Die Titanic bei der Abfahrt aus Southampton am 10. April 1912 | ||||||||||||||||||||||||||||
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Die Titanic (englisch [taɪˈtænɪk]) war ein britischer Passagierdampfer der White Star Line und bei ihrer Indienststellung am 2. April 1912 das größte Schiff der Welt. Sie fuhr im Transatlantik-Liniendienst zwischen Southampton und New York. In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 kollidierte sie auf ihrer ersten Fahrt im Nordatlantik mit einem Eisberg und versank zwei Stunden und vierzig Minuten später. Von den über 2220 an Bord befindlichen Personen kamen dabei 1514 ums Leben, weshalb der Untergang zu den größten Unglücken der Seefahrt zählt.
Das katastrophale Ende der Jungfernfahrt der Titanic fand enormen Widerhall in den Medien und prägt bis heute die Vorstellungen über Schiffsunglücke und die Seefahrt allgemein. Dazu beigetragen haben die Umstände des Unglücks, darauf beruhende Streitfragen und Verschwörungserzählungen und nicht zuletzt die Prominenz mancher Opfer. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Begriff der „Unsinkbarkeit“, der damals wie heute mit der Titanic in Verbindung gebracht wird.
In den offiziellen Untersuchungen und Gerichtsverfahren kam es zu keiner eindeutigen Klärung der Schuldfrage. Es wurde festgestellt, dass auf der Titanic die damaligen Sicherheitsstandards und seemännischen Praktiken im Wesentlichen eingehalten worden waren. In der Folge kam es daher zu einem Umdenken in wichtigen Fragen zur Sicherheit auf See.
Noch heute ist das Interesse in Medien und Kunst am Thema Titanic sehr groß. Es bezieht sich häufig auf das Verhalten einzelner historischer Personen, die damalige, nach Klassen unterteilte Gesellschaft, auf den Luxus der Ersten Klasse sowie die technischen Aspekte des Schiffes und die Erforschung des Wracks. Bedeutsam ist ferner der Gedanke, dass technische Errungenschaften die Natur nicht bezwingen können, was sich in der Geschichte der Titanic idealtypisch zeige.
Bereits im Unglücksjahr 1912 entstanden mehrere Filme über die Titanic. Überragende Bedeutung erlangte vor allem James Camerons Film von 1997, der zu einer der erfolgreichsten Produktionen der Filmgeschichte wurde. Das Unglück wird in zahlreichen Romanen und in einer großen Sachbuchliteratur verarbeitet. Außerdem gibt es Museen und Gedenkorte.
Im Jahr 1985 wurde das Wrack der Titanic entdeckt, was das Interesse an ihr neu entfacht hat. Seitdem wurde das Wrack von Unterseebooten aufgesucht, Teile des Schiffes und andere Fundstücke wurden geborgen. Es gab auch Kritik daran, wie mit dem Unglück und den Überresten teilweise sensationslüstern und profitorientiert umgegangen wurde. Im Juni 2023 verunglückten fünf Menschen, die das Wrack in einem Mini-U-Boot besichtigen wollten.
Die Titanic gehörte, wie auch die Olympic und Britannic, zur Olympic-Klasse. Da sie außer Passagieren und Fracht auch Post beförderte, durfte sie das Kürzel RMS verwenden.
Zeitliche Übersicht
Diese Übersicht listet die wichtigsten oder möglicherweise wichtigen Ereignisse vor, während und nach dem Unglück auf. Uhrzeiten entsprechen der Bordzeit der Titanic.
Vor der Unglücksnacht
- 31. März 1909: In Belfast (Irland, heute Nordirland) beginnt der Bau der Titanic.
- 2. April 1912: Die Titanic verlässt das Dock für erste Testfahrten und fährt nach Southampton (Süd-England).
- 10. April 1912: Die ersten Passagiere kommen in Southampton an Bord. Bei der Abfahrt aus dem Hafen stößt die Titanic beinahe mit der New York zusammen. Am selben Tag gegen 18:30 Uhr erreicht das Schiff Cherbourg (Frankreich). Um 20:10 Uhr verlässt das Schiff Cherbourg.
- 11. April 1912: Das Schiff kommt um ca. 11:30 Uhr in Queenstown (Irland) an, den letzten Halt vor der Atlantiküberquerung. Um 13:30 Uhr verlässt sie Queenstown.
14. April 1912
- 21:25 Uhr: Kapitän Smith verlässt die Brücke und zieht sich zur Nacht zurück.
- 21:52 Uhr: Funker Philips erhält die letzte eigentliche Eiswarnung an diesem Tag, und zwar von der Mesaba. (Siehe Abschnitt zu den Eiswarnungen.)
- 23:07 Uhr: Die Californian schickt eine Nachricht, dass sie wegen des Eises die Nacht über stoppt. Philips auf der Titanic wird beim Verschicken von Passagier-Nachrichten gestört und ignoriert die Nachricht.
- 23:39 Uhr: Der Ausguck der Titanic meldet: „Iceberg right ahead“ (Eisberg direkt voraus). Zeitnah wird der Kurs gewechselt.
- 23:40 Uhr: Die Titanic stößt gegen den Eisberg.
15. April 1912
- 00:00 Uhr: Das Besatzungsmitglied Olliver erhält vom Sechsten Offizier James P. Moody den Befehl, Checklisten für die Rettungsboote zu holen. Bald darauf fangen Offiziere und Besatzungsmitglieder an, die Rettungsboote bereit zu machen.
- 00:12 Uhr: Kapitän Smith gibt den Befehl, dass die Passagiere mit Rettungswesten aufgerufen werden.
- 00:22 Uhr: Schiffskonstrukteur Thomas Andrews erklärt dem Kapitän, dass die Titanic in ein bis anderthalb Stunden sinken werde.
- 00:25 Uhr: Smith gibt den Funkern die Anweisung, Notrufe zu senden.
- 00:40 Uhr: Das erste Rettungsboot (Nr. 7) wird zu Wasser gelassen (gefiert).
- 00:47 Uhr: Die erste Signalrakete der Titanic wird hochgeschossen.
- 00:49 Uhr: Der Funker der Titanic erfährt, dass die Carpathia sich auf den Weg macht.
- 01:20 Uhr: Die Männer, die im Maschinenraum und im Heizraum arbeiten, werden von ihren Aufgaben entbunden.
- 01:57 Uhr: Smith kommt in die Funkkabine und entbindet die Funker von ihrer Aufgabe. Sie funken dennoch eine Weile weiter.
- 02:15 Uhr: Faltboote A und B werden vom Deck gespült.
- 02:17 Uhr: Die Lichter der Titanic gehen aus, und das Schiff zerbricht in zwei Teile. Auf der Californian sieht man die Lichter des fremden Schiffes (der Titanic) ausgehen (02:05 Uhr Bordzeit der Californian).
- 02:20 Uhr: Der Heckteil der Titanic verschwindet unter der Wasseroberfläche.
- 04:10 Uhr: Das erste Rettungsboot erreicht die Carpathia.
- 04:15 Uhr: Die Carpathia erreicht eine Stelle mit einem Rettungsboot (Boot 2 mit Boxhall).
- 05:27 Uhr: Die Californian erfährt von der Mount Temple vom Notruf der Titanic.
- 08:47 Uhr: Die Carpathia meldet, dass sie 20 Boote aufgenommen hat.
- 09:05 Uhr: Die Carpathia verlässt die Stelle. Mittlerweile ist die Californian angekommen und übernimmt die (erfolglose) Suche nach möglichen weiteren Überlebenden.
Nach dem Unglück
- 18. April 1912: Die Carpathia erreicht mit den Überlebenden New York.
- 19. April bis 25. Mai 1912: Der US-Senat hält Anhörungen über das Unglück ab.
- 2. Mai bis 3. Juli 1912: Eine britische Behörde unternimmt eine Untersuchung des Unglücks.
- 22. Juni bis 17. Dezember 1915: Die Limitation of Liability Hearings behandeln die mögliche Haftung der White Star Line und enden mit einem Vergleich.
- 1955: Das Sachbuch A Night To Remember von Walter Lord wird zum Bestseller und führt zu einer NBC-Sendung und einem Spielfilm.
- 1. September 1985: Das Team von Robert Ballard entdeckt das Wrack der Titanic.
- Juli 1987: Erste Wrack-Expedition der Gruppe, aus der später das Unternehmen entsteht, das als RMS Titanic Inc. firmiert. Es stellte unter anderem geborgene Gegenstände aus.
- 31. Mai 2009: Die letzte Überlebende, Milvina Dean, stirbt mit 97 Jahren.
- 15. April 2012: Die Titanic fällt unter die Unesco-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser. Dies ist erst hundert Jahre nach einem Untergang möglich.
- 18. Juni 2023: Bei einem Unglück mit einem Tauchboot sterben fünf Menschen, die sich das Wrack anschauen wollen.
Historische Quellen
Im Vergleich zu anderen Schiffsunglücken der Zeit oder früherer Zeiten ist die Fahrt der Titanic besonders gut dokumentiert. Dazu beigetragen hat das große Interesse an dem Unglück noch Jahrzehnte später. Wichtig ist auch, dass es im Gegensatz zu manch anderen gesunkenen Schiffen eine größere Zahl von Überlebenden gab.
Als wichtigste Dingquelle oder Sachquelle ist zunächst das Wrack der Titanic selbst anzusehen. Es wurde 1985 entdeckt und war somit jahrzehntelang unbeobachtet. Durch den Aufprall auf dem Meeresboden, in den es teilweise auch einsank, wurde es stark beschädigt. Erst dank der Entdeckung wurde die tatsächliche Position des Unglücks bekannt, denn die Positionsangabe im Notruf war fehlerhaft. Es zeigte sich, dass das Schiff in zwei große Teile zerbrochen ist, was lange Zeit bezweifelt worden war. Mit Blick auf die Lecks durch den Eisberg ist es strittig, ob man sie am Wrack gesichert erkennen kann.
Expeditionen zum Wrack haben Gegenstände und auch Wrackteile geborgen. Der Quellenwert ist normalerweise gering, und weil an der Unglücksstelle viele Menschen umgekommen ist, sind solche Bergungen umstritten. Leichen sind nach so langer Zeit nicht mehr vorhanden. Des Weiteren gibt es Gegenstände, die nicht untergegangen sind, wie ein Schlüssel des Zweiten Offiziers, der in Queenstown versehentlich mit von Bord genommen wurde. Von den Rettungsbooten der Titanic hat die Carpathia nur einen Teil mitgenommen; sie sind später nicht bewahrt worden.
Es gibt Fotografien und einige wenige Filmaufnahmen vom Bau des Schiffs bis zur Abfahrt aus Queenstown. Aufnahmen, die auf der weiteren Atlantikfahrt der Titanic entstanden sein mögen, sind nicht erhalten. Fotos gab es erst wieder von den Rettungsbooten mit Überlebenden, die vom Schiff Carpathia aufgenommen worden sind. Hinzu kommen weitere thematisch relevante Bilder aus der Zeit.
Die Funkstation der Titanic hat Morse-Nachrichten gesendet und empfangen. Die technischen Signale wurden nicht aufgezeichnet. Übrig geblieben sind zum Teil die ausgefüllten Formulare, auf denen die Funker anderer Schiffe die in Buchstaben umgewandelten Nachrichten aufgeschrieben haben. Manche Funkkontakte hingegen wurden nur durch die Erinnerung von Funkern der Nachwelt überliefert.
Von größter Bedeutung sind die Aussagen der Überlebenden. Eine größere Anzahl wurde von den Untersuchungen (inquiries) befragt: in den USA 82 Zeugen und in Großbritannien über 100 Zeugen. (Darunter waren zum Beispiel auch Besatzungsmitglieder der Californian.) Außerdem wurden sie von Zeitungen interviewt oder haben in Briefen von ihren Erlebnissen berichtet. Manche haben ihre Erinnerungen veröffentlicht. Die Zuverlässigkeit der Aussagen ist unterschiedlich, sei es, weil sie von Sensationsjournalisten der damaligen Zeit notiert wurden, sei es, weil sie erst Jahrzehnte nach dem Unglück gemacht wurden.
Hinzu kommen viele weitere Quellen in Betracht: Konstruktionszeichnungen des Schiffs, die Verwaltung der Reederei, Presse-Quellen aus der Zeit vor dem Unglück, Aufzeichnungen der gemessenen Wassertemperatur durch andere Schiffe usw. Teilweise werden auch Informationen über die Schwesterschiffe Olympic und Britannic herangezogen, die mit der Titanic fast baugleich waren.
Die Titanic vor Aufnahme des Dienstes
Planung
In der damaligen Zeit war der Transport über den Nordatlantik ein gewinnbringendes Geschäft. Einerseits verdiente man an den Auswanderern, die von Europa in die USA oder Kanada übersiedelten. Andererseits wollten wohlhabende Leute den Atlantik zum Beispiel aus geschäftlichen Gründen überqueren, oder im Rahmen des aufkommenden Tourismus. Es ging darum, zielgerichtet von A nach B zu gelangen, nicht um Kreuzfahrten, bei denen man gerne Zeit auf dem Meer verbringt. Im Gegenteil, die Unannehmlichkeiten auf der Reise wie die Seekrankheit waren gefürchtet. Eine Alternative zu Schiffen gab es nicht, denn Flugzeuge und Luftschiffe haben den Atlantik erst in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg überquert.
Auf dem Nordatlantik waren britische Schiffe vorherrschend. Darum war es ein Schock, als das deutsche Schiff Kaiser Wilhelm der Große 1898 das Blaue Band für die schnellste Überquerung erhielt. Das Schiff stand für die Entwicklungen der vorangegangenen Jahrzehnte, als stärkere Motoren und wasserdichte Schotten die Schiffe schneller und sicherer machten. Nicht zuletzt wurden sie größer und komfortabler. Den erfolgreichen deutschen Schiffen setzte die britische Cunard Line zwei noch größere Turbinenschiffe entgegen: die Lusitania und die Mauretania, die beide ab dem Jahr 1907 im Dienst waren.
Die White Star Line war ein anderes britisches Unternehmen, das mit der Entwicklung hin zu größeren Schiffen mithalten wollte. Einer weitverbreiteten Legende zufolge wurde der Bau zweier neuer Schiffe im Sommer 1907 beschlossen: Bruce Ismay, der Geschäftsführer der White Star Line, und Lord William Pirrie, Direktor der Schiffswerft Harland & Wolff in Belfast, sollen nach einem Dinner über die Lusiania und die Mauretania diskutiert und daraufhin geplant haben, ihnen etwas entgegenzustellen.
Tatsächlich aber war seit Jahren bekannt, dass die Cunard Line solche Schiffe in Dienst stellen wollte, unter anderem durch Pressemitteilungen. Die White Star Line wollte komfortable, große Luxusschiffe bauen lassen und sich nicht am Wettbewerb um die Geschwindigkeit beteiligen. Sie sah aber ein, dass die 17 Knoten früherer Schiffe nicht mehr zeitgemäß waren, wenn die neuen Cunard-Schiffe 25 Knoten erreichen. Am 30. April 1907 hat die White Star Line formell bei der Werft angefordert, zwei Schiffe zu entwerfen, wobei sie sich die Möglichkeit offenhielt, dass im Erfolgsfall ein drittes Schiff gebaut wird.
Die drei neuen Schiffe wurden schließlich Olympic, Titanic und Britannic genannt. Ihre Bedeutung für die Reederei lässt sich daran erkennen, dass sie zusammen mehr kosteten als die gesamte übrige Flotte der White Star Line wert war. Man musste unter anderem eine Hypothek auf die bisherige Flotte (4,85 Millionen Pfund) aufnehmen, um die drei neuen Schiffe finanzieren zu können.
Bei der Planung von Bedeutung war William James Pirrie, gebürtig aus Kanada und ein ehemaliger Bürgermeister von Belfast. Aus dieser Zeit hatte er den Titel eines Lords. Vermutlich hat Lord Pirrie als Controlling Chairman von Harland & Wolff die ersten Zeichnungen für die beiden Großschiffe selbst angefertigt. Alexander Carlisle, der Schwager von Lord Pirrie, arbeitete seit 1907 als Chairman of the Managing Directors. Er war stark in die Gestaltung der Schiffe involviert und achtete auf hohe Qualität. Ab 1910, nach der Pensionierung Charlisles, übernahm Thomas Andrews die führende Rolle, ein Neffe von Lord Pirrie. Am 29. Juli 1908 suchten Vertreter der White Star Line Belfast auf und gaben dem Schiffskonzept ihre formelle Zustimmung.
Bau und Stapellauf
Harland & Wolff hat damals drei große Slipanlagen zugunsten zweier noch größerer demontiert. Dort wurden die Olympic (ab 16. Dezember 1908) und die Titanic (ab 31. März 1909; Registernummer 131428 und Baunummer 401) fast gleichzeitig gebaut. Die Arbeit an der Olympic erhielt einen gewissen Vorzug. Als die Schiffe fertig waren, füllten sie die riesigen Anlagen fast aus. In Spitzenzeiten arbeiteten circa 15.000 Arbeiter an beiden Schiffen. Es war eine harte und gefährliche Arbeit, weil zum Beispiel Material auf die Arbeiter herunterfallen konnte. Der Lärm führte leicht zu Gehörlosigkeit. Die Werft galt jedoch im Großen und Ganzen als fairer und beliebter Arbeitgeber. Katholische und protestantische Arbeiter lebten meistens nach Wohngebieten getrennt.
Während des Baus war Francis Carruthers anwesend, der für den britischen Board of Trade arbeitete. Dies war eine Art Regierungsbehörde, die unter anderem die Regeln für die Schifffahrt bestimmte. Carruthers achtete darauf, dass die Schiffe den geltenden Standards entsprachen und vermittelte zwischen dem Board und der Werft. Dabei ging es auch um zahlreiche Detailfragen.
Am 31. Mai 1911 fand der Stapellauf statt, bei dem zahlreiche Menschen dabei sein wollten; Arbeiter, die nicht selbst am Schiff gearbeitet hatten, mussten dies beantragen. Anwesend waren schließlich 100.000 Menschen, darunter Ismay, Lord Pirrie und J. P. Morgan, der finanziell hinter der International Mercantile Marine Company stand. Zu diesem Trust gehörte auch die White Star Line. Eine Schiffstaufe mit Flasche gab es ebenso wenig wie zuvor bei der Olympic, da dies bei der Werft nicht üblich war. Um 12:13 Uhr setzte die Titanic sich in Bewegung.
Man benötigte 21 Tonnen Talg und Seife, um das Schiff ins Wasser gleiten zu lassen. Beim Beseitigen der Holzbauten, die das Schiff zunächst stützten, wurde der Arbeiter James Dobbin verletzt, der am folgenden Tag starb. Insgesamt kamen beim Bau der Titanic acht Menschen um und 21 wurden schwer verletzt.
Allerdings hatte das Schiff noch keine Inneneinrichtung. Man veranschlagte für diese Arbeiten, wie bei der Olympic, sieben und einen halben Monat. Die Jungfernfahrt der Titanic hätte normalerweise im Januar 1912 stattgefunden. Doch auf der Jungfernfahrt der Olympic, die allgemein als sehr erfolgreich galt, waren Vertretern der White Star Line kleinere Dinge aufgefallen, die man bei der Einrichtung der Titanic gleich mit berücksichtigen wollte. Am bedeutendsten war wohl die Veränderung von Deck B, auf dem man mehr Kabinen für die Erste Klasse einrichtete, und die Umkleidung eines Teils des Promenadendecks, um Passagiere besser vor der Gischt zu schützen. Die Jungfernfahrt der Titanic wurde erst auf den 20. März 1912 und dann den April verschoben.
Testfahrt
Am Montag, den 1. April 1912, sollte die Titanic erstmals Belfast für eine Probefahrt verlassen. Wegen schlechten Wetters wurde dies um einen Tag verschoben: Hohe Winde hätten die Fahrt in einer engen Fahrrinne zum Risiko gemacht. Im Inneren war das Schiff noch nicht ganz fertig (beispielsweise fehlte noch die berühmte Uhr des Großen Treppenhauses), so dass auf der Probefahrt weiter daran gearbeitet wurde. Das Küchenpersonal bereitete schon die ersten Mahlzeiten zu. Um 06:00 Uhr dienstags fuhr das Schiff los: Durch den Victoria Channel und die Bucht von Belfast ging es in die Irische See, wo die Schleppboote die Titanic verließen.
Getestet werden sollte unter anderem die Fahrt mit geringer und mit Höchstgeschwindigkeit, die Manövrierfähigkeit und die Zeit, die das Schiff zum Stoppen brauchte. Der „Bremsweg“ betrug weniger als die dreieinhalbfache Länge des Schiffs, was für ein Schiff dieser Größe bemerkenswert war. Die Probefahrt fiel kürzer als bei der Olympic aus, weil man davon ausging, dass die Ergebnisse ähnliche sein würden. Man war mit dem Schiff allgemein sehr zufrieden. Es erreichte Belfast am Abend desselben Tages gegen 19:00 Uhr. Der erste Passagier, Wyckoff Van der Hoef, kam bereits an Bord. Gegen 20:00 Uhr fuhr die Titanic mit Ziel Southampton los, wofür sie den ganzen Mittwoch (3. April) brauchte. Um Mitternacht kam sie in Southampton an. Seit 1907 hatte Southhampton Liverpool als wichtigsten Abfahrthafen der White Star Line abgelöst.
Maße und Technik
Die Titanic war 269,04 Meter lang, 28,19 Meter breit, 53,33 Meter hoch (Unterkante Kiel bis Oberkante Schornstein), hatte 10,54 Meter Tiefgang, eine Vermessung von 46.329 Bruttoregistertonnen, 39.380 Tonnen Leermasse und 13.767 Tonnen Tragfähigkeit.
Antrieb
Die Titanic besaß drei Schiffsschrauben (Propeller) und konnte 23 bis 24 Knoten Höchstgeschwindigkeit und 21 Knoten Reisegeschwindigkeit erreichen. Die äußeren Propeller mit 7 Metern Durchmesser und je 38 Tonnen wurden von Vierzylinder-Kolbendampfmaschinen mit Dreifachexpansion und einer indizierten Leistung von jeweils 15.000 PS (11 MW) angetrieben. Der Abdampf dieser Maschinen wurde in eine Niederdruck-Parsons-Turbine geleitet. Diese trieb den mittleren Propeller (5 Meter Durchmesser und etwa 25 Tonnen) an und sollte 16.000 PS erbringen.
Tatsächlich waren die Maschinen in den Tests stärker als geplant, so dass die Titanic mit einer Maschinenleistung von insgesamt 51.000 PS registriert wurde. Die maximale Antriebsleistung lag bei ungefähr 60.000 PS. Die Titanic verbrauchte auf See 620 bis 640 Tonnen Kohle pro Tag, die in 29 Kesseln mit insgesamt 159 Feuerungen verbrannt werden konnten. Es waren aber nie alle Kessel zur gleichen Zeit im Betrieb. Die Bunker fassten 6700 Tonnen Kohle. 150 Heizer schaufelten in drei Schichten Tag und Nacht die Kohle in die Feuerungen.
Die Olympic-Klasse gehörte dem Typ Dampfschiffe mit vier Schornsteinen an, die seit der Kaiser Wilhelm der Große von 1897 als beeindruckendste Dampfer überhaupt galten. Die Schornsteine der Titanic waren im Querschnitt elliptisch geformt. Sie türmten 70 bis 74 Fuß (21,3 Meter bis 22,6 Meter) über dem Bootsdeck und 150 Fuß (45,7 Meter) über den Heizkesseln; jeder Schornstein war für je zwei Heizkessel da. Vorn am Schornstein gab es jeweils eine Leiter, mit der man die Pfeifen des Schiffes erreichten konnte. Eigene Rohre bedienten die Pfeifen für das Ablassen von Dampf aus den Kesseln. Auf Schornstein 3 und 4 funktionierten die Pfeifen nicht, sie dienten nur der Optik. Der vierte Schornstein war nicht mit den Kesselräumen verbunden, sondern diente der Entlüftung des Schiffsinneren und der Kombüse mit ihren Herden und Öfen. Dies hätte technisch auch anders umgesetzt werden können, doch seit der Jahrhundertwende empfanden Reisende Schiffe mit vier Schornsteinen als besonders attraktiv.
Elektrik und Geräte
Die Titanic besaß eines der größten elektrischen Netze aller Schiffe der damaligen Zeit. Vier dampfbetriebene 400-Kilowatt-Generatoren lieferten zusammen maximal 16.000 Ampere bei 100 Volt. 10.000 Glühlampen beleuchteten das Schiff. Einige von ihnen enthielten zwei Glühdrähte, einen für helleres Licht und einen für schwaches Licht bei Nacht, was nervösen Passagieren zugutekommen sollte. Es gab 48 Uhren. Für Wärme in den Kabinen sorgten 520 Heizkörper, die Belüftung benötigte 76 der insgesamt 150 Elektromotoren der Titanic.
Elektrische Energie wurde in vielen Bereichen verwendet. Das Schwimmbad war elektrisch geheizt, einige Bilder sowie Wegweiser an Bord waren beleuchtet und einige Gymnastikgeräte liefen mit Strom. Viele Küchengeräte wurden mit elektrischer Energie angetrieben: Neben Bratöfen und Tellerwärmern benötigten auch die Eismaschine, Messerputzer, Kartoffelschäler, Teigmixer und Fleischwölfe Elektrizität.
Die Küche verfügte über die zu dieser Zeit weltgrößten Kochstellen, jede ausgestattet mit 19 Backöfen. Weitere Einrichtungsgegenstände waren zwei große Bratöfen, Dampföfen, Dampfkochtöpfe, vier Silbergrills sowie elektrische Geräte für beinahe jeden Zweck. Weiterhin führte die Titanic 127.000 Gläser, Geschirr- und Besteckstücke mit sich, darunter 29.700 Teller, 18.500 Gläser und Tassen und über 40.000 Besteckstücke.
Telefone
Die Titanic war mit drei verschiedenen Gruppen von Telefonen ausgestattet. Die erste Gruppe wurde über ein switchboard (Schaltschrank, Telefonzentrale) betrieben. Bei der zweiten Gruppe, der navigating group, waren Telefone direkt miteinander verbunden, was auch für die übrigen Telefonverbindungen galt. Alle Verbindungen blieben auf das Schiff selbst beschränkt.
Die Telefonzentrale befand sich in einem kleinen Zimmer auf dem C-Deck nahe der Aufzüge. Dort konnte der telephone operator Laurence Alexander Perkins bis zu fünfzig Telefonate vermitteln. Wenn ein Anrufer sein Telefon benutzte, sah Perkins eine Lampe auf dem Schaltschrank, vor dem er saß, und er hörte durch einen Lautsprecher sogleich, welchen Raum der Anrufer kontaktieren wollte. Perkins steckte dann das Kabel aus dem anrufenden Raum in die Kabelbuchse für den gewünschten Raum.
Telefone gab es für folgende Räume:
- Unterkünfte des Kapitäns
- Unterkünfte des Leitenden Ingenieurs
- Büro des Leitenden Ingenieurs
- Büro des Zahlmeisters, in dem die Passagiere auch Wertsachen aufbewahren konnten
- Büro des Assistenten des Zahlmeisters
- jeweils der Chefsteward der Ersten, Zweiten bzw. Dritten Klasse; Steward-Büro
- Theke im Rauchsalon in der Ersten Klasse bzw. der Zweiten Klasse
- Theke im Speisesaal in der Ersten Klasse
- Proviantraum
- Büro des Küchenchefs
- Bäckerei
- Metzgerei
- Kombüse für die Dritte Klasse
- Chirurg, Arztpraxis der Ersten, Zweiten bzw. Dritten Klasse
- Vorratskammer des à la carte-Restaurants
- Marconi-Kabine (Funkstation)
- Auskunftsschalter
Die Telefone der navigating group halfen vor allem dem Steuerhaus bei der Kommunikation mit anderen Orten auf dem Schiff: Je eine Leitung führte zum Maschinenraum mit den Hubkolbenmotoren, zum Vorderdeck, zum Ausguck und zum Achterdeck (poop deck). Die Unterkunft des Leitenden Ingenieurs zum Maschinenraum mit den Hubkolbenmotoren zu den Kesselräumen 1 bis 6. Diese Telefone stammten von Alfred Graham & Co., mit Ausnahme von dem in der Unterkunft. Ebenso wenig benötigte die dritte Gruppe von Telefonen eine Vermittlung durch den Telefonisten. Auf diese Weise waren Vorratskammern und Küchen der verschiedenen Klassen untereinander und mit der Bäckerei und der Metzgerei verbunden.
Funkstation
Damals war die Funktechnik auf Schiffen eine relativ junge Errungenschaft. Dem italienischen Ingenieur Guglielmo Marconi war es gelungen, die Übertragung von Signalen über Funk kommerziell anzubieten. Seine britische Marconi Company stellte der Titanic, wie auch anderen Schiffen, die Ausrüstung zur Verfügung. Sie verdiente an Funktelegrammen (oder: „Marconigrammen“) der Passagiere. Es gab auch andere, konkurrierende Unternehmen, die Funkausrüstungen lieferten. Im Januar 1911 erhielt die Titanic das Rufzeichen MGY zugeteilt.
