Spiegelwelten:Pest

Die Pest, auch "Schwarzer Tod" genannt, war die größte Pandemie, die Ozeanien je heimgesucht hat. Sie brach im frühen fünfzehnten Jahrhundert aus.

Liparischer Holzschnitt aus dem jahr 1403. Der Medicus, mit seiner typischen Schnabelmaske versucht die Pestbeulen (Bubonen) mit der sogannten Pestnadel zu eröffnen.

Der Pest fielen fast 90% der ozeanischen Weltbevölkerung zum Opfer. Dies und die zeitgleich stattgefundene kleine Eiszeit ließen nur sehr wenige Zeugnisse jener Ära übrig. Deswegen gehört die Zeit der Pest zu jenen Epochen der ozeanischen Geschichte, welche am wenigsten gut erforscht sind.

Das Pest Projekt

Im Jahre 1800 wurde unter der Schirmherrschaft der Universität von Herculeanum zu Lipari ein spektakuläres Forschungsprojekt ins Leben gerufen: Eine internationale Gruppe Historiker, darunter Mulahama, sammelte die spärlichen, überall in Ozeanien verstreuten Zeitdokumente, fasste sie zusammen und restaurierte sie, teilweise mit modernsten Methoden.
Das vorläufige Ergebnis der noch laufenden Auswertung ist die bislang umfassendste Dokumentation über den Schwarzen Tod, die je erstellt wurde.

Professor Bascillus, Leiter der Forschungskomission merkte einführend an:
"Obwohl wir fast nichts über sie wissen, prägt die Zeit der Pest wie ein dunkler Schatten bis zum heutigen Tag unser kollektives Bewusstsein. Keine Katastrophe hat Ozeanien nachhaltiger gezeichnet und mit so unauslöschbarem Schrecken versehen, wie der Schwarze Tod. Er beherrscht unsere finstersten Alpträume und haust in den dunkelsten Ecken unserer Psyche.
Die Pest ist heute heilbar. Es gibt bedeutend schlimmere Krankheiten und auch schlimmere Epidemien. Trotzdem ist es die Pest, die auf eine geradezu irrationale Weise DAS Sinnbild für die Apokalypse ist. Über die Pest zu forschen bedeutet, Angesicht in Angesicht mit der Angst zu stehen".

Nachfolgend die Geschichte der Pest in Ozeanien, rekonstruiert anhand hunderter von Dokumenten, Tagebüchern, Briefen und Berichten.

Ozeanien zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts

Die kleine Eiszeit - nur wenige Tierarten freut's, so den amerikanensischen Löwen, der reiche Beute an entkräfteten Megalos macht.

Die Welt um 1400 ist geprägt von der kleinen Eiszeit. Nachdem im Jahre 1392 der Mondreich Vulkan Pulau-Pulau-Bomba bei einer monströsen Eruption buchstäblich in Stücke gesprengt wurde, jagte er abermillionen Gigatonnen Asche in den Himmel. Dort verdunkelte sie die Atmosphäre und absorbierte die Sonnenstrahlen. Es wurde nicht mehr richtig hell und die Temperaturen fielen dramatisch. Eine flächendeckende Vereisung breitete sich von Norden her immer weiter nach Süden aus.
Wo nicht der Permafrost jeden Ackerbau unmöglich machte, verdarb das Getreide unter der ewiggleichen, nasskalten Witterung.

Von Irland, Nordamerikanien, Nordrussland und anderen borealen Gebieten her wälzten sich ganze Ströme von Klimaflüchtlingen nach Süden. Zunächst wurden die Fremden in Ländern wie Lipari und Moldau freundlich empfangen, aber irgendwann wurde es den Einheimischen zuviel und es kam zu Spannungen mit den Einwanderern.

Julian Cervidus, damals Bürgermeister von Palmyra schrieb an den Liparischen Senat:
"Den Fremden geht in ihrer Heimat buchstäblich der Arsch auf Grundeis. Ich kann ja verstehen, dass sie eine neue Bleibe suchen, aber warum beim Saturn stranden eigentlich alle in Palmyra? Die Stadt platzt bald aus allen Nähten. Manche Viertel sind regelrechte Ghettos geworden, in denen Tag und Nacht die für zivilisierte Ohren äußerst ungefällige Musik dröhnt, wo keifende Immigrantenweiber die engen Gassen mit Wäscheleinen zuhängen und arbeitslose Männer am Bordsteinrand herumhocken, Chianti saufen und mit Lopenknochen würfeln.

