstand in den USA eine christlich-fundamentalistische “Pro Life”-Bewegung gegen jede Form von Schwangerschaftsabbruch. Zugehörige Gruppen dämonisieren Abtreibungen als angebliche Ritualmorde, im Anschluss an eine seit dem Mittelalter bekannte Gleichsetzung. Ihr Propagandamaterial behauptet etwa, Ärzte, die Abtreibungen durchführen, seien insgeheim Juden, die Kinder für ihre sakralen Riten töten. Der Kurzfilm Abortion: A Doctrine of Demons (November 2019) stellte Abtreibungsbefürworter mit Stilmitteln eines Horrorfilms als Satanisten und Verfechter heimlicher Blutrituale mit Föten dar. Der Kampf gegen sie wurde in ein apokalyptisches Szenario eingebettet, wonach das Ende Amerikas als christlicher und weißer Nation bevorstehe. Solche Gruppen sagten auch den Chinesen nach, sie äßen abgetriebene Föten für medizinische Zwecke. 1996 veranlassten evangelikale Christen den rechtsgerichteten Senator Jesse Helms, dieses Gerücht im US-Senat prüfen zu lassen.

Dämonisieren des Staates Israel

Am 27. Januar 2003, dem Holocaustgedenktag, erschien in der britischen Zeitung The Independent die Scharon-Karikatur von Dave Brown 2003. Sie zeigt, wie Ariel Sharon, Israels damaliger Ministerpräsident, in den Kopf eines palästinensischen Babys beißt, mit dem Untertitel: „Was ist das Problem? Haben Sie nie einen Politiker ein Kind küssen sehen?“ Auf die Beschwerde von Israels Regierung nannte Dave Brown das Bild Saturn opfert seinen Sohn von Francisco de Goya als Vorbild seiner Karikatur; diese sei nicht antisemitisch motiviert. Für viele Kritiker spielte die Darstellung Sharons als eines fast nackten, blutrünstigen Babymörders, der über die Reste bombardierter Häuser von Palästinensern hinwegwalzt, mit dem Titel „Sharon is eating a baby“ jedoch eindeutig auf das Motiv des Ritualmords an.

Am Holocaustgedenktag 2013 veröffentlichte die britische Sunday Times eine Karikatur von Gerald Scarfe: Sie zeigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Maurer mit blutiger Kelle, der mit Blut und Körperteilen von Palästinensern eine Mauer baut. Die Textzeile lautete: „Israel elections. Will cementing the peace continue?“ Die Zeichnung dämonisiert Israel mit typischen Elementen antisemitischer Karikaturen.

Seit den Gaza-Konflikten von 2009 und 2014 wurde bei israelfeindlichen Kundgebungen die antisemitische Parole vom „Kindermörder Israel“ gerufen, neben Parolen wie „Israel trinkt das Blut unserer Kinder aus den Gläsern der UN“, „Entfernt den Tumor Israel“, „Jude Jude feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“, „Intifada bis zum Sieg“. Die Parole „Kindermörder Israel“ war auch beim jährlichen Al-Quds-Tag zu hören, etwa 2014 in Wien. Sie gilt in der Antisemitismusforschung als moderne Variante der Ritualmordlegende, wurde aber von zuständiger Polizei oft nicht als antisemitisch erkannt.

Seit 2009 wird die Behauptung verbreitet, Israel betreibe einen weltumspannenden mörderischen Organhandel. Damals schrieb der Journalist Donald Boström in der Tageszeitung Aftonbladet in Schweden ohne Belege, die Armee Israels (IDF) fange Palästinenser, unterziehe sie unfreiwilligen Autopsien und entnehme ihnen Körperorgane, bevor man sie töte. Er verwies auf einen israelischen Organhändler der 1990er Jahre, der jedoch keinen Bezug zur IDF hatte und 2001 durch israelische Gerichte verurteilt worden war. Antisemitische Webseiten verbreiteten den Artikel dennoch als Beweis für einen angeblichen Organhandelring Israels und stellten dann etwa Israels humanitäre Hilfe nach dem Erdbeben in Haiti 2010 als Tarnung für Organdiebstahl dar.

