Die Targa Florio war ein Langstreckenrennen auf öffentlichen Bergstraßen in Sizilien. Geschaffen wurde es von dem Unternehmer Vincenzo Florio, dessen Familie die Straßen dieser Madonie-Rundstrecke gehörten.

Die Targa Florio (targa italienisch für Schild, Plakette) wurde von 1906 bis 1977 meistens im Mai als wichtige internationale Veranstaltung teilweise mit WM-Status (Sportwagen-Weltmeisterschaft) durchgeführt. Sie ist somit noch älter als das Indianapolis 500. Seit 1978 wird sie als Rallye fortgeführt.

Als Targa Florio Rally wurde diese traditionsreiche Veranstaltung in der Saison 2012 als Lauf der Intercontinental Rally Challenge ausgetragen.

Geschichte

Die erste Targa Florio startete am 6. Mai 1906 um 6 Uhr mit 10 Automobilen, die im Abstand von 10 Minuten auf den 148 km langen Rundkurs gingen. Der Sieger bewältigte die vorgegebenen drei Runden in 9 Stunden und 32 Minuten.

Zwischen 1925 und 1929 dominierte Bugatti mit dem Type 35 das Rennen und gewann fünfmal. In den 1920er Jahren war die Targa Florio das wichtigste Sportwagenrennen, da die 24 Stunden von Le Mans, die Mille Miglia sowie die Grand-Prix-Rennen noch nicht etabliert waren. Die Rennen auf der damals etwa 22 km langen Stuttgarter Solitude wurden gar Schwäbische Targa Florio genannt. Das Eifelrennen fand ursprünglich unter ähnlichen Bedingungen statt wie die Targa Florio.

Strecke

Die Streckenvariante des Grande circuito delle Madonie mit ihren ursprünglichen 148 km könnte man fast mit einer Insel-Rundfahrt vergleichen – wenn eine solche 1000 km lange Sizilien-Tour nicht tatsächlich von 1912 bis 1914 und 1948 bis 1950 auf dem Programm gestanden hätte. Ab 1919 wurde auf 108 km verkürzt, ab 1932 nochmal.

Die klassische Runde des Piccolo circuito delle Madonie führte entgegen dem Uhrzeigersinn vom Startplatz durch Cerda im Westen, vorbei am 500 Meter hoch gelegenen Caltavuturo im Süden hinab ins Tal, in dem heute eine Autobahn verläuft, über 600 Meter hoch gelegene Bergstraßen, in einer Spitzkehre durch Collesano im Osten, hinab nach Campofelice di Roccella, von wo die Wagen auf der Buonfornello-Geraden am Meer entlang jagten, die mit über sechs Kilometer länger war als die Hunaudieres-Gerade in Le Mans. Diese Runde hatte noch 72 km und wurde meist zehnmal absolviert, wobei die Fahrzeuge einzeln im 20-Sekunden-Takt gestartet wurden, denn Überholmanöver sind auf der engen Strecke schwierig, und ein Start im Pulk undenkbar.

Die Schnellsten brauchten weniger als 40 Minuten für die Rundfahrt. Helmut Marko stellte 1972 im Alfa Romeo den Rundenrekord im Rennen mit 33:41 min bzw. einem Schnitt von 128,253 km/h auf. Der Schnellste im Training war Leo Kinnunen schon 1970 im Porsche 908/3 mit einem Schnitt von 128,571 km/h bzw. 33:36 min. Dabei ist zu beachten, dass schon vorher im Straßenverkehr geübt wurde, um sich die Abfolge der etwa 900 Kurven einprägen zu können. Dazu wurden Rennwagen mit Straßenzulassungen versehen, selbst die Porsche 908 hatten ein Stuttgarter Nummernschild am Heck. Ferrari stattete selbst Formel-1-Rennwagen mit den „Prova“-Markierungen aus (das war jedoch aus versicherungstechnischen Gründen nötig). Zudem sollten sich die Zuffenhausener Werksfahrer zusätzlich Filme mit dem Streckenverlauf anschauen, was bei einigen Piloten unbeliebt war, da das Übelkeit hervorrufen konnte.

Aufgrund der Erfolge auf dieser winkligen Strecke, die den zunächst hubraumschwachen Wagen 1956 erstmals einen sensationellen Gesamtsieg in einem wichtigen WM-Rennen bescherte, benannte Porsche eine offene Version des 911 und 912 als „Targa“. Unter sinnreicher Verwendung des Begriffes, der Schild bedeutet, nannte man das Cabriolet mit breitem Überrollbügel so. Die Bezeichnung wurde in Analogie zu der Bezeichnung der Rennversionen einiger Porsche-Modelle übernommen, die als Carrera (spanisch für Rennen) nach der Carrera Panamericana benannt wurden.