Patient Null

Marek Szellnik, der mutmaßliche Patient Null. (Zeichnung aus einem Schulbuch um 1610

Im Jahre 1402 ereignete sich auf dem Zentralplatz von Palmyra ein Zwischenfall, dem zunächst nicht allzugroße Bedeutung beigemessen wurde: Wie jeden Sonntag verteilten dort die Lebensmittelhändler das, was über die Woche in den Regalen liegen geblieben war gratis oder zu sehr bescheidenen Preisen an die Klimaflüchtlinge. Die Immigranten nahmen dieses Angebot dankbar an und auch stundenlanges Schlangestehen für eine alte Rosswurst oder etwas Weizen gerne in Kauf.

Gegen Mittag tauchte plötzlich eine Immigrantenfrau auf und marschierte zielsicher auf den Fischhändler zu. In der Schlange gab es sofort wilde Proteste, von wegen, sie solle sich gefälligst hinten anstellen, aber die kräftige Russin ignorierte den Aufruhr. Sie ohrfeigte den Fischhändler, nannte ihn Drecksau, packte einen gammeligen Tintenfisch und drosch damit auf den völlig verdutzten Mann ein. Schliesslich kamen zwei Legionäre, welche vom Bürgermeister zur Wahrung der öffentlichen Ordnung abgestellt worden waren und versuchten, die wütende Frau zu beruhigen. Diese aber hielt nicht ein, sondern prügelte weiter den Fischhändler, unentwegt auf russisch fluchend.
Im Rapport der Ordnungshüter war später zu lesen:
"Natürlich kommt es anlässlich dieser Essensausgaben regelmäßig zu Konflikten und gelegentlichen Handgreiflichkeiten. Aber noch nie zuvor hatten wir es mit mit einer so empörten Person zu tun. 150 Kilo purer Zorn droschen auf den Fischverkäufer ein, der sich wohl fragte, mit welchen Rachegöttern er es sich wohl verscherzt hatte. Kollege Antonius hatte schiesslich die Idee, unter den wartenden Immigranten nach jemandem zu fragen, der das Gekeife der Frau übersetzen konnte, auf dass wir erführen, was das Weib eigentlich wollte."

Einige der Wartenden boten an, als Dolmetscher zu fungieren. Es stellte sich heraus, dass die Frau den Fischverkäufer beschuldigte, ihr letzte Woche dermassen schlechten Fisch gegeben zu haben, dass ihr Mann daran erkrankt sei. Er läge im Bett, könne nicht mehr aufstehen und habe hohes Fieber.

Nun ging eine raunende Unruhe durch die gesamte Warteschlange. Niemand hatte Lust sich eine Fischvergiftung einzuhandeln. Der Fischverkäufer merkte, dass es brenzlig wurde und entschloss sich kurzfristig zur Flucht. Die Menge verfolgte ihn und hetzte ihn durch die Gassen. Just in dem Moment, als der Mob den Händler in die Enge getrieben hatte, tauchte Bürgermeister Julian auf und verhinderte das schlimmste:
"Die Leute waren drauf und dran, den armen Kerl in Stücke zu reissen. Glücklicherweise besaß meine Person aber auch unter den Immigranten soviel Autorität, dass sie es nicht wagten, mit ihrem Tun fortzufahren nachdem ich es ihnen es bei Androhung der Kerkerhaft, verbot".

Der hysterischen Russin versprach Julian, seinen eigenen Medicus vorbeizuschicken. Daraufhin beruhigte sich die Frau.

Die erste Diagnose

Giorgio Fabiolus, seines Zeichen Leibmedicus des Bürgermeisters besuchte tatsächlich noch am selben Abend die Russin in ihrer Wohnung, die sie sich mit 3 anderen Flüchtlingsfamilien teilte.