Der Funkraum der Titanic erhielt einen neuartigen Löschfunkensender (rotary spark-gap generating set) mit 5 kW. Er sollte zumindest 250 Seemeilen (463 Kilometer) weit senden können, erreichte in der Praxis jedoch über 400 Seemeilen (740,8 Kilometer) und nachts sogar noch mehr. Es gab einen Ersatzsender für Notfälle, der aber auf der Titanic nicht zum Einsatz kam. Der Empfänger, ein magnetic detector, war der Standard bei Marconi und ermöglichte einen Empfang von Wellenlängen zwischen 100 und 2500 Metern. Möglich wurde das Senden und Empfangen schließlich durch eine Antenne (twin T type) zwischen den beiden Masten des Schiffs, die durchschnittlich 170 Fuß (51,8 Meter) hoch lag und einen Zwischenraum von 600 Fuß (182,9 Meter) hatte.
Die beiden Funker an Bord waren nicht etwa im Dienst der White Star Line, sondern der Marconi Company, die sie auch ausgebildet hatte. Sie gehörten zur victualling department crew wie auch Stewards, Köche oder Postbediente: John George (Jack) Phillips war telegraphist und Harold Bride assistant telegraphist.
Sie erhielten drei kleine Räume zugeteilt. Der mittlere war die Funkkabine mit einem Schreibtisch und den Apparaten zum Funken. Steuerbord (oder: vom Schreibtisch aus links) befand sich eine Schlafkabine für die beiden Funker mit einer unteren und einer oberen Koje. Auf der Backbordseite (vom Schreibtisch aus rechts) war der silent room, in dem Generator, Motor und Funkenstrecke untergebracht waren. Um die Umgebung vor den Geräuschen der Funkenstrecke zu bewahren, war der Raum schallisoliert. Da die Titanic rund um die Uhr erreichbar sein sollte, teilten sie sich die Zeit in vier Schichten zu sechs Stunden ein. Nachts wachte Philipps von 20:00 Uhr bis 02:00 Uhr und wurde danach von Bride bis 08:00 Uhr abgelöst.
Am Samstag, den 13. April, kam es gegen 20:00 Uhr zu einem Zwischenfall. Phillips weckte Bride, um ein Problem gemeinsam zu lösen. Entgegen der anfänglichen Befürchtung waren nicht etwa die Kondensatoren beschädigt, sondern die Leitungen der Sekundärseite des Transformators im Gehäuseinneren durchgebrannt. Weil sie mit Eisenbolzen in Kontakt gekommen waren, wurde der Strom teilweise geerdet. Sie behoben das Problem mit Gummiband, was jedoch erst um 03:30 Uhr oder gar 04:00 Uhr des nächsten Morgens gelang. Am Sonntag, dem Tag des Unglücks, waren die Funker also übermüdet und damit beschäftigt, einen Rückstand bei der Versendung von Privatnachrichten der Passagieren abzuarbeiten.
Rettungsboote
Für die Unterbringung der Rettungsboote diente das in Bereiche für die Erste und Zweite Klasse unterteilte oberste Deck. Auf jeder Seite des Bootsdecks waren acht Davits vom Typ Welin Quadrant installiert. Jede dieser damals neuartigen Konstruktionen konnte zum Aussetzen (Fieren) von bis zu vier Rettungsbooten ausgelegt werden, also zusammen 64 Booten. Zunächst plante Alexander Carlisle die Installation von 48 Rettungsbooten auf der Olympic und der Titanic.
Das Design wurde jedoch mehrmals geändert, so dass die Anzahl der Rettungsboote auf 20 verringert wurde: Vom Bug her gezählt waren auf Steuerbord (rechts) hinter der Kommandobrücke ein Notfall-Kutter (Boot 1) und die beiden Faltboote A und C untergebracht, gefolgt von einer Gruppe von drei großen Rettungsbooten (Boot Nr. 3, 5 und 7). Weiter hinten gab es eine zweite Gruppe von vier großen Rettungsbooten (Nr. 9, 11, 13 und 15). Auf Backbord waren der zweite Notfall-Kutter (Boot 2), die beiden Faltboote B und D und die sieben großen Rettungsboote Nr. 4, 6, 8 sowie Nr. 10, 12, 14 und 16 untergebracht.
Die Faltboote („Engelhardt collapsible boat“) hatten einen Holzboden sowie Wände aus starker Segelleinwand mit einer oberen Schanz aus Kapok und Kork. Die zwei Engelhardt-Boote A und B waren zu beiden Seiten des ersten Schornsteins auf dem Dach der Offizierskabinen verstaut. Sie konnten nicht mehr wie vorgesehen zu Wasser gelassen werden und wurden beim Sinken des Schiffes weggespült, dabei kam Faltboot B kieloben ins Meer.
Die Notfall-Kutter (Boot 1 und 2) hingen zu beiden Seiten des Schiffes in ihren ausgeschwenkten Davits, um bei einem eventuellen Mann-über-Bord-Manöver sofort einsatzbereit zu sein. Sie waren für je 40 Personen ausgelegt. Jedes der 14 großen Rettungsboote bot Platz für 65 Personen; die vier Engelhardt-Faltboote für jeweils 47 Personen. Insgesamt war an Bord aller Rettungsmittel Platz für 1178 Menschen.
Passagierbereich
Die britischen Behörden hatten erlaubt, dass die Titanic bis zu 3300 Passagiere aufnimmt. Hinzu kam die benötigte Mannschaft. Das Schiff wurde allerdings so ausgestattet, dass es nur Raum für insgesamt 2400 Passagiere aufwies. Sie verteilten sich wie folgt auf die einzelnen Klassen: Erste Klasse 750, Zweite Klasse 550 und Dritte Klasse 1100 Passagiere. Die Bereiche für die drei verschiedenen Klassen waren voneinander getrennt, nicht nur, weil die Passagiere unterschiedlich viel für die Passage bezahlten: Passagiere der Dritten Klasse mussten in den USA erst einmal in Quarantäne. Durch die Trennung ersparte man dies den übrigen Passagieren.
Erste Klasse
Ein Großteil des Innenraums der Titanic wurde für die Erste Klasse verwendet, nämlich fast die gesamten Aufbauten und ein Großteil des mittleren Rumpfes. Zwischen dem ersten und dem zweiten Schornstein lag ein großes Treppenhaus, die berühmte Grand Staircase. Ihre Bedeutung erkennt man daran, dass sie insgesamt sechs Decks (Bootsdeck bis E-Deck) miteinander verband. Kaum ein anderer Teil des Schiffes war so aufwendig und neuartig gestaltet: Ihre Wandtäfelungen, Handläufe und Tragsäulen bestanden aus hellem Eichenholz mit zahlreichen Schnitzereien. In die Geländerfassungen waren filigrane Schmiedeeisenarbeiten mit vergoldeten Elementen eingesetzt.
Das Treppenhaus nahm auf dem obersten Absatz, zwischen A-Deck und Bootsdeck, zwei Deckhöhen in Anspruch. Die Decke war eine ovale Glaskuppel, die in der Mitte einen großen Kristallleuchter trug. Tagsüber wurde diese Kuppel durch von oben einfallendes Tageslicht, nachts durch elektrische Lampen beleuchtet. Auf diesem Treppenabsatz befand sich in der Mitte eine große Wanduhr. Eingerahmt wurde sie von einer Reliefschnitzerei mit dem Namen „Honour and Glory crowning time“ („Ruhm und Ehre krönen die Zeit“).
Zwischen den hinteren beiden Schornsteinen lag ein zweiteres Treppenhaus, welches das A- mit dem C-Deck verband. Trotz aller Ähnlichkeiten mit der Grand Staircase war es etwas kleiner und schlichter ausgeführt. Die Glaskuppel war rund, nicht oval. Außer weiteren Treppen konnten die Passagiere der Ersten Klasse auch drei Aufzüge nutzen. Sie verliefen parallel zum vorderen (größeren) Treppenhaus. Mit ihnen gelangte man vom A-Deck bis auf das E-Deck.
Auf dem A-Deck fand man die Mehrzahl der öffentlichen Räume vor: Ein in Weiß gehaltener Lese- und Schreibsalon diente als Rückzugsraum für weibliche Passagiere, und danach kam man in einen großzügigen Gesellschaftsraum mit Eichenvertäfelung, elektrischem Wandkamin und Bibliotheksschrank.
Weiter achtern lag ein besonders edel ausgestatteter Rauchsalon. Sein Kamin war der einzige auf der Titanic, in dem Feuer brannte. Der Raum hatte Buntglasfenster, und die Wände waren mit Mahagoni-Holz und eingelegten Perlmuttverzierungen getäfelt.
Den Abschluss des A-Decks bildeten zwei identisch ausgestattete Verandacafés. Auf Korbmöbeln und neben Kletterpflanzen konnten die Gäste durch große Rundbogenfenstern auf das Promenadendeck und das Meer blicken. Das Café auf der Backbordseite war über eine Drehtür unmittelbar mit dem Rauchsalon verbunden, während man das steuerbordseitige nur über das Deck erreicht werden konnte. Es war als Nichtraucherbereich ausgewiesen.
Auf dem D-Deck befand sich der Speisesaal der Ersten Klasse, der 1912 mit rund 890 m² Grundfläche der größte Raum auf einem Schiff überhaupt war. Außer in diesem Saal konnten die Passagiere der Ersten Klasse auch à la carte speisen, und zwar in einem Restaurant von Luigi Gatti auf dem D-Deck. Ein solches Restaurant war damals auf einem Schiff noch eine Neuigkeit. Daneben befand sich das „Café Parisien“, wie man es in Frankreich als Straßencafé kannte. Die Olympic erhielt so ein Café erst später.
Beim großen Treppenhaus, in Richtung Speisesaal, kam man auf dem D-Deck in den großen Empfangssalon. Dort ging man als Erstes, wenn man sich einschiffte, und hörte während der Reise den Musikern an Bord zu. Einen so großen Empfangssalon gab es damals sonst nur auf der Olympic. Heute entspräche ein zentraler Treffpunkt wie dieser den großen Foyers auf Kreuzfahrtschiffen.
Weitere Angebote auf der Titanic, wie man sie auf anderen Schiffen kaum kannte, waren:
- ein luxuriöses Bad, das einem Türkischen Bad nachempfunden war,
- ein elektrisches Bad, das vom Aussehen her an eine künstliche Lunge erinnerte,
- auf dem F-Deck ein beheiztes Schwimmbad mit einer Beckengröße von 10 Meter mal 4,3 Metern, wie es damals kein größeres auf einem Schiff gab,
- ein Gymnastikraum auf dem Bootsdeck,
- sowie einen Squash-Raum, der zwei Decks hoch war (G- und F-Deck).
Die teuersten Unterkünfte des Schiffes waren die beiden Salon-Suiten auf dem B-Deck. Zu ihnen gehörte, neben einem privaten Salon, zwei Schlaf- und Ankleidezimmer sowie ein Badezimmer sowie ein rund 15 Meter langes privates, beheizbares und als Veranda gestaltetes Promenadendeck. Ein Großteil der Luxuskabinen auf dem B- und C-Deck, die in verschiedensten historisierenden Stilrichtungen ausgestattet waren, verfügten darüber hinaus über Verbindungstüren, so dass sie nach Wunsch zu größeren Räumlichkeiten mit angeschlossenen Badezimmern und Toiletten verbunden werden konnten. Derartige Möglichkeiten waren zu dieser Zeit in diesem Ausmaß auf keinem anderen Schiff vorhanden. Die größten Außenflächen der Ersten Klasse lagen auf beiden Seiten des Promenadendecks auf dem A-Deck und auf der vorderen Hälfte des Bootsdecks.
Die White Star Line dachte über die Gestaltung der Räume anders als andere Reedereien. In der Ersten Klasse der drei Schwesterschiffe sollte die Atmosphäre eher intim sein und einem Passagier ermöglichen, sich zurückzuziehen. Das sollte vor allem prominente Gäste anziehen, die eine zu große Öffentlichkeit scheuten. Dabei halfen auch die beiden Salon-Suiten mit der privaten Promenade: Wenn man an Bord ging, oder von Bord, dann erreichte man die Empfangsbereiche auf dem B- und D-Deck direkt über einen Privateingang. Man verzichtete auch auf überhohe Räume, wie man sie von der Lusitania oder der deutschen Kaiser-Klasse her kannte. Es fehlten auch die sonst üblichen Nischen und Séparées in den Speise- und Gesellschaftsräumen.
Zweite Klasse
Der Zweiten Klasse stand bedeutend weniger Raum zur Verfügung. Trotzdem entsprach die Qualität der Ausstattung und des gebotenen Service der der Ersten Klasse auf kleineren oder älteren zeitgenössischen Passagierschiffen. Ihr Bereich war – anders als die Erste und Dritte Klasse – nicht über die Schiffslänge, sondern über die Höhe verteilt. Er konzentrierte sich etwa im Bereich zwischen dem vierten Schornstein und dem achteren Mast des Schiffes.
Neben einem großen, eichenholzgetäfelten Speisesaal auf dem D-Deck waren ein auch als Bibliothek bezeichneter Aufenthaltsraum und ein Rauchsalon vorhanden. Zwei großzügige Treppenhäuser und ein Aufzug verbanden die Decks miteinander. Die Kabinen – meist für zwei oder vier Personen ausgelegt – boten eigene Waschbecken (teilweise aus Marmor), Sitzgelegenheiten, Gepäckschränke und Waschtische. Im Komfort entsprachen sie somit ungefähr der günstigeren Kategorie der Erste-Klasse-Kabinen an Bord. Als Außendeck dienten die hintere Hälfte des Bootsdecks und ein Bereich, der zwei Etagen tiefer auf dem B-Deck lag.
Dritte Klasse
Die Dritte Klasse (häufig als „Zwischendeck“ oder englisch als steerage bezeichnet) umfasste die tiefer gelegenen Decks des Schiffes und die Bereiche unmittelbar am Bug und Heck der Titanic. Im Vergleich zu den beiden anderen Klassen war die Dritte Klasse eher einfach eingerichtet. Dennoch lag ihr Komfort weit über dem, was viele der meist nahezu mittellosen Auswanderer, die diese Klasse vor allem nutzten, von zu Hause gewohnt waren.
Während andere zeitgenössische Schiffe die Dritte-Klasse-Passagiere meist in riesigen Schlafsälen unterbrachten, gab es auf der Titanic zusätzlich zu den 146 Schlafplätzen in Gemeinschaftsräumen (G-Deck) auch Sechs-, Vier- und Zweibettkabinen mit Waschgelegenheit. Die allgemein zugänglichen sanitären Anlagen boten einige Badewannen an. Der Speisesaal der Dritten Klasse lag mittschiffs auf dem F-Deck und war durch eine Schottwand zweigeteilt. Die übrigen öffentlichen Räume – ein allgemeiner Aufenthaltsraum und ein Rauchsalon – lagen ganz am hinteren Ende des Schiffes im achteren Decksaufbau. Dessen Dach sowie die Bereiche des achteren und vorderen Welldecks dienten den Dritte-Klasse-Passagieren als Freiflächen.
Promenadendecks
Ein sehr markanter Unterschied zwischen der Titanic und der Olympic war die Gestaltung der Promenadendecks. Während sich auf dem A-Deck der Olympic eine offene und auf dem B-Deck eine durchgehend wettergeschützte Promenade befand, diente ein Abschnitt der B-Deck-Promenade auf der Titanic als Privatpromenade und der Erweiterung der teuersten Suiten.
Um den wettergeschützten Bereich für die Passagiere zu erweitern, wurden Teile des A-Decks kurz vor der Fertigstellung des Schiffes mit einem Wetterschutz versehen. Dieser bestand aus einer Wand mit kleinen Fenstern, die zur Schiffsmitte hin in einer Abrundung endete, nach der das A-Deck dann wieder seitlich offen war.
Jungfernfahrt
Passagiere
Damals konnte eine Reederei am sichersten an den Menschen verdienen, die nach Amerika auswandern wollten. Die Preise pro Person bei Unterbringung in normalen Kabinen begannen bei 36 US-Dollar (15 $ für Kinder bis 12 Jahre) für die Dritte, bei 60 $ für die Zweite und bei 150 $ für die Erste Klasse. Die größten Suiten kosteten 4.350 $. Bezogen auf das Jahr 1912 entspricht dies einer heutigen Kaufkraft von 1.040 $, 430 $, 1.730 $, 4.330 $ und 125.450 $.
Auf der Fahrt war nur gut die Hälfte der Passagierunterkünfte besetzt. Ein wesentlicher Grund dafür waren allgemeine Unsicherheiten aufgrund eines Kohlestreiks: Die Minenarbeiter kämpften vor allem um einen Mindestlohn. Dieser Streik dauerte vom 29. Februar 1912 bis zum 6. April desselben Jahres; er wurde letzten Endes abgebrochen, weil mehr und mehr Streikende zur Arbeit zurückkehrten. Während des Streiks war es für die Industrie, aber auch für das Transportwesen wesentlich schwieriger geworden, an Kohle zu kommen. In einer Stadt wie Southampton, die sehr von der Schifffahrt abhing, fürchtete man dementsprechend Arbeitslosigkeit. Aber auch für Passagiere bedeutete der Streik mit seinen Auswirkungen Unsicherheiten darüber, ob und wann Schiffe ihren Dienst aufnehmen konnten.
Im Gegensatz dazu war die Olympic im Jahr davor auf ihrer Jungfernfahrt ausgebucht. So haben letztendlich über 1300 Personen die Passage auf der Titanic gebucht. Die genaue Zahl ist nicht ganz leicht zu ermitteln, weil die entsprechenden Listen unterschiedlich geführt wurden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass manche Passagiere nur einen Teil der Strecke gebucht haben, etwa um den Ärmelkanal zu überqueren, und vor der Atlantikfahrt das Schiff bereits verlassen haben.
Unter den Passagieren befanden sich viele Prominente der nordamerikanischen und europäischen Gesellschaft. Zu den Amerikanern gehörten der Inhaber des New Yorker Kaufhauses Macy’s, Isidor Straus, seine Gattin Ida Straus, der Geschäftsmann Benjamin Guggenheim, der Hotelier John Jacob Astor IV oder auch die Millionärsgattin und Frauenrechts-Aktivistin Margaret Brown. Briten waren J. Bruce Ismay, der Direktor der White Star Line, die schottische Adelige Lucy Noël Martha Dyer-Edwards, Cosmo Duff-Gordon, Großgrundbesitzer und Sportfechter, Lucy Duff Gordon, Modedesignerin, und beispielsweise der Journalist William T. Stead.
Manche der Passagiere wurden bekannt oder bekannter in der Zeit nach dem Unglück. Die Schauspielerin Dorothy Gibson spielte in einem frühen Titanic-Film mit und der junge Lehrer Lawrence Beesley aus der Zweiten Klasse veröffentlichte als einer der ersten einen Bericht aus der Sicht eines Überlebenden.
Besatzung
Von den knapp 900 Mitgliedern der Schiffsbesatzung stammte ein Großteil aus Southampton. Etwa 325 waren für den Schiffsbetrieb und 500 für die Passagiere zuständig. Letzteres war die sogenannte victualling crew. Das waren unter anderem 324 Stewards und 18 Stewardessen. Insgesamt waren nur 23 Mitglieder der Besatzung weiblich. Auch die beiden Funker gehörten formell zur Kategorie der victualling crew. Persönliche Bedienstete reicher Passagiere wiederum waren als Passagiere auf dem Schiff.
Die acht Offiziere der Schiffsführung waren:
- Kapitän Edward John Smith (umgekommen)
- Leitender Offizier Henry T. Wilde (umgekommen)
- Erster Offizier William M. Murdoch (umgekommen)
- Zweiter Offizier Charles Lightoller
- Dritter Offizier Herbert Pitman
- Vierter Offizier Joseph Boxhall
- Fünfter Offizier Harold Lowe
- Sechster Offizier James P. Moody (umgekommen)
Für den Schiffsbetrieb sorgten in mehreren Wachen hauptsächlich 35 Ingenieure und Techniker, 167 Heizer, 71 Kohlentrimmer und 33 Maschinenfetter. Zusätzlich gab es mehrere Lagerverwalter (Storekeeper), den Schiffszimmerer, die Rudergänger und die Matrosen im Ausguck (Krähennest). Leitender Ingenieur war Joseph Bell.
Vorräte und Fracht
Die Titanic hatte für die Reise erhebliche Mengen an Nahrungsmitteln an Bord. Neben 72,5 Tonnen an Fleisch und Fisch, 40 Tonnen Kartoffeln und 200 Barrels Mehl gab es noch über 30 Tonnen weiterer Lebensmittel. Als Trinkvorräte wurden 400 Kilogramm Tee, 1100 Kilogramm Kaffee und knapp 37.000 Getränkeflaschen mitgeführt. Die Vorräte an Milch und Milcherzeugnissen nahmen mehr als 12 Kubikmeter Lagerraum ein. In den Wäschekammern lagerten knapp 200.000 Wäschestücke.
Auch Fracht und sieben Millionen Briefe sowie anderweitige Postsendungen wurden auf der Jungfernfahrt transportiert. Unter den bei der Jungfernfahrt beförderten Gütern befanden sich Maschinenteile, Elektrogeräte, Lebensmittel, Seidenwaren, Kleidungsstücke, Spirituosen, Straußenfedern und ein Auto sowie viele weitere Waren für Nordamerika.
Auslaufen aus Southampton
Die Titanic begann ihre Jungfernfahrt von Southampton nach New York am Mittwoch, dem 10. April 1912 unter ihrem Kapitän Edward Smith. In der Stadt Southampton waren außer dem Kapitän auch die meisten Besatzungsmitglieder und Passagiere an Bord gekommen.
Um 12:00 Uhr oder kurz danach zogen sechs Schlepper die Titanic in südöstlicher Richtung in den Fluss Test. Noch während sie an Anlegeplätzen mit Schiffen vorbeifuhr, gab Kapitän Smith den ersten Schleppbooten den Befehl, die Titanic loszulassen. Backbord kam die Titanic an einem Anlegeplatz vorbei, an dem die Oceanic und außen neben ihr die New York lagen. Smith ließ die Motoren beschleunigen. Durch Abstellen des Backbordpropellers sollte die Titanic besser durch die folgende Linkskurve gelangen.
Doch der Sog wurde zu stark für die New York, die nicht unter Dampf stand. Die Trossen, mit der die New York befestigt war, rissen, und das Schiff bewegte sich auf die Titanic zu. Kapitän Gale vom Schleppboot Vulcan rettete die Situation in Zusammenarbeit mit der Besatzung der Titanic. Die Titanic stellte den Backbordpropeller wieder an, und Gale ließ eine Leine zur New York werfen. Er bremste damit das Schiff ab. Mithilfe weiterer Schlepper konnte die New York zwischen Titanic und Oceanic hindurch an einen anderen Anlegeplatz (bereits am Fluss Itchen) gebracht werden. Gale schätzte den geringsten Abstand zwischen der Titanic und dem Heck der New York als vier Fuß (etwa 1,2 Meter) ein. Die meisten Menschen auf der Titanic empfanden den Zwischenfall als nicht sehr dramatisch.
Für die Ankunft in Cherbourg wurde eine Stunde Verspätung angekündigt. Der Vorfall mit der New York hatte kaum eine halbe Stunde gekostet, doch war die Titanic wohl schon eine Viertelstunde zu spät losgefahren. Außerdem waren irrtümlich einige Arbeiter und Lastenträger auf dem Schiff geblieben, die nun per Schlepper abgeholt wurden.
Aufenthalte vor Cherbourg und Queenstown
Von Southampton kommend fuhr die Titanic Steuerbord an der Insel Wight vorbei und fuhr über den Ärmelkanal nach Cherbourg. Diese nordfranzösische Hafenstadt liegt günstig auf einer Halbinsel. Die Strecke dorthin betrug etwa 150 Kilometer.
Die Titanic ankerte gegen 18:30 Uhr vor Cherbourg auf Reede, weil der Hafen für das Schiff zu klein war. Mit den eigens für diesen Zweck gebauten Tenderschiffen Nomadic und Traffic wurden weitere Fracht sowie Passagiere an Bord gebracht. Die meisten Passagiere waren mit dem Zug aus Paris gekommen. Unter den Reichen und Prominenten befanden sich Amerikaner, die Europa oder Afrika besucht hatten. Insgesamt kamen in Cherbourg 274 Passagiere an Bord (172 Passagiere der Ersten und Zweiten Klasse, 102 der Dritten an Bord). Ihrerseits verließen 15 Passagiere der Ersten und neun der Zweiten Klasse die Titanic.
Gegen 20:10 Uhr desselben Abends wurden die Anker gelichtet. Die Titanic fuhr nachts über den Ärmelkanal und zwischen Land’s End und den Scilly-Inseln hindurch in die Keltische See. Ziel war Queenstown (seit 1920: Cobh) auf der Südseite der Insel Irland, die damals noch ganz zu Großbritannien gehörte. Queenstown war ein wichtiger Auswandererhafen südöstlich der größeren Stadt Cork. Er lag auf einer Insel in einer Meeresbucht, die als Cork Harbour bekannt ist.
Vor dem Hafen von Queenstown ankerte die Titanic am Donnerstag, den 11. April 1912, ab 11:30 Uhr. Die Barkassen Ireland und America brachten 113 Passagiere der Dritten und 7 der Zweiten Klasse an Bord. Die irischen Passagiere vervollständigten die Mischung aus Engländern, Franzosen und anderen Nationalitäten in der Dritten Klasse. Journalisten und Fotografen besuchten das Schiff, Postsäcke wurden auf die Titanic gebracht und umgekehrt mitgebrachte Postsäcke der irischen Post überantwortet. Zwischen den Postsäcken versteckte sich der irische Heizer John Coffey, der nicht mehr mitfahren wollte und auf diese Weise die Titanic heimlich verließ.
Sieben Erste-Klasse-Passagiere gingen von Bord. Unter ihnen war, wie vorgesehen, auch Francis Browne, dem ein Onkel die Strecke von Southampton bis Queenstown spendiert hatte. Der irische Geistliche hatte zwar auf der Fahrt Millionäre kennengelernt, die ihm die Weiterfahrt nach New York bezahlen wollten. Sein Vorgesetzter, telegrafisch kontaktiert, erlaubte dies aber nicht. Im Nachhinein erhielt Brownes Reise besondere Bedeutung, weil er als Amateurfotograf viele Aufnahmen auf dem Schiff gemacht hatte. Wegen ihres Schicksals gibt es insgesamt eher wenige Fotos gerade vom Inneren des Schiffs.
Die Fahrt in den Atlantik
Die Titanic lichtete nach etwa zwei Stunden Aufenthalt die Anker um 13:30 Uhr. Sie fuhr nach Westen an der Südküste Irlands entlang, anhand der Navigationspunkte Daunt's Rock Light Vessel, Old Head of Kinseale Lighthouse und dann Fastnet Light, und fuhr in den Atlantik. Die great circle route führte sie zu The Corner, einem Punkt im Atlantik (42° 0′ N, 47° 0′ W ). Dort drehte sie sich entsprechend nach Steuerbord, um einen Punkt südlich des Nantucket Shoals Light anzusteuern. Danach war das Ambrose Light bei New York der letzte wichtige Navigationspunkt. Smith hatte dafür keine besonderen Instruktionen, aber dies war die übliche Route zu dieser Zeit des Jahres. Planmäßig sollte die Titanic am Mittwoch, den 17. April in New York ankommen, bevor sie am 20. April die Rückreise nach Europa antreten würde.
The Corner stammte aus einer Vereinbarung zwischen den großen Reedereien von 1899. Demnach sollte man zwischen dem 15. Januar und dem 14. August die „Südliche Route Richtung Westen“ nehmen, um den Eisbergen zu entgehen, die im kalten Labradorstrom äquatorwärts treiben. Dieser Kurs führte nicht auf dem kürzesten Weg (Orthodrome) nach New York, sondern zunächst nach Südwesten, um dann bei The Corner zu drehen und mehr westlich zu fahren.
Häufig wird angenommen, dass die Titanic erst südlich von The Corner die Richtung angepasst hat. Eine Spekulation ist es, dass Kapitän Smith wegen Eiswarnungen mit Absicht südlicher fahren wollte. Halpern erinnert daran, dass man jahrzehntelang von der (falschen) Positionsangabe des Titanic-Notrufs ausgegangen war. Berücksichtigt man jedoch die heute bekannte Position des Wracks, dann ist Smith in Wirklichkeit der geplanten Route gefolgt, mit einer geringen Abweichung an The Corner von nur zwei oder drei Seemeilen. Vielleicht kam die Abweichung dadurch zustande, dass Smith das Vorankommen des Schiffes leicht unterschätzt hat. Es gibt jedenfalls keinen Nachweis dafür, dass Smith bewusst einen südlichen Weg gewählt hätte. Die Titanic erreichte The Corner am Sonntag, den 14. April gegen 17:50 Uhr.
Unglück
Zusammenstoß mit dem Eisberg
Am Sonntag, den 14. April 1912, fuhr die Titanic mit der hohen Geschwindigkeit von 22,5 Knoten (41,7 Stundenkilometer) durch die Nacht. Kapitän Smith hielt die zuvor erhaltenen Eiswarnungen für nicht so wichtig, sondern vertraute darauf, dass ein Eisberg frühzeitig erkannt werden würde, um auszuweichen. Die mondlose Nacht war dunkel, aber klar.
Um 23:40 Uhr Bordzeit stieß die Titanic gegen einen Eisberg. Dies wird durch Zeugenaussagen bestätigt, die den Eisberg gesehen haben oder die den Zusammenstoß im Schiff kurze Zeit später gehört bzw. gespürt haben. Die Männer im Ausguck und auf der Brücke haben den Eisberg weniger als eine Minute vorher gesichtet. Die Brücke musste rasch reagieren.