Im November 2009 veröffentlichte Allison Weir, Chefin der Organisation If Americans Knew, im Journal Washington Report on Middle East Affairs den Artikel Israeli Organ Trafficking and Theft: From Moldova to Palestine. Darin behauptete sie ohne jeden Beweis, israelischer Organhandel sei seit vielen Jahren dokumentiert. Hohe Beamte, prominente Ärzte und Ministerien Israels unterstützten dies im Rahmen eines nationalen Transplantationsprogramms. Menschenrechtsgruppen in der West Bank beklagten einen organisierten Organdiebstahl an getöteten Palästinensern durch israelische Pathologen.

2010 behauptete Bouthaina Shaaban, die spätere Medienberaterin von Syriens Diktator Bashar Assad, auf der Website der palästinensischen Organisation Miftah: Israel stehle „ukrainische Kinder, um ihre Organe zu ernten.“ Am 23. September 2015 behauptete die Palästinenserin und BDS-Unterstützerin Mana Tamimi auf Twitter, „Vampirzionisten“ würden das Versöhnungsfest Jom Kippur feiern, „indem sie palästinensisches Blut trinken. Ja, unser Blut ist rein und schmeckt gut, aber am Ende wird es euch umbringen.“ Die UNO strich sie daraufhin von ihrer Liste der Menschenrechtsaktivisten. Ihr Mann Bassem Tamimi behauptete am 14. Oktober 2015 auf einer Vortragstour durch die USA: Israelis verhafteten Kinder von Palästinensern, um ihre Organe zu stehlen. Dazu zeigte er die Fotografie eines Jungenkörpers mit einer großen Schnittwunde und Nähten. Das werde nicht berichtet, denn „die gleichen Zionisten, die das tun, kontrollieren die Medien.“

2018 behauptete der Gewerkschaftsführer Robrecht Vanderbeeken in einem Nachrichtenblatt in Belgien: Israel hungere die Bevölkerung von Gaza zu Tode aus, vergifte sie, kidnappe ihre Kinder und ermorde sie für deren Organe. Nach Beschwerden entfernte das Blatt nur den Satzteil zum angeblichen Organdiebstahl, hielt die übrigen Vorwürfe zum Kidnappen und Töten von Kindern aber aufrecht. Der iranische Staatssender Press TV verbreitete Vanderbeekens Geschichte weiter.

„Pizzagate“ und „QAnon“

In den 1980er Jahren vermutete der Verschwörungsideologe Ted Gunderson unter der McMartin-Vorschule in Manhattan einen geheimen unterirdischen Raum zum sexuellen und rituellen Missbrauch von Kindern und ließ erfolglos danach suchen. Dies gilt als Vorläufer der Pizzagate- und QAnon-Verschwörungstheorien, die ab 2016 von den USA aus in Umlauf gebracht wurden.

Vor der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2016 erfanden Anhänger des Kandidaten Donald Trump die Behauptung, dass Trumps Gegenkandidatin Hillary Clinton und andere prominente Vertreter der Demokraten im Keller einer Pizzeria in Washington einen Pädophilenring betrieben. Auf dieser „Pizzagate“-These baute ab Oktober 2016 die QAnonideologie auf: Jener Pädophilenring sei international, an ihm seien liberale Eliten, Hollywood-Schauspieler, Sexualstraftäter und Politiker in aller Welt beteiligt, auch in Europa. Kinder würden nicht nur entführt und sexuell missbraucht, sondern auch rituell ermordet. Die Verbindung von Kindesentführung, Kindermorden, Sexualverbrechen und religiösen Riten ist aus mittelalterlichen Ritualmordlegenden bekannt. Das angebliche geheime internationale Netzwerk soll die entführten Kinder in unterirdischen Tunnelsystemen gefangen halten und dort foltern, um ihnen das durch Angst ausgeschüttete Stoffwechselprodukt Adrenochrom aus der Blutbahn abzuzapfen und als Verjüngungsmittel für die Eliten zu verwenden. Dies gilt als aktuelle Form der antisemitischen Ritualmordlegende.