Alle Streckenvarianten sind inzwischen teilweise schwer deformiert; der Piccolo circuito delle Madonie ist an zwei Stellen offiziell gesperrt. Eine komplette Runde abzufahren, ist nach dem Bau einer Autobahn im Tal von Scillato nicht mehr möglich, da ein Teil der ehemaligen Strecke inzwischen eine Sackgasse ist.

Risiken

Mit dem Ferrari 512S von Lokalmatador Nino Vaccarella donnerte im Jahre 1970 ein reinrassiger Rennsportwagen mit etwa 560 PS durch Cerda, in unmittelbarer Nähe der Anwohner und Zuschauer, die sich auch auf den Wiesen und Berghängen versammelten, um das Spektakel zu verfolgen und ihren Helden anzufeuern. Begeisterte Zuschauer versuchten sogar in den Serpentinen, die Wagen anzufassen. Menschenmassen, Felsen, Bäume und Abgründe säumten die Rennstrecke. Verlorene Hufnägel von Pferden waren ein Problem, oder Hühner auf der Fahrbahn, und überhaupt die holprige und staubige Piste, die einen Rennwagen auch ohne Unfall beschädigen konnte.

Im Vorfeld einer Targa Florio wurde dazu aufgerufen, die Wohnungen am Streckenrand zu verschließen, alle freilaufenden Haustiere und vor allem Weidetiere einzusperren und die Kinder zu beaufsichtigen. Dies war auch schon in der Woche vor dem Rennen ratsam, denn es wurden inoffizielle Übungsrunden absolviert. Eine wichtige Vorsichtsmaßnahme der Fahrer war dabei kräftiges Gasgeben – denn ein lautes Auspuffgeräusch warnt Passanten.

Porsche verzichtete auf den Einsatz der großen Porsche 917 und brachte die kurzen, leichten, wendigen und offenen Porsche 908/3 an den Start.

Aus Sicherheitsgründen wurde der Targa Florio ab 1974 der WM-Status entzogen und das Rennen nur als Italienischer Meisterschaftslauf gewertet. Sie wurde noch mit verkürzter Rundenzahl fortgeführt, das Interesse bei Zuschauern und Teilnehmern schwand, einige Piloten traten gar unter Pseudonym an. Zweitklassige Fahrer auf schnellen Sportprototypen auf einem äußerst anspruchsvollen und gefährlichen Kurs ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen konnte nicht gut gehen – 1977 kam es auf der langen Geraden zu einem tödlichen Unfall mit Rennabbruch, und das Straßenrennen wurde eingestellt.

Die Targa Florio wurde ab 1978 als eine Rallye fortgeführt, mit kurzen Wertungsprüfungen auf den Bergstraßen. Im Jubiläumsjahr 2006 stand die 90. Auflage an.

Der Name Targa findet auch Fortsetzung in der Targa Tasmania, einer seit 1992 veranstalteten Rallye in Tasmanien.