Die Aussagen widersprechen sich teilweise darin, was genau in dieser Minute und in welcher Reihenfolge passiert ist. Eine Rekonstruktion von Halpern sieht so aus:
- Der Ausguck Frederick Fleet sichtet in Fahrtrichtung, oder leicht steuerbord, des Schiffes einen Eisberg. Der Eisberg ist ungefähr 2000 Fuß (rund 610 Meter) entfernt.
- Fleet läutet umgehend dreimal die Glocke. Einmal hätte bedeutet, dass er ein Objekt backbord gesehen hätte, zweimal steuerbord. Daraufhin eilt er zum Telefon im Ausguck und meldet dem Steuerhaus, ein Eisberg sei „right ahead“.
- Dies nimmt der Sechste Offizier James Moody entgegen, der die Information sofort an den Ersten Offizier William Murdoch weitergibt. Murdoch überlegt eine gewisse Zeit lang und befiehlt dem Steuermann (quarter master, Steuermannsmaat) Hitchens „hard-a-starboard“. Damit war in der damaligen britischen Seemannsprache gemeint, das Schiff hart nach links zu steuern. Er läuft zum Maschinentelegrafen für ein Signal an den Maschinenraum.
- Im Maschinenraum sieht man kurz vor dem Kontakt mit dem Eisberg das Signal „stop“.
- Das Schiff bewegt sich ein bis zwei Punkte nach Backbord. Daraufhin scheint der Eisberg das Schiff kurz vor dem Vormast Steuerbord zu berühren. Für einige Sekunden hört man das Geräusch von zerreißendem Metall.
- Während des Kontakts mit dem Eisberg ist Murdoch am Schalter für die wasserdichten Schotten. Nach einem Warnsignal von einigen Sekunden fallen sie herunter.
- Nachdem der Eisberg den rechten Flügel der Brücke passiert hat, lässt Murdoch das Schiff nach „hard-a-port“ steuern, also nach rechts. (Damit verhindert er, dass das Heck ausschert und ebenfalls den Eisberg rammt.) Zeugen sehen den Eisberg rechts hinten vom Schiff, bevor er wieder in der Dunkelheit verschwindet. Einige Minuten später kommt das Schiff zum Stehen.
Der Zusammenstoß mit dem Eisberg riss auf einer Länge von ca. 90 Metern zahlreiche Lecks in die Außenhaut des Schiffes, durch die nun tausende Liter Wasser eindrangen. Es wurden 6 der 16 wasserdichten Abteilungen beschädigt. Kapitän Smith war schon kurz nach dem Zusammenstoß auf der Brücke und ließ sich über das Geschehene informieren. Nun galt es sich einen Überblick über den entstandenen Schaden zu verschaffen. Offiziere konnten in ersten Erkundigungen noch keinen Wassereinbruch feststellen, doch Smith meinte zum herbeigeeilten Reeder Bruce Ismay, dass der Schaden vermutlich ernst sei.
Evakuierung des Schiffes
Gegen 00:00 Uhr wusste Smith, dass die Titanic ernsthaft beschädigt war, aber noch nicht das Ausmaß. Er befahl, die Rettungsboote abzudecken und die Besatzung in Bereitschaft zu versetzen. Gegen 00:15 Uhr wurde den Funkern der Titanic aufgetragen, Notrufe zu senden. Zwischen 00:10 Uhr und 00:20 Uhr wurden die Passagiere aufgefordert, sich auf das Deck zu begeben. In diesem Zeitraum wurde Schiffskonstrukteur Thomas Andrews mit erschrockenem Gesicht beobachtet, der bereits wusste, dass der Postraum, drei vordere Abteilungen und der Kesselraum Nr. 6 sich unkontrollierbar mit Wasser füllten. Ihm war bewusst, dass die Titanic verloren war. Darüber informierte er Smith und die Schiffsführung gegen 00:25 Uhr, und Smith gab den Befehl aus, die Passagiere in die Rettungsboote zu bringen.
Smith und der chief officer Henry T. Wilde koordinierten und überwachten die Maßnahmen. Das erste Rettungsboot (Nr. 7) wurde um 00:40 Uhr auf der Steuerbordseite zu Wasser gelassen, die letzten (Nr. 10 und Nr. 4) um 01:50 Uhr auf der Backbordseite. Hinzu kamen die vier Faltboote, die teils von Bord gespült und nur mit Mühe besetzt wurden. Fast alle Boote waren nicht voll besetzt; die einzelnen Zahlen basieren auf Augenzeugenberichten und werden sich nie genau verifizieren lassen.
Ein Grund für die Unterbesetzung war die Maxime, dass Frauen und Kinder zuerst in die Boote sollten, was von den Besatzungsmitgliedern unterschiedlich streng ausgelegt wurde. Anfangs wollten viele Passagiere auch nicht ins Rettungsboot, weil ihnen der Ernst der Lage nicht ausreichend bewusst war. Außerdem waren die Besatzungsmitglieder im Umgang mit den Rettungsbooten wenig geübt. Sie fürchteten (unbegründet), dass die Einrichtungen zum Herunterlassen (davits) nicht die volle Last tragen würden.
Wer keinen Platz in einem Rettungsboot bekam, sprang von Bord oder wurde von Bord gespült, als das Schiff sank. Einigen wenigen Menschen gelang es, im eiskalten Wasser (nahe dem Gefrierpunkt) zu einem Rettungsboot oder Faltboot zu schwimmen. Die übrigen starben an Unterkühlung. Schätzungen zufolge überlebt man den Aufenthalt im eiskalten Wasser nur 15 bis 45 Minuten lang. In weniger als 15 Minuten ist man bereits erschöpft oder wird bewusstlos. Die Menschen in den Booten fuhren von der Titanic weg, weil sie fürchteten, vom Sog des sinkenden Schiffes erfasst zu werden, und auch, dass Überlebende aus dem Wasser die Boote zum Kentern bringen könnten.
Der eigentliche Untergang wird für 02:20 Uhr berichtet. Kurz zuvor gingen die Lichter aus. Der vom eingedrungenen Wasser schwere Bugteil und das noch auf dem Wasser treibende Heckteil brachen voneinander ab, und das Bugteil stürzte in die Tiefe. Das Heckteil richtete sich noch kurz auf und sank dann ebenfalls. Mit hoher Geschwindigkeit sanken beide Teile nach unten.
Rettung der Überlebenden
Die Funker der Titanic haben ab 00:15 Uhr immer wieder Notruf-Meldungen gesendet. Mehrere Schiffe antworteten darauf, doch sie waren meist zu weit entfernt, um dem sinkenden Schiff zu Hilfe zu eilen. Das am nächsten liegende Schiff, die Californian, reagierte nicht, weil der Funker keinen Dienst mehr hatte. Ferner sahen Menschen auf der Titanic die Lichter eines unbekannten Schiffes im Norden und versuchten, es mit Raketen und Morse-Lampen zu kontaktieren. Das mystery ship reagierte nicht; nach heute vorherrschender Meinung handelte es sich dabei um die Californian.
Das einzige Schiff, das schließlich die Rettungsboote und Faltboote der Titanic auffand, war der Passagierdampfer Carpathia. Es hatte frühzeitig den Notruf aufgefangen, war aber noch recht weit entfernt. Kapitän Arthur Rostron ließ die Carpathia umgehend in nordöstlicher Richtung zur angegebenen Position eilen. Auf dem Weg dorthin sah er gegen 02:40 Uhr grünes Licht, von dem er glaubte, das es weit vom Horizont her kam. Er hielt es für ein Positionslicht der Titanic (die tatsächlich schon auf dem Meeresboden lag). Kurz darauf musste die Carpathia mit Müh und Not einem Eisberg ausweichen.
Wie man seit dem Fund des Wracks der Titanic weiß, hatte die Titanic in den Notrufen falsche Positionsangaben gemacht: zunächst eine, die von Kapitän Smith berechnet worden war, dann eine von Joseph Boxhall korrigierte (41° 28′ N, 50° 8′ W ). Doch auch die korrigierte Angabe lag noch zu weit westlich von der tatsächlichen Unglücksstelle, nämlich etwa 13 Seemeilen (24 Kilometer). Es ist daher Zufall, dass die Carpathian auf dem Weg zur fehlerhaften Positionsangabe grünes Licht gesehen hat. Halpern vermutet, dass die Carpathian sich wegen des Nordatlantikstroms östlicher befand als ihr Kapitän Rostron geglaubt hat. Das würde es besser erklären, warum die Carpathia tatsächlich in die Nähe der Unglücksstelle geraten ist.
Gegen 04:00 Uhr entschied Rostron, die Carpathia zu stoppen. Er meinte, in ungefährer Nähe der Notrufposition und des gesichteten grünen Lichts zu sein. Fünf Minuten später erblickte er wieder ein grünes Licht und erkannte entsetzt, dass es eine grüne Leuchtfackel (flare) war, die jemand auf einem Boot hochhielt, und nicht ein Positionslicht von der Titanic. Rostron überlegte, von welcher Seite seines Schiffes aus er das Boot aufnehmen wollte, da gab es wieder fast einen Zusammenstoß mit einem Eisberg. Schließlich hielt sein Schiff um 04:10 Uhr an.
Es handelte sich um Boot Nr. 2 mit dem Vierten Offizier der Titanic, Boxhall, der beim Fertigmachen des Bootes noch eben an das Mitnehmen von Leuchtfackeln gedacht hatte. Ohne Boxhalls Signale wäre die Carpathia wahrscheinlich weitergefahren. Andere Boote, die noch Richtung mystery ship ruderten, drehten bei und hielten auf die Carpathia zu.
Um 04:20 Uhr waren alle Insassen des Bootes Nr. 2 aufgenommen worden. Boxhall wurde zu Kapitän Rostron geführt, der nach der Titanic fragte. Boxhalls Erklärung, dass sie gesunken war, bestürzte die Menschen auf der Carpathia. Es seien Hunderte, wenn nicht tausend oder mehr Menschen gestorben. Dies war für die Außenwelt die erste Bestätigung dessen, was passiert war. Bei Tagesanbruch sah man von der Carpathia die weiteren Boote, die auf sie zuruderten. In einigen Booten befanden sich Leichen. Erst um 08:15 Uhr erreichte das letzte Boot (Nr. 12) die Carpathia. Als letzter Überlebender bestieg Charles Lightoller, um 08:30 Uhr, das Schiff. Zufällig handelte es sich bei ihm um das ranghöchste überlebende Besatzungsmitglied.
Die Carapathia drehte noch eine Runde, um möglicherweise Überlebende auf Floßen zu entdecken. Zu dieser Zeit erreichte die Californian die Carpathia, nachdem sie über Funk vom Unglück erfahren hatte. Kapitän Rostron vermutete, dass noch ein Rettungsboot draußen sein könnte. Die Californian bot an, danach zu suchen, und die Carpathia machte sich auf den Weg nach New York. Rostron hatte noch überlegt, wohin er die Überlebenden bringen sollte, denn eigentlich war die Carpathia auf dem Weg ins Mittelmeer. Ein Absetzen auf den Azoren wäre den Überlebenden wenig dienlich gewesen, aber auch nicht ein Halt im kanadischen Halifax, das näher als New York lag. Rostron fuhr daher nach New York, wo man die Geretteten am besten versorgen konnte.
Gruppe | Gesamt | Gerettete | Anteil | Tote | Anteil |
---|---|---|---|---|---|
Kinder 2. Klasse | 24 | 24 | 100 % | 0 | 0 % |
Frauen 1. Klasse | 144 | 140 | 97 % | 4 | 3 % |
Frauen Besatzung | 23 | 20 | 87 % | 3 | 13 % |
Frauen 2. Klasse | 93 | 80 | 86 % | 13 | 14 % |
Kinder 1. Klasse | 6 | 5 | 83 % | 1 | 17 % |
Frauen 3. Klasse | 165 | 76 | 46 % | 89 | 54 % |
Kinder 3. Klasse | 79 | 27 | 34 % | 52 | 66 % |
Männer 1. Klasse | 175 | 57 | 32 % | 118 | 68 % |
Männer Besatzung | 885 | 192 | 22 % | 693 | 78 % |
Männer 3. Klasse | 462 | 75 | 16 % | 387 | 84 % |
Männer 2. Klasse | 168 | 14 | 8 % | 154 | 92 % |
Frauen insgesamt | 425 | 316 | 74 % | 109 | 26 % |
Kinder insgesamt | 109 | 56 | 51 % | 53 | 49 % |
Männer insgesamt | 1690 | 338 | 20 % | 1352 | 80 % |
1. Klasse insgesamt | 325 | 202 | 62 % | 123 | 38 % |
2. Klasse insgesamt | 285 | 118 | 41 % | 167 | 59 % |
3. Klasse insgesamt | 706 | 178 | 25 % | 528 | 75 % |
Besatzung insgesamt | 908 | 212 | 23 % | 696 | 77 % |
Gesamt | 2224 | 710 | 32 % | 1514 | 68 % |
Die Statistik bestätigt deutlich, dass Frauen und Kinder bei der Evakuierung bevorzugt wurden. Besonders hoch waren ihre Überlebenschancen, wenn sie zur Ersten und Zweiten Klasse gehörten. Ihr Anteil an den Geretteten sank aber dramatisch, wenn sie in der Dritten Klasse gefahren waren. Nach der britischen Untersuchung gab es auf dem Bootsdeck aber keine Diskriminierung nach Klassen. Die Erklärung liegt darin, dass sich vor allem zu Beginn der Evakuierung nur wenige Passagiere der Dritten Klasse auf dem Bootsdeck befanden. Sie hatten schlechteren Zugang zum Bootsdeck und sprachen oft kein Englisch, so dass sie die Anweisungen des Personals schlecht verstanden. Überhaupt gab es kein allgemeines Alarmsystem. In manchen Fällen waren Fluchtwege im Schiff für sie versperrt.
Bei den Männern insgesamt ist das Bild ein anderes als bei den Frauen. Bei ihnen erlitt nicht die Dritte Klasse die höchsten Verluste, sondern die Zweite. Der Soziologe Henrik Kreutz erklärte dies in einer Studie mit den gesellschaftlichen Erwartungen an die Männer, sich erst nach den Frauen und Kindern zu retten. Die „bürgerlichen“ Männer der Zweiten Klasse waren demnach am stärksten an diese Moralvorstellung gebunden und verzichteten auf ihre Rettung.
Nicht nur bei den Passagieren, auch bei der Besatzung kamen vor allem Männer um. (Es gab allerdings auch nur relativ wenige weibliche Besatzungsmitglieder.) Männliche Besatzungsmitglieder hatten oftmals bis zum Schluss gearbeitet. Sie haben beispielsweise die Rettungsboote betreut oder in den Kessel- und Maschinenräumen gearbeitet. Dadurch fehlte die Möglichkeit, sich um die eigene Rettung zu kümmern.
Zu den bekannteren Überlebenden gehörte Margaret Brown, eine Millionärin und Frauenrechtlerin aus Denver. Sie half bei der Evakuierung und setzte sich im Rettungsboot (vergeblich) dafür ein, zur Stelle des Untergangs zurückzurudern, um Menschen aus dem Wasser aufzunehmen. Später in Amerika unterstützte sie arme Überlebende des Unglücks. Über Brown gab es zahlreiche Gerüchte, etwa, sie habe sich mit einem Besatzungsmitglied um die Führung des Rettungsbootes gestritten und dabei einen Revolver gezückt. Jahre nach ihrem Tod erschienen ein Musical und ein darauf beruhender Film (The Unsinkable Molly Brown).
Lillian Asplund (1906–2006) war die letzte Überlebende, die sich noch an das Unglück erinnern konnte. Die letzte Überlebende war Millvina Dean. Sie verstarb am 31. Mai 2009 – auf den Tag genau 98 Jahre nach dem Stapellauf der Titanic – in einem Seniorenheim. Zur Zeit des Unglücks war sie ein Baby. In einer BBC-Reportage im Dezember 2007 beklagte sie, dass mit Wrackteilen der Titanic auf dem Schwarzmarkt viel Geld verdient werde.
Nach dem Untergang
Erste Nachrichten, Bergung und Beisetzung der Opfer
Die ersten Zeitungsberichte nach dem Unglück waren optimistisch gestimmt. So behauptete eine Zeitung, alle Passagiere der Titanic seien in Sicherheit. Die Virginia habe über Rettungsboote alle bei sich aufgenommen und ziehe nun die Titanic Richtung Halifax. Angehörigen wurde so falsche Hoffnung gegeben; es hat sich sogar ein Zug nach Halifax aufgemacht, um dort die Überlebenden abzuholen. Als einzige berichtete die New York Times (15. April 1912) korrekt vom Untergang der Titanic. Andere Zeitungen wollten daran nicht glauben und kritisierten die New York Times heftig.
Auch die White Star Line wollte den optimistischen Gerüchten glauben. Vizepräsident Philipp A. S. Franklin sagte am Montag (15. April) um 10:30 Uhr in New York, dass die Titanic nicht gesunken sei. Das Aufhören der Notrufe läge an atmosphärischen Störungen. Man glaube an die Unsinkbarkeit des Schiffes. Im Laufe des Tages gab Franklin schließlich zu, dass viele Menschenleben verloren seien und dass nur die Carpathia Überlebende mit sich führe. Für die Angehörigen blieb es noch unsicher, wer überlebt hatte und wer nicht, da die Informationen von der Carpathia teilweise ungenau oder falsch waren.
Nachdem die hohen Opferzahlen bekannt geworden waren, charterte die White Star Line den Kabelleger Mackay-Bennett aus Halifax, Kanada, für die Bergung der Leichen. Drei weitere kanadische Schiffe beteiligten sich an der Suche: das Kabelschiff Minia, das Leuchtturm-Versorgungsschiff Montmagny und die Algerine. Auf jedem Schiff befanden sich Leichenbestatter, Geistliche und Mittel zur Einbalsamierung. Die Mackay-Bennett aus Halifax fuhr am 17. April 1912 zu der 1100 km östlich gelegenen Untergangsstelle der Titanic und kam dort drei Tage später an. Sie barg eine große Anzahl von Leichen, von denen 166 noch auf See bestattet wurden. Die Seebestattung der Opfer wurde als ein würdevoller Vorgang geschildert. Doch im Jahr 2013 wurde ein Foto im Nachlass eines Besatzungsmitglieds der Mackay-Bennett entdeckt. Es zeigt, wie sich Leichen an Bord des Schiffes in Säcken stapeln, während daneben ein Priester die Bestattung durchführt.
Aus dem Untergangsgebiet, das mit Wrackteilen und Leichen übersät war, wurden 333 Tote geborgen, davon 328 durch die kanadischen Schiffe und fünf weitere durch vorbeikommende Dampfschiffe der Nord-Atlantik-Route. Mitte Mai 1912 barg die Oceanic drei Leichen in einer Entfernung von mehr als 200 km von der Untergangsstelle der Titanic, die sich im Hilfsrettungsboot A befanden. Als der Fünfte Offizier Harold Lowe und sechs Besatzungsmitglieder einige Zeit nach dem Untergang in einem Rettungsboot der Titanic zur Untergangsstelle zurückkehrt waren, um Überlebende zu retten, hatten sie eine Frau aus dem Hilfsrettungsboot A geborgen, aber drei tote Insassen zurückgelassen. Von der Oceanic wurden die Leichen nach der Bergung aus dem Hilfsrettungsboot A seebestattet. Somit konnten insgesamt 337 Leichen geborgen werden. Wegen Mangels an Eis und Särgen wurden mehrere Leichen sofort auf See bestattet.
Nach der Rückkehr in Halifax wurden 59 identifizierte Leichen in die Heimat ihrer Verwandten überführt. Die 150 verbleibenden Opfer wurden auf drei Friedhöfen von Halifax beigesetzt. Auf einem, dem Fairview Cemetery, ruhen 121 Opfer der Katastrophe, von denen 44 nicht identifiziert werden konnten. Die Grabsteine sind aus schwarzem Granit, in drei Reihen aufgestellt, in der Form eines Schiffsbuges. Auf allen steht das gleiche Sterbedatum: April 15, 1912.
Einer der letzten Leichenfunde ereignete sich am 6. Juni 1912, also knapp zwei Monate nach dem Untergang, als die in einer Schwimmweste befindliche Leiche von William Thomas Kerley, der als Steward an Bord der Titanic tätig gewesen war, von dem britischen Tankschiff Ottawa rund 950 Seemeilen ostsüdöstlich von St. John’s (etwa 540 Seemeilen vom Untergangsort entfernt) im Meer treibend aufgefunden wurde. Infolge des stark fortgeschrittenen Verwesungszustandes wurde der Leichnam nach einem Trauergottesdienst an Bord des Tankers wieder dem Meer übergeben.
Für die Maschinisten und Musiker gibt es in Southampton Denkmäler. Weitere Erinnerungsstätten für Schiffsbesatzung und Passagiere sind in Cobh (damals Queenstown), Liverpool, Belfast, Glasgow, Washington, D.C. und New York City.
Ankunft der Überlebenden in New York
Am Abend des 18. April lief die Carpathia in New York mit den Überlebenden ein. Dazu wurde die Anlegestelle weiträumig abgeschirmt. Die Carpathia legte zuerst am Pier 59 der Chelsea Piers an, um die Rettungsboote der Titanic hier zu entladen. Anschließend fuhr sie zum Pier 54, an dem etwa 30.000 Menschen in strömendem Regen warteten. Presse und Schaulustige sollten ferngehalten werden. Die Zollformalitäten wurden übergangen, damit die Überlebenden schnell ihren Familien und Freunden zugeführt werden konnten. Die Passagiere der Ersten Klasse bestiegen ihre Wagen und fuhren in die Hotels, am Grand Central Terminal standen private Züge bereit. Zum Schluss verließen die Passagiere der Dritten Klasse, hauptsächlich Auswanderer, das Schiff. Hilfsorganisationen nahmen sich der Geretteten an.
Neue Regeln für die Schifffahrt und weitere Folgen
Als am 24. April 1912 die Olympic aus Southampton auslaufen sollte, streikten die Heizer, da sie nicht mehr auf einem Schiff arbeiten wollten, das nicht über eine ausreichende Anzahl Rettungsboote verfügte. Die Reise der Olympic wurde daraufhin abgesagt.
Die Olympic und die Britannic wurden wegen des Untergangs der Titanic später umgebaut. Es ging unter anderem darum, dass ein Schiff auch dann noch treiben sollte, wenn mehr als zwei Abteilungen geflutet werden. Es wurden fünf wasserdichte Schotten bis zur Unterseite des B-Decks erhöht. So sollte das Schiff auch bei sechs gefluteten aufeinander folgenden Abteilungen noch treiben können. Andere Schotten gingen nun nur noch bis zum E-Deck statt zum D-Deck. Ein quer verlaufendes wasserdichtes Schott teilte den elektrischen Maschinenraum in zwei Unterabteilungen ein. Die Wasserdichtigkeit von Luken und Eingängen des Frachtraums wurde verbessert. Im vordersten Frachtraum wurde ein wasserdichtes Deck eingerichtet.
Außerdem erhielte die Schiffe eine neue Innenhaut. Schwere, versteifte Platten sollten die Räume für Kessel und Maschinen besser gegen Flutung schützen, sollte die äußere Plattierung des Schiffs längsseitig beschädigt werden. Die innere Haut war 30 Zoll (76 Zentimeter) von der Außenhaut entfernt und wurde als ingenieurstechnische Leistung gelobt. Die Anpassungen der Olympic allein kosteten 156.000 Pfund.
Der Mecklenburger Ingenieur Alexander Behm wollte wegen des Untergangs der Titanic einen Apparat entwickeln, mit dem man Eisberge entdecken kann. Dies gelang ihm nicht. Doch er hatte dazu erforscht, wie sich Schall im Wasser ausbreitet. Diese Forschung half ihm später, das Echolot zu erfinden. Ab 1920 ging die Produktion in Serie.
Bedeutend waren vor allem neue Regeln, welche die Schifffahrt sicherer machen sollten. Es galt plötzlich als notwendig, dass jeder Mensch auf einem Schiff einen Platz in einem Rettungsboot finden sollte, und auch die Bedeutung der Funkstationen wurde aufgewertet. In der Praxis konnte es allerdings lange dauern, bis die Passagiere und Crew-Mitglieder in den Genuss höherer Sicherheit kamen. Die Regeln wurden beispielsweise nur langsam umgesetzt oder galten nur für neue Schiffe.
Verbesserungen haben bereits die beiden Untersuchungen zum Untergang der Titanic empfohlen. Diskutiert wurden Verbesserungen dann am 12. November 1913 in London auf der ersten SOLAS-Konferenz (First International Conference on the Safety of Life at Sea – Erste internationale Konferenz über die Sicherheit des Lebens auf dem Meer) in London. Eine erste Version neuer Grundregeln (1914) wurde am 20. Januar 1914 unterzeichnet und sollte am 1. Juli 1915 in Kraft treten. Das verhinderte jedoch der Erste Weltkrieg; in den Jahren danach haben die Staaten die Regeln nach und nach in nationales Recht umgesetzt. Später folgten weitere Konferenzen.
Auf der Konferenz von 1913 waren einige Mitglieder der beiden Titanic-Untersuchungen anwesend, wie Lord Mersey von der britischen. Sie unterstützte die bereits von den USA eingerichtete Eispatrouille und stellte deren Aufgaben fest. Nationen, die von der Eisregion Gebrauch machten, sollten einen Beitrag leisten, der von der Größe ihrer Handelsschifffahrt abhängt. Drei Viertel aller Kosten sollten von den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland getragen werden.
Die bekannteste Neuregelung dürfte der Grundsatz sein, dass ein Schiff für jeden Menschen an Bord einen Platz in den Rettungsbooten aufweisen muss. In der Praxis allerdings hätte dies bedeutet, dass viele Schiffe dann wesentlich weniger Passagiere aufnehmen konnten, weil es nicht genug Platz für die Boote gab. Dementsprechend wären die Fahrpreise zum Beispiel für Auswanderer zu hoch geworden. Schließlich machte man die Zahl der erforderlichen Plätze von der Länge des Schiffs (statt wie vorher der Tonnage) abhängig.
Amerikanische Untersuchung | Britische Untersuchung | SOLAS 1914 |
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Schiffe sollen ausreichend Rettungsboote für alle Passagiere und Besatzungsmitglieder aufweisen. | Die Kapazität der Rettungsboote muss so angepasst werden, dass sie allen Personen auf dem Schiff Platz bieten. | Art. XLII: (Regeln mit Klauseln für bestimmte Arten von Rettungsbooten) |
Jedem Boot sollen mindestens vier ausgebildete Crew-Mitglieder zugewiesen werden. Mindestens alle zwei Monate soll es eine Übung zu den Rettungsbooten geben. | Eine angemessene Zahl von Besatzungsmitgliedern soll darin ausgebildet werden, Rettungsboote zu Wasser zu lassen und sie zu rudern. Eine Übung soll es nach Auslaufen eines Schiffes aus dem Hafen geben, so früh wie es praktisch ist. | Art. 54, 56 und XLVII: Die Nationen sollen Zertifikate für Übungen mit Rettungsboote ausstellen. Die Besatzung muss vor Fahrtantritt ihre Notfallstationen und Aufgaben kennen. Eine bestimmte Anzahl von geübten Besatzungsmitgliedern muss mitfahren. |
Ozeandampfer mit mehr als 100 Passagieren müssen zwei elektrische Suchlichter mit sich führen. | ||
Jederzeit soll ein Marconi-Funker Dienst haben. Es muss eine direkte Kommunikation zwischen Funkstation und Brücke eingerichtet werden, damit der Funker seinen Platz nicht verlassen muss, um der Brücke wichtige Nachrichten zukommen zu lassen. Gesetzgebung soll die Interferenz durch Amateure verhindern. Der Marconi-Apparat benötigt auxiliary power. | Marconi-Tätigkeiten sollen durch eine ausreichende Zahl von Funkern ausgeübt werden, so dass ein 24-Stunden-Dienst möglich ist. | Schiffe mit mehr als 50 Menschen an Bord müssen einen durchgehenden Funkdienst aufweisen.
(Hinzu kamen Verbesserungen für den Seefunk durch den Radio Act of 1912.) |
Raketen dürfen auf See nur als Notsignale verwendet werden. | ||
Schotten und wasserdichte Untereinteilungen sollen verbessert werden. | Art. 29 und 30: Die Mitgliedsstaaten sollen bei der Entwicklung besserer Untereinteilungen zusammenarbeiten. | |
Die Regeln der Reedereien sollen bestimmen, dass Schiffe in einer Eisregion mit gemäßigter Geschwindigkeit fahren sollen. | Art. 10: Bei Eiswarnungen soll der Kapitän mit gemäßigter Geschwindigkeit fahren oder den Kurs anpassen, um aus der Gefahrenzone zu kommen. | |
Die Kapitäne sollen angewiesen werden, dass es ein Vergehen ist, einem Schiff in Not nicht zu Hilfe zu eilen. |
Schuldfrage
Überblick
Nach dem Unglück wurde in der Öffentlichkeit breit diskutiert, wie es zum Untergang der Titanic kommen konnte und welche Konsequenzen man für die Schifffahrt ziehen muss. Es ging aber auch darum, wer am Untergang Schuld gehabt haben könnte. Auch wenn in der Folge niemand vor Gericht verurteilt worden ist, spielt die Frage zumindest in moralischer Hinsicht eine große Rolle – sowohl in der Sachliteratur als auch in Romanen und Spielfilmen.