Die Pizzagatethese verbreitete unter anderen der Verschwörungsideologe Alex Jones über seinen Kanal InfoWars im Internet. Er beschrieb Hillary Clinton ab Oktober 2016 als Mörderin und Vergewaltigerin. Er behauptete, sie und der frühere US-Präsident Barack Obama seien von Dämonen besessen und röchen nach Schwefel. So dämonisierte er sie in antisemitischer Tradition als Werkzeuge Satans. Dies motivierte einige Trumpanhänger zu Gewalttaten und Terrorangriffen. Den Anschlag auf eine Synagoge in Poway (April 2019) rechtfertigte der Täter kurz zuvor in einem online-Text mit der Ritualmordlegende: „Du bist nicht vergessen, Simon von Trient; der Horror, den du und zahllose andere Kinder von den Händen der Juden erlitten haben, wird niemals vergeben werden.“

Im deutschsprachigen Raum verbreitete unter anderen der Sänger Xavier Naidoo die QAnonideologie. In Liedtexten auf dem Album „Kopfdisco“ (2010) und im Song „Wo sind sie jetzt?“ (2012) vertrat er, dass ungenannte Eliten verschwundene Kinder organisiert, geheim und rituell missbrauchen, quälen und töten. In einem Interview bekräftigte er: Es gehe dabei „um furchtbare Ritualmorde an Kindern, die tatsächlich ganz viel in Europa passieren, über die aber nie jemand spricht, nie jemand berichtet.“ Seine Quellen wollte er nicht mitteilen. Im April 2020 verbreitete Naidoo in einem Video, derzeit würden entführte Kinder aus den Fängen eines internationalen Pädophilennetzwerks befreit, und forderte die Zuschauer auf, nach dem Begriff „Adrenochrom“ zu googeln. Auch der Rapper Sido hielt die Adrenochromthese für möglich. Tobias Rathjen, der beim Anschlag in Hanau 2020 (19. Februar) neun Menschen ermordete, hatte sich durch QAnonwebseiten radikalisiert.

Literatur

Gesamtdarstellungen

  • Raphael Israeli: Blood Libel and Its Derivatives: The Scourge of Anti-Semitism. Routledge, London 2017, ISBN 1-138-50774-1.
  • Frauke von Rohden, Regina Randhofer: Ritualmord. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur Band 5: Pr–Sy. Metzler, Stuttgart/Weimar 2014, ISBN 3-476-02505-5, S. 235–243.
  • Hannah Johnson: Blood Libel: The Ritual Murder Accusation at the Limit of Jewish History. University of Michigan Press, 2012, ISBN 0-472-11835-8.
  • Susanna Buttaroni, Stanisław Musiał (Hrsg.): Ritualmord. Legenden in der Europäischen Geschichte. Böhlau, Wien 2003, ISBN 3-205-77028-5.
  • Ritualmord. In: Gerhard Muller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 29. Walter de Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-016127-3, S. 253–259.
  • Alexander Baron: Jewish Ritual Murder: Anti-semitic Fabrication or Urban Legend? Anglo-Hebrew Publishing. London 1994, ISBN 1-898318-36-0.
  • Rainer Erb: Die Legende vom Ritualmord. Zur Geschichte der Blutbeschuldigung gegen Juden. Metropol, Berlin 1993, ISBN 3-926893-15-X.
  • Alan Dundes: The Blood Libel Legend: A Casebook in Anti-Semitic Folklore. The University of Wisconsin Press, Madison 1991, ISBN 0-299-13110-6.
  • Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1991, ISBN 3-499-55498-4, S. 269–291: Ritualmord und Hostienfrevel; S. 304–368: Die Barbarei längst verflossener Jahrhunderte.
  • Ronnie Po-Chia Hsia: The Myth of Ritual Murder: Jews and Magic in Reformation Germany. Yale University Press, New Haven 1988, 1990, ISBN 0-300-04746-0.
  • Magda Teter: Blood Libel: On the Trail of an Antisemitic Myth. Harvard University Press, Cambridge / Massachusetts 2020, ISBN 0-674-24355-2.