"Nachdem ich mich durch die extreme Sauordnung durchgepflügt hatte und dabei einmal in eine alte Pizza und einmal in einen Topf Spaghetti trat, fand ich Marek Szellnik schließlich auf einer moderigen Matratze liegend. Sodann ich die Jugendlichen im oberen Stockwerk endlich dazu gebracht hatte, ihre verdammte Hadesmusik leiser zu machen, auf dass ich wenigstens meine eigenen Worte verstand, konnte ich mir den Patienten genauer ansehen.
Er lag apathisch da, weder von dem Mäuslein, welches auf seinem Kissen herumspazierte Notiz nehmend, noch von dem 3 jährigen Mädchen, das neben ihm in den Nachttopf schrallte. Der Mann hatte ganz zweifellos hohes Fieber. Sein Körper war mit schwarzblauen Flecken übersät und fette, eiterige Geschwüre wuchsen ihm am Hals, an der Schulter und unter den Achseln. Ich hatte bis Dato ein so merkwürdiges Krankheitsbild noch nie gesehen. Plötzlich wurde Marek Szellnik von einem sakkadenartigen Husten erfasst. Unter großen Schmerzen würgte er schwärzlichen, blutigen Schleim heraus und brüllte dabei wie ein Ochse in der Macelleria."

Fabiolus gab Szellnik eine Hustentinktur und ein Mittel gegen das Fieber, aber er machte dessen Frau keinerlei Hoffnung:
"Alles was ich Euch sagen kann ist, dass es sich nicht um eine Fischvergiftung handelt. Die Ursache des Leidens ihres Mannes ist mir ebenso unbekannt wie dessen Natur. Es steht zu befürchten, dass er diese Welt baldigst verlässt."

Diese Prognose war keineswegs zu pessimistisch. Marek Szellnik verstab noch in der folgenden Nacht.

Die Krankheit breitet sich aus

Nur drei Tage später kam es in dem Viertel, wo Marek Szellnik gelebt hatte, zu fünf weiteren Krankheitsfällen. Allerdings wurden diese nicht sofort bekannt, da die abgeschottete Welt der Emigranten-Ghettos die Liparische Öffentlichkeit nicht tangierte. Erst die Erkrankung des ersten Einheimischen eine Woche später brachte die Krankheit ins Bewusstsein der palmyrischen Gesellschaft. Der Patient war niemand anders als der Medicus Giorgio Fabiolus.

Noch auf dem Sterbebett schrieb der Arzt: "Was ich zutiefst bedauere, ist gehen zu müssen, ohne erfahren zu haben welchen Namen dieses furchtbare Leiden hat. Wenn ich Recht habe mit der Annahme, dass es sich um etwas völlig neues, unbekanntes handelt, so gebe ich ihm hiermit den Namen "Pestis" - die Seuche. Ich empfehle dem verehrten Bürgermeister meine Leiche zu verbrennen, auf dass sie nicht weitere Menschen anstecke."

Dr. Fabiolus starb am 3. Juli 1402.

Wenn im Morgengrauen der Pestwagen die Toten der Nacht abholt...

Nur wenige Tage später wurden in Palmyra zehn weitere Fälle bekannt. Ausnahmslos alle Patienten wohnten in relativer Nähe zum Immigrantenviertel, was dieses nun definitiv als Herd der Seuche in den Blickpunkt rücken liess.

"Dass das Asozialenviertel nicht nur der stinkende Schandfleck unserer einst schönen und sauberen Stadt ist, wusste schon lange, wer die Augen offen hat und nicht als blinder Gutmensch jede Realität verweigert, nur weil sie politisch nicht korrekt ist" wetterte der rechtspopulistische Journalist Giacomo Berlusconi im Massenblatt "IMAGO".
"Dieser Pfuhl an Ausdünstungen, diese bewohnte Müllhalde auf der in Lumpen gewandeter menschlicher Abfall herumkriecht, ist als hochinfektuöser Hort der fürchterlichsten Krankheiten zu identifizieren und daselbst zu beseitigen!"

Als es in den folgenden Tagen zu weiteren Erkrankungen kam, kochte die aufgepeitsche Volkseele hoch und einige hundert Bürger Palmyras machten sich mit Fackeln und Pechfässern auf den Weg, das Immigrantenviertel anzuzünden.