Dabei überschneiden sich teilweise die Diskussionen über Sachfehler und Fehleinschätzungen der Handelnden mit Diskussionen über moralische Aspekte. Hinzu kommen weitere Fragen, auch wenn sie nicht direkt mit dem Untergang als solchem zu tun haben, sondern beispielsweise mit der Regelsetzung zur Schiffssicherheit oder dem richtigen Verhalten in Notfällen.
Im April und Mai 1912 fanden zwei offizielle Untersuchungen statt, eine in den USA als Komitee des amerikanischen Senats, eine in Großbritannien vom Board of Trade. Den Untersuchungen selbst wurden nicht wenige Vorwürfe gemacht: Die Mitglieder hätten nicht genug Sachverstand für die Befragungen mitgebracht, oder sie hätten aus Profilierungsdrang Zeugen unangemessen behandelt. Das größte Problem mit Blick auf die britische Untersuchung lag wohl darin, dass das Board of Trade diejenige Behörde war, welche die Regeln für die britische Schifffahrt aufgestellt hat. Der Verdacht lag nahe, dass das Board of Trade wenig Interesse an Aufklärung über die Regelsetzung hatte, sondern vielmehr nach Sündenböcken Ausschau hielt.
Im Mittelpunkt der weiteren öffentlichen Diskussion, der Forschung und der Kunst standen vor allem die Verantwortlichen für das Schiff. Das sind der Kapitän Edward Smith sowie J. Bruce Ismay, der Direktor der White Star Line, der die Titanic gehört hatte. Er hatte die Bauzeichnungen (mit dem Konzept zu den Rettungsbooten) verantwortet, außerdem war er auf der Jungfernfahrt mitgefahren. Ein Vorwurf lautete, dass Ismay Einfluss auf den Kapitän genommen habe, so dass die Titanic trotz Eiswarnungen mit voller Fahrt unterwegs war. Schließlich wurde Stanley Lord, dem Kapitän des Schiffes Californian, der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung gemacht: Er habe es versäumt, in der Unglücksnacht Notsignalen (der Titanic, wie sich herausstellte) nachzugehen. Smith starb auf der Titanic, Ismay und Lord sahen sich zeitlebens schwersten Vorwürfen ausgesetzt.
Amerikanische und britische Untersuchung
Direkt nach dem Unglück engagierte sich ein amerikanischer Senator dafür, die Ursachen für die Katastrophe zu untersuchen. William Alden Smith, ein Republikaner aus Michigan, wurde schließlich zum Vorsitzenden eines entsprechenden Ausschusses des Senats ernannt. Bereits am 19. April 1912 begannen die Sitzungen im New Yorker Hotel Waldorf-Astoria. Am 22. April reisten Ausschussmitglieder und Zeugen nach Washington, wo die Untersuchung am 25. Mai endete. Gehört wurde als erstes J. Bruce Ismay. In den insgesamt 18 Tagen wurden 82 Menschen gehört: außer Überlebenden aus allen drei Klassen alle überlebenden Offiziere der Titanic und auch Besatzungsmitglieder der Californian und Carpathia.
Die britische Untersuchung war formeller und besser vorbereitet. Am 22. April bat der Vorsitzende des British Board of Trade, Sydney Buxton, dass ein Wreck Commissioner ernannt wird. Im House of Commons bekräftigte er zwei Tage später die Dringlichkeit, die Sicherheitsstandards zu überprüfen, auch mithilfe von Experten. Der Lord Chancellor der Regierung Asquith ernannte den Juristen und liberalen Politiker John Charles Bigham, 1st Viscount Mersey zum Wreck Commissioner. Die Wreck Commission begann unter Lord Mersey am 1. Mai in London mit ihrer Arbeit. Es wurden über 100 Menschen befragt, darunter viele der bereits in Amerika befragten Zeugen, ferner Schiffskapitäne und Experten, aber kaum Passagiere (Lord und Lady Duff Gordon sowie Ismay). Die Ergebnisse der Wreck Commission wurden am 30. Juli in der Caxton Hall präsentiert.
Die Ergebnisse der beiden Untersuchungen waren ähnlich. Die britische inquiry stellte fest, dass die Titanic nach den Gesetzen der Handelsschiffahrt gebaut war (Merchant Shipping Acts, 1894 bis 1906). Den Regeln nach verfügte die Titanic über ausreichend Rettungsboote sowie Offiziere und Besatzungsmitglieder. Die Ursache für den Untergang war die Kollision mit einem Eisberg. Außerdem hat das Schiff Californian die Raketen von der Titanic gesehen, aber keinen Rettungsversuch unternommen. Ferner gibt es, so die Untersuchung, keinen strukturellen Grund dafür, durch den die Mitglieder einer Klasse das Deck und die Rettungsboote mit geringeren Chancen erreicht hätten als Mitglieder einer anderen Klasse.
Darüber hinaus hatte die amerikanische Untersuchung betont, dass die Titanic weniger Plätze in Rettungsbooten als Passagiere und Crew hatte und dass nur wenige Rettungsboote voll besetzt waren, als sie heruntergelassen wurden. Weiters fehlte es an Marconi coverage. Sie bemängelte ferner, dass es keine Konferenz der Schiffsführung gab, um die Eiswarnungen auszuwerten. Es wurde nur dem Ausguck gesagt, dass er gut nach Eis Ausschau halten solle.
Ansprüche der Opfer und Hinterbliebenen
Die beiden Untersuchungen haben sich nicht mit den Ansprüchen der Geschädigten beschäftigt: Überlebende hatten oftmals ihr ganzes Hab und Gut verloren, sie und andere Angehörige hatten oft keinen Brotverdiener mehr. Da das britische Board of Trade meinte, dass die White Star Line keinen Fehler gemacht habe, richteten sich die Hoffnungen der Geschädigten an amerikanische Gerichte. Immerhin war New York der Zielort des Schiffes und das Schiff im Eigentum von Amerikanern.
Ein New Yorker Gericht, das britisches Recht anwendete, sprach der White Star Line zunächst den Bergungswert zu (für die gesicherten Rettungsboote der Titanic). Sie musste aber 97.772,02 Dollar für die Rettung und den Transport der Überlebenden zahlen. Die Geschädigten wiederum forderten insgesamt 16.804.112 Dollar für die Verluste an Gut und Leben. Im Juli 1916 einigten sich Geschädigte und White Star Line auf einen Vergleich. Die Gesamtsumme betrug nur 665.000 Dollar; die meisten Geschädigten erhielten daher viel weniger als gefordert. Außerdem konnten sie künftig keine weiteren Ansprüche geltend machen.
Eiswarnungen
Kapitän Edward Smith von der Titanic wusste bei der Fahrt in den Atlantik, dass es in jenem Jahr relativ viele Eisberge gab, und dass sie relativ weit südlich drifteten. Er erhielt mehrere Eiswarnungen, so schon am 12. April vom Schiff La Touraine. Es kam später sogar die Vermutung auf, Smith habe wegen der Eiswarnungen bewusst einen noch südlicheren Weg einschlagen lassen als für Fahrten im April vorgesehen. Neueren Berechnungen zufolge hat Smith sich aber tatsächlich an die ursprüngliche Route gehalten; die Titanic drehte fast genau am Korrekturpunkt The Corner nach Westen.
Am Unglückstag, den 14. April, erhielt die Titanic über Funktelegramme mehrere Eiswarnungen. Darin werden außer See-Eis oder Feldeis Eisberge und growler vermeldet, das sind kleinere, flache Eisstücke, die nur wenig aus dem Wasser ragen. Versehen waren die Warnungen mit Positionsangaben des Schiffes, das die Meldung gemacht hat, oder mit geschätzten Positionen des gesichteten Objekts:
- 09:12 Uhr von der Caronia: „West bound steamers report bergs, growlers, and field-ice [...]“ (nach Westen fahrende Dampfer berichten von Eisbergen, growlers und Feldeis)
- 11:47 Uhr von der Noordam vermittels der Caronia: „Much ice reported [...]“ (viel Eis gemeldet)
- 13:49 Uhr von der Amerika (von der Titanic an das Hydrografische Amt in Washington vermittelt): „Amerika passed two large icebergs [...]“ (Die Amerika ist an zwei großen Eisbergen vorbeigefahren)
- 13:54 Uhr von der Baltic: „Greek steamer Athinai reports passing icebergs and large quantitites of field ice today [...]“ (Der griechische Dampfer Athinai berichtet, dass er heute an Eisbergen und großen Mengen an Feldeis vorbeigefahren ist.)
- 19:37 Uhr von der Californian (an die Antillian gerichtet, von der Titanic empfangen): „Three large bergs five miles to southward of us.“ (Drei große Eisberge fünf Meilen südlich von uns.)
- 21:52 Uhr von der Mesaba: „[...] saw much heavy pack ice and great number large icebergs, also field ice. Weather good, clear.“ (Sah viel schweres Packeis und eine große Anzahl großer Eisberge, auch Feldeis. Wetter gut, klar.)
- 22:05 Uhr von der Californian: „Say old man, we are stopped and surrounded by ice.“ (Hallo alter Mann, wir wurden von Eis gestoppt und umgeben.)
Die einzelnen Eiswarnungen wurden unterschiedlich behandelt, mal wurden sie direkt an die Brücke weitergegeben, mal nicht. Es war auf der Titanic nicht üblich, über Funk eingegangene Eiswarnungen systematisch zu sammeln. Selbst Kapitän Smith hat die Mehrzahl nicht gesehen. Für ihn und die übrige Schiffsführung waren Funktelegramme eine technische Neuigkeit, eine Spielerei, und nicht so sehr ein wichtiges Hilfsmittel für die Navigation. Der Sachbuchautor Walter Lord hält es jedoch für bestürzend, wie wenig die Schiffsführung sich für die Eiswarnungen interessiert hat. Sie ging eben davon aus, dass man einen Eisberg bei klarer Nacht rechtzeitig entdecken würde.
Verhalten von J. Bruce Ismay
Der britische Geschäftsmann Joseph Bruce Ismay war der Sohn des Gründers der White Star Line, zu der die Titanic gehörte. Ismay war der managing director und fuhr auf der Jungfernfahrt mit, die er überlebte. Aus mehreren Gründen geriet er nach dem Unglück in die Kritik:
- Er war am Bau der Titanic beteiligt gewesen und hat die Bauzeichnungen verantwortet. Vor der britischen Untersuchungskommission sagte er aus, er erinnere sich daran, die Bauzeichnungen gesehen zu haben, er habe aber kein Konzept gesehen, nach dem die Titanic vierzig Rettungsboote (wie von Carlisle vorgeschlagen) haben sollte.
- Er hatte die Katastrophe überlebt, nach eigenen Angaben, nachdem er anderen Passagieren in Boote geholfen habe. Sein Boot war das letzte. Es befanden sich aber, so die Kritik, zu diesem Zeitpunkt noch Frauen und Kinder auf der Titanic. Außerdem sahen Kritiker den Reederei-Manager in einer ähnlich gehobenen Position wie der Kapitän, der schließlich mit dem Schiff unterging.
- Vor allem habe er direkt oder indirekt Einfluss auf Kapitän Smith oder andere Schiffsführer genommen. Seinetwegen sei die Titanic trotz Eisbergwarnungen, die auch Ismay bekannt waren, zu schnell gefahren.
Ismay selbst stellte sich bei den Untersuchungen betont als einfachen Passagier dar, der aus Neugierde und Interesse am Schiff mitgefahren sei. Auf Nachfrage räumte er ein, für sein Ticket nicht bezahlt zu haben. Ismay behauptete des Weiteren, keinen Kontakt mit Smith gehabt zu haben. Jedoch hat Ismay von Smith ein Marconigramm (mit Eiswarnung) der Baltic erhalten. Smith habe nichts dazu gesagt, und ebenso stumm habe Ismay einen flüchtigen Blick darauf geworfen, bevor er es gedankenverloren in seine Tasche gesteckt habe. Ismay zeigte es später zwei weiblichen Passagieren und gab es Smith mehrere Stunden später zurück. Auf Nachfragen erklärte Ismay, Smith habe ihm das Marconigramm rein zur Informationszwecken gegeben, wie auch andere, unwichtige Mitteilungen. Weil er sich mit Längen- und Breitengraden nicht auskenne, habe er die Bedeutung des Marconigramms nicht verstanden. Ismay sagte ferner aus, dass er die Geschwindigkeit der Titanic nicht gekannt habe.
Die britische Untersuchungskommission stellte daraufhin die Frage, warum Smith Ismay das Marconigramm überhaupt gezeigt hat, wenn es nicht um Fragen der Geschwindigkeit ging. Ismay selbst gab an, dass er zumindest mit dem Leitenden Ingenieur Joseph Bell in Queenstown über den Kohlevorrat und die Geschwindigkeit der Titanic gesprochen habe. Die Kommission ging davon aus, dass ein Mann in der Position von Ismay allein schon durch seine Anwesenheit Druck auf die Schiffsführung ausübt.
In Zivilklagen ab 1913 wurden weitere Zeugen befragt. Elizabeth Linen sagte aus, am Tag vor dem Unglück habe sie im Speisesaal ein Gespräch von Smith und Ismay gehört. In einem diktatorischen Ton habe Ismay gesagt, dass die Titanic schneller als die Olympic sein werde und New York schon am Dienstag (statt am Mittwoch) erreichen werde. Emily Ryerson sagte, sie sei gemeinsam mit Marian Thayer auf dem Deck von Ismay angesprochen worden. Er habe gesagt, dass man nun zwischen den Eisbergen sei und Abends ein paar weitere Kessel befeuern werde. Die Haltung Ismays sei die einer Autoritätsperson und eines Schiffseigners gewesen, dessen Wort Gesetz sei. Die Literaturwissenschaftlerin Wilson interpretiert Ismays Verhalten gegenüber Marian Thayer als Begeisterung für das neue Medium Marconigramm, vergleichbar einem Mann in späteren Zeiten, der sein neues Handy vorzeigt.
Lord Mersey meinte am Ende der britischen Untersuchung, dass Ismay anderen geholfen habe, ins Boot zu gelangen, und als niemand mehr in der Nähe war, stieg er selbst hinein. Sonst hätte nur ein weiterer Name auf der Liste der Toten gestanden. Ismay verließ am 30. Juni 1913 die Spitze der White Star Line sowie der Muttergesellschaft IMM. Das war lange vorher so geplant gewesen; er änderte kurzfristig noch seine Meinung und wollte Chef der White Star Line bleiben, doch dies wurde abgelehnt. Er nahm weniger als vor dem Unglück am gesellschaftlichen Leben teil, blieb aber geschäftlich aktiv. Er gab auch Geld für Wohltätigkeit aus; für die Witwen von Seeleuten der Titanic spendete er 50.000 Pfund.
Verhalten von Edward Smith
Edward John Smith war mit 62 Jahren ein erfahrener, aber auch schon älterer Kapitän (bei der Cunard Line lag die Pensionsgrenze bei 60 Jahren). Späteren Gerüchten zufolge sollte die Jungfernfahrt der Titanic Smiths letzte Reise als Kapitän vor seinem Ruhestand werden. Andere Quellen sprechen davon, dass er noch auf der künftigen Britannic fahren sollte. Dann wäre Smith aber schon 64 oder 65 Jahre alt gewesen. Am 6. Juni 1911, also vor dem Unglück, schrieb die New York Times, dass Smith Ende 1911 in den Ruhestand treten würde. Anscheinend wurde dies um einige Monate verlängert, damit er die Titanic befehligen konnte. Man kann dies als Ehrung der White Star Line für Smith ansehen, aber die Eigner stellten damit auch sicher, dass ein erfahrener Kapitän für die Jungfernfahrt zur Verfügung stand.
Unabhängig von der Anwesenheit Ismays war Smith der verantwortliche Master des Schiffes Titanic. Dave Gittins schließt sich dem Urteil der amerikanischen und der britischen Untersuchung an, dass die überhöhte Geschwindigkeit der Titanic ihr fatal wurde. Die Eiswarnungen wurden nicht gemeinsam mit den Offizieren besprochen, und die Durchführung der Evakuierung verlief chaotisch. Fitch, Layton und Wormstedt wiederum lehnen das populäre Bild eines schwachen Führers ab. Smith habe trotz seines Alters sehr proaktiv gehandelt. Seine Handlungen hätten zur Rettung vieler Menschen beigetragen. Er war nach dem Zusammenstoß in kürzester Zeit auf der Brücke und ließ den Zustand des Schiffs untersuchen. Noch kurz vor dem Sinken hat er Befehle erteilt.
Halpern stellt fest, dass Smith trotz Eiswarnungen weder die Geschwindigkeit gedrosselt noch einen südlicheren Kurs eingeschlagen hat. Es gäbe keinen Beweis, dass Smith sich von Ismay in ungebührlicher Weise habe beeinflussen lassen, wenngleich die beiden durchaus die Fahrt besprochen haben. Am Samstag Nachmittag dachten sie, dass das Schiff den Rekord innerhalb der White Star Line brechen konnte. Als erfahrener Kommandant habe Smith aber auch gewusst, dass Nebel oder andere Gründe die Fahrt verlangsamen konnten. Der Praxis der Zeit entsprechend glaubte die Schiffsführung, dass der Ausguck unter den Wetterbedingungen der klaren Nacht einen Eisberg früh genug entdecken würde. Smith dürfte nicht davon ausgegangen sein, ein höheres Risiko als andere Kapitäne einzugehen. „Die folgenden Ereignisse der Nacht sollten beweisen, dass die Praxis unvernünftig war,“ so Halpern.
Walter Lord wirft Smith vor, dass die Titanic unter seinem Regime kein System hatte, Funknachrichten zur Navigation zu sammeln und auszuwerten. Obwohl schon 1909 der Fall der sinkenden Republic gezeigt habe, wie wichtig Funk im Notfall ist, habe die Schiffsführung im Funk keine dauernde Hilfe für die Navigation gesehen. Und was die Geschwindigkeit angeht, habe Smith wohl nicht anders als andere Kapitäne gehandelt, die den Fahrplan einhalten wollten. Doch seit dem Unglück der Arizona 1879 hätte man wissen können, dass auch in klaren Nächten Eis nicht so rasch gesehen wird wie angenommen.
Verhalten der Besatzung der Californian
Nach heutigem Wissen war die Californian dasjenige Schiff, das der sinkenden Titanic am nächsten war. Unabhängig von der Frage, wo sich die Californian damals genau befunden hat und wie man jede einzelne Sichtung in der Unglücksnacht interpretiert: Besatzungsmitglieder der Californian haben zugegeben, dass sie Raketen von einem Schiff gesehen haben. Kapitän Stanley Lord bzw. seinem Vertreter auf der Brücke wurde folglich vorgeworfen, trotzdem keine angemessenen Schritte eingeleitet zu haben. Nach der Ankunft in Amerika hat Lord zunächst sämtliche Sichtungen in der Unglücksnacht verschwiegen und sich geweigert, die damalige Position seines Schiffes zu nennen. Lord litt bis an sein Lebensende schwer unter den Vorwürfen, die auch in anerkannter Sachliteratur und über den Spielfilm Die letzte Nacht der Titanic (1958) verbreitet wurden. Manche Autoren wiederum haben versucht, Lord zu entlasten; sie werden zuweilen Lordites genannt.
Nach der ersten Rakete hatte der wachhabende Offizier Stone noch gemeint, es habe sich vielleicht um eine Sternschnuppe gehandelt. Solche hatte er zuvor bereits gesehen. Danach wurde deutlich, dass die weißen Raketen von einem Schiff stammten. Es gab auf der Californian keine einhellige Meinung, was die Raketen zu bedeuten hatten. Damals waren Raketen kein allgemein vereinbartes Zeichen für einen Notruf; erst 1948 wurde vereinbart, dass dazu rote Raketen dienen sollten. Die Tatsache, dass die Titanic nur weiße Raketen dabei hatte, ist also unbedeutend. Gegenüber der britischen Untersuchung gab Stone später zu, dass er sich dessen bewusst war, dass Raketen nachts auf hoher See wohl nicht einfach zum Spaß abgefeuert werden.
Mehrfach hat die Californian per Morse-Lampe versucht, das fremde Schiff zu kontaktieren. Es gab keine Reaktionen; Morse-Lampen sind nicht so weit sichtbar wie Raketen. Die Schiffsführung habe dann versäumt, so die Kritik, den Funker Cyril Evans zu wecken. Dieser hätte versuchen sollen, Kontakt herzustellen oder relevante Nachrichten zu empfangen. Gegen 02:05 Uhr Schiffszeit (etwa 02:17 Uhr Schiffszeit der Titanic) war das fremde Schiff nicht mehr zu sehen. Gegen 03:20 Uhr sah man auf der Californian wieder Raketen am Horizont (vermutlich von der Carpathia auf der Suche nach Überlebenden), wenngleich keine Schiffslichter mehr. Die Californian wurde wieder nicht aktiv. Erst um etwa 05:00 Uhr berichtete man Lord von diesen Raketen. Lord ließ den Funker Evans wecken, der von der Mount Temple erfuhr, dass die Titanic verunglückt war. Nach einer Bestätigung durch ein weiteres Schiff um 06:05 Uhr ließ Lord die Californian durch das Eisfeld in Richtung der (falschen) Positionsangabe der Titanic fahren. Später fuhr Lord Richtung Carpathia und erreichte sie um 08:30 Uhr.
Ob die Californian mehr Menschen als die Carpathia (oder überhaupt jemanden) hätte retten können, muss offen bleiben. Samuel Halpern hat sich ein fiktives Szenario überlegt, in dem Stone nach Sichtung der zweiten Rakete (ca. 00:50 Uhr Bordzeit) Kapitän Lord herbeigerufen hätte. Lord hätte mit eigenen Augen eine weitere Rakete gesehen und vielleicht wie folgt gehandelt: Die Californian sollte sich in Richtung des anderen Schiffs drehen, halbe Fahrt voraus fahren, und der Funker geweckt werden. Dank Funk hätte Lord dann den Notruf erhalten, aber mit einer verwirrenden (da falschen) Positionsangabe der Titanic: Die Californian sah Raketen von Südost her, die angegebene Position befand sich aber südwestlich. Lord hatte das fremde Schiff auch eher für ein kleineres Schiff und nicht für die Titanic gehalten. Auf Anfrage hätte Kapitän Smith rasch über Funk bestätigt, dass die Raketen von der Titanic stammen und dass Lord den Raketen folgen und die Positionsangabe ignorieren solle. Doch erst, nachdem die Californian selbst Raketen abgeschossen und Smith deren Sichtung von der Titanic aus bestätigt hätte, wäre Lord entschlossen zur Titanic geeilt.
Halpern vermutet, dass die Californian ungefähr zum Zeitpunkt des Sinkens bei der Titanic eingetroffen wäre. Das Abstoppen der Californian und das Zuwasserlassen von Rettungsbooten hätte Zeit gekostet. Eventuell hätten Menschen noch lebend aus dem kalten Wasser geholt werden können, vielleicht hundert. Dazu hätten jedoch alle Faktoren günstig ausfallen müssen; so hätte die Californian beispielsweise selbst keinen Eisberg rammen dürfen. Halpern betont, dass Rettungsoperationen auf offener See in einer mondlosen Nacht außerordentlich schwierig seien. Er meint aber, Kapitän Lord hätte proaktiv sein müssen. Stattdessen hätten die Menschen auf der Californian einfach nur Rakete nach Rakete beobachtet.
Marriott urteilt ähnlich: „Ich glaube nicht, dass eine vernünftigerweise denkbare Handlung von Kapitän Lord zu einem anderen Ergebnis der Tragödie geführt hätte. Dies ändert natürlich nicht die Tatsache, dass der Versuch hätte gemacht werden sollen.“ Fitch, Layton und Wormstedt bedauern, dass Lord zum Sündenbock gemacht worden sei, obwohl dieser keine Schuld am eigentlichen Unglück gehabt habe. Dennoch bleibe es eine Tatsache, dass die Besatzung der Californian von Raketen gewusst und nichts unternommen, sondern ihre Sichtung später zunächst verschwiegen hat.
Wrack
Entdeckung
Jean-Louis Michel und Robert Ballard führten 1985 eine Expedition durch, um mittels eines speziellen, mit Sonar und Kameras ausgestatteten Gerätes namens Argo, das mit Hilfe eines Verbindungskabels nahe über den Ozeanboden geschleppt wurde, das Wrack der Titanic zu finden. Nach Aussage Ballards wurde die Expedition von der United States Navy finanziert, für die er im Gegenzug unter dem Deckmantel der Suche nach der Titanic zunächst die beiden gesunkenen U-Boote Thresher und Scorpion lokalisierte. Am 1. September 1985 wurde schließlich das Wrack der Titanic entdeckt. Es befindet sich auf 41° 43′ 55″ N, 49° 56′ 45″ W , 21,71 Kilometer ostsüdöstlich der im Notruf angegebenen Position in einer Tiefe von 3803 Metern. Dort beträgt der Wasserdruck etwa das 380fache des normalen atmosphärischen Drucks. Im August 1986 unternahm Ballard dann mit dem Forschungs-U-Boot Alvin eine erste bemannte Erkundung des Wracks, der noch viele weitere Unternehmungen durch andere Parteien folgen sollten. Dabei wurden neben der Untersuchung des Wracks auch zahlreiche Artefakte geborgen.
Drei große Teile des Schiffsrumpfes (Bugteil, ein Mittelstück von etwa 20 Metern Länge und das Heckteil) sind auf dem Meeresboden von einem Trümmerfeld umgeben. Zwischen Bug- und Heckteil liegen auf einer Länge von rund 600 Metern lediglich Trümmer. Der vordere Teil ist bis zur Bruchstelle relativ gut erhalten. Das Heck dagegen ist durch die schnelle Flutung und letztlich beim Aufprall auf dem Meeresboden stark zerstört worden. Die imposanten Kronleuchter in den großen Hallen der Ersten Klasse haben den Untergang dagegen fast unversehrt überstanden, wie auch Geschirr, Holzvertäfelungen und Spiegel.
Vor Gericht wird bis heute über die Rechte an den Wrackteilen und Artefakten gestritten. Einige von der Titanic geborgene Stücke sind im National Maritime Museum in Greenwich (London) ausgestellt, einige Gegenstände werden in Frankreich bewahrt. Insgesamt wurden über 5500 Artefakte und Wrackteile der Titanic geborgen.
Für Privatpersonen werden durch verschiedene Unternehmen kommerzielle Tauchfahrten zum Wrack angeboten. Im Juni 2023 sank das U-Boot Titan des Veranstalters OceanGate, das eine solche Tauchfahrt durchführte, wobei alle fünf Insassen ums Leben kamen.
Rechtlicher Status
Am 7. Juni 1994 sprach das zuständige Bundesbezirksgericht des US-Bundesstaats Virginia dem Unternehmen „RMS Titanic Inc.“ das ausschließliche Eigentums- und Bergungsrecht am Wrack der Titanic zu.
RMS Titanic Inc., eine Tochterfirma der US-Aktiengesellschaft Premier Exhibitions Inc., sowie ihre Vorgängerinnen hatten zwischen 1987 und 2004 sieben Expeditionen durchgeführt und über 5500 Objekte geborgen. Das größte einzelne geborgene Objekt war ein 17 Tonnen schwerer Abschnitt der Außenhaut, der 1998 gehoben wurde.
Viele dieser Fundstücke werden auf Wanderausstellungen der Gesellschaft gezeigt, die neben den exklusiven Bergungsrechten an der Titanic auch das Eigentum am Wrack der Carpathia besitzt. Die Carpathia hatte die Überlebenden der Titanic aufgenommen und war im Ersten Weltkrieg von dem deutschen U-Boot U 55 versenkt worden.
Bereits 1987 hatte eine amerikanisch-französische Expedition unter Beteiligung einer Vorgängergesellschaft der RMS Titanic Inc. mit der Bergung von Teilen des Titanic-Wracks und seiner Ladung begonnen und während insgesamt 32 Tauchoperationen etwa 1800 Fundstücke geborgen und zur Konservierung und Restaurierung nach Frankreich gebracht. 1993 hatte die Abteilung für Maritime Angelegenheiten im französischen Ministerium für Ausrüstung, Transport und Tourismus der Vorgängerin der RMS Titanic Inc. den Eigentumstitel an den 1987 geborgenen Fundstücken zugesprochen. Kleinere Stücke Kohle aus der Titanic wurden in Kunststoff eingeschweißt und verkauft.
In einem Antrag vom 12. Februar 2004 beantragte RMS Titanic Inc., dass das Bundesbezirksgericht von Virginia der Firma einen Rechtstitel an allen Fundstücken (einschließlich Teilen des Schiffsrumpfes) aussprechen möge, die dem Fundrecht unterliegen, oder ihr alternativ eine Bergungsprämie in Höhe von 225 Millionen US-Dollar zusprechen solle. RMS Titanic Inc. schloss von diesem Antrag gezielt die Fundstücke von 1987 aus, beantragte jedoch, dass das Bezirksgericht den französischen Eigentumstitel „ausdrücklich“ (expressis verbis) anerkennen solle. Nach der Anhörung lehnte das Gericht am 2. Juli 2004 sowohl die Anerkennung des französischen Eigentumstitels für die Fundstücke von 1987 als auch das Zugeständnis eines Eigentumstitels auf die ab 1993 geborgenen Fundstücke auf der Grundlage des maritimen Finderrechts ab.