Teilaspekte

  • Johannes T. Groß: Ritualmordbeschuldigungen gegen Juden im Deutschen Kaiserreich (1871–1914). Metropol, Berlin 2002, ISBN 3-932482-84-0.
  • Hannelore Noack: Unbelehrbar? Antijüdische Agitation mit entstellten Talmudzitaten. Antisemitische Aufwiegelung durch Verteufelung der Juden. Verlag für wissenschaftliche Literatur, Paderborn 2001, ISBN 3-935023-99-5.
  • John M. McCulloh: Jewish Ritual Murder: William of Norwich, Thomas of Monmouth, and the Early Dissemination of the Myth. In: Speculum. Columbus Ohio, 1997 / Nr. 3 (Juli), S. 698–740, ISSN 0739-3806.
  • Gerd Mentgen: Über den Ursprung der Ritualmordfabel. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 4 / 1994, S. 405–416
  • Stefan Rohrbacher: Ritualmord-Beschuldigungen am Niederrhein. In: Menora 1 / 1990, S. 299–305
  • Georg R. Schroubek: Zur Kriminalgeschichte der Blutbeschuldigung. In: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform. Köln 1985, Nr. 65, S. 2–17, ISSN 0026-9301.
  • Georg R. Schroubek: Der „Ritualmord“ von Polná – Traditioneller und moderner Wahnglaube. In: Rainer Erb, Michael Schmidt (Hrsg.): Antisemitismus und jüdische Geschichte – Studien zu Ehren von Herbert A. Strauss. Wissenschaftlicher Autorenverlag, Berlin 1987, ISBN 3-88840-239-5, S. 149–171.
Überblick
Antike
Mittelalter
Neuzeit
Wikisource: Ritualmordvorwurf – Quellen und Volltexte
Gegenwart