"Wir hörten schon von Ferne die "Fackelt die Schweine ab" Rufe." steht in einem Brief einer unbekannten Immigrantin.
"Wir fürchteten uns zu Tode und versuchten, uns zu Dritt im Nachttischchen zu verstecken. Unsere Mutter lag seit gestern im Fieberwahn auf einer Matratze in der Küche und rang mit dem Tod. Dann hörten wir, wie sie durch die Straßen marschierten und ihre Fackeln in Heuhaufen warfen. Verzweifelt versuchten einige von uns, die aufflammenden Brände zu löschen. Plötzlich aber stellte sich Sean der Ire dem Mob in den Weg. Völlig nackt, zeigte er den erschrocken zurückweichenden Brandstiftern seine Pusteln und Geschwüre und er schrie die Leute an: So kommt näher, O Ihr braven Bürger von Palmyra! Fürwahr, dieses Drecksloch gehört niedergebrannt, wer wollte Euch da widersprechen. Die Säue in Euren Verschlägen haben es besser als wir hier! Aber seid gewahr dass der Atem des schwarzen Todes durch diese versifften Gässlein weht! Und er ist blind, der Pustelgevater! Er wird Euch niederraffen, so wie er uns dahinrafft. ER verschont weder Herr noch Knecht!

Daraufhin floh die "Bürgerwehr" in Panik aus dem Viertel.

Erste Maßnahmen

Eine Woche und fünfzig Neuerkrankungen später beschloss der Stadtrat endlich die von Bürgermeister Julian Cervidius geforderten Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche. Ursprünglich war die völlige Abriegelung des Immigrantenviertels vorgesehen, doch das machte angesichts der Tatsache, dass die Seuche längst auf ganz Palmyra übergegriffen hatte, kaum noch Sinn. Stattdessen sollten alle Häuser, in denen Krankheitsfälle auftraten mit einem schwarzen Kreuz gekennzeichnet werden. Berlusconi schlug in seiner Kolumne sogar vor, alle Angehörigen von Pestkranken, auch die noch gesunden, zum tragen einer schwarzen Armbinde zu zwingen auf dass "sie als die Verlobten des Schwarzen Todes" zu erkennen seien.
Mit nur knapper Mehrheit konnte sich Julian Cervidius im Stadtrat gegen diese Maßnahme durchsetzen: "Wenn wir die Menschen auf diese Weise stigmatisieren, können wir sie gleich selber totschlagen."
Das Kennzeichnen der Häuser sowie der allmorgendliche Abtransport der Leichen aus den Häusern oblag einer speziellen Kohorte, die aus Strafgefangenen bestand. Kein freier Bürger war freiwillig zur Verrichtung dieses Dienstes bereit.

Die Pandemie

Der Totentanz. Holzschnitt aus 1413

Nach nur 4 Wochen hatte die Pest Palmyra voll im Griff, fast ein Drittel der Einwohner war bereits tot, täglich erkrankten dutzende weitere Menschen.
"Über der einst so lebenslustigen Stadt lag eine Totenstille. Tag und Nacht. Die Menschen huschten nur noch vereinzelt durch die Straßen, tief verschleiert, aus Angst vor Ansteckung und auch nur, um das nötigste zu besorgen. Einige starben, nicht an der Pest, sondern weil sie ganz einfach in ihren Häusern verhungerten. Jeden Morgen, wenn das erste fahle Licht am Horizont die Gärten des Wahnsinns erhellten, hörte man von weiten die dumpfe Trommel, die den Leichenwagen ankündigte. Die in schwarze Gewänder gehüllten Schergen hielten vor jedem Haus. Dann und wann zerriss ein markerschütterndes Schreien und Schluchzen die eisige Stille und man warf eine weitere Leiche auf den Wagen. Als Sean der Ire starb, wehrte sich seine Frau gegen die Wegnahme ihres Mannes. Die Schergen schlugen sie brutal zur Seite, da stolperte sie blutend hinter dem Wagen her, der vor die Stadt fuhr, da wo die Scheiterhaufen brannten und warf sich zu ihrem Mann ins Feuer." (Letzer Tagebucheintrag von Elsa Snowdonia, sie starb einen Tag später)

Ernesto Carpacia, Metztger schrieb: "Immerhin hat die Pest auch ihr Gutes: Der Briefträger, dieses selten dumme Arschloch, der immer die Schriftrollen mit meinen Bankauszügen dem Nachbarn in den Kasten warf, haben sie gestern aus seinem Haus getragen - die schwarzen Pestfüsse voran! Soll er in der Hölle schmoren, der blöde Hund!"