RMS Titanic Inc. legte daraufhin Berufung beim zuständigen US-Berufungsgericht ein. In seiner Entscheidung vom 31. Januar 2006 erkannte das Berufungsgericht „ausdrücklich die Anwendbarkeit des maritimen Bergungsrechts auf historische Wracks wie das der Titanic“ an und lehnte die Anwendbarkeit des maritimen Finderrechts ab. Das Gericht urteilte weiterhin, dass das Distriktsgericht keine Jurisdiktion über die „Fundstücke von 1987“ habe, und hob das Urteil vom 2. Juli 2004 insofern auf. Mit anderen Worten bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts den in der französischen Entscheidung zugesprochenen Eigentumstitel, der in einem früheren Gutachten mit 16,5 Millionen US-Dollar bewertet worden war. Außerdem wurde damit RMS Titanic Inc. nun von höchster Stelle „expressis verbis“ das exklusive Bergungsrecht am Wrack der Titanic bestätigt.
Das Berufungsgericht verwies den Fall mit diesen Klärungen zurück an das Distriktsgericht mit der Maßgabe, dass dieses die Höhe der Bergungsprämie bestimme, auf die RMS Titanic Inc. nach maritimem Bergungsrecht Anspruch hat. Die Firma hatte einen Betrag in Höhe von 225 Millionen US-Dollar gefordert, bekam diese Summe aber bisher nicht zugesprochen. Der durch ein Gutachten geschätzte Gesamtwert der bisher gesicherten Fundstücke liegt bei über 70 Millionen US-Dollar.
Seit dem 15. April 2012 ist das Wrack in der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser aufgenommen.
Zustand und Zukunft des Wracks
Wie in jüngsten Aufnahmen zu sehen ist, hat die Natur vollständig Besitz vom Wrack der Titanic ergriffen. Die Deckplanken und etliche andere Holzausstattungselemente sind teilweise schon zersetzt. Dasselbe wird langfristig auch dem gesamten Schiffswrack prophezeit: Wie Untersuchungen ergaben, ist das Wrack im Begriff, von Eisenbakterien vollständig aufgelöst zu werden. Schätzungen Ende der 1980er Jahre sagten zu diesem Zeitpunkt eine Zeitspanne von höchstens 50 Jahren bis zum vollständigen Zerfall des Wracks voraus. 1995 wurden noch etwa 30 Jahre in Aussicht gestellt. Bei Tauchfahrten im Jahr 2003 wurde festgestellt, dass das metallene Grundgerüst der großen Treppe auseinandergebrochen und im Treppenschacht nach unten gefallen ist. 2010 kartographierte die US-Meeres-und-Wetter-Behörde (National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA) das Trümmerfeld und stellte fest, dass der Prozess wesentlich langsamer verläuft als angenommen. Das gab James Delgado, der Leiter des Programms für Kulturstätten im Meer der NOAA, 2012 bekannt. Die Experten gehen davon aus, dass sich das Wrack noch Jahrzehnte halten werde. Ein größeres Problem ist moderner Müll – das Trümmerfeld wird von Abfall kontaminiert, der von die Untergangsstelle passierenden Schiffen über Bord geworfen wird. Ebenso haben Wracktouristen Plastikblumen und andere Andenken hinterlassen. Zum 100. Jahrestag des Untergangs stellte die UNESCO 2012 das Wrack offiziell unter Schutz.
Im Jahr 2010 wurde an einem Rusticle vom Wrack der Titanic die bis dahin unbekannte Bakterienart Halomonas titanicae entdeckt, die nach ihrem Fundort benannt wurde.
Im Mai 2023 wurden 3D-Aufnahmen des Wracks veröffentlicht, die das Schiff in seiner Gesamtheit zeigen und neue Einblicke bieten. Die Bilder stammen vom Sommer 2022 von Tauchbooten eines Kartografie-Unternehmens, die in 200 Stunden mehr als 700.000 Bilder aus allen Winkeln aufnahmen. Diese zeigen das Schiff in hoher Auflösung, einschließlich Details wie die Seriennummer an einem Propeller oder den Funkraum.
Streitfragen, Irrtümer und Legenden
Über die Titanic gibt es eine große Menge an Sachliteratur, Bildern, Filmmaterial und fiktionalen Darstellungen. Sowohl in fiktionalen wie auch in nichtfiktionalen Werken finden sich Fehler, Übertreibungen oder Legenden. Allgemein können Autoren sich irren oder die Materie unzureichend kennen. Manche Erkenntnisse werden durch neuere Erkenntnisse ersetzt (etwa nach dem Fund des Wracks). Sogar der Bericht der britischen Untersuchung war davon ausgegangen, dass die Titanic beim Sinken nicht auseinandergebrochen sei. Mit ein Grund für diese falsche Annahme waren widersprüchliche Zeugenaussagen.
Allerdings können falsche Aussagen auch von der Sensationslust des Autors (und des Publikums) herrühren. Eine sachliche Darstellung, die von einem bloßen Unglück ausgeht, findet vielleicht weniger Beachtung als eine skandalisierende und moralisierende Darstellung oder gar eine Verschwörungserzählung. Davon abgesehen handelt es sich um ein komplexes Thema, zu dem nicht alle relevanten Fakten vorliegen, so dass Streitfragen auch heute noch offen sein können.
Eine Quelle für Fehler und Übertreibungen waren bereits die Zeitungsartikel, die direkt nach dem Untergang entstanden sind. Sie beruhten teilweise auf Gerüchten oder der Fantasie von Überlebenden oder auch nur der Journalisten. Ein sehr offensichtliches Beispiel ist der Artikel mit der Schlagzeile „Alle gerettet“. Andere Irrtümer wurden von Romanen und Filmen (weiter) verbreitet.
Auch historische und nachträglich entstandenes Bildmaterial kann problematisch sein. Auf Zeichnungen wurde der Untergang oftmals besonders spektakulär dargestellt. In Fernsehdokumentationen werden oft andere Schiffe als die Titanic gezeigt: Manchmal handelt es sich um das Schwesterschiff Olympic, nicht selten aber um einen beliebigen anderen Dampfer mit vier Schornsteinen, zum Beispiel die Lusitania. Gerade Spielfilme können falsche Vorstellungen vermitteln, weil sie reale Ereignisse mit fiktionalen Elementen vermischen. Diese Mischung und auch die Unsicherheit mancher Erkenntnisse wird im Film nicht thematisiert und bleibt durch die Eindrücklichkeit des Mediums Film in der Erinnerung der Zuschauer.
Größtes Schiff der Welt
Es ist durchaus korrekt zu sagen, dass die Titanic zu ihrer (kurzen) Zeit das größte Schiff der Welt war. Damit löste sie ihr Schwesterschiff ab, die Olympic aus dem Jahr 1911. Zwar waren beide Schiffe baugleich und daher gleich lang, breit und hoch. Jedoch waren bei der Titanic das A-Promenadendeck nicht offen, sondern zur Hälfte verglast, und ein Bereich des B-Decks mit größeren Kabinen versehen. Folglich war bei der Titanic etwas mehr Raum umbaut und das Gesamtgewicht etwas höher, so dass sie rechnerisch als das größere Schiff galt. Sie wirkte aber zum Beispiel aus der Ferne nicht größer als ihr Schwesterschiff. Nach dem Untergang der Titanic war dann die Olympic wieder das größte Schiff der Welt.
Die Größenangaben können sich je nach Quelle unterscheiden. Die Verdrängung (displacement) wird meist mit 53.310 Tonnen bei 34 Fuß angegeben, in manchen Werken aber auch mit 66.000 Tonnen. Dazu hätte man das Schiff aber exzessiv beladen müssen. Die Berechnung hängt sowieso von einigen Faktoren ab. In Sachen Verdrängung gab es keinen Unterschied zwischen Olympic und Titanic, wohl aber bei der groß registered tonnage, einem heute veralteten Maß. Dabei geht es um den umschlossenen Raum. Die Titanic (46.328,54 Tonnen) war wegen einiger Anpassungen um 1.004 Tonnen größer als die Olympic. Allerdings: Später wurde wiederum die Olympic verändert, so dass sie die bereits versunkene Titanic um 111 Tonnen übertraf. (Zum Vergleich der Stolz der Cunard-Linie: Lusitania 31.440,47 Tonnen, Mauretania 31.937,69 Tonnen.)
Als die Titanic in See stach, war bereits bekannt, dass der deutsche Imperator am 23. Mai 1912 vom Stapel laufen werde. Ein Jahr später nahm er den Dienst auf und war dann das größte Schiff mit 52.117 Tonnen. Schon 1914 wurde er von seinem Schwesterschiff Vaterland abgelöst: Dieses Schiff hatte eine Tonnage von 59.956 Tonnen.
Heutzutage ist die Titanic weit von den größten Schiffen der Welt entfernt: Ein Kreuzfahrtschiff wie die Wonder of the Seas (von 2022) ist der Vermessung nach etwa fünfmal so groß wie die Titanic. In Bezug auf die Länge über alles übertrifft sie die Länge der Titanic (269 Meter) mit nochmals rund 100 Metern.
Größtes Schiffsunglück der Geschichte
Beim Untergang der Titanic im April 1912 starben etwas mehr als 1500 Menschen. Im 20. Jahrhundert waren bis dahin höchstens 1021 Todesopfer bei einem einzigen Untergang zu beklagen gewesen, nämlich beim Raddampfer General Slocum (1904). Zuvor hatte es im Jahr 1822 die Katastrophe der Tek Sing gegeben, als vermutlich 1600 Menschen umgekommen sind, und im April 1865 sank die Sultana am Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs durch eine Kesselexplosion (1167 Todesopfer).
Über 1000 Menschen sind im September 1912 gestorben, als das japanische Passagierschiff Kiche Maru bei einem Sturm gesunken ist. Von diesem Taifun waren hunderte Schiffe betroffen. Im Mai 1914 sank in Kanada die Empress of Ireland mit 1012 Todesopfern.
Wesentlich mehr Menschen sind bei Schiffskatastrophen im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Die Schiffe hatten Truppen transportiert oder Flüchtlinge aufgenommen. Zu erwähnen ist hier etwa das sowjetische Schiff Armenija, das am 7. November 1941 von deutschen Flugzeugen versenkt wurde (5000 bis 7000 Tote). Gegen Ende des Krieges starben unter anderem Flüchtlinge auf den deutschen Schiffen Wilhelm Gustloff (30. Januar 1945, bis zu 9300 Tote), Goya (16. April 1945, bis zu 7000 Tote), Cap Arcona, 3. Mai 1945 (bis zu 4500 Tote).
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Katastrophe des chinesischen Passagierschiffes Kiang Ya ein Unglück mit 2750 bis 3920 Toten. Die meisten Todesopfer forderte im 20. Jahrhundert der Untergang der Doña Paz bei den Philippinen (20. Dezember 1987, 4386 Tote) und im 21. Jahrhundert das Unglück der Le Joola vor Senegal (26. September 2002, 1863 Tote).
Unsinkbarkeit
In Darstellungen nach der Katastrophe wird oftmals betont, dass die Titanic als unsinkbar bezeichnet worden sei. Diese Bezeichnung wirkt wie ein starker Kontrast zur bekannten Tatsache, dass das Schiff schon auf der ersten Fahrt untergegangen ist. Das Wort wird daher auch mehr oder weniger ironisierend verwendet, etwa im Musical-Titel The Unsinkable Molly Brown über eine Überlebende. Die angebliche Behauptung von der Unsinkbarkeit passt in ein Bild, nach welchem die Eigner und Schiffsführer der Titanic sich hochmütig auf die Technik verlassen haben – so etwa im Titanic-Roman von Josef Pelz von Felinau.
Tatsächlich spielte eine angebliche Unsinkbarkeit in der offiziellen Werbung der White Star Line keine große Rolle. Dieser Ausdruck wurde nur zweimal in Artikeln über das Schiff verwendet. Eingeschränkt wurde die Aussage mit „praktisch“ oder „so weit wie möglich“. In Anzeigen oder in Gesprächen zwischen Personal und Passagieren mögen die Einschränkungen weggefallen sein. Aber es war durchaus normal, dass Schiffe als (praktisch) unsinkbar bezeichnet wurden, so auch die Cunard-Schiffe Lusitania und Mauretania. Nach der Titanic-Katastrophe wurde die Olympic verbessert, und die Presse meinte, das Schiff habe die Unsinkbarkeit realisiert. Ähnlich wurde über das dritte Schwesterschiff gesprochen, die Britannic.
Unabhängig von Aussagen der Eigner oder der Schiffsführung galt ein Schiff wie die Titanic durchaus als sehr sicher. Das lag vor allem am System der Schotten, der Unterteilung des Schiffes in voneinander getrennte Abschnitte. Der Glaube an die (praktische) Unsinkbarkeit der Titanic mag dazu beigetragen haben, dass manche Passagiere in der Unglücksnacht den Ernst der Lage nicht erkannten und es ablehnten, ein Rettungsboot zu besteigen. Ferner wollten viele Menschen nach den ersten Berichten vom Unglück nicht glauben, dass die Titanic tatsächlich gesunken ist.
Geschwindigkeit und Blaues Band
Als die Titanic dem Eisberg begegnete, war sie fast mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Damals war es weit verbreitete Praxis, ein Gefahrengebiet zügig zu durchfahren, sofern keine unmittelbare Bedrohung erkennbar war. Trotzdem gab es Behauptungen, das Schiff sei zu schnell gefahren, oder es habe die Eisberg-Zone bewusst nicht südlich genug umfahren, weil der Kapitän möglichst schnell nach New York habe gelangen wollen. Dabei wird vor allem spekuliert, er oder Ismay von der Reederei habe das Blaue Band angestrebt, eine Auszeichnung für die schnellste Überquerung des Atlantiks.
Die Behauptung über das Blaue Band wurde schon auf der Carpathia als Gerücht gehört. Im deutschsprachigen Raum kennt man sie unter anderem durch einen deutschen Roman, Titanic von Josef Pelz von Felinau aus dem Jahr 1939. Auf Grundlage des Romans drehte man 1943 den nationalsozialistischen Propagandafilm Titanic. Auch eine Hörspielfassung erfreute sich großer Beliebtheit. Aber auch im amerikanischen Film von 1953 hört man, wie ein (namenloser) Vertreter der Reederei zum Kapitän sagt, das Unternehmen würde sich über einen Rekord auf der Jungfernfahrt freuen. Kapitän Smith antwortet, er werde die guten Maschinen des Schiffes nutzen.
Die Titanic-Passagierin Elizabeth Lines will am 13. April 1912 um die Mittagszeit ein Gespräch gehört haben, das Bruce Ismay und Kapitän Smith geführt haben sollen. Ismay habe den Kapitän mehr oder weniger angewiesen, im Durchschnitt schneller als das Schwesterschiff Olympic fahren. Dann könne man schon am Dienstagabend in New York eintreffen (statt planmäßig am Mittwochmorgen). Sollte dies alles zutreffen, hätte Smith höchstens versuchen können, das Schwesterschiff zu übertrumpfen. Tatsächlich war die Titanic auf gutem Weg, das Ambrose Light (bei New York) noch am Dienstag zu erreichen, wenn sie nicht gesunken wäre.
Für das Blaue Band hingegen war die Titanic gar nicht schnell genug. Denn diese Ehre gebührte seit 1909 der Mauretania von der Cunard Line, die 26,06 Knoten (48,26 km/h) schnell war (mit 50.000 kW auf vier Propeller). Die größere Titanic hingegen war langsamer und hatte weniger kräftige Maschinen (nur 37.500 kW bei drei Propellern).
Die Mauretania hatte für die Reise in westlicher Richtung nur vier Tage, zehn Stunden und 51 Minuten für die Überfahrt benötigt (von Queenstown zum Ambrose Light bei New York). Erst im Jahr 1929 wurde der Rekord von der Bremen (Norddeutscher Lloyd) übertroffen, die länger brauchte, aber eine etwas längere Strecke fuhr (ab Cherbourg). Zum Vergleich: Die Titanic hat Southampton am 10. April und Queenstown am 11. April 1912 verlassen und sollte planmäßig am 17. April in New York eintreffen.
Die White Star Line hatte sich bereits Jahre zuvor aus dem Rennen für das Blaue Band verabschiedet. Wichtiger war für sie der Reisekomfort, wie es auch dem Geschmack des Publikums entsprach. Die Deutschland, der Champion des Jahres 1900, wurde für die starken Vibrationen bekannt, welche von den Motoren bei voller Kraft erzeugt wurden. Sie verlor stark an Buchungen. Außerdem kostete eine schnellere Fahrt mehr Brennstoff, und die verkürzte Reisezeit bedeutete auch weniger Verdienst an Gastronomie und Unterkünften.
Bordzeit der Titanic
Wie auch andere Schiffe, die große Strecken zurücklegen, hatte die Titanic eine eigene Bordzeit, Apparent Time Ship (ATS). Aus zwei Gründen wird die Bordzeit in manchen Publikationen zum Thema gemacht. Einerseits haben die drei Untersuchungen nach dem Unglück jeweils eine andere Bordzeit definiert. Andererseits haben manche Autoren ein Motiv, die Bordzeit der Titanic als sehr verschieden von der Bordzeit der Californian zu definieren. Dadurch nämlich wird der (nicht unbedingt zwingende) Eindruck verstärkt, dass beide Schiffe auch weit voneinander entfernt lagen. Letzteres ist also ein Motiv derjenigen, welche Stanley Lord, den Kapitän der Californian, entlasten wollen; ihrer Meinung nach waren die beiden Schiffe so weit voneinander entfernt, dass sie nicht einander, sondern ein anderes Schiff gesichtet hätten.
Verglichen wird die Bordzeit der Titanic normalerweise mit der Zeit von Greenwich (GMT) und der von New York (GMT minus fünf Stunden). Meist konzentriert man sich auf den Unterschied zu New York, dem Zielhafen. Von Interesse ist die Bordzeit der Titanic am Unglückstag, Sonntag, den 14. April.
- Die amerikanische Untersuchung ging davon aus, dass die Bordzeit eine Stunde und 33 Minuten vor der von New York war. Ursprung dieser Ansicht war eine Funknachricht von der Carpathia am Montag. Die angenommene Titanic-Bordzeit wurde fälschlicherweise aufgrund der Position der Carpathia errechnet.
- Die britische Untersuchung wiederum glaubte an einen Unterschied von einer Stunde und 50 Minuten. Dies entsprach der Bordzeit der Californian. Aufgrund der berichteten Sichtungen der Unglücksnacht (wie die Zeit, als die Titanic Raketen abfeuerte) schlussfolgerte die Kommission, dass beide Schiffe dieselbe Zeit hatten. Tatsächlich aber hatte die Californian eine unterschiedliche Zeit, weil ihre Zeitberechnung von einer anderen Position abhing.
- Die Limitation of Liability Hearings (über die Haftung der White Star Line, 1915) sahen den Unterschied bei einer Stunde und 39 Minuten. Grundlage war die (falsche) Positionsangabe aus dem Notruf der Titanic. Die Anwälte der White Star Line nutzte dies für die entsprechenden Zeiten für den Zeitpunkt der Kollision und den des Untergangs, und die Untersuchenden hielten es nicht für nötig zu fragen, wie diese Zeiten berechnet wurden.
In der Forschung ist es heute weitgehend unstrittig, dass die tatsächliche Bordzeit der Titanic am 14. April zwei Stunden und zwei Minuten vor der von New York lag. Sie fuhr auf ihrer Reise von Ost nach West durch mehrere Zeitzonen und hat jeden Tag ihre Bordzeit neu definiert. Ein Offizier der Titanic setzte die Uhr auf der Brücke jeweils gegen Mitternacht um eine bestimmte Zeit zurück. Ziel war es, dass am darauf folgenden Mittag die Uhr 12:00 Uhr anzeigt, wenn die Sonne im Zenit steht. Dafür berechnete er anhand der Geschwindigkeit und des Kurses, wo sich das Schiff mittags vermutlich befinden werde. Das entsprach allgemeinen Regeln, und so wurde es zum Beispiel auch in einem Prospekt der White Star Line 1924 erklärt.
Am 10. April von Southampton kommend nutzte die Titanic zunächst die GMT von Greenwich und wechselte in der Nacht auf die Dublin Mean Time, der (bis 1916) für Irland geltenden Sonderzeit. Die Borduhren wurden entsprechend um 25 Minuten zurückgesetzt. In der Nacht vom 11. auf den 12. April wechselte man von der Dublin Mean Time auf eine eigene Bordzeit (ATS), indem man 59 Minuten abzog. Vom 12. auf den 13. April zog man für die Bordzeit 49 Minuten ab. In der Nacht zum Sonntag, den 14. April, waren die Borduhren um 45 Minuten zurückgesetzt worden. Am Sonntag war die Bordzeit daher GMT-02:58 (Greenwich) und NYT+02:02 (New York). Wegen des Unglücks hat man in der Nacht auf Montag die Uhren nicht mehr angepasst. Sämtliche Zeitangaben aus der Unglücksnacht beziehen sich also auf die Bordzeit von Sonntag. Bestätigt wird dies durch
- Halperns Rekonstruktion der Reise der Titanic, anhand der Route, der pro Tag zurückgelegten Strecken und der Zeit- und Positionsangabe beim Funkkontakt mit der La Touraine,
- der zeitlichen Einordnung von Zeugenaussagen beispielsweise über den Zeitpunkt der Kollision (Albert Haines, boatswain's mate, zufolge zwanzig Minuten vor 00:00 Uhr),
- oder auch eine Aussage des Funkers Bride in der amerikanischen Untersuchung: Die Frage, ob der Unterschied zu New York eine Stunde 55 Minuten betragen habe, korrigierte Bride mit: „about 2 hours“ (etwa zwei Stunden). Im Funkraum gab es nämlich sowohl eine Uhr mit New Yorker Zeit als auch eine mit der Bordzeit, die mit der Uhr auf der Brücke automatisch synchronisiert wurde (Magneta-System).
Bereits 1960 hat Leslie Harrison die Bordzeit der Titanic korrekt angegeben, wonach der Unterschied zur Californian nur 12 Minuten betrug. Dies passt zu der Annahme, dass die Californian in der Unglücksnacht tatsächlich die Titanic gesehen hat, obwohl Harrison pikanterweise ein Anhänger von Kapitän Lord war.
Bunkerfeuer
Einige Theorien zur Unglücksursache befassen sich mit den Auswirkungen des Feuers in einem Kohlebunker auf der Steuerbordseite zwischen den Kesselräumen fünf und sechs. Eine davon stammt aus dem Jahre 2004 von dem Ingenieur Robert Essenhigh von der Ohio State University. Er vertritt die Ansicht, dass laut den Aufzeichnungen der Hafenfeuerwehr von Southampton ein Schwelbrand im besagten Bunker den Kapitän dazu bewog, trotz der Gefahr von Eisbergen schneller zu fahren, als es der Situation angemessen gewesen wäre. Das Feuer könnte auf die damals übliche Methode bekämpft worden sein, indem die Kohle aus dem betroffenen Bunker schneller als üblich in die Kessel geschaufelt wurde, um an die brennende Kohle heranzukommen. Deswegen sei die Titanic in der Unglücksnacht so schnell gefahren.
Nach Aussagen von überlebenden Heizern war der entsprechende Bunker allerdings bereits am Samstag leer und das Feuer gelöscht. Weiterhin hatten die Zeugen danach Schäden an dem angrenzenden wasserdichten Schott bemerkt. Es lässt sich aber nicht genau beurteilen, wie stark sich diese Schäden für die Funktion des Schotts während der Unglücksnacht auswirkten.
Ferngläser im Ausguck
Ein Vorwurf betraf die Männer im Ausguck der Titanic. Sie hätten den Eisberg angeblich zu spät gesehen, weil ihnen Ferngläser fehlten. Diese seien in einem Schließfach bewahrt worden, dessen Schlüssel nicht an Bord der Titanic gewesen ist. Schuld daran habe ein Offizier gehabt, David Blair, der im letzten Moment nicht mitfahren durfte und darum aus Bosheit den Schlüssel versteckt oder für sich behalten habe.
Tatsächlich ist der Zweite Offizier Blair nur bis Southampton mitgefahren, eines Personalwechsels wegen. Dies war für ihn eine Enttäuschung, allerdings wusste er davon bereits Tage zuvor. Das im Ausguck verwendete Fernglas wurde in einem verschließbaren Fach in der Kabine des Zweiten Offiziers aufbewahrt. Blair hat vor seinem Abgang vergessen, den Schlüssel auf der Titanic zu lassen. Es bleibt jedoch eine unbewiesene Unterstellung, dass er den Schlüssel absichtlich behalten habe. Nach dem Tod Blairs wurde der Schlüssel für einen guten Zweck versteigert.
Blair hatte sein Fernglas als Zweiter Offizier den Männern im Ausguck ausgeliehen. Der Grund dafür war vielleicht der, dass man es im Ärmelkanal mit vielen anderen Schiffen zu tun hatte und dass die Männer Schifffahrtszeichen erkennen sollten. Sein Nachfolger als Zweiter Offizier, Charles Lightoller, wies die Bitte der Männer im Ausguck nach einem Fernglas ab. Weder Lightoller noch ein anderer Offizier hielt Ferngläser für den Ausguck sinnvoll, sonst hätte man eines von der Brücke überlassen können. Lightoller zufolge sollte ein Ausguck eine Sichtung melden. Die Verwendung eines Fernglases hätte das Sichtfeld beschränkt. Die genauere Identifikation des Objektes war dann die Aufgabe der Brücke. Üblicherweise beobachtete der Mann im Ausguck die See mit bloßen Augen und nahm das Fernglas höchstens zur Hilfe, um sich seiner Beobachtung zu vergewissern. Es bleibt fraglich, ob man mit Fernglas den Eisberg früher entdeckt hätte, und zwar so früh, dass man ihm eher hätte ausweichen können.
Schotten
Schon die Great Eastern von 1860 war in viele wasserdichte Abteile mit hohen Schottwänden unterteilt. Das schmälerte jedoch den Komfort der Reisenden. Wegen des ausbleibenden Erfolgs trauten sich die Reeder nicht mehr, ein möglichst sicheres Schiff zu bauen. Wichtiger wurde der Komfort. Auch heute noch ist die wasserdichte Einteilung ein Kompromiss: Das Schiff soll nicht nur sicher sein, sondern auch nicht zu teuer im Bau und vor allem nutzbar.
Bei der Titanic wurden keine besonderen Innovationen bei der wasserdichten Unterteilung von Schiffen eingeführt. Neuartig waren bei der Olympic-Klasse nur die zwölf Wasserschutztüren auf dem Tank-Top-Deck, die sich automatisch schließen konnten. Die wasserdichte Unterteilung der Titanic war wie folgt aufgebaut:
- Über dem Kiel befand sich ein knapp zwei Meter hoher, zellularer Doppelboden, der aus 44 wasserdichten Abteilen bestand.
- Über dem inneren Boden waren 29 weitere Abteile, wovon 16 die großen Hauptsektionen (siehe Bild) bildeten. Sie waren so gebaut, dass sie dem „Zwei-Abteilungs-Standard“ entsprachen. Das bedeutet, dass bei gleichzeitiger Flutung beliebiger zwei nebeneinanderliegender dieser 16 Abteile die Schwimmfähigkeit niemals gefährdet gewesen wäre.
Bereits im Jahre 1891 hatte ein „Schottkomitee“ umfassende Empfehlungen für die wasserdichte Unterteilung von Schiffen veröffentlicht. Nach den Regeln des Schottkomitees hätten die oberen Schottenden (genauer: das Schottendeck), angesichts der Dimensionen der Titanic, bei solchen Flutungen unter Berücksichtigung möglicher Schlagseiten noch mindestens 20 Zentimeter über der Wasserlinie liegen müssen. Tatsächlich lag das Schottendeck bei Zwei-Abteilungs-Flutungen mindestens 75 Zentimeter (bei den meisten Kombinationen deutlich mehr) über der Wasserlinie. Nach neueren Berechnungen hätte das Schottendeck in 11 von 14 möglichen Fällen die Kriterien für die Flutung von drei nebeneinanderliegenden Abteilen erfüllt.
Bei 4-Abteilungs-Flutungen lag das Schottendeck in vier Fällen (die vordersten vier sowie die hintersten vier Abteile und zwei Kombinationen unter Beteiligung von Kesselraum 1) immer noch über der Wasserlinie. Und selbst bei einer Flutung aller vorderen fünf Abteile hätte sich die Titanic, zumindest unter den Bedingungen in der Unglücksnacht, mit hoher Wahrscheinlichkeit noch sehr lange über Wasser gehalten. Eine längere Schwimmfähigkeit bei gleichzeitiger Flutung von 6 der 16 wasserdichten Abteile, wie nach der Kollision mit dem Eisberg geschehen, war aber rein rechnerisch in keinem Fall möglich. Eine solch weitreichende Schiffsbeschädigung aufgrund eines Unfalls hat sich in der Geschichte der Schifffahrt bislang auch nur einmal ereignet. Für „normale“ Beschädigungen, wie sie durch Kollisionen mit anderen Schiffen oder ein Auf-Grund-Laufen entstehen, war ein Zwei-Abteilungs-Standard kombiniert mit einem Doppelboden völlig ausreichend.
Der Versuch, Schiffe mit noch weiter reichenden Beschädigungen schwimmfähig zu halten, würde nicht nur Schwierigkeiten bei der wasserdichten Unterteilung mit sich bringen und enorme strukturelle Anforderungen an die Stabilität stellen. Maßnahmen, die in einem Fall helfen würden, könnten bei anderen Schäden möglicherweise fatale Auswirkungen haben und etwa zum Kentern führen. Nach dem Untergang der Titanic wurde bei deren Schwesterschiff Britannic ein solcher Versuch unternommen. Doch im Ersten Weltkrieg zeigte sich, dass unter ungünstigen Umständen bereits eine einzige Mine ausreichte, um die Britannic zu versenken. Besonders hervorzuheben an der wasserdichten Einteilung der Titanic bleibt, dass sie selbst bei fortgeschrittener Flutung noch eine stabile Schwimmlage ermöglichte. Üblicherweise entwickeln Schiffe unter solchen Bedingungen starke Schlagseiten, was eine geordnete Evakuierung nahezu unmöglich macht.
