Weihnachtseinkauf

Einige tun es früher, die anderen später. Manche nie. Die meisten jedoch tun es am Eilig Abend oder sonst irgendwie zu spät: den Weihnachtseinkauf. Alle Jahre wieder wird vom Otto-Normal-Bürger abverlangt, für die liebe Familie, die Verwandten und Freunde ein weiteres, nutzloses Geschenk zu Weihnachten käuflich zu erwerben. Wer sich jedoch dazu entschließt, in Zeiten des Cyberspace seinen Kram nicht im Internetz zu bestellen, dem wird Durchhaltevermögen vorausgesetzt.

Fröhliches Gesicht eines Kunden beim Weihnachtseinkauf.

Ablauf

Phase 1: Überwindung

In aller Regel beginnt ein Weihnachtseinkauf nicht mit dem Betreten des Ladens oder der Einkaufsmeile, sondern im Kopf. Zunächst also muss sich das Opfer der kommerzialisierten Weihnacht erst einmal dazu überwinden, überhaupt das Haus zu verlassen. Phase 1 fällt bei unerfahrenen Geschenkejägern normal weg, bei erfahrenen Einkaufsveteranen jedoch ruft der Gedanke an den Weihnachtseinkauf schlimme Assoziationen hervor, etwa Bilder von abgetrennten Gliedmaßen derer, welche dem Getümmel des Vorjahres am Wühltisch nicht entkommen sind. Pünktlich zum 24. Dezember jedoch fühlt sich der geneigte Abenteurer bereit für die große Jagd und begibt sich alsbald in die Stadt.

Phase 2: Einkaufshypothese aufstellen

Bevor man sich jedoch auf den Weg begibt, sollte man sich zunächst ein klares Bild machen von dem, was man vor hat zu kaufen. Der Spickzettel sollte wie folgt aussehen:

Spickzettel


Der Inhalt dieses Spickzettels ist irrelevant und hat keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung eines verzweifelt Suchenden. Wichtig ist: man hat ihn!

Phase 3: Der Einkauf

Mit guter Laune bewaffnet, geht der Otto-Normal-Mensch auf das einladende Einkaufszentrum zu und muss sogleich feststellen, dass er das Tor zur Hölle betritt. Seine Laune fällt schlagartig von super auf nicht mehr so toll, sobald er die drängenden Massen, ein gewaltiges Meer aus Menschen, durch die Passage fließen sieht. Noch einmal tief durch atmend betritt er also den Höllenschlund und wird sofort von dieser Flut mitgerissen.
Durch die Massen mehrere Male quer durch die Einkaufsmeile geschliffen, muss man sich nun zunächst orientieren. Im folgenden eine kleine Auflistung von Fragen und Gedanken, welche einem nun durch den Kopf gehen:

  • "Wo bin ich überhaupt und wo will ich hin?"
  • "Was hat die Oma eben zu mir gesagt? Ich sei ein Arschloch???"
  • "Was ist eigentlich Weihnachten?"
  • "Scheißdreck, was schenke ich der verdammten Familie?"
  • "Ich glaub ich hab mir eben ein Bein gebrochen, als ich die Brüstung runtergefallen bin."
  • "Mach Platz, du Stück Scheiße!"
  • "Was wollte ich nochmal hier?"
  • "Ich will nach Hause!"

Diese durchaus optimistisch und motiviert zu interpretierenden Gedanken sind der Startschuss für die große Schlacht. Hat man sich also so langsam an die Betriebsamkeit und das ewige Angerempelt werden gewöhnt, begibt man sich in den nächsten, x-beliebigen Laden.
Wühlt man sich durch fünfzehn Socken-, dreizehn Parfüm- und neunundvierzig Krawattenschichten, tötet einige aufdringliche Omas und verrückte Mütter, erreicht man den Grund des Wühltisches und findet... nichts. Dumm, anzunehmen, man fände was am Wühltisch. Also verlässt man den Laden. Dem rauschenden Menschenfluss zum Trotz macht man sich ihn zu Nutze, indem man sich einfach hineinfallen lässt. Irgendwann wird man in den nächsten Laden geschwemmt: einen Elektroladen. Hier könnte man schon fündiger werden, doch die fast leeren Regale demotivieren den Abenteurer sehr. Übrig blieben nur die schweineteuren Notebooks oder sonstiger Kram, den keiner haben will. Und natürlich Leichenteile.