"Jetzt, wo der schwarze Tod regiert, zeigen die Leute ihr wahres Gesicht! Fürwahr, keine Bubonenverseuchte Pestfratze kann so entsetzlich sein, wie die schwarze Seele eines manchen frommen Menschen. Als gestern die Comtessa Carlotta starb, haben die Nachbarn ihr Haus geplündert: Sie rissen die Schränke auf, beschnüffelten ihre Unterwäsche, zankten sich um ihr Teeservice, bewarfen sich mit Rohrreiniger um an den venezianischen Badespiegel zu kommen, sogar im Klo haben sie nachgegrübelt, ob noch etwas wertvolles da läge. Immerhin ist das vermaledeite Gesindel drei Tage später allesamt selber an der Pest krepiert!" (Alberto Miglorri, Bäcker)

Es hustet der Bettler, es würgt der Prelat,
es kotzt der hohe Signore in den Salat,
Schwarze Flecken,Eiterbeulen,Keine Decken,
Ja sogar die zähen Ratten, sie verrecken,
Schönes Mädchen, hübscher junger Mann,
ausgemergelt und im Fieberwahn,
tanzt den letzten Tanz, tanzet inniglich,
Die Pest ist da, die Pest ist da!
und Morgen, Morgen holt sie DICH!

(Graffitti an einer Hauswand, Autor unbekannt)

Auch Bürgermeister Julian Cervidius blieb nicht verschont: "Ich fühle mich wie die Pointe eines saudummen Witzes" schrieb er nachdem er die ersten Krankheitssymptome an sich bemerkte. "Es ist ja nicht so, dass ich von einem glorreichen Platz in der Geschichte geträumt habe, oder davon, 120 Jahre alt zu werden. Aber so ein bisschen etwas besseres, als auf dem Scheiterhaufen des Vergessens anonym gen Himmel zu dampfen, ja, das schon. Bin ich eitel? Soll ich jetzt, wo die letzten Tage der Zeiten angebrochen sind, so noch Demut lernen? Bitteschön, wenn es da oben irgendwem eine Freude bereitet mich auf diese Weise fertig zu machen - an mir soll's nicht liegen. Es bleibt mir also, mein Ende stilvoll zu gestalten."

Das Ende "stilvoll zu gestalten", das hieß für ihn, seinem Umfeld kein Siechtum zuzumuten. So griff er in guter Patrizier-Tradition zur kleinen Gift-Phiole, die jeder höhere Bürger Liparis bei sich aufbewahrt. Für den Fall eines Putsches oder anderer, terminaler Unpässlichkeiten. Cervidius ließ sich für die Einnahme des Giftes seinen besten Wein in einem goldenen Kelch servieren.

Die Pest außerhalb Palmyras

Flagellanten ziehen durch die Stadt

Einige Bürger Palmyras flohen aus der Stadt und hofften andernorts ein sicheres Exil vor dem schwarzen Tod zu finden. Doch wo immer sie ankammen, die Pest war schon da. Im Jahre 1405 hatte die Krankheit ganz Lipari im Griff.
Am schlimmsten wütete die Pest in Florenz und Venedig. Die Bewohner dieser in jener Zeit stark christlich geprägten Städte hatten lange gehofft, dass die Pest eine Strafe ihres Gottes für die Heiden seien und ergo auch nur diese treffen würden. Als dann die ersten Krankheitsfälle bekannt wurden, versank vor allem die Lagunenstadt in eine Art kollektive Depression und Weltuntergangstimmung: "Die Gondeln transportieren dieser Tage mehr Leichen als Lebende" notierte der Venezianische Stadtrat. "Während allabendlich sich geisselnde Flagellanten durch die Gassen und über die Plätze ziehen und die Kirchen überborden von sterbenden und betenden Menschen, zelebrieren die Reichen der Stadt diese letzten Tage mit einem bizarren, ewig währenden Karneval: Ein Totentanz der noch lebenden Leichen, denn niemand weiß, ob das Gesicht hinter jener oder dieser zarten Maske bereits den Atem des schwarzen Todes trägt."