In mehreren Darstellungen zur Titanic wird ihr Schottensystem häufig mit einer Eiswürfelschale verglichen. Dies ist fragwürdig und verwirrend. Die Behauptung, die Schotten seien zu niedrig gewesen, erweckt den Eindruck, die wasserdichte Einteilung der Titanic sei fehlerhaft konzipiert gewesen. Dabei war das Gegenteil der Fall: Die Schotten waren höher als notwendig, um den beabsichtigten Zwei-Abteilungs-Standard zu erreichen (siehe auch Die wasserdichten Schotten).
Die Eisbergkollision hat ausgedehnte Schäden hinterlassen. Um das Schiff länger schwimmfähig zu halten, wäre ein Sechs-Abteilungs-Standard notwendig gewesen. Es hätte dazu nicht ausgereicht, nur die Schotten zu erhöhen. Vor allem die Stabilität des Rumpfes hätte deutlich verstärkt werden müssen, um die strukturelle Integrität unter dieser Belastung zu erhalten. Selbst dann hätten schon wenige offene Bullaugen in unbeschädigten Abteilen des Schiffes genügt, um diese Maßnahmen nutzlos zu machen.
Das Eiswürfelschalenmodell trifft deshalb nicht auf die Titanic zu, weil die Schotten nach oben nicht offen waren. Allerdings: Begrenzt wurden die Schotten durch Decks, die nicht wasserdicht waren. Das heißt, es befanden sich in ihnen Öffnungen (z. B. Luken oder Schächte), die nicht versiegelt werden konnten. Nachdem das Wasser die Höhe der Schotten überschritten hatte, breitete es sich entlang dieser Decks aus und lief aufgrund der Trimmung des Schiffes zunächst nach vorne. Erst nachdem die vorderen Bereiche entsprechend geflutet waren, drang das Wasser auch nach hinten in die unbeschädigten Bereiche vor und konnte über die nicht versiegelbaren Öffnungen nach unten gelangen. Dieser Vorgang hatte aber nur an der Flutung von Kesselraum 4 einen wesentlichen Anteil und begann auch erst etwa eine halbe Stunde vor dem endgültigen Untergang. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Flutung von Kesselraum 4 längst begonnen, wahrscheinlich durch Risse im Schiffsrumpf, die dann später zum Durchbrechen der Titanic führten.
Eine nennenswerte Flutung von hinter Kesselraum 4 gelegenen Schiffsbereichen hat vor dem Auseinanderbrechen des Schiffes nicht stattgefunden, wie die Schiffbauingenieure C. Hacket und J. G. Bedford in einer 1996 veröffentlichten Flutungsberechnung darlegen. Diese Erkenntnis wurde unterstützt durch Stabilitätsberechnungen, gemäß denen größere Wassermengen in hinter Kesselraum 4 gelegene Bereichen das Schiff zum kentern gebracht hätten.
Die Überwindung des Schotts zwischen den Kesselräumen 4 und 5 lieferte zum Flutungsprozess einen sehr geringen Beitrag, verglichen mit den Sekundärflutungen. Diese entstanden durch reguläre Schiffsöffnungen, die mit dem Versinken des Bugs unter die Wasseroberfläche gelangten, und auch durch den Verlust an struktureller Integrität aufgrund der beim Sinkprozess auf den Rumpf wirkenden Kräfte.
Im Buch Das Geheimnis der Titanic von Robert Ballard findet sich eine Darstellung zum Eiswürfelschalenmodell, in der alle Abteile der Titanic bis zum Kesselraum 1 bis zur Wasserlinie vollgelaufen sind. In diesem Zustand hätte das Schiff jedoch keinerlei Auftrieb gehabt und wäre ohne Verzögerung gesunken.
So ist es ein Kritikpunkt an Murdoch, der häufig geäußert wurde, dass es sei ein Fehler gewesen sei, die Schotten zu schließen. Durch die Konzentration des Wassers im Bug sei dieser zu schnell unter Wasser gesunken und habe dadurch die Titanic vorzeitig versenkt. Abgesehen davon, dass Murdoch nicht wissen konnte, welche Beschädigungen die Titanic erlitten hatte und wie sich diese auswirken würden, ist das Schließen der wasserdichten Türen eine Standardprozedur nach Unfällen, denn zu einem späteren Zeitpunkt kann es dafür bereits zu spät sein. Flutungen unbeschädigter Abteile zuzulassen widerspricht zu Recht allem, was Seeleute in ihrer Ausbildung lernen. Kein Schiffsarchitekt würde ein solches Vorgehen in Erwägung ziehen.
Trotzdem wurde es aufgrund der Diskussionen darüber mit Computersimulationen und Schiffsmodellen erforscht. Das Ergebnis ist, dass das Offenlassen der Schotten fatal gewesen wäre: Das Schiff wäre nicht nur 40 Minuten schneller gesunken, sondern auch die Evakuierung wäre stark erschwert worden, denn starke Schlagseite und ein vorzeitiger Stromausfall hätten in der dunklen Neumondnacht koordinierte Handlungen verhindert. Abgesehen von den Auswirkungen wäre ein Offenhalten der Schotten praktisch kaum möglich gewesen, da die Türautomatik, die aktiviert wurde, sobald Wasser die Türen erreichte, gar nicht abgeschaltet werden konnte.
Größe und Art der Lecks
Beim Zusammenstoß mit dem Eisberg wurde die Titanic unterhalb der Wasserlinie beschädigt, so dass Wasser in das Schiff eindrang. Zeugen berichteten von mehreren Stößen. Doch gerade in früheren und populären Darstellungen wird von einem einzigen, langen Leck gesprochen. Der Eisberg habe das Schiff wie ein Messer aufgeschlitzt. Nur dadurch habe das riesige Schiff so rasch sinken können. Diese Vorstellung konnte sich nur durchsetzen, weil die Erkenntnisse von Edward Wilding in Vergessenheit geraten sind.
Für die britische Untersuchung hat der Schiffsarchitekt Edward Wilding Zeugen befragt und darauf basierend Vermutungen angestellt. Er ging davon aus, wann in welchen Abschnitten des Schiffes wie viel Wasser gestanden hat. So kam er zu Vorstellungen davon, mit welcher Geschwindigkeit Wasser eingedrungen ist und wie groß insgesamt das Loch gewesen sein muss. Dabei war er sich bereits sicher, dass es sich nicht um ein einziges langes Leck gehandelt hat. Denn dann hätte das Schiff viel schneller sinken müssen.
Vielmehr meinte Wilding, dass der Eisberg mehrere Lecks verursacht habe, und zwar an solchen Stellen, dass die ersten fünf Abteilungen (compartments) betroffen waren. Alle Lecks zusammen hätten eine Fläche von nur 12 Quadratfuß (1,11 Quadratmeter) gehabt. Diese Schätzung könne aber um ein Viertel nach oben oder unten falsch sein. Weeks und Halpern schätzen gemäß ihrer eigenen Berechnung, dass es eher knapp 10 Quadratfuß (0,93 Quadratmeter) waren. Demnach wären 13.500 Tonnen Meerwasser (38.227.743 Liter) in den ersten 45 Minuten eingedrungen. Anfangs hätte die Geschwindigkeit des Eindringens bei 650 Tonnen pro Minute gelegen.
Nachdem Robert Ballard 1985 das Wrack entdeckt hatte, verglich er von außen sichtbare Schäden mit der Zeugenaussage von Frederick Barrett, einem überlebenden Heizer. Beim Bereich der Kesselräume 5 und 6 berichtete Ballard von einer Übereinstimmung zumindest dieser Stelle und untermauerte so die Vermutung von Wilding, dass es sich nicht um ein einziges langes Leck handelte. Ballard hatte als erster ein Leck auch von außen gesehen.
Im Jahr 1996 untersuchte Paul Matthias das Wrack. Der Sonar-Spezialist verwendete einen sogenannten sub buttom profiler für Bereiche des Wracks, die im Meeresboden vergraben liegen. Er meinte, sechs Stellen mit Schäden durch den Eisberg entdeckt zu haben. Sie verteilen sich über eine Länge von 230 Fuß (70 Meter) am Rumpf. Allerdings fand er recht viele Schäden, auch an der Backbordseite, so dass es interpretationsbedürftig ist, welche davon Lecks sind. Seine Interpretation harmoniert jedoch mit den bisherigen Erkenntnissen. Zur Breite der Lecks konnte Matthias, wegen des Aufpralls des Wracks auf dem Meeresgrund, keine Angaben machen.
Das erste der Lecks befand sich in der Vorpiek knapp unterhalb der Wasserlinie. Die beiden nächsten lagen auf gleicher Höhe kurz hintereinander in Frachtraum 1 und waren nur 1,2 beziehungsweise 1,5 Meter lang. Die dabei aufgetretenen Stöße waren stark genug, einen Teil des Eisbergs abzuschlagen, so dass das nächste Leck von 4,6 Metern Länge durch einen Anprall an einer tiefer gelegenen Stelle des Eisbergs entstanden war. Auch dabei wurde wieder ein Teil des Eisbergs abgeschert, wodurch die beiden letzten Lecks noch tiefer unter der Wasserlinie lagen.
Das vorletzte war ungefähr zehn Meter lang und reichte von Frachtraum 2 bis weit in Frachtraum 3 hinein. Zeugen berichteten, dass auch der Betriebsgang für die Heizer beschädigt wurde, der einen halben Meter hinter der Außenhaut lag. Durch den starken Aufprall wurde er schnell geflutet.
Das letzte Leck war mit 13,7 Metern das längste. Es betraf Kesselraum 6 und den vorderen Bereich von Kesselraum 5. Beim Schott zwischen den Kesselräumen 5 und 6 befindet sich weiterhin eine große Beule, wahrscheinlich verursacht durch Kompressionseffekte aufgrund der Schiffsdrehung.
Nach Auswertung der Sonarabstastung und Flutungsberechnungen ist von diesen Öffnungsflächen auszugehen:
Abteilungs- nummer | Abteilungsname | Leckfläche in Quadratmetern |
---|---|---|
1 | Vorpiek | 0,06 |
2 | Frachtraum 1 | 0,14 |
3 | Frachtraum 2 | 0,29 |
4 | Frachtraum 3 | 0,31 |
5 | Kesselraum 6 | 0,26 |
6 | Kesselraum 5 | 0,12 |
1–6 | zusammen | 1,18 |
Beim Bau verwendete Materialien
Bei der Ermittlung möglicher Unglücksursachen standen auch Untersuchungen der beim Bau verwendeten Materialien im Mittelpunkt. Werkstoffkundliche Untersuchungen an gebogenem Stahl der Titanic zeigten eine bei der zum Kollisionszeitpunkt herrschenden Temperatur sehr geringe Zähigkeit. Diese Sprödigkeit des Materials könnte ein höheres Ausmaß des Schadens bewirkt haben, als es mit heutigen Werkstoffen eingetreten wäre.
Die Theorie wird allerdings von verschiedener Seite angezweifelt. Die Veränderungen im Stahl der Titanic können sich auch durch die speziellen Bedingungen in der Tiefsee ergeben haben. Bilder des Baus der Titanic und der Olympic zeigen Stahlplatten, die sowohl für das eine wie für das andere Schiff verwendet wurden. Die Olympic war bis zur Verschrottung 24 Jahre im Dienst und hatte mehrere Jahre Kriegseinsatz und verschiedene Kollisionen überstanden. Zudem wurde damals weltweit im Schiffbau überall etwa der gleiche Stahl verbaut, wie beispielsweise beim 1916 in Newcastle gebauten russischen Eisbrecher Krasin, der noch immer uneingeschränkt seetüchtig ist. Auch die 1936 fertiggestellte Queen Mary wurde aus der gleichen Stahlsorte gebaut, wobei die Stahlplatten in Bezug auf die Herkunft und Dicke identisch mit denen der Titanic sind. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an besseren Werkstoffen geforscht, wodurch moderne Schiffe bei gleicher Größe und Stabilität viel leichter sind als frühere.
Eine weitere mögliche Schwachstelle der Titanic-Außenhaut waren die Nietverbindungen zwischen den Stahlplatten. Dabei scheint nicht nur die Stabilität des Niets selbst, sondern auch die Umgebung der kalt gestanzten Nietlöcher in den Stahlplatten problematisch, da sich dort durch den Stanzprozess Mikrorisse bildeten. Schon nach der Kollision der Olympic mit der HMS Hawke im September 1911 hatte Edward Wilding nach der Begutachtung des Olympic-Schadens die Methode der Plattenverbindung als verbesserungswürdig eingestuft und eine Diskussion um Veränderungen bei zukünftigen Schiffen angeregt. Die Nietlöcher bei der 25 Jahre später gebauten Queen Mary wurden trotz der deutlich höheren Kosten gebohrt.
Die relative Schwäche der Nietverbindungen der Titanic wird durch die gefundenen Lecks untermauert, die sich größtenteils entlang der Nietverbindungen zwischen den Stahlplatten befinden. Allerdings hätten nach Einschätzung der Experten wahrscheinlich selbst moderne, verschweißte Stahlplatten den bei der Eisbergkollision wirkenden Kräften nicht standgehalten.
Größe des Ruders
Nach dem Untergang gab es Vorwürfe, die Titanic habe für ihre Größe ein zu kleines Ruder gehabt. Nach der Sichtung des Eisbergs habe man daher nicht schnell genug den Kurs ändern können.
Tatsächlich hatte das Ruder Titanic fast die Größe, die selbst unter heutigen Standards ausreichen würde. Ihre Manövrierfähigkeit entsprach den damaligen Standards und wurde, wie bei der Olympic zuvor, auf der Testfahrt positiv bewertet. Die Titanic schnitt sogar besser ab als die Cunard-Schiffe Lusitania und Mauretania, sowohl mit Bezug auf die Rudergröße (im Vergleich zu dem Teil des Rumpfes, der unter Wasser lag), als auch mit Bezug auf die Manövrierfähigkeiten. (Dabei waren die Cunard-Schiffe sogar für militärische Anforderungen zertifiziert.) Man hat auch nach dem Unglück nicht etwa die Rudergröße der Britannic geändert, die damals noch im Bau war.
Einflüsse einer Super-Refraktion
Einer Untersuchung von Tim Maltin zufolge herrschte in der damaligen Aprilnacht ein besonderes optisches Phänomen, eine Super-Refraktion, vor. Dabei lag durch die thermale Inversion eine vom kalten Labradorstrom abgekühlte Luftschicht unterhalb einer vom warmen Golfstrom aufgewärmten Luftschicht. Durch diesen Effekt wurde Licht ungewöhnlich stark widergespiegelt, und es entstand ein falscher, zweiter Horizont über dem realen. Dazwischen bildete sich ein Dunst, den auch die beiden Matrosen Lee und Fleet im Krähennest bemerkten. Die ruhige See ließ ebenfalls den Bereich zwischen den beiden Horizonten verschwimmen, so dass der fatale Eisberg vor dem Hintergrund des falschen Horizonts „verschwand“. Folglich wurde der Eisberg erst entdeckt, als es zu spät war.
Durch ebendiese Super-Refraktion erschienen ferne Objekte auch näher, weshalb die Besatzung der Californian die Titanic vermutlich als kleines und nahes Schiff wahrnahm. Die dort abgefeuerten Signalraketen erschienen wohl als zu klein im Hinblick auf die vermeintlich geringe Größe des Schiffes, so dass diese als nicht wichtig genug empfunden wurden. Die abgesendeten Morsesignale konnten des Weiteren nicht durch die Luftschichten bis zur Titanic dringen.
Ausweichmanöver
Als die Besatzung der Titanic den Eisberg gesichtet hat, musste sie rasch reagieren. Nach dem Unglück wurde häufig diskutiert, ob die richtigen Maßnahmen beschlossen wurden und ob sie gut ausgeführt worden sind. Hier geht es vor allem um das Verhalten des Ersten Offiziers William M. Murdoch, des wachhabenden Offiziers zu diesem Zeitpunkt. Er bestimmte über die Navigation und damit über den Kurs des Ruders und über die Maschinen. Eine Beurteilung des Verhaltens wird dadurch erschwert, dass die Quellenlage teils unzureichend oder widersprüchlich ist. Wichtige Zeugen wie Murdoch selbst sind beim Untergang umgekommen.
Murdoch hat nach Sichtung des Eisbergs eine gewisse Zeit überlegt, was zu tun sei. Die britische Untersuchung meinte, dass Murdoch fast sofort nach dem Glockenalarm den Befehl gegeben habe, nach links zu steuern. Hitchens und Fleet hatten aber ausgesagt, dass dazwischen etwa eine halbe Minute gelegen hatte: Erst hatten Fleet und Moody ein Gespräch über Telefon, dann gab Moody die Information an Murdoch weiter, erst dann gab Murdoch den Befehl zum Linkskurs. Ferner sagte Boxhall aus, dass der Befehl erst kurz vor dem Zusammenstoß erfolgt sei.
Es war wichtig, dass Murdoch die Lage und die Möglichkeiten ausreichend analysierte. Er musste zum Beispiel zunächst beobachten, ob das Schiff tatsächlich auf Kollisionskurs war oder ob der Eisberg rechts vorbeiziehen würde. Doch mag diese halbe Minute dabei gefehlt haben, dem Eisberg auszuweichen.
Bei der britischen Untersuchung zog man die Schlussfolgerung, dass die Titanic um zwei Strich (22,5°) nach links gedreht worden war, bevor sie mit dem Eisberg zusammenstieß. Das hatte quartermaster Hitchens ausgesagt. Laut Tests mit der Olympic, dem Schwesterschiff der Titanic, kommt man zu diesem Winkel von zwei Strich, wenn man bei voller Fahrt, und vollem Ruderausschlag nach links, 37 Sekunden lang fährt. Aus diesen Angaben von zwei Strich und 37 Sekunden wurde errechnet, wie weit der Eisberg noch entfernt war, als er auf der Titanic gesichtet worden ist, nämlich 410 Meter.
Diese Feststellung lässt sich jedoch auch anzweifeln: Die Angabe von zwei Strich stammte von quartermaster Hitchens. Fitch, Layton und Wormstedt gehen davon aus, dass die Kollision stattfand, noch bevor die zwei Strich erreicht waren. Außerdem fuhr die Olympic bei ihrem Test mit einer etwas geringeren Geschwindigkeit als die Titanic bei der Kollision. Darum vermuten die drei Autoren, dass es weniger als 37 Sekunden waren, die zwischen Murdochs Befehl zum Linksdrehen (nicht der Sichtung!) und der Kollision verstrichen.
Hätte die Titanic damals allerdings einfach nur Linkskurs gesteuert, so hätte sie sich über ihre ganze Länge in den Eisberg hineingedreht, Schäden über die gesamte Schiffslänge wären die Folge gewesen. Der Wendekreisradius eines Schiffes ist am Heck deutlich größer als am Bug. Um erfolgreich auszuweichen, kam so kurz vor dem Eisberg nur noch ein sogenanntes „Porting-around“-Manöver in Frage. Dafür waren zwei Ruderkommandos notwendig. Zum richtigen Zeitpunkt musste dabei das Ruder von Linkskurs wieder nach rechts gesteuert werden. Dadurch steuerte der kurze Schiffsbereich vor der Drehachse während der Kollision auf den Eisberg zu, der größte Teil des Schiffes drehte aber, wie in dem Bild „Porting-around-Manöver“ erkennbar, vom Eisberg weg. Das deckt sich mit den Lecks der Titanic, die bis kurz hinter diese Stelle reichen. Der erwähnte Winkel von 22,5° stellt sich im dargestellten Szenario zu dem Zeitpunkt ein, wenn sich der Eisberg bereits im hinteren Bereich des Schiffes befindet. Daraus ergibt sich im Vergleich zum Unfallbericht eine geringere Entfernung des Eisbergs sowie eine Lage etwas weiter rechts zum Kurs der Titanic, was mit der Beobachtung des Ausgucks Frederick Fleet besser übereinstimmt. Murdoch scheint lehrbuchmäßig gehandelt zu haben.
Ferner wurde spekuliert, ob Murdochs Befehl des Linkskurses falsch verstanden worden ist. Diese Theorie vertrat beispielsweise eine Enkelin des Zweiten Offiziers Charles Lightoller, Louise Patten. Der mündlichen Überlieferung in ihrer Familie nach habe Hitchens in Panik das Schiff nicht wie befohlen nach links, sondern nach rechts gesteuert. Das Missverständnis sei dadurch entstanden, dass es zwei verschiedene Systeme gegeben habe, wie man Befehle interpretiert. Erst nach vier Minuten habe Murdoch den Fehler bemerkt und die Richtung ändern lassen, doch zu spät. Lightoller habe nach außen hin das Missgeschick vertuscht, um seinen Arbeitgeber zu schützen, die White Star Line.
Hintergrund der Theorie ist, dass Murdoch den Befehl hard-a-starboard (Hart Steuerbord) ausgegeben hatte, als er das Schiff nach links hat fahren lassen. Das war die traditionelle Redeweise aus der Zeit kleinerer Schiffe. Wenn man mit der Hand den Griff (Ruderpinne, Ruderstock) des Ruders nach rechts (Steuerbord) legt, dann bewegt sich das Ruder auf der anderen Seite der Achse nach links. Folglich fährt das Schiff nach links. Da man auf großen Schiffen keinen solchen Griff umlegt, wurde später die Redeweise geändert. Seitdem sagt man „Hard Backbord“, wenn das Schiff nach links fahren soll. Leider habe die Titanic an der traditionellen Redeweise festgehalten, wodurch das Missverständnis begünstigt worden sei.
Gegen diese Theorie spricht, dass in Wirklichkeit auch andere britische Schiffe wie die Olympic die traditionelle Redeweise verwendeten. Noch 1929 weigerten sich die britischen Vertreter auf einer internationalen Konferenz, die moderne Redeweise umzusetzen, eben, weil sie Missverständnisse wegen einer ungewohnten Redeweise befürchteten. Es gibt keine sonstigen Zeugen, die von einem Missverständnis zwischen Murdoch und Hitchens berichteten. Außerdem war Lightoller zur fraglichen Zeit in seiner Kabine und konnte zumindest kein direkter Augenzeuge sein. Im Ergebnis darf man davon ausgehen, dass Hitchens den Befehl korrekt verstanden und umgesetzt hat.
Befehle an den Maschinenraum
Eine weitere Streitfrage ist es, wie in der Unglücksnacht von den Maschinen Gebrauch gemacht worden ist und ob ein anderer Gebrauch ein besseres Ergebnis mit sich gebracht hätte. Der genaue Hergang lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Der überlebende Offizier Boxhall berichtete, dass Murdoch vor dem Zusammenstoß den Befehl Full Astern (Volle Fahrt Zurück) an den Maschinenraum gegeben habe. Der Heizer Frederick Barrett und fünf weitere Überlebende aus dem Bauch des Schiffes konnten sich jedoch an einen solchen Befehl nicht erinnern. Ihrer Aussage zufolge lautete der Befehl Stop, entweder kurz vor oder kurz nach der Kollision, oder sie sagten, dass die Maschinen gestoppt hätten.
Die Zeugenaussagen lassen sich so deuten, dass die Maschinen nach dem Zusammenstoß zunächst gestoppt und dann wieder angelassen wurden. Das merkte man an den Vibrationen im Schiff, egal, welcher Befehl gegeben wurde. Jedenfalls konnte kein Befehl an den Maschinenraum Einfluss auf die Kollision gehabt haben: Dafür dauerten die Prozesse viel zu lang. Zunächst mussten die Männer im Maschinenraum den Befehl auf dem Telegrafen bemerken, denn bei normaler Fahrt achteten sie nicht ständig auf ihn. Selbst unter den besten Umständen dauerte es dreißig Sekunden, um die Schiffsschrauben zu stoppen und in die umgekehrte Richtung drehen zu lassen. Bis zur vollen Kraft verstrichen nochmals 50 bis 60 Sekunden. Damit erübrigen sich auch weitere Spekulationen, etwa die, dass Murdoch nur die linke Schiffsschraube hätte gegensteuern lassen sollen, um dem Eisberg besser auszuweichen.
Frontaler Zusammenstoß mit dem Eisberg
Eine Reihe von Kritikern hat darauf hingewiesen, dass Murdoch die Titanic einfach in derselben Richtung hätte weiterfahren lassen können. Das Schiff wäre dann mehr oder weniger frontal auf den Eisberg geprallt. Dadurch hätte der vordere Teil des Schiffes wie eine Knautschzone gewirkt und wäre stark beschädigt worden. Doch das Schiff hätte weiter auf dem Wasser getrieben, weil nur die ersten drei oder höchstens vier Abteilungen betroffen worden wären. In der Realität beschädigte der Eisberg die ersten fünf, so dass die Titanic gesunken ist.
Ein solcher Zusammenstoß hätte jedoch erhebliche Nachteile mit sich gebracht. Vorne im Bugteil befanden sich Kabinen von Besatzungsmitgliedern. Viele von ihnen wären sofort umgekommen. Außerdem hätte sich die übrige Energie des Aufpralls durch das gesamte Schiff verteilt, wie bei einem Auto, das gegen eine Mauer fährt. Der Eisberg war wegen seiner Größe im Wesentlichen eine unbewegliche, dichte Masse. Viele Menschen auf dem Schiff wären beim Aufprall wegen der Trägheit gegen Kabinenwände geschleudert worden. Die Folgen wäre unberechenbar gewesen, und vielleicht wäre das Schiff immer noch auf eine solche Weise gegen den Eisberg geschrammt, dass es gesunken wäre.
Auseinanderbrechen des Schiffes
Nach der Katastrophe waren die befragten Überlebenden sich nicht einig, ob die Titanic in zwei Teile zerbrochen oder als Ganzes gesunken ist. Die Untersuchungsausschüsse in den USA und Großbritannien schlossen sich beide der Minderheit an, der zufolge das Schiff ganz geblieben ist. Zu dieser Minderheit gehörten die ranghöchsten überlebenden Offiziere der Titanic. Dieser Meinung schloss sich auch Edward Wilding an, der führende Schiffsarchitekt von Harland & Wolff. Überlebende hatten von einem großen Geräusch berichtet. Dies konnte man als Kesselexplosion interpretieren.
Andere Überlebende hingegen bezeugten das Auseinanderbrechen, während wiederum andere dies im Dunkeln zwar nicht gesehen, aber wegen der Geräusche angenommen hatten. Die meisten Überlebenden wurden von den Untersuchungsausschüssen gar nicht zu diesem Thema befragt. Im Jahr 1985 wurde schließlich das Wrack entdeckt. Man stellte sogleich fest, dass die Titanic tatsächlich in zwei Teile zerbrochen war. Die Britin Eva Hart (1905–1996), die das Unglück als Siebenjährige überlebt hatte, wurde alt genug, um ihre richtige Beobachtung bestätigt zu sehen.
Undeutlich bleibt, auf welche Weise die Titanic auseinandergebrochen ist. Das Schiffsbaubüro Gibbs & Cox erstellte dazu 1996 eine Modellanalyse. Das Heck der Titanic habe mit einem von Winkel zwischen 15° und 20° aus dem Wasser geragt. Wegen der zu hohen strukturellen Belastungen brach es dann vom Hauptteil des Schiffes ab.
Der Fernsehsender „History“ startete mit der Woods Hole Oceanographic Institution im Jahr 2005 eine weitere Expedition zum Wrack. Dabei wurde erstmals auch der östliche Teil des Trümmerfeldes untersucht. Man fand zwei Teile des Doppelbodens mit einer Gesamtlänge von knapp 18 Metern. Sie waren über die gesamte Breite des Schiffes erhalten. Erkannt wurde das an den vorhandenen Schlingerkielen, die an beiden Seiten der Fundstücke einwandfrei erhalten waren. An manchen Stellen wiesen sie noch die rote Farbe des letzten Anstrichs auf. Die beiden Doppelbodenstücke passten an den Bruchenden zusammen.
Wegen der Doppenbodenteile vermutete Roger Long, dass das Schiff anders auseinandergebrochen ist als bisher angenommen. Bei der traditionellen Vorstellung hätten der Doppelboden gestaucht und die oberen Decks an jener Stelle sauber auseinandergebrochen sein müssen. Doch sieht man am Wrack, dass an der Bruchstelle die Decks nach unten gezogen sind und keine saubere Bruchstelle haben. Die Enden der oberen Decks an den Bruchstellen könnten aber ebenfalls durch die Wucht des Aufpralls auf den Meeresgrund nach unten verbogen worden sein, da durch die enorme Beschädigung an den Bruchstellen keine strukturelle Stabilität mehr vorhanden war. Das ist sehr gut etwa am Heckteil des Titanic-Wracks zu sehen, dessen obere Decks völlig zerstört sind.