Einzelnachweise

  1. Rainer Erb: Zur Erforschung der europäischen Ritualmordbeschuldigungen. In: Rainer Erb (Hrsg.): Die Legende vom Ritualmord, Berlin 1993, S. 9
  2. Achim Bühl: Antisemitismus: Geschichte und Strukturen von der Antike bis 1848. Marix, Wiesbaden 2020, ISBN 3-7374-1124-7, S. 126
  3. 1 2 Bezalel Bar-Kochva: The Image of the Jews in Greek Literature - The Hellenistic Period. University of California Press, Berkeley 2010, ISBN 0-520-29084-4, S. 253 und Fn. 1
  4. Erich S. Gruen: The Construct of Identity in Hellenistic Judaism: Essays on Early Jewish Literature and History. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 3-11-037302-5, S. 249
  5. Bezalel Bar-Kochva: The Image of the Jews in Greek Literature - The Hellenistic Period. Berkeley 2010, S. 241278.
  6. Tricia Miller: Jews and Anti-Judaism in Esther and the Church. James Clarke & Co, Cambridge 2015, ISBN 0-227-90252-1, S. 51
  7. David Flusser: Judaism of the Second Temple Period, Volume 2: The Jewish Sages and Their Literature. William B. Eerdmans, Grand Rapids 2009, ISBN 0-8028-2458-7, S. 309
  8. Hans Lietzmann: Geschichte der alten Kirche. (1936) Neuausgabe: De Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-11-016498-1, S. 152 f.
  9. Peter Schäfer: Jesus im Talmud. 2. Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 2010, ISBN 3-16-150253-1, S. 205
  10. Heath D. Dewrell: Child Sacrifice in Ancient Israel. Penn State University Press, University Park 2017, ISBN 1-64602-201-7, S. 4–36 und 148–190
  11. Rainer Lachmann, Gottfried Adam, Christine Reents (Hrsg.): Elementare Bibeltexte: Exegetisch – systematisch – didaktisch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 3-647-61421-1, S. 66
  12. David Biale: Blood and Belief: The Circulation of a Symbol Between Jews and Christians. University of California Press, Berkeley 2008, ISBN 0-520-25798-7, S. 9–11
  13. Hans Hübner: Die Weisheit Salomons: Liber Sapientiae Salomonis. Das Alte Testament Deutsch, Apokryphen Band 4. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-51404-2, S. 160
  14. Joop van Banning: The Vatican and Ritual Murder. In: Buttaroni / Musiał (Hrsg.): Ritualmord, Wien 2003, S. 62–84, hier S. 63
  15. Irmgard Bruns: Von der jüdischen Sekte zur Staatsreligion: Machtkämpfe im frühen Christentum. Patmos, 2008, ISBN 3-491-70414-6, S. 194f.; Susanne Galley: Das Judentum. Campus, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-593-37977-5, S. 54.
  16. Wolfgang Benz: Handbuch des Antisemitismus Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. De Gruyter, Berlin 2010, ISBN 3-11-023379-7, S. 153
  17. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 270f.
  18. Cecil Roth: The Feast of Purim and the Origins of the Blood Accusation. (1933) Nachdruck in: Alan Dundes (Hrsg.): The Blood Libel Legend, S. 261–272
  19. Patricia Healy Wasyliw: Martyrdom, Murder, and Magic: Child Saints and Their Cults in Medieval Europe. Peter Lang, New York 2007, ISBN 0-8204-2764-0, S. 111 und S. 261
  20. Wolfgang Benz (Hrsg.) Handbuch des Antisemitismus Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen. Berlin 2012, S. 353f.
  21. Wolfgang Wippermann: Rassenwahn und Teufelsglaube. Frank & Timme, 2005, ISBN 3-86596-007-3, S. 65
  22. 1 2 Frauke von Rhoden, Regina Randhofer: Ritualmord. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur Band 5: Pr-Sy. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 3-476-02505-5, S. 235–243, hier S. 236
  23. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 18.
  24. Jacob Rader Marcus, Marc Saperstein (Hrsg.): The Jews in Christian Europe: A Source Book, 315-1791. (1999) Hebrew Union College, 2015, ISBN 0-8229-6393-0, S. 87
  25. E.M. Rose: The Murder of William of Norwich: The Origins of the Blood Libel in Medieval Europe. Oxford University Press, Oxford 2015, ISBN 0-19-021962-9, S. 8
  26. E.M. Rose: The Murder of William of Norwich, Oxford 2015, S. 75–81
  27. Augustus Jessop (Hrsg.): The Life And Miracles Of St William Of Norwich By Thomas Of Monmouth. Cambridge Library, 2011, ISBN 1-108-03976-6, S. 71 (Einführung)