Die Pest wütete fast in gesamt Ozeanien. Im Tal des Mondsees, in den sudlichen Anden, brach wegen der Pest das Reich der Mixerteken zusammen.

In den wenigen eisfreien Regionen Amerikaniens starben ganze Stämme: "Wer nicht Opfer der Pest wird, den treibt das Mutterkorn in den Wahn, welches in den nasskalten Sommern an den fauligen Ähren gedeihet wie die Dämonenscheiße" schrieb Iné Dahran, Häuptling eines heute völlig ausgestorbenen amerikanensischen Volkes.

Medizin und Behandlung

Scharlatane und Quacksalber hatten auch zur Zeit der Pest Hochkonjunktur

Gleichzeitig mit dem Vormasch der Pest liefen in der Heilkunde überall Bestrebungen an, die Pest zu therapieren. Die Existenz von Bakterien und Viren war damals unbekannt, trotzdem erkannte man dass die Ansteckung auf welchem Wege auch immer über die Luft stattfand. Die behandelnden Ärzte versuchten sich daher zu schützen in dem sie bodenlange, gewachste Kutten trugen.
Berühmt wurde der "Doktorschnabel", eine Maske mit Brille deren langer Fortsatz mit wohlriechenden Gewürzen gefüllt war. Ob dieser Schnabel tatsächlich wie eine Art Filter gewirkt haben könnte ist umstritten. Nach einigen Quellen war die Ansteckungsrate unter den Medizinern geringer als unter der Restbevölkerung. Andere Überlieferungen berichten vom Gegenteil. Der Sachverhalt lässt sich heute wohl nicht mehr klären, zumal naturgemäss Freiwillige für entsprechende Versuche fehlen.

Der Arzt versuchte mit der "Pestnadel" - einer langen, metallischen Stichfeder, die Pestbeulen zu eröffnen und kollabieren zu lassen. Im Frühstadion, wenn die Pest noch eine Beulenpest war und noch nicht durch die Pestsepsis zur Lungenpest mutierte, konnte diese schmerzhafte Prozedur in Einzelfällen erfolgreich sein und der Patient genas.

Neben den ausgebildeten Medizinern nahmen sich auch zahllose Quacksalber der Pest an. In ihren "Doktorwagen" zogen sie durch die Lande und verkauften allerlei Tinkturen, Wundermittel und Elixiere, die die Pest angeblich besiegen konnten und ganz nebenbei - als Bonus sozusagen - auch noch Impotenz, Fettleibigkeit, Warzen und Schwatzhaftigkeit beseitigten. Die "Medizin" bestand aus so abstrusen Zutaten wie Schlangenöl, dem Sperma erhängter Diebe, Raupensaft oder gemahlenen Skorpionen. Häufig auch ganz einfach aus billigem Fusel.
Sobald den Leuten in einem Ort das Geld aus der Tasche gezogen worden war, fuhren die Herren Wunderdoktoren weiter.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist Michael Tutdamus, ein wandernder Doktor und Hellseher aus Hamunaptra, dessen Tinktur laut verschiedener Überlieferung tatsächlich viele Leute geheilt haben soll. Da sein Rezept erhalten geblieben ist, konnte man die Tinktur, die aus so bizarren Zutaten wie Alraunewurzeln, Belladonna Saft und Rosmarinpollen besteht, nachmixen. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde das Mittel an einer Kultur des Pestbakteriums Yersinia Pestis getestet. Tatsächlich war stündlich eine Reduzierung der Bakterienpopulation zu verzeichnen. Noch konnte nicht geklärt werden, wie und warum diese Tinktur wirkt.

Das Ende der Pest

Trotz vereinzelter Erfolge in der Behandlung konnte die Pest nicht wirksam bekämpft werden. Im Jahre 1412 verschwand die Pest so plötzlich, wie sie zur Jahrhundertwende aufgetaucht war. Fast 90% der ozeanischen Weltbevölkerung waren der Pandemie zum Opfer gefallen. Der schwarze Tod kann somit als die größte globale Katastrophe angesehen werden, die Ozeanien je heimsuchte.