Long hat die Theorie aufgestellt, dass das Heck der Titanic bereits anfing abzubrechen, als es mit ca. 11° noch relativ wenig aus dem Wasser ragte. Der Bruch fing demnach an den oberen Decks an und zog sich bis zum Kiel. Der stabile Kiel verhinderte jedoch zunächst das Abbrechen des Hecks. Durch den Riss in der Außenhaut der Titanic sollte dann deutlich mehr Wasser eindringen, so dass das Sinken des Schiffes beschleunigt wurde. An der Bruchstelle drückte nun der unter Wasser liegende Bug gegen das sich über Wasser aufrichtende Heck, so dass die Decks an dieser Bruchstelle eingedrückt wurden. Mit Longs Argumenten lässt sich allerdings nicht nachvollziehen, warum diese Komprimierung bei etwas größerem Winkel nicht hätte passieren dürfen. Die Finite-Elemente-Analyse reicht nur bis zu dem Punkt, wo der Schiffsrumpf noch aus einem Stück bestand. Die Dynamik des Zerbrechens mit der unkalkulierbar zunehmenden Leckfläche ist wohl kaum berechenbar.
Anzahl der Rettungsboote
Die Titanic war für 2400 Passagiere und 900 Besatzungsmitglieder ausgelegt. Für diese große Anzahl an Menschen hätte man rechnerisch 47 große Rettungsboote benötigt. Die Titanic hatte aber nur 14 Rettungsboote dabei (und zwei Kutter und vier Faltboote). In ihren Rettungsbooten hätten nur 1178 Menschen Platz gefunden, also nur etwa ein Drittel der möglichen Höchstzahl.
Auf der Jungfernfahrt ab Queenstown war die Titanic jedoch nicht voll belegt: Es fuhren nur 2200 Menschen mit. Dennoch hätte nur etwa die Hälfte der Menschen einen Platz in den Rettungsbooten gehabt.
Die geringe Zahl an Plätzen entsprach dem damals gültigen Gesetz, das aus dem Jahr 1896 stammte. Es teilte die Schiffe nach der Tonnage ein. Die Titanic gehörte in die Kategorie der Schiffe mit mehr als 10.000 Bruttoregistertonnen. Größere Passagierschiffe hatte man sich damals kaum vorstellen können.
Für diese Kategorie waren 962 Plätze vorgeschrieben, unabhängig davon, wie viele Menschen tatsächlich an Bord waren. Allerdings durfte die Anzahl noch geringer sein, wenn ein Schiff über wasserdichte Schotten verfügte und damit als besonders sicher galt. Folglich hätte die Titanic sogar nur Rettungsboote für 756 Personen mitführen müssen. Mit den 422 zusätzlichen Plätzen übertraf die White Star Line die gesetzlichen Anforderungen daher noch deutlich.
Die Titanic hatte eine hohe Davit-Kapazität, das ist die Möglichkeit, Boote zu Wasser zu lassen. Letztlich installiert wurden aber im Vergleich dazu wenige Boote. Das führte später zu Mutmaßungen, warum man in der Planung die Zahl der Boote verringert hat. So hieß es zum Beispiel, dass weitere Boote den Raum auf dem Bootsdeck zu stark begrenzt hätten oder dass es die Passagiere verunsichert hätte, wenn die Titanic deutlich mehr Rettungsboote als vergleichbare Schiffe gehabt hätte. Außerdem hätte man für die 33 zusätzlichen Boote auch mehr ausgebildete Seeleute benötigt, um sie zu Wasser zu lassen.
Grundsätzlich dienten Rettungsboote damals nicht so sehr dazu, gleichzeitig alle Passagiere aufzunehmen. Gerade wegen des Systems an Schotten und früherer Erfahrungen wegen meinte man, dass die Titanic bei einem Zwischenfall nicht oder nur sehr langsam sinken würde. Man würde dann ein anderes Schiff mit Funk herbeirufen und die Passagiere in kleineren Gruppen nach und nach übersetzen. Das war zumindest bei stark befahrenen Routen eine weit verbreitete Ansicht.
Eine andere Meinung hingegen vertrat Schiffsarchitekt Alexander Carlisle am 19. und 25. Mai 1911. Damals fanden Tagungen des Komitees statt, das für die Regeln zuständig war. Carlisle hielt die Zahl der Rettungsbootplätze auf Schiffen wie der Olympic und der Titanic für zu niedrig. Er forderte, dass die Regeln verschärft werden, fand dafür aber keine Mehrheit.
Frauen und Kinder zuerst
Die Losung „Frauen und Kinder zuerst!“ ist auch als Birkenhead-Grundsatz bekannt. Traditionell galt jedoch die Losung „Rette sich, wer kann“, wobei von der Schiffsführung erwartet wurde: „Der Kapitän verlässt das Schiff zuletzt!“ Letzteres ist jedoch nicht direkt zu verstehen, denn der Kapitän muss in erster Linie dafür Sorge tragen, dass die Evakuierung durchgeführt wird. Es wird von ihm nicht verlangt, physisch die allerletzte Person auf dem Schiff zu sein.
Beim Untergang der Titanic war die Losung, dass Frauen und Kinder zuerst in die Rettungsboote sollen, keine offizielle, vom Staat oder der Reederei vorgegebene Regel. Doch Kapitän Smith ließ sie, auf Nachfrage von Lightoller, anwenden. Die Losung trug wohl teilweise dazu bei, dass auch unterbesetzte Boote gefiert wurden, auch wenn es dafür noch andere Gründe gab. Beispielsweise befürchteten Besatzungsmitglieder, dass die Boote bei voller Besetzung weniger sicher im Wasser lägen, oder dass die Davits voll besetzte Boote nicht aushalten würden.
Es wäre ein Irrtum zu meinen, dass die Losung offizieller Art war oder dass sie allgemein angewandt werden würde, mit diskriminierender Wirkung für Männer. Vielmehr gilt heute, dass die Besatzung sich vorrangig um diejenigen kümmern soll, die am meisten hilfsbedürftig sind. Außerdem sterben bei Schiffsunglücken meistens (proportional) mehr Frauen als Männer.
Im Falle der Titanic wurde die Losung „Frauen und Kinder zuerst“ umgehend in der damaligen Diskussion um das Frauenwahlrecht und allgemeiner den Feminismus aufgegriffen. So entstand ein „first-cabin male heroism“, so Steven Biel: Laut diesem vorgestellten Heldentum der Männer aus der Ersten Klässe haben die reichen weißen, christlichen, angelsächsischen Männer nicht an ihr eigenes Überleben, sondern an die Sicherheit der Frauen gedacht. Diese Sichtweise bestätigte eine traditionelle, konservative Vorstellung von Ritterlichkeit und einer natürlichen Ordnung, in der Frauen unter den Schutz von Männern gestellt sind.
Männliche Überlebende hingegen hatten, nach dieser Sichtweise, die ewige Ordnung perverserweise angegriffen. Sie galten als Feiglinge und mussten sich rechtfertigen – nicht zuletzt vor dem amerikanischen Ausschuss, dessen Vorsitzender Senator Smith fast alle Männer peinlich danach befragt, wie sie gerettet wurden. Gerechtfertigt war jemand, wenn ihm ein Offizier das Einsteigen ins Rettungsboot befohlen hatte und keine Frau in der Nähe war. Zuvor musste er Frauen und Kinder ins Boot geholfen und danach das Boot in Sicherheit gerudert haben. Gerechterweise überlebt hat ein Mann auch, wenn ins Wasser gesprungen oder gespült worden ist, bevor er es ins Rettungsboot geschafft hat.
Vom „Stigma“ des männlichen Überlebenden war ganz besonders Bruce Ismay betroffen. In seinem Fall oder vielen anderen, urteilen Fitch, Layton und Wormstedt, lasse sich jedoch kaum redlicherweise behaupten, dass der sich rettende Mann konkret einer Frau oder einem Kind den Platz weggenommen hätte. Wer nicht ins Rettungsboot gestiegen wäre, hätte nur die Liste der Toten verlängert, ohne dass deswegen jemand anders gerettet worden wäre.
Frauen, so meinten Gegner des Frauenwahlrechtes, sollten ihre Privilegien als Frauen nicht gegen das Stimmrecht eintauschen. Sonst müsse man auch ihren ritterlichen Schutz durch Männer in Situationen wie auf der Titanic in Frage stellen. Ein Leserbriefschreiber aus St. Louis fand, dass man einer Frau, die von Frauenrechten spricht, nur ein einziges Wort entgegnen müsse: „Titanic!“ Manche Konservative wiederum sahen in den Frauen, die ihre Männer auf der Titanic nicht verlassen wollten, „inspirierende Vorbilder für die Heiligkeit der Ehe“.
Auch manche Feministen konnten sich dem Mythos der ritterlichen Männer nicht entziehen. Wie Rheta Childe Dorr beschrieben sie die Ritterlichkeit aber als Ausnahme in der Gesellschaft, in der die Ausbeutung vorherrscht: „The Law of the sea: women and children first. The law of the land – that's different.“ (Das Gesetz der See: Frauen und Kinder zuerst. Das Gesetz des Landes – das sieht anders aus.)
Als Frauen verkleidete Männer
Nach der Ankunft der Überlebenden in New York wurde über mehrere Männer behauptet, sie hätten sich als Frauen verkleidet, um in ein Rettungsboot zu gelangen. Sie sind teilweise noch Jahrzehnte später als Feiglinge verachtet worden: William Sloper, J. Bruce Ismay, Dickinson Bishop und William Carter.
Das bekannteste dieser Verleumdungsopfer war William Sloper, ein junger Mann aus den USA. Eine New Yorker Zeitung setzte die Behauptung in die Welt. Tatsächlich saß Sloper im ersten Boot (Nr. 7), das die Titanic verlassen hat. Das Boot war nur zu etwa einem Drittel besetzt, als es zu Wasser gelassen wurde. Zu diesem frühen Zeitpunkt war vielen Passagieren der Ernst der Lage noch nicht bewusst.
Dickinson Bishop und seine Frau saßen ebenfalls im ersten Boot (Nr. 7). In seinem Fall wurde auch behauptet, er sei ins Boot gesprungen und habe so getan, dass er versehentlich gefallen sei. Später ließen sie sich scheiden, und seine Frau behauptete, dass sein Verhalten in der Unglücksnacht ein Grund dafür gewesen sei. Dies feuerte die Gerüchte an.
Auch die Ehe von William Carter wurde geschieden. Seine Frau behauptete anlässlich der Scheidung, er sei nach der Kollision in ihre Kabine gekommen und habe sie angewiesen, sich und die Kinder anzuziehen. Sie habe ihn danach erst wieder um 08:00 Uhr auf dem Schiff Carpathia getroffen. Er habe an der Reling gestanden und gesagt, er habe ein schönes Frühstück gehabt und dass er nicht geglaubt habe, dass sie überleben würde. Carter selbst sagte aus, er habe gesehen, wie seine Frau und seine Kinder ins Rettungsboot Nr. 4 gekommen seien, bevor er das Schiff im Faltboot C (wie Ismay) verlassen habe.
Eine Grundlage für die Gerüchte über Männer in Frauenkleidung gab es allenfalls durch zwei Fälle. Lightoller wollte einen Jungen (Jack Ryerson) nicht ins Boot lassen, ließ es aber zu, nachdem die Mutter darauf bestanden hatte, dass der Junge erst dreizehn sei. Angeblich, so die Legende, hat daraufhin John Jacob Astor einen Frauenhut auf den Sohn von William Carter, Billy, gelegt. Billy sei nun ein Mädchen und dürfe ins Boot. Es gibt mehrere Versionen der Legende, die schließlich auf William Carter übertragen worden sein mag.
Ein weiteres Opfer solcher Vorwürfe war J. Bruce Ismay, den man später verachtete, weil er als Manager der Reederei das Unglück überlebt hatte. Tatsächlich hatte er anderen Passagieren geholfen und hat die Titanic im letzten Boot verlassen.
Der Vorwurf, sich als Frau ausgegeben zu haben, trifft am ehesten auf den 21-jährigen Daniel Buckley aus Irland zu. Nach eigenen Aussagen sprang er mit mehreren anderen Männern ins sechste Boot, als es vorbereitet wurde. Zwei Offiziere hätten die Männer aufgefordert, das Boot zu verlassen. Eine Frau im Boot habe ihren Schal über ihn geworfen und ihn zum Bleiben veranlasst.
Nach anderen Versionen hat Buckley sich schon vor Besteigen des Bootes einen Schal umgelegt, und im amerikanischen Untersuchungsausschuss sagte der Fünfte Offizier Harold Lowe aus: Lowe habe auf einem Rettungsboot jemanden entdeckt, der einen Schal über dem Kopf trug. Lowe habe den Schal weggezogen und gesehen, dass es ein Mann war. Er vermute, sagte Lowe aus, dass der Mann auch Röcke getragen habe.
Zugang der Dritten Klasse zu Rettungsbooten
Wer in der Dritten Klasse reiste, hatte im Vergleich zu anderen Passagieren eine geringere Chance, das Unglück zu überleben. Zwar behauptete die britische Untersuchung ausdrücklich, dass es keine strukturelle Benachteiligung nach Klassen gegeben habe. Allerdings berichteten Überlebende, dass Passagiere der Dritten Klasse hinter verschlossenen bzw. bewachten Gittern gestanden hätten, so dass sie an der Flucht aufs Deck gehindert worden seien. Entsprechende Szenen sieht man oft in Spielfilmen.
Akers-Jordan und Behe vermuten, dass die Vorstellung von gefangenen Passagieren gleich nach dem Unglück aufkam und sich festsetzte. Das habe an Zeitungsberichten und Aussagen von Überlebenden gelegen, aber zum Beispiel auch an einer irreführenden Fragestellung in der amerikanischen Untersuchung. Es sei schwierig, die teils widersprüchlichen Zeugenaussagen mit Plänen der Titanic abzugleichen, um nachträglich herauszufinden, wo sich die angeblich verschlossenen Türen oder Gitter befanden, wie hoch diese Gitter waren und welche Fluchtwege dadurch versperrt gewesen sein mögen.
Grundsätzlich waren auf der Titanic die Bereiche für Passagiere der verschiedenen Klassen voneinander getrennt. Das lag nicht nur an der Organisation des Schiffes, das für verschieden teure Klassen unterschiedliche Angebote und Annehmlichkeiten bereithielt. Eine Trennung kam auch den amerikanischen Einwanderungsregeln entgegen, um die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Allerdings hatten auch Passagiere der Dritten Klasse Zugänge zu Decks wie den Welldecks vorn und hinten oder dem Achterdeck.
Wenn manche Überlebende von verschlossenen Türen und Gittern berichteten, und andere behaupteten, diese seien offen gewesen, so mag das am Zeitpunkt gelegen haben. So sagte eine Zeugin aus, dass nach ihr eine Tür verschlossen worden sei. Vielleicht waren die oberen Decks so überfüllt, dass die Besatzung zwischen 01:15 Uhr und 01:30 Uhr entschied, die Tore zu verschließen.
Es gab durchaus Absperrungen und auch Gitter, die verhinderten, dass Passagiere der Dritten Klasse Bereiche für die Erste und Zweite Klasse betraten. Fitch, Layton und Wormstedt schätzen, dass es versperrte Türen oder Barrieren eher nicht im Bauch des Schiffes gab, sondern „zwischen den offenen Decks, die das hintere Welldeck vom Deck für die Zweite Klasse getrennt haben“. Es scheine aber so, dass die große Mehrzahl der Menschen aus der Dritten Klasse nicht daran gehindert wurde, die offenen Decks zu erreichen.
Das eigentliche Problem bestand darin, dass die Menschen im verwirrenden System der Gänge die Orientierung verloren und es keine Schilder gab, die ihnen den Weg zu den Decks und den Rettungsbooten gezeigt hätten. Vermutlich hat tatsächlich ein geringerer Anteil der Passagiere der Dritten Klasse ein Deck erreicht als Passagiere der anderen Klassen. Ein Hinweis dafür sind die Leichen, die man nach dem Unglück geborgen hat: Von den Verstorbenen der Ersten Klasse wurde die Leiche in 32 Prozent der Fälle gefunden. Bei den Verstorbenen der Dritten Klasse waren es nur 14 Prozent. Dabei mag es auch eine Rolle gespielt haben, ob man Zugang zu einer Rettungsweste hatte.
Wer ein Deck für die Dritte Klasse erreicht hatte, musste jedoch noch auf ein Deck für die Erste und Zweite Klasse gelangen – nur dort befanden sich Rettungsboote. Manche Passagiere der Dritten Klasse sind in den für sie vorgesehenen Bereichen geblieben und haben auf Instruktionen gewartet. Andere haben sich erfolgreich über Barrieren hinweggesetzt. Mitglieder der Besatzung könnten ihnen dabei geholfen haben, oder aber gemeint haben, sie abwehren zu müssen.
Fitch, Layton und Wormstedt urteilen, dass es Einzelfälle gegeben haben mag, aber keine systematische „Auslöschung“ der Passagiere der Dritten Klasse gegeben:
- „There simply was not enough time, organization, or lifeboats, and Third Class passengers bore the brunt of the effects from these circumstances. Legends of locked gates and ideas of crewmen shooting passengers below decks have been long overblown.“
- „Es gab einfach nicht genug Zeit, Organisation oder Rettungsboote, und die Passagiere der Dritten Klasse trugen die Hauptlast der Auswirkungen dieser Umstände. Legenden über verschlossene Tore und Vorstellungen von Besatzungsmitgliedern, die Passagiere unter Deck erschießen, wurden lange Zeit aufgebauscht.“
Akers-Jordan und Behe finden es überaus beachtlich, wie viele Überlebende (nicht nur der Dritten Klasse) von Barrieren und abgeschlossenen Türen und Gittern berichten. Auch dürfte es vorgekommen sein, dass Besatzungsmitglieder den Durchgang verboten haben, und dass manche Passagiere trotzdem an diesen vorbeigekommen sind. Eventuell sind einige Passagiere unbeabsichtigt in Abschnitten gefangen gewesen, deren wasserdichte Türen von Besatzungsmitgliedern abgeschlossen worden sind, um die Flutung des Schiffes aufzuhalten. Verschlossene Hindernisse scheinen die Ausnahme gewesen zu sein – vielmehr wurde man durch Besatzungsmitglieder, die Barrieren bewachen sollten, daran gehindert, auf das Bootsdeck zu gelangen.
Thematisiert wird zuweilen, ob Sprachbarrieren eine Rolle gespielt haben. In der Dritten Klasse reisten mehrheitlich Menschen, für die Englisch nicht die Muttersprache war. Sie sprachen Deutsch, Ungarisch, Arabisch, Französisch, Niederländisch, Bulgarisch, Chinesisch, Dänisch, Finnisch, Griechisch, Italienisch, Norwegisch, Portugiesisch, Russisch, Schwedisch oder Türkisch. Sie kamen noch schlechter an Informationen, da die allermeisten Besatzungsmitglieder nur Englisch sprachen und die Hinweisschilder auf Englisch waren.
Laut Statistiken sind von den Südosteuropäern (Bulgaren, Kroaten, Bosnier) in der Dritten Klasse 96,8 Prozent umgekommen (oder 61 von 63). Bei den Skandinaviern starben 74,2 Prozent. Da es sowieso keine Hinweisschilder gab, bestand das größere Problem darin, die Anweisungen des Bordpersonals zu verstehen. Allerdings, so Akers-Jordan und Behe, verstarben auch englischsprachige Familien wie die Goodwins und die Sages.
Waffengebrauch
In der Unglücksnacht hatten verschiedene Menschen Waffen zur Verfügung, und teilweise wurde von ihnen Gebrauch gemacht. In Zeugenaussagen und Gerüchten wurde sogar verbreitet, dass ein Offizier Passagiere erschossen und dann sich selbst erschossen habe. Wegen der vielen Aussagen lässt sich diese Behauptung nicht einfach ignorieren, allerdings wurde niemals die Identität des fraglichen Offiziers verlässlich festgestellt.
Zunächst einmal gilt es als gesichert, dass Feuerwaffen an Bord waren. In der Unglücksnacht bat der Chief Officer Wilde den Zweiten Officer Lightoller, der an der Backbordseite das Fieren von Booten überwachte, um die Herausgabe von Waffen. Wilde, Lightoller, Kapitän Smith und der Erste Offizier Murdoch gingen daraufhin zum Waffenschrank in der Kabine des Ersten Offiziers. Dort erhielten sie Webley-Revolver. Diese Angabe geht jedenfalls auf Lightoller zurück, den einzigen Überlebenden unter ihnen. Ungeklärt bleibt, ob später andere Offiziere ebenfalls Waffen (von den genannten) erhalten haben. Andere Besatzungsmitglieder und auch Passagiere mögen privat Waffen besessen haben; zumindest gibt es entsprechende Zeugenaussagen.
Eine eigene Waffe hatte ferner der Fünfte Offizier Lowe. Sein Waffengebrauch in der Unglücksnacht ist am besten dokumentiert: Er selbst gab an zu befürchten, dass das Boot Nr. 14 bereits zu voll war. Sollte jemand in letzter Sekunde aufs Boot springen, hätte der Ruck es vielleicht zum Kentern gebracht. Darum habe Lowe drei Schüsse abgefeuert, um auf die unruhige Menge auf dem Deck einzuwirken. Er habe auf niemanden gezielt und auch niemanden getroffen. Andere Überlebende bestätigten dies.
Weniger gut bestätigt ist ein Vorfall beim Fieren von Faltboot D. Lightoller berichtete später, er habe mit seiner ungeladenen Pistole gedroht und dadurch Männer aus dem Boot herausgeholt. Der überlebende Passagier Gracie wiederum behauptete zunächst in einer Untersuchung, Lightoller habe ihm erzählt, dass er (Lightoller) einen Pistolenschuss abgegeben habe, damit Passagiere der Dritten Klasse nicht das letzte Boot auf der Backbordseite stürmen. In seinem Buch später erwähnte Gracie jedoch keine Schüsse.
Zeugenaussagen berichteten außerdem von einem Vorfall beim Fieren von Faltboot C. Dies war das Faltboot, das Direktor Ismay bestiegen hatte. Besatzungsmitglieder betonten, dass zu dem Zeitpunkt keine Frauen und Kinder in der Nähe gewesen seien. Es habe auch keine Panik in der Nähe gegeben. Anders erinnerte sich jedoch Hugh Woolner aus der Ersten Klasse. Er habe Schreie auf der Steuerbordseite gehört, und nachdem er dorthin geeilt sei, habe er das Mündungsfeuer zweier Schüsse gesehen, und Murdoch habe Männer angeschrien, damit sie das Faltboot wieder verlassen. Sein Mitpassagier Björnström-Steffansson bestätigte dies; genauer habe ein Offizier zwei Schüsse in die Luft abgefeuert. Anderen Zeugen zufolge habe purser (Schatzmeister) Hugh McElroy die Schüsse abgefeuert.
Mit dem Vorfall bei Faltboot C sind möglicherweise andere Zeugenaussagen verbunden, denen zufolge ein Offizier sich selbst erschossen habe. Es ist allerdings schwierig, diese Aussagen zeitlich und lokal genau einzuordnen. Viele dieser Aussagen beruhen auf Hörensagen, also nicht auf eigener Augen- und Ohrenzeugenschaft. Möglicherweise haben sich diese Gerüchte erst auf der Carpathia und dann über die Presse verbreitet.
Am bedeutendsten mögen die Aussagen der überlebenden Passagiere Daly und Rheims sein. Eugene Daly aus der Dritten Klasse gab kurz nach dem Unglück auf der Carpathia und später in einem Brief und gegenüber der Presse folgendes an. Daly habe gesehen, dass ein Offizier beim Fieren eines Bootes seine Waffe gezogen und auf Menschen gerichtet habe. Wenn irgendjemand versuchen würde, ins Boot zu gelangen, würde er ihn erschießen. Zwei hätten es versucht, und der Offizier habe sie erschossen. Danach habe Daly noch einen Schuss gehört, und schließlich habe er gesehen, wie dieser Offizier selbst am Boden gelegen habe. Er selbst habe es nicht gesehen, aber andere hätten ihm erzählt, dass der Offizier sich selbst erschossen habe.
ln der Ersten Klasse war George Rheims gereist. In einem Brief vom 19. April berichtete er seiner Frau, dass er gesehen habe, wie ein Offizier einen Mann erschossen habe, der in ein Boot einsteigen wollte. Der Offizier habe dann gesagt, es rette sich wer kann, dann habe er militärisch gegrüßt und schließlich eine Kugel in seinen Kopf abgefeuert. Fitch, Layton und Wormstedt finden, dass die Berichte von Daly und Rheims vermutlich dasselbe Ereignis beschreiben, auch wenn von einer unterschiedlichen Anzahl von Erschossenen berichtet wurde. Beide Zeugen hätten sich vermutlich nicht untereinander abgesprochen; durch die Klasse waren sie auch auf der Carpathia getrennt voneinander untergebracht gewesen.
Nur ein einziger Zeuge hatte den Schatzmeister McElroy als den schießenden Offizier identifiziert, mehrere hingegen den Ersten Offizier Murdoch. Von einigen Offizieren ist, wie oben erwähnt, bekannt, dass sie eine Waffe (erhalten) hatten, bei den übrigen lässt sich Waffenbesitz zumindest nicht ausschließen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es einige Verwirrung über die Identität von Offizieren gegeben hat: Kurz vor Beginn der Jungfernfahrt wurde Wilde als neuer chief officer an Bord geholt. Dadurch erhielten die nachfolgenden Offiziere jeweils einen niedrigeren Rang. Nicht alle haben sofort ihre Abzeichen an den Uniformen geändert, und so kann es sein, dass Passagiere nicht genau wussten, wer chief officer und wer Erster Offizier war.
Fitch, Layton und Wormstedt diskutieren ausführlich, wer der fragliche Offizier gewesen sein mag: Kapitän Smith, Wilde, Murdoch, Moody, McElroy, der leitende Ingenieur Joseph Bell, Master-at-arms Thomas W. King und der Erste-Klasse-Passagier Archibald Butt sind in der Literatur als Kandidaten genannt worden. Es gibt auch Theorien, nach denen beim Abbrechen eines Schornsteins Drähte durch die Luft geflogen seien. Das habe sich nach Schüssen anhören können, und die Drähte hätten Menschen verletzen können. Dies alles bleibe fragwürdig: Fitch, Layton und Wormstedt schlussfolgern, dass es keine zuverlässigen Belege dafür gibt, dass ein Offizier sich selbst umgebracht hat.
SOS-Signal
Einem populären Glauben zufolge ist die Titanic das erste Schiff gewesen, welches das neue Notsignal SOS verwendet hat. Dies ist nicht richtig. Im Jahr 1904 hat die Marconi-Gesellschaft ein Kürzel für Notrufe standardisiert: QCD. Die ersten beiden Buchstaben waren ein Ruf um Aufmerksamkeit, während das D für distress (Not, Notlage) stand. Man erklärte sich das Kürzel in der Folge mit Come quick, distress! (Komm schnell, Not!; eigentlich also eher: Alle Stationen, Not!) Doch das Kürzel war kein internationaler Standard, und das D konnte, gerade bei großen Abständen, leicht überhört werden.
In Deutschland wurde 1905 das Signal SOS eingeführt und 1906 auf einer internationalen Funktelegraphen-Konferenz in Berlin vorgeschlagen. Andere Länder akzeptierten es 1908. Das Signal war einfacher zu senden und zu empfangen. Verwendet wurde es zum Beispiel 1909, als die Arapahoe in Not geraten war, und auch viele andere Male vor 1912.
Funker Jack Phillips auf der Titanic nutzte in der Unglücksnacht zunächst CQD. Sein Kollege Harald Bride erinnerte sich, ihm SOS empfohlen zu haben, das sei das neue Signal und dies vielleicht die letzte Gelegenheit für sie, es zu verwenden. Philiips lachte und wechselte zu SOS (neben CQD). Neu war SOS allerdings höchstens für Bride oder relativ neu für britische Funker allgemein.
Die Musiker und der Untergang
Auf der Titanic fuhren acht männliche Musiker mit, die allesamt den Tod fanden. Von drei von ihnen wurden später die Leichen gefunden. Normalerweise gehörten sie zu zwei verschiedenen Gruppen, einem Trio und einem Quintett; darum ist es problematisch, von einer Schiffsband zu sprechen. Als das Schiff zu sinken begann, spielten sie gemeinsam, um Passagiere und Besatzung zu beruhigen. Mehrere Überlebende bezeugten, dass die Gruppe bis zum Ende zu hören war.
Zu den Musikern gibt es mehrere Streitfragen: wo und wie lange sie gespielt haben, und vor allem, welche Stücke sie dargeboten haben. Die Zeugenaussagen zum Ort sind widersprüchlich. Ein Piano stand beim Eingangsbereich der Ersten Klasse am Bootsdeck; da dieses Piano fest installiert war, damit es sich bei schwerem Seegang nicht bewegt, müsste die Gruppe dort gespielt haben. Ein Spielen draußen dürfte unwahrscheinlich sein, weil sich dort in der Kälte ihre Finger sich verkrampft hätten, weil sie dort nur wenig Licht gehabt hätten und weil die Streicher ihre Instrumente mehrmals neu hätten stimmen müssen.
Die Musiker haben vielleicht schon um 00:10 Uhr mit dem Spielen begonnen. Es ist unbekannt, ob sie das aus eigenem Antrieb oder aufgrund einer Bitte der Schiffsführung getan haben. Sie waren keine Besatzungsmitglieder, sondern formell Passagiere der Zweiten Klasse, die von einer Künstleragentur (Black in Liverpool) engagiert wurden. Darum konnte man ihnen das Spielen nicht befehlen, wohl aber untersagen. Kritiker finden, dass das Spiel die Passagiere ein falsches Gefühl an Sicherheit gegeben habe. Hätten die Passagiere den Ernst der Lage schneller erkannt, wäre es einfacher gewesen, die ersten Rettungsboote zu besetzen. Allerdings wollte die Schiffsführung eine Panik vermeiden. Es sieht so aus, dass die Musiker sich einfach zum Spiel zusammenfanden, weil es ihnen in der Situation als das Angemessenste erschien, selbst später, als ihnen ihr dräuendes Schicksal bewusst geworden sein muss. Überlebende haben das Spiel stets positiv hervorgehoben.