  28. Rainer Erb: Die Legende vom Ritualmord, Berlin 1993, S. 72
  29. Israel J. Yuval: Two Nations in Your Womb: Perceptions of Jews and Christians in Late Antiquity and the Middle Ages. University of California Press, Berkeley 2006, ISBN 0-520-21766-7, S. 185
  30. Hannah R. Johnson: Blood Libel: The Ritual Murder Accusation at the Limit of Jewish History. University of Michigan Press, 2012, ISBN 0-472-11835-8, S. 104f.
  31. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 276
  32. Rainer Erb: Die Legende vom Ritualmord, Berlin 1993, S. 52–54
  33. Rainer Erb: Die Legende vom Ritualmord, Berlin 1993, S. 63; Richard Utz: Hugh von Lincoln und der Mythos vom jüdischen Ritualmord. In: Ulrich Müller, Werner Wunderlich (Hrsg.): Mittelaltermythen in 7 Bänden: Herrscher-Helden-Heilige. (1996) Universitätsverlag, Konstanz 2001, ISBN 3-86764-117-X, S. 711–722.
  34. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 278
  35. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 280
  36. Hannah Johnson, Heather Blurton: The Critics and the Prioress: Antisemitism, Criticism, and Chaucer's Prioress's Tale. University of Michigan Press, 2017, ISBN 0-472-13034-X, S. 57–105
  37. Douglas M. Lanier: The Merchant of Venice: Language and Writing. The Arden Shakespeare, 2019, ISBN 1-4725-7150-9, S. 77
  38. Gavin I. Langmuir: Toward a Definition of Antisemitism. University of California Press, 1996, S. 266
  39. Paul Joseph Weiland: Ein Messias aus Galiläa. Das Sachbuch zum Christentum. Araki, 3. Auflage 1991, ISBN 3-9520016-1-9, S. 414; Willehad Paul Eckert: Der Trienter Judenprozeß. In: Paul Wilpert (Hrsg.): Judentum im Mittelalter: Beiträge zum christlich-jüdischen Gespräch. S. 326, Fn. 133
  40. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52903-8, S. 21–26
  41. Julius Höxter (Hrsg.): Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur (Judaika). Marix, 2009, ISBN 3-86539-198-2, S. 235f.
  42. Werner Keller: Und wurden zerstreut unter alle Völker: die nachbiblische Geschichte des jüdischen Volkes. (1973) Neuauflage, Brockhaus, Wuppertal 1993, ISBN 3-417-24639-3, S. 257
  43. Artikel Ritualmord. In: Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie Band 29, Berlin 1998, S. 257.
  44. Jacek Wijaczka: Ritualmordbeschuldigungen und -prozesse in Polen. In: Buttaroni / Musiał (Hrsg.): Ritualmord. Legenden in der Europäischen Geschichte. Wien 2003, S. 213–232, hier S. 215–218
  45. Heinrich Heine: Der Rabbi von Bacherach (1840) (Text bei Projekt Gutenberg)
  46. Maike Lämmerhirt: Die Ritualmordlegende im thüringischen Raum und die Verfolgung der Juden von Weißensee 1303. In: Enno Bünz, Helmut G. Walther, Stefan Tebruck (Hrsg.): Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Böhlau, Wien 2007, S. 737
  47. Carlo Ginzburg: Hexensabbat: Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Wagenbach, Berlin 2005, ISBN 3-8031-2506-5, S. 47 ff.
  48. Niklaus Schatzmann: Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen: Hexenprozesse in der Leventina 1431-1459 und die Anfänge der Hexenverfolgung auf der Alpensüdseite. Chronos, Zürich 2003, ISBN 3-0340-0660-8, S. 58
  49. Birgit Studt: Fürstenhof und Geschichte. Legitimation durch Überlieferung. Böhlau, Köln 1998, ISBN 3-412-03592-0, S. 337–351.
  50. Markus J. Wenninger: Die Instrumentalisierung von Ritualmordbeschuldigungen zur Rechtfertigung spätmittelalterlicher Judenvertreibungen. In: Buttaroni / Musiał (Hrsg.): Ritualmord, Wien 2003, S. 197–232, hier S. 202f.
  51. Johannes E. Trojer: Hitlerzeit im Villgratental: Verfolgung und Widerstand in Osttirol. Haymon, 2016, ISBN 3-7099-3760-4, S. 17
  52. Magda Teter: Blood Libel, Cambridge 2020, S. 15
  53. 1 2 Willehad Paul Eckert: Aus den Akten des Trienter Judenprozesses. In: Paul Wilpert (Hrsg.): Judentum im Mittelalter: Beiträge zum christlich-jüdischen Gespräch. (1966) De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 3-11-084215-7, S. 283–336, hier S. 288f.
  54. Heinz Schreckenberg: Die Juden in der Kunst Europas. Göttingen 1996, S. 343–345
  55. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 287.
  56. Klaus Davidowicz: Antisemitismus und Dorfkultur: Der Fall Andreas von Rinn. In: Markus Himmelbauer et al. (Hrsg.): Erneuerung der Kirchen: Perspektiven aus dem christlich-jüdischen Dialog. Herder, Freiburg 2018, ISBN 3-451-02290-7, S. 45–65, hier S. 48–52
  57. Bernhard Fresacher: Anderl von Rinn: Ritualmordkult und Neuorientierung in Judenstein 1945-1995. Tyrolia, 1998, ISBN 3-7022-2125-5, S. 19
  58. Elisabeth Singer-Brehm: ‚Maise Jeschurun‘. Die Geschichte einer Ritualmordanklage. In: Rebekka Denz, Martha Stellmacher, Rebecca Ullrich (Hrsg.): Genisa-Blätter IV. Universitätsverlag Potsdam, Potsdam 2023, ISBN 978-3-86956-539-2, S. 129–157, hier S. 131
  59. Rohrbacher/Schmidt: Judenbilder, Reinbek 1991, S. 302
  60. Artikel Ritualmord. In: Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie Band 29, Berlin 1998, S. 254.
  61. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden, München 2005, S. 61 ff.
  62. Ulrich Herbeck: Das Feindbild vom „jüdischen Bolschewiken“: Zur Geschichte des russischen Antisemitismus vor und während der Russischen Revolution. Metropol, Berlin 2009, ISBN 3-940938-49-1, S. 50 und 84 f.
  63. Wolfgang Wippermann: Fundamentalismus. Dörfler, Königsheim 2013, ISBN 3-95666-166-4, S. 52
  64. Edward H. Judge: Ostern in Kischinjow. Anatomie eines Pogroms. Decaton, Mainz 1995, ISBN 3-929455-30-7
  65. Raimund Elfering: Die „Bejlis-Affäre“ im Spiegel der liberalen russischen Tageszeitung „REČ’“. (PDF S. 15–18)
  66. Michael Hagemeister: Die „Protokolle der Weisen von Zion“ und der Basler Zionistenkongreß von 1897. In: Heiko Haumann (Hrsg.): Der Traum von Israel: Die Ursprünge des modernen Zionismus. Beltz Athenäum, Weinheim 1998, ISBN 3-89547-115-1, S. 259.
  67. Daniel Pipes: Verschwörung. Faszination und Macht des Geheimen. Gerling-Akademie-Verlag, München 1998, ISBN 3-932425-08-1, S. 150.
  68. Jacob Barnai: Blood libels in the Ottoman Empire. In: Shmuel Almog (Hrsg.): Antisemitism Through the Ages, Pergamon, 1988, ISBN 0-08-035850-0, S. 189–194.
  69. Die „Hilsneriade“ 1899. Radio Prag, 17. April 1999.
  70. Raimund Elfering: Die „Bejlis-Affäre“ im Spiegel der liberalen russischen Tageszeitung „REČ’“. (PDF S. 14)
  71. Regina Fritz: Nach Krieg und Judenmord: Ungarns Geschichtspolitik seit 1944. Wallstein, Göttingen 2012, ISBN 3-8353-2285-0, S. 47
  72. 1 2 Zvi J. Kaplan: From Ritual Murder to Treason: Antisemitism in Early Modern and Modern France. Rezension zu: Pierre Birnbaum. A Tale of Ritual Murder in the Age of Louis XIV: The Trial of Raphaël Lévy, 1669. auf H-Net, Mai 2013
  73. Daniel Gerson: Frankreich. In: Wolfgang Benz, Brigitte Mihok (Hrsg.) Handbuch des Antisemitismus Band 1: Länder und Regionen. De Gruyter, Berlin 2008, ISBN 3-11-023510-2, S. 118
  74. Ulrich W. Sahm: Bann nach 344 Jahren aufgehoben. Jüdische Allgemeine, 22. Januar 2014
  75. Jonathan Frankel: The Damascus Affair: 'Ritual Murder', Politics, and the Jews in 1840. Cambridge University Press, Cambridge 1997, ISBN 0-521-48396-4, S. 258 und Fn. 3
  76. Jonathan Frankel: The Damascus Affair, Cambridge 1997, S. 263–266 und Fn. 31–40
  77. Jonathan Frankel: The Damascus Affair, Cambridge 1997, S. 268
  78. Jonathan Frankel: The Damascus Affair, Cambridge 1997, S. 270–277
  79. Franziska Krah: Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muss: Pioniere der Antisemitismusforschung in Deutschland. Campus, Frankfurt am Main 2017, ISBN 3-593-50624-6, S. 14
  80. Günter Stemberger: Einführung in die Judaistik. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49333-5, S. 159 f.
  81. Paula Giersch: Für die Juden, gegen den Osten? Umcodierungen im Werk Karl Emil Franzos’ (1848 - 1904). Frank & Timme, Berlin 2014, ISBN 3-86596-476-1, S. 166 und Fn. 488
  82. Werner Bergmann: Tumulte – Excesse – Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789–1900. Wallstein, Göttingen 2020, ISBN 3-8353-3645-2, S. 743
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