Die wenigen Überlebenden hatten nun allerdings unter den harten Bedingungen der kleinen Eiszeit manche Vorteile: Es gab genug Platz und die knappen Nahrungsmittel reichten für alle. Erst als gegen 1445 die kleine Eiszeit zu Ende ging und die globale Temperatur wieder anstieg, die Gletscher schwanden und damit auch den einstigen Lebensraum wieder hergaben, fing die ozeanische Bevölkerung langsam wieder an, zu wachsen.

Folgen bis heute

Die Pest verursachte ein kollektives Trauma. Fast alle ozeanischen Länder erliessen drastische Gesetze, die auf Früherkennung und Isolierung, ja Beseitigung möglicher Infizierter oder gar Kranker ausgerichtet sind. In Verdun wurden Patienten mit Pestverdacht getötet.
Erst mit der Entdeckung des Antibiotikas Streptomycin Anno 1731 wurde dieses Gesetz aufgehoben. Patienten müssen aber nachwievor außerhalb der Stadt in Quarantäne.

Die Republik Moldau unterhält seit 1456 auf der "Insel des schwarzen Todes" eine Festung, in die Pestkranke aus ganz Ozeanien bei Bedarf deportiert werden können, damit sie niemand anstecken. Bis heute wurden insgesamt 300 Menschen auf diese Insel verbracht, der letzte im Jahre 1771.
Ob es sich auch wirklich immer um Pestfälle gehandelt hat, darf bezweifelt werden.

Die Flucht der Gräfin

Berühmt wurde der Fall eines Ehepaares aus Georgien, das Anno 1708 Opfer einer Intrige wurde: Weil der Mann, der selber einen Posten im Senat innehatte, wiederholt Kritik an den Mächtigen übte, wurde von diesen das Gerücht in die Welt gesetzt, er habe die Pest. Unter Auslassung jeglichen, ansonsten üblichen Rechtsweges, wurde das Paar auf die "Insel des Schwarzen Todes" deportiert. Nur wenige Senatsmitglieder protestierten gegen diesen Willkürakt. Offenbar suggerierte schon die Erwähnung des Wortes "Pest", dass es um das Überleben der Nation ginge.

Auch als Monate später das Paar auf der Insel noch lebte, was dafür sprach, dass es von der Pest entweder genesen war oder diese gar nie hatte, durfte es nicht wieder zurückommen. Zu groß war die Angst der Menschen vor der Seuche. Nur einige, wenige Mutige brachten heimlich Lebensmittel zur Insel und sicherten so das Überleben der Gefangenen.
Ganze 25 Jahre verblieben sie auf der Todesinsel. Dann starb der Mann und die Frau ließ sich an seiner statt in den Leichensack nähen und ins Meer werfen. Sie erreichte die Insel Monte Christo, fand dort einen sagenhaften Schatz, kehrte nach Georgien zurück und begang einen beispiellosen Rachfeldzug gegen jene Leute, die sie einst deportiert hatten.

Die Geschichte diente als Vorlage für den berühmten Roman "Die Gräfin von Monte Christo" von Alexandre Dumas.

Überhaupt inspirierte die Pest zahllose Künstler in den nachfolgenden Jahrhunderten. Eine Flut von Gemälden, Romanen und Gedichten handelt vom Schwarzen Tod. Eines der neusten Werke ist die Punk-Rock Oper "Die Pestfratze"

Die Pest heute

Seit der Pandemie von 1402 - 1412 kam es noch einige Male zu lokalen Ausbrüchen der Pest, doch keiner erreichte auch nur annähernd das Ausmaß der großen Seuche im Fünfzehnten Jahrhundert. Der jüngste dokumentierte Pestfall liegt 30 Jahre zurück. Der Pesterreger ist zweifellos noch immer existent und weitere Krankheitsfälle daher jederzeit möglich. Bei frühzeitiger Erkennung bestehen vor allem bei der Beulenpest gute Heilungschancen. Trotzdem hat die Pest in der kollektiven Erinnerung nichts von ihrem Schrecken verloren. Weder Krebs, spanische Grippe oder andere Krankheiten scheinen auch nur annähernd jenen Nimbus der Apokalypse zu verkörpern, wie die Pest.

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