Nachdem man also schon sechzehn mal das Kaufhaus nach irgendetwas brauchbaren abgesucht hat, beginnt man allmählich zu verzweifeln.

Ach, wär der Scheiß doch schon zu Ende

Phase 4: Verzweiflung und Raserei

Die Verzweiflung äußert sich in gewissen Schweißausbrüchen, Wahnvorstellungen und Mordgedanken, ausgelöst durch diverse erfolglose Findungen eines Geschenkes oder das neunundvierzigste mal Kling Glöckchen. In dieser Phase hat man die absolute Weihnachtsstimmung erreicht und weiß, worum es zu Weihnachten geht. In seiner Verzweiflung rennt man wie ein Panzer durch die noch vollen Gänge des Einkaufszentrums, rempelt jeden Opa um, baaft jeden im Weg stehenden Kinderwagen in die nächste Schaufensterscheibe und übersieht ganz "unabsichtlich" das ein oder andere, kleine Kind, welches auf der Stelle anfängt, herumzunörgeln. Stimmen im Kopf werden lauter und lauter:

  • "Bring sie um, bring sie alle um!"
  • "Spreng den ganzen Laden!"
  • "Weihnachten ist Scheiße!"
  • "AAAAAAAAAAAAH!"

Ein ebenfalls auftretendes Anzeichen von Verzweiflung und Raserei tritt dann auf, wenn man sich auf dem Boden zusammengekauert hin- und herrollt und dabei wahnsinnig lacht. Das fiese daran ist, dass man danach garantiert nicht mehr aufsteht, da einen die Menschenmassen plätten.

Phase 5: Aufgabe

Pünktlich zur Bescherung und mit leeren Händen wird man schließlich aus dem Laden geschmissen. Nun gibt man auf. Von vielen berichteten Fällen weiß man, dass die Opfer eines solchen Rausschmisses im Anschluss daran nie wieder gesehen wurden. Vermutet wird, dass sie sich abgesetzt oder womöglich umgebracht haben. Indizien deuten auch darauf hin, dass beleidigte Familienmitglieder das Opfer gelyncht und anschließend zum Weihnachtsessen verzehrt haben, um wenigstens etwas vom Heiligen Abend zu haben. Eines der Opfer, das anonym bleiben möchte, berichtet:

Alternative Lösungsvorschläge

Eine Reihe von Umfragen hat ergeben, dass es Arno gar nicht hätte so schlecht gehen müssen, hätte er wenigstens ein Paar Socken oder weiteren Porzellanmüll zum Hinstellen gekauft. Auch bei Ebay findet man sämtlichen Schrott, den man seinen lieben unter den Baum schmeißen kann, so zum Beispiel eine abgebrochene Kerze oder das Bild einer unbekannten Oma. Das persönlichste Geschenk, was man einem lieben Mitmenschen machen kann, ist Geld.
Entgegen landläufiger Meinung ist es nicht nötig, sich früher auf die Suche nach einem passenden Geschenk zu machen. Menschen, die früher auf die Suche gehen, erliegen viel öfter ihrem Herzklabaster oder bekommen ihn dadurch. Man sollte sich nur tunlichst spätestens eine Woche nach der Deadline etwas ausgedacht haben.

Liste von Ausreden

  • "Ich habe einfach nichts gefunden, was deinen Ansprüchen gerecht wird."
  • "Ich wollte dir ja etwas kaufen, aber die letzte Woche hatte ich so eine schlimme Erkältung, dass ich das Haus nicht verlassen konnte." - Das sollte man natürlich nur dann sagen, wenn man tatsächlich krank war und eine Krankschreibung vorlegen kann oder eine Woche vor dem Stichtag eine Krankheit vorgetäuscht hat (für die ganz Abgebrühten).
  • "Reiche ich euch nicht als Geschenk? Undankbares Pack!" - die vorwurfsvolle Art, klappt eigentlich immer.
  • "Ach weisst, etwas zu kaufen was dann nichtmal von Herzen kommt, das ist doch einfach odinär." Funktioniert allerdings nur zur Hälfte
  • "Liebling ich habe es versucht...Liebling bitte, nein nicht das Messer! Aarghhh!"Nicht empfehlenswert


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