Eventuell gab es eine Pause: Lawrence Beesley will gegen 00:40 Uhr einen Cellisten mit Cello am Eingang der Zweiten Klasse zum Bootsdeck gesehen haben. Die Musiker könnten pausiert haben, um sich wärmer anzuziehen oder Rettungswesten anzulegen. Oder aber der Cellist kam später zur Gruppe hinzu. Jedenfalls hat ein Überlebender berichtet, dass er die Instrumente ohne Musiker habe liegen gesehen, während andere sich nicht einig waren, ob die Musiker Rettungswesten trugen oder nicht. Gespielt habe die improvisierte Band bis zum Ende, wurde von vielen Überlebenden behauptet. Die Musik war in der stillen Nacht weithin hörbar. Möglicherweise verließen die Musiker ihren Platz zur Backbordseite hin etwa zu dem Zeitpunkt, als das vordere Deck überspült wurde. Das würde erklären, dass später immerhin drei Musiker tot im Wasser geborgen wurden.
Umstritten ist vor allem, was die Musiker gespielt haben. Manche Zeugen vermelden fröhliche Musik etwa im damals beliebten Ragtime-Stil, andere patriotische Lieder wie das Star Spangled Banner, andere religiöse Musik wie zum Beispiel Hymnen. In den Berichten findet sich eine Vielzahl von verschiedenen Liedtiteln, wobei nicht immer gesichert ist, welches Lied oder welche Version davon genau gemeint war. Weil relativ viele Überlebende davon berichtet haben, ist es zumindest wahrscheinlich, dass die Hymne Nearer My God To Thee (Näher, mein Gott, zu dir) zu hören war. Davon gibt es drei verschiedene Versionen; die heute bekannteste, die Melodie Bethany, ist etwa in den Filmen von 1953 und 1997 zu hören. Offen muss wiederum bleiben, welches Lied das letzte war, das gespielt wurde.
Schiffe in der Nähe der Titanic
Der Weg der Titanic führte eine viel befahrene Schifffahrtsroute entlang. Eine Reihe von Schiffen ist durch ihre Funkmitteilungen nachweisbar; allerdings hatten damals die allermeisten Schiffe keine Funkstation. Die Titanic hatte das Glück, dass das Schiff Carpathia sich in relativer Nähe befand, dass es früh den Notruf der Titanic erhalten hat und dass es umgehend zur angegebenen Position gefahren ist (auch wenn sich diese Position im Nachhinein als falsch herausstellte). Die Carpathia traf aber nur noch Überlebende in Rettungsbooten und Leichen im Wasser an, die Titanic war bereits gesunken.
Eine Streitfrage ist es bis heute, welche anderen Schiffe in der Nähe gewesen sind, die möglicherweise zur Rettung hätten kommen können. Eventuell hätte ein solches Schiff helfen können, mehr Menschenleben zu retten. Dazu wäre es wichtig gewesen, dass es die Titanic noch vor dem Sinken erreicht hätte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Positionsangabe im Notruf falsch war und die Titanic mit der Strömung leicht nach Süden gedriftet ist. Außerdem mussten zu Hilfe eilende Schiffe befürchten, selbst durch Eis beschädigt zu werden.
Bevor die Titanic unterging, stand ihr Bug wahrscheinlich in einer nördlichen Richtung; noch sinkend schwenkte sie leicht. In dieser Richtung waren Lichter eines Schiffes zu erkennen, vielleicht auch Details. Dieses Schiff wird in der Forschung zuweilen mystery ship genannt. Es war etwa fünf Meilen von der Titanic entfernt und schien das Gebiet wieder zu verlassen. Das haben mehrere Überlebende ausgesagt. Wegen dieses Schiffes, von dem man sich Rettung erhoffte, feuerte man vom Deck der sinkenden Titanic Raketen ab (socket signals).
Wenn es um Schiffe in der Nähe der Titanic geht, werden außer der Carpathia normalerweise drei Schiffe diskutiert:
- Ein norwegisches Schiff, die Samson: Erst Jahre nach dem Unglück behauptete der Chief Officer, das Schiff sei heimlich und verbotenerweise auf Robbenjagd gewesen. Von dort aus habe man Raketen im Abstand von 10 Meilen gesehen. Man habe sie als Raketen der amerikanischen Küstenwache interpretiert, so dass man die Lichter ausgemacht habe, um sich heimlich zu entfernen. Wegen Unstimmigkeiten der Aussage wird diese Theorie jedoch weitgehend abgelehnt. Leslie Reade hat zum Beispiel ermittelt, dass die Samson am 6. April und dann wieder am 20. April im isländischen Hafen Isafjördhur gemeldet wurde. Mit sechs Knoten hatte sie nicht die Geschwindigkeit, um die großen Abstände so schnell zu bewältigen.
- Ein kanadisches Schiff, die Mount Temple: Sie fuhr zu der Stelle, die im Notruf angegeben worden war, und suchte vergeblich nach Überlebenden. Nach ihrer Ankunft am Zielort in Kanada behaupteten zwei Passagiere, dass sie Raketen der Titanic oder gar dessen Untergang beobachtet hätten. Allerdings geht man davon aus, dass die Mount Temple zu weit von der Unglücksstelle entfernt war, um solche Beobachtungen zu machen.
- Ein britisches Schiff, die Californian: Sie hatte wegen eines Eisfeldes am späten Abend Halt gemacht. Später sichtete sie ein fremdes Schiff und auch Raketen. Ihr Kapitän, Stanley Lord, interpretierte sie nicht als Notsignale. Erst am frühen Morgen war die Funkstation der Californian wieder besetzt. Von anderen Schiffen über das Unglück informiert, machte sie sich auf den Weg durch das Eisfeld zur vermuteten Unglücksstelle, fand aber nur Trümmerteile vor.
Besatzungsmitglieder der Californian wurden von der amerikanischen und auch der britischen Untersuchung befragt. Beide Untersuchungen waren der Ansicht, dass die Californian und die Titanic einander gesehen haben. Der Besatzung der Californian wurde vorgeworfen, dass sie nicht angemessen auf das Sichten von Raketen reagiert hätte. Die Schiffsführung hätte den Funker wecken sollen, um eventuell relevante Nachrichten zu erhalten.
Im Jahr 1985 wurde das Wrack der Titanic entdeckt. Das machte es möglich, die Unglücksstelle genauer zu bestimmen. Weil eine neue Erkenntnis vorlag, beschäftigte sich die britische Marine Accident Investigation Branch erneut mit dem Fall der Californian. Der Chief Inspector der MAIB, P. B. Marriott, übernahm die Positionsangabe, die Lord damals nachgeliefert hatte (42° 30′ 0″ N, 50° 42′ 0″ W ). Demnach wäre die Californian zu weit von der Titanic gewesen, um diese zu sehen. Marriott hält folgende Theorie für plausibel: Die Californian hat ein anderes Schiff als die Titanic gesichtet, dessen Identität bis heute nicht feststeht. Er nennt gar die Möglichkeit, dass die Californian nicht immer dasselbe Schiff, sondern verschiedene gesehen hat. An Bord der Californian gab es unterschiedliche Meinungen über die Größe des Schiffes, das man in der dunklen Nacht sowieso nur an den Lichtern erkennen konnte. Kapitän Lord ging von einem Frachter von der Größe der Californian aus, während sein Besatzungsmitglied Gill später ein großes Passagierschiff gesehen haben will.
Mit Blick auf die Raketen meint Mariott, dass die Californian in der Ferne zwar Raketen der Titanic beobachtet hat, nicht aber die Titanic selbst gesehen hat, sondern ein fremdes Schiff zwischen beiden. Von der Californian aus sah es so aus, dass die Raketen tief über dem Horizont flogen, nicht höher als Masthöhe. Wegen des Eisfelds hätten die Californian, das dritte Schiff und die Titanic in einer Linie gelegen. Die drei haltenden Schiffe wären dann gemeinsam gedriftet, so dass sie sich im Vergleich zueinander scheinbar nicht bewegten.
Auch andere Autoren glauben an ein mystery ship. Die überwiegende Mehrheit der Historiker geht jedoch davon aus, dass die Californian und die Titanic einfach einander gesehen haben. Halpern hat mögliche Richtungen und Positionen der Schiffe sowie die berichteten Sichtungen miteinander verglichen und in Übereinstimmung gebracht. Er schlussfolgert, dass beide Schiffe in einem Abstand von etwa 12 bis 14 Meilen voneinander lagen. Die Sichtbarkeit von Raketen schätzt er mit bis zu 15,5 Seemeilen (28,7 Kilometer) ein. Hätten Californian und Titanic einander tatsächlich nicht gesehen, dann hätte jedes Schiff ein unterschiedliches mystery ship sehen müssen, aber eben nur jeweils eines. So halten auch Fitch, Layton und Wormstedt die Wahrscheinlichkeit für astronomisch gering, dass es ein oder mehrere mystery ships gegeben hat. Für solche Schiffe bestünde keinerlei Beweis.
Tod des Kapitäns Smith
Es gibt verschiedene Versionen, wie der Kapitän der Titanic, Edward John Smith, zu Tode gekommen ist. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass er bewusst mit seinem Schiff untergegangen sei. So ist es in mehreren Filmen wie auch dem von James Cameron zu sehen. Alternativ hat Smith sich vor dem Untergang selbst das Leben genommen, oder ist kurz vor dem Untergang über Bord gesprungen, oder war bei einem der Rettungsboote.
Die Analyse von Zeugenaussagen ergibt kein klares Bild. Nur wenige Überlebende waren noch auf der Titanic, als das Schiff unter Wasser geraten ist. Die Zeugen waren sich beispielsweise nicht einig, ob Smith eine Rettungsweste getragen hat. Manche behaupteten, der Kapitän hätte sich durch einen Schuss getötet, andere, er habe im Wasser treibend ein Baby in ein Rettungsboot gesetzt. Anscheinend war der Kapitän die meiste Zeit in der Nähe der Brücke, bevor das Bootsdeck unter Wasser geriet. Manche sagen, er hätte beim Versuch, Faltboot A zu Wasser zu lassen, Befehle erteilt. Vielleicht ist er danach wieder zur Brücke gegangen. Doch es gibt keine belastbaren Zeugenaussagen, dass er wirklich mit dem Schiff untergangen ist. Der Überlebende Hurst glaubte zeitlebens, er habe Smith beim Faltboot B gesehen und versucht, ihn zu retten. Doch Smith sei bereits der Unterkühlung erlegen gewesen. Allerdings, so Fitch, Layton und Wormstedt, war es in der dunklen Nacht schwierig, jemanden sicher zu identifizieren.
Austausch des Schiffes für einen Versicherungsbetrug
Im Jahr 1996 veröffentlichten die Autoren Robin Gardiner und Dan van der Vat das Buch Die Titanic-Verschwörung. Darin behaupten sie, im Jahr 1912 sei nicht die Titanic untergegangen, sondern ihr Schwesterschiff, die Olympic. Das Motiv sei Versicherungsbetrug gewesen.
Diese und andere Autoren verweisen auf einen Unfall im September 1911. Dabei stieß die Olympic mit dem kleineren Kreuzer Hawke zusammen. Beide Schiffe wurden schwer beschädigt. Angeblich sei der Schaden an der Olympic viel größer gewesen als von der White Star Line zugegeben. Eine Reparatur hätte sich finanziell oder auch technisch nicht gelohnt. Darum habe die White Star Line die Olympic unter dem Namen Titanic auf eine Atlantikfahrt geschickt und absichtlich versenkt. (J. P. Morgan, der maßgebliche Finanzier hinter der White Star Line, habe daher seine Mitfahrt wegen einer vorgeschobenen Krankheit nicht angetreten.) Durch den fingierten Unfall sei man an die Versicherungssumme für die Titanic gekommen, und in der Folge fuhr die ursprüngliche Titanic unter dem Namen Olympic über die Meere, bis sie 1935 verschrottet wurde.
Die Behauptung mag zunächst glaubhaft klingen, weil sich beide Schiffe ähnlich gesehen haben. Allerdings hätte der behauptete Austausch innerhalb kurzer Zeit passieren müssen: So war die Olympic vom 2. bis 7. März 1912 bei der Werft in Belfast. Wegen eines Fotos vom 3. März, das eindeutig die Olympic zeigt, hätte man nur vier Tage gehabt. Oder der Austausch hätte später im März oder Anfang April stattfinden müssen. Gegen einen Austausch sprechen aber mehrere Gründe:
- Zahlreiche Menschen hätten vom Versicherungsbetrug gewusst: Arbeiter auf der Werft, die Führung der White Star Line sowie beide Besatzungen (viele Besatzungsmitglieder der Titanic hatten zuvor auf der Olympic gedient) hätten den Austausch bemerken müssen. Dennoch hat in all den Jahren nach dem Unglück niemand von einem Austausch gesprochen.
- Zwischen beiden Schiffen gab es eine Reihe von baulichen Unterschieden, sowohl außen als auch bei der Inneneinrichtung. Die Unterschiede sieht man unter anderem auf Fotos, und sie erscheinen in Erinnerungen von Überlebenden der Titanic. In der kurzen Zeit wäre es kaum möglich gewesen, die Titanic bzw. die Olympic entsprechend umzubauen.
- Die baulichen Besonderheiten der Titanic wurden am Wrack des Schiffes auf dem Meeresgrund festgestellt.
- Elemente der Inneneinrichtung der Olympic wurden später verkauft. Auf der Rückseite zum Beispiel von Holzvertäfelungen sieht man die Werft-Nummer der Olympic, die 400 (nicht die 401 der Titanic).
- Anstatt das Schiff mit Passagieren und Gepäck auf den Ozean zu schicken, hätte man es auch einfach auf der Werft anzünden können: Brandunfälle in den Docks waren keine Seltenheit.
Überhaupt: Ein Schiff wie die Olympic kostete voll ausgestattet anderthalb Millionen Pfund (oder 7,5 Millionen Dollar). Die Versicherung deckte damals aber nur einen Schaden von einer Million Pfund (fünf Millionen Dollar). Fitch, Layton und Wormstedt nennen die Behauptung von einem Austausch folglich „eine der bizarresten Theorien rund um die Titanic“.
Versenkung mit Mordmotiv
Verschiedene Verschwörungserzählungen behaupteten, dass die Titanic absichtlich zum Sinken gebracht worden sei. Man habe drei bestimmte Bankiers auf das Schiff eingeladen, um sie umzubringen. Diese hätten nämlich die Federal Reserve Bank der USA verhindern wollen, um deren Einrichtung damals gestritten wurde. Mit dem Mord habe man diese drei Gegner und ihren Widerstand erfolgreich beseitigt: John Jacob Astor IV, Isidor Straus und Benjamin Guggenheim. Auf der Titanic sollte eigentlich auch ein Befürworter einer Federal Reserve Bank mitfahren, J. P. Morgan, der tatsächliche Finanzier der Titanic. Dieser hatte seine Reise jedoch wenige Stunden vor der Abfahrt abgesagt.
Es gibt keine Einigkeit unter Forschern, warum Morgan seine Reisepläne geändert hat, dies sei jedenfalls nicht binnen weniger Stunden vor der Abfahrt passiert. Vor allem aber gibt es keinen Beleg dafür, dass die drei Genannten tatsächlich Gegner der Federal Reserve Bank gewesen sind. Straus hat sich, laut einer Nachforschung der Washington Post, sogar für den Vorschlag ausgesprochen. Davon abgesehen sind Experten sich einig, dass der Untergang des Schiffes ein Unfall war.
Tiere an Bord des Schiffes
Auf der Titanic sind mehrere Tiere mitgefahren, außer Hunden auch Katzen, Hühner und weitere Arten. Von den Hunden haben drei nachgewiesenermaßen überlebt, und zwar im Beisein ihrer Frauchen und Herrchen in Rettungsbooten. Eine moderne Legende ist aber wohl der Hund Rigel. Laut einem Zeitungsbericht sei dieser vor einem Rettungsboot durch das eiskalte Wasser geschwommen und habe die Carpathia herbeigebellt. Von der nicht überlebenden Passagierin Anne Elizabeth Isham wurde behauptet, dass sie sich geweigert habe, ohne ihren (sehr großen) Hund ins Rettungsboot zu steigen. Laut einer weiteren Story hätten jedoch Passagiere der Bremen eine Frau im Wasser treibend gesehen, die in ihren gefrorenen Armen einen großen Hund gehalten habe. Tatsächlich hatte Isham keinen Hund bei sich, und auch eine Zeugenaussage von Alice Leader, dass eine junge Frau ihren großen Hund nicht habe zurücklassen wollen, dürfte nicht auf die fünfzigjährige Isham zutreffen.
Die überlebende Stewardess Violet Yessop berichtete von der Katze Jenny, die auf dem Schiff Junge geworfen habe. Weitere Belege, etwa zum Schicksal der Katzenfamilie, gibt es nicht. Nach einer Behauptung wurde sie von einem irischen Mitglied der Besatzung gerettet, nach einer anderen verließ die hellseherische Jenny das Schiff mitsamt Brut noch vor dem Auslaufen.
Ähnlichkeiten zu fiktionalen Schiffsunglücken
In manchen Romanen und Erzählungen finden sich Ähnlichkeiten zum tatsächlichen Untergang der Titanic. Zuweilen wurde behauptet, die betreffenden Schriftsteller hätten das Unglück der Titanic auf übernatürliche oder zumindest mysteriöse Weise vorhergesagt. Allerdings sind Schiffsunglücke kein seltenes Thema in der Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Daher ist es wahrscheinlich, darin ähnliche Ereignisse zu finden.
Bekannt ist in diesem Zusammenhang vor allem der Roman Titan, Eine Liebesgeschichte auf hoher See von 1898. Im Original hieß er zunächst Futility, in späteren Auflagen nach dem Untergang der Titanic wurde auch der Titel The Wreck of the TITAN verwendet. Der amerikanische Schriftsteller Morgan Robertson (1861–1915) war bis 1899 selbst zur See gefahren. Er könnte vom Dampfschiff Titania gewusst haben, das im Juli 1880 im Nordatlantik auf einen Eisberg gestoßen und gesunken ist. Jenes Schiff war auf dem Weg von einem kanadischen Hafen zu einem anderen; es starb ein Besatzungsmitglied, die übrigen fünf retteten sich in einem Fischerboot.
Im Roman von 1898 gibt es durchaus Ähnlichkeiten zum Untergang der Titanic, aber auch Unterschiede. Die fiktive Titan hat eine vergleichbare Größe und Ausstattung, es sind auch nicht genug Rettungsboote für alle an Bord. Sie fährt von New York Richtung Liverpool. Zunächst stößt sie mit einem kleineren Schiff zusammen, das in zwei Teilen sinkt. Die Hauptfigur, John Rowland, ein ehemaliger Marine-Offizier und jetzt Alkoholkranker, hat dies im Ausguck beobachtet. Die Schiffsführung plant, den Vorfall zu vertuschen, was Roland ablehnt.
In der nächsten Nacht, einer kalten Aprilnacht, trifft die Titan auf einen Eisberg und kentert. Nur 13 Menschen überleben. Dazu gehört Rowland, der mit einer jungen Passagierin auf den Eisberg springt. Er muss sich eines Eisbären erwehren, wird aber schließlich mitsamt der Passagierin von einem vorbeifahrenden Schiff gerettet.
Zwei andere Geschichten erhielten vor allem wegen ihres Autors neue Aufmerksamkeit, denn der britische Zeitungsmann William Thomas Stead (1849–1912) ist selbst auf der Titanic umgekommen. Im Jahr 1886 hatte er eine Kurzgeschichte veröffentlicht, die von einem Schiffsbruch handelt: How the Mail Steamer Went Down in Mid Atlantic by a Survivor (Wie der Postdampfer im Mittelatlantik gesunken ist, von einem Überlebenden). Dieser Postdampfer hat in der Geschichte keinen Namen. Die Hauptfigur Thompson ist ein Seemann, der eines Nachts über das Deck geht und daran denkt, dass das Schiff mit 916 Menschen nur etwa 400 Plätze in Rettungsbooten hat. Tags darauf stößt der Postdampfer im Nebel mit einem Segelschiff zusammen, das rasch sinkt, während der Postdampfer Schlagseite Richtung Steuerbord bekommt.
Panisch kommen Passagiere des Postdampfers an Deck und versuchen, die Boote gewaltsam zu besetzen, was die Besatzung unter Waffenandrohung verhindert. Die Hauptfigur erhält den Befehl, ein Boot vor allem mit Frauen zu besetzen. Dies ist bereits das letzte Boot, während sich noch 700 Menschen auf dem Schiff befinden. Schließlich sinkt der Postdampfer, und die Hauptfigur fällt mit vielen anderen ins Meer. Thompson wird ergriffen und in ein Rettungsboot gezogen. Am Ende der Erzählung heißt es, dass es so in Wirklichkeit aussehen würde, wenn man nicht genug Rettungsboote an Bord hat.
Im Jahr 1892 folgte eine andere Geschichte Steads, in der ein Schiffbrüchiger gerettet wird. Ein Schiff, die Ann and Rose, wurde im Nebel von einem Eisberg versenkt. Einige Passagiere können sich auf eine Eisscholle retten, doch nach und nach erfrieren alle bis auf einen. Auf einem anderen Schiff, der Majestic, reist die Hauptfigur der Geschichte, Jack Compton. Er und andere Passagiere erfahren durch übersinnliche Wahrnehmungen vom Schiffbrüchigen auf der weit entfernten Eisscholle. Es gelingt Compton, den Kapitän der Majestic von der Realität des Unglücks zu überzeugen, so dass dieser den Kurs ändert. Compton und ein Begleiter fahren schließlich in einem Boot durch ein Eisfeld und retten den Schiffbrüchigen kurz vor dessen Kältetod. In der Geschichte wird länger erklärt, welche Gefahr Eisberge für ein Schiff darstellen, und auch die Arizona wird erwähnt, die trotz Zusammenstoß mit einem Eisberg nicht gesunken ist.
Stead hat ausdrücklich an das reale Schiff Majestic der White Star Line gedacht. In der Zeitschrift, in der die Geschichte erschienen ist, sieht man auch ein Foto des Schiffes. Der Kapitän des Schiffes wird konsequenterweise nicht namentlich genannt; eine Fußnote erklärt, dass die entsprechende Illustration zwar den realen Kapitän zeige, dass dieser jedoch nichts mit dem Kapitän der Geschichte zu tun habe. Interessanterweise befehligte von 1895 bis 1904 Edward Smith als Kapitän die Majestic. Dieser war in seiner langen Karriere allerdings nicht nur Kapitän der Majestic und der Titanic, sondern auch mehrerer anderer Schiffe der White Star Line gewesen.
Bedeutsamkeit und Popularität des Untergangs der Titanic
Der Untergang der Titanic ist in zahlreichen Romanen, Sachbüchern und Filmen verarbeitet worden. Das seinerzeit größte Schiff der Welt, das gleich auf seiner ersten Fahrt im riesigen, leeren Nordatlantik auf einen Eisberg stößt und trotz modernster Technik durch eine Verkettung unglücklicher Umstände hunderte, zumal auch reiche und berühmte, Menschen in den Tod riss, hat sich im kollektiven Gedächtnis der Welt fest verankert. Eine tragische Ironie lag in der Tatsache, dass die Umstände für eine Rettung der Passagiere, verglichen mit dem Untergang der Lusitania oder der Empress of Ireland, eigentlich ideal waren. Mit fast zweieinhalb Stunden von der Kollision bis zum Untergang wäre genügend Zeit für eine geordnete Evakuierung gewesen, das Schiff ist nicht vorzeitig gekentert, was das Fieren der Rettungsboote unmöglich gemacht hätte, das Licht brannte lange genug, um die unteren Decks sicher zu verlassen und auch die See war so ruhig, dass die Rettungsboote ohne Gefahr mehrere Stunden mitten auf dem Atlantik treiben konnten. All dies bot – neben den Tatsachenberichten der beteiligten Passagiere und Besatzungsmitglieder – Inspiration für zahlreiche dramatische Bearbeitungen des Unglücks. Bis heute erscheinen Bücher, Filme, Musicals, Essays, sogar Videospiele zur Geschichte der Titanic. Rückblickend steht der Untergang des Schiffes zudem für den Untergang der alten Zeit der Belle Epoque. Nur wenige Jahre nach der Katastrophe brach der Erste Weltkrieg aus und veränderte die politischen und gesellschaftlichen Strukturen in Europa für immer. Das Titanic-Unglück ist bis heute der verlustreichste Schiffsunfall der „westlichen Welt“. Zwar gab es im Zweiten Weltkrieg Schiffsuntergänge, bei denen viel mehr Menschen starben, doch waren sie durch Gewaltakte verursacht und erlangten angesichts vieler Millionen Kriegsopfer keine so große Aufmerksamkeit.
Unmittelbar nach der Katastrophe war diese zentrales Thema in den Zeitungen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubten viele Leute, die Gefahren der Seefahrt seien mit den neuen Generationen der großen Dampfer überwunden. Spätestens im September 1911, als der Kreuzer Hawke bei voller Fahrt mit seinem betongefüllten Unterwasserrammsporn in die Flanke der Olympic fuhr und diese bei nur geringfügig erhöhtem Tiefgang stabil im Wasser schwamm, hatte sich diese Meinung endgültig gefestigt. Doch die Erkenntnis, dass nicht alles technisch zu beherrschen ist, lag nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, denn am meisten beschäftigte sich die Presse mit den prominenten Opfern des Unglücks und ihrem Verhalten während des Untergangs. Die hohe Anzahl an Auswanderern und Mannschaftsangehörigen unter den Toten besaß dagegen keinen großen Stellenwert.
Auch aus wissenschaftlicher Sicht bestand großes Interesse an dem Schiff. So galt das Wrack laut dem Entdecker Robert Ballard als eine Art Mount Everest der Tiefseetaucher, und die Entdeckung im Jahr 1985 sorgte wieder einmal für ein großes Echo in den Medien. Seitdem gab es viele Erkundungen des Wracks, deren Finanzierung auch aus dem Verkauf von Artefakten bestritten wurde. Zudem wurden immer wieder Ausstellungen initiiert, bei denen Fundstücke vom Wrack und Titanic-Modelle sowie Exponate verschiedener Museen zu sehen waren.
Zusätzlich fasziniert das Aussehen des Schiffs, das sich sehr von heutigen Passagierschiffen unterscheidet. Der langgestreckte Rumpf der Titanic war relativ flach, ebenso die Aufbauten. Das große Vorschiff durchschnitt mit dem scharfen, nahezu senkrechten Steven die See, das flach auslaufende Heck war mit einem elliptisch geformten Überhang abgerundet und die vier Schornsteine und die zwei hohen Masten bewirkten im Seitenprofil eine starke Symmetrie. All das verlieh dem Schiff ein angesichts der Größe elegantes Aussehen. Schließlich blieb auch der Name Titanic in Erinnerung. Er sollte Größe und Überlegenheit ausdrücken, im scharfen Kontrast zum Untergang. Der einprägsame Name ist heute auch vielen Menschen bekannt, die sich ansonsten kaum mit Schifffahrtsgeschichte auskennen.
Folgen des Untergangs
Die Titanic-Katastrophe regte zahlreiche Veränderungen der Sicherheitsbestimmungen auf See an. Danach wurde es nämlich nicht mehr akzeptiert, dass Schiffe nicht Rettungsbootplätze für alle Passagiere und Besatzungsmitglieder aufwiesen. Ebenso verlangte man, dass Funkstationen rund um die Uhr besetzt wurden. Am 12. November 1913 wurde die erste internationale Konferenz zum Schutze des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) einberufen. Dabei entstand ein Vertrag, der erstmals internationale Mindeststandards auf Handelsschiffen schaffen sollte. Seitdem wurde der Vertrag mehrfach modernisiert und ist heute eine UN-Konvention unter Kontrolle der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO). Der Gefahr des Eises, das durch den Labradorstrom teils weit nach Süden transportiert wird und schon vor der Titanic-Katastrophe für zahlreiche Havarien gesorgt hatte, wurde durch die Gründung der internationalen Eispatrouille am 7. Februar 1914 begegnet.
Rezeption
Kunst
Eines der bekanntesten Bilder des Untergangs schuf bereits einen Monat nach dem Geschehen der Marinemaler Willy Stöwer für die Zeitschrift Die Gartenlaube. Er hatte damals nur wenige Informatioen über das Unglück und wusste nicht, dass während des Untergangs kein Eisberg in der Nähe war. Wie in den meisten Darstellungen sind Schiff und Umgebung viel zu hell. Über den schwarzen Rauch aus dem vierten Schornstein ließe sich streiten: Dieser Schornstein war vor allem zur Entlüftung da, allerdings nebenbei auch für den Rauchabzug kleinerer Feuerstellen.
Auch ein Werk von des modernen Malers Max Beckmann zeigt das Thema. Bekannt ist heute vor allem der Marinemaler Ken Marschall mit seinem realistischen Stil. Anders als bei anderen Titanic-Zeichnern sind seine Gemälde farbig und zeigen zum Beispiel den Untergang der Titanic, von dem es keine Fotos gibt. Marschall malte viele weitere Schiffe und andere Transportmittel und beriet James Cameron bei dessen berühmten Spielfilm.
Literatur
Der Untergang der Titanic wird in vielen Sachbüchern dargestellt