Gesamtsieger

JahrTeamGesamtsiegerFahrzeugFahrzeitMeisterschaft
1906  Fab Auto Itala SA Alessandro CagnoItala 35/40 HP/8.09:32:22,000zählte zu keiner Meisterschaft
1907  F.I.A.T. Felice NazzaroFiat 28/40 HP/7.48:17:36,400zählte zu keiner Meisterschaft
1908  Isotta Fraschini Vincenzo TruccoIsotta Fraschini 50 HP/8.07:49:26,600zählte zu keiner Meisterschaft
1909  SPA Francesco CiuppaSpa 28/40 HP/7.82:43:19,000zählte zu keiner Meisterschaft
1910  Automobili Franco Franco CariolatoFranco 35/50 HP/4.06:20:47,000zählte zu keiner Meisterschaft
1911  S.C.A.T. Ernesto CeiranoScat 22/32 HP/4.49:32:22,000zählte zu keiner Meisterschaft
1912 Newton & Harper Cyril SnipeScat 25/35 HP/4.723:37:19,000zählte zu keiner Meisterschaft
1913  Automobili Nazzaro Felice NazzaroNazzaro Tipo 2/4.419:18:40,000zählte zu keiner Meisterschaft
1914 S.C.A.T. Ernesto CeiranoScat 22/32 HP/4.416:51:31,000zählte zu keiner Meisterschaft
1919 Société des Automobiles et Cycles Peugeot André BoillotPeugeot L25/2.57:51:01,800zählte zu keiner Meisterschaft
1920 Automobili Nazzaro Guido MeregalliNazzaro Grand Prix Tipo 5/4.48:27:23,800zählte zu keiner Meisterschaft
1921 Giulio Masetti Giulio MasettiFiat S57/14 B/4.57:25:05,200zählte zu keiner Meisterschaft
1922 Giulio Masetti Giulio MasettiMercedes Grand Prix 1914/4.56:50:50,400zählte zu keiner Meisterschaft
1923  Accomandita Ing. Nicola Romeo & Co Ugo SivocciAlfa Romeo RLS/3.27:18:00,200zählte zu keiner Meisterschaft
1924  Daimler-Motoren-Gesellschaft Christian WernerMercedes Tipo Indy 2000 120 PS6:23:37,400zählte zu keiner Meisterschaft
1925  Automobiles Ettore Bugatti Meo CostantiniBugatti T357:32:27,200zählte zu keiner Meisterschaft
1926 Automobiles Ettore Bugatti Meo CostantiniBugatti T35T7:20:45,000zählte zu keiner Meisterschaft
1927 Automobiles Ettore Bugatti Emilio MaterassiBugatti T35C7:35:55,400zählte zu keiner Meisterschaft
1928 Automoibiles Ettore Bugatti Albert DivoBugatti T35B7:50:56,600zählte zu keiner Meisterschaft
1929 Automobiles Ettore Bugatti Albert DivoBugatti T35C7:15:41,700zählte zu keiner Meisterschaft
1930 S.A. Alfa Romeo Achille VarziAlfa Romeo P26:55:16,600zählte zu keiner Meisterschaft
1931 S.A. Alfa Romeo Tazio NuvolariAlfa Romeo 8C 23009:00:27,000zählte zu keiner Meisterschaft
1932  Scuderia Ferrari Tazio NuvolariAlfa Romeo 8C 23007:15:50,600zählte zu keiner Meisterschaft
1933 Scuderia Ferrari Antonio BrivioAlfa Romeo 8C 23006:35:03,000zählte zu keiner Meisterschaft
1934 Scuderia Ferrari Achille VarziAlfa Romeo Tipo B/P36:14:26,800zählte zu keiner Meisterschaft
1935 Scuderia Ferrari Antonio BrivioAlfa Romeo Tipo B/P35:27:29,000zählte zu keiner Meisterschaft
1936 Constantino Magistri Constantino MagistriLancia Augusta2:08:47,200zählte zu keiner Meisterschaft
1937  Officine Alfieri Maserati Francesco SeveriMaserati 6CM2:55:49,000zählte zu keiner Meisterschaft
1938 Officine Alfieri Maserati Giovanni RoccoMaserati 6CM1:30:04,600zählte zu keiner Meisterschaft
1939 Officine Alfieri Maserati Luigi VilloresiMaserati 6CM1:40:15,400zählte zu keiner Meisterschaft
1940 Officine Alfieri Maserati Luigi VilloresiMaserati 4CL1:36:08,600zählte zu keiner Meisterschaft
1948 Scuderia Inter Clemente Biondetti
 Igor Trubetzkoi
Ferrari 166 S12:12:00,000zählte zu keiner Meisterschaft
1949 Scuderia Inter Clemente Biondetti
 Aldo Benedetti
Ferrari 166 SC13:15:09,400zählte zu keiner Meisterschaft
1950 Bornigia Fratelli Mario Bornigia
 Franco Bornigia
Alfa Romeo 6C 250012:26:33,000zählte zu keiner Meisterschaft
1951 Scuderia Ambrosiana Franco CorteseFrazer-Nash Le Mans Replica7:31:04,800zählte zu keiner Meisterschaft
1952  Scuderia Lancia Felice BonettoLancia Aurelia B20 Competizione7:11:58,000zählte zu keiner Meisterschaft
1953 Scuderia Lancia Umberto MaglioliLancia D207:08:38,800zählte zu keiner Meisterschaft
1954 Scuderia Lancia Piero TaruffiLancia D246:24:18,000zählte zu keiner Meisterschaft
1955 Daimler-Benz AG Stirling Moss
 Peter Collins
Mercedes-Benz 300 SLR9:43:14,000Sportwagen-Weltmeisterschaft 1955
1956  Porsche KG Umberto MaglioliPorsche 550 RS 15007:54:52,600zählte zu keiner Meisterschaft
1957 Fabio Colonna Fabio Colonna
 Giulia Thellung
Fiat 6001zählte zu keiner Meisterschaft
1958 Scuderia Ferrari Luigi Musso
 Olivier Gendebien
Ferrari 250TR/5810:37:58,100Sportwagen-Weltmeisterschaft 1958
1959 Porsche KG Edgar Barth
 Wolfgang Seidel
Porsche 718 RSK 150011:02:21,800Sportwagen-Weltmeisterschaft 1959
1960 Porsche KG Joakim Bonnier
 Hans Herrmann
Porsche 718 RS607:33:08,200Sportwagen-Weltmeisterschaft 1960
1961 Scuderia Ferrari Wolfgang Graf Berghe von Trips
Olivier Gendebien
Ferrari Dino 246SP6:57:39,400Sportwagen-Weltmeisterschaft 1961
1962 SpA Ferrari SEFAC Willy Mairesse
Olivier Gendebien
 Ricardo Rodríguez
Ferrari Dino 246SP7:02:56,300Sportwagen-Weltmeisterschaft 1962
1963 Porsche System Engineering Joakim Bonnier
 Carlo-Maria Abate
Porsche 718 GTR Coupé6:55:45,100Sportwagen-Weltmeisterschaft 1963
1964 Porsche System Engineering Antonio Pucci
 Colin Davis
Porsche 904 GTS7:10:53,300Sportwagen-Weltmeisterschaft 1964
1965 SpA Ferrari SEFAC Nino Vaccarella
 Lorenzo Bandini
Ferrari 275P27:01:12,400Sportwagen-Weltmeisterschaft 1965
1966  Scuderia Filipinetti Willy Mairesse
 Herbert Müller
Porsche 906 Carrera 67:16:32,600Sportwagen-Weltmeisterschaft 1966
1967 Porsche System Engineering Paul Hawkins
 Rolf Stommelen
Porsche 910/86:37:01,000Sportwagen-Weltmeisterschaft 1967
1968 Porsche System Engineering Umberto Maglioli
 Vic Elford
Porsche 9076:28:47,900Sportwagen-Weltmeisterschaft 1968
1969 Porsche System Engineering Gerhard Mitter
 Udo Schütz
Porsche 908/026:07:45,300Sportwagen-Weltmeisterschaft 1969
1970 John Wyer Automotive Engineering Jo Siffert
 Brian Redman
Porsche 908/036:35:30,000Sportwagen-Weltmeisterschaft 1970
1971  Autodelta Nino Vaccarella
 Toine Hezemans
Alfa Romeo T33/36:35:46,200Sportwagen-Weltmeisterschaft 1971
1972 SpA Ferrari SEFAC Sandro Munari
 Arturo Merzario
Ferrari 312PB6:27:48,011Sportwagen-Weltmeisterschaft 1972
1973  Martini Racing Gijs van Lennep
Herbert Müller
Porsche Carrera RSR6:54:20,111Sportwagen-Weltmeisterschaft 1973
1974 Lancia Marlboro Gérard Larrousse
 Amilcare Ballestrieri
Lancia Stratos HF4:35:02,600Challenge Mondial
Italienische Sportwagen-Meisterschaft
1975 Autodelta Nino Vaccarella
Arturo Merzario
Alfa Romeo 33TT124:59:16,700Italienische Gruppe-5-Meisterschaft
1976 Team Ateneo Eugenio Renna
 Armando Floridia
Osella PA4Italienische Gruppe-6-Meisterschaft
1977 Raffaele Restivo Raffaele Restivo
 Alfonso Merendino
Chevron B36Italienische Gruppe-6-Meisterschaft

1Wertungsfahrt mit Indexkoeffizient

Sonstiges

Für viele Fahrer bot der Abstecher nach Sizilien auch Gelegenheit, sich neue Fahrerschuhe, die damals in Handarbeit von einem traditionellen Schuster gefertigt wurden, zu kaufen. Das Aussterben des Schusterhandwerks und gestiegene Sicherheitsanforderungen, die das komfortable Wildleder nur noch mit einer Auskleidung mit Nomex zuließen (Homologation), führten dazu, dass der Brauch ausstarb.

Literatur

  • Giuseppe Valenza: Targa Florio Il Mito, Legenda Editore, Mailand 2007 und Nigensha Publishing, Tokio 2009.
Commons: Targa Florio – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Glühende Landschaften. Spiegel online, abgerufen am 26. September 2009.
  2. Auf den Spuren der Targa Florio. Blog AutoNatives.de, abgerufen am 19. November 2018.
  3. http://www.targaflorio.info/61.htm

Koordinaten: 37° 56′ 52″ N, 13° 47′ 10″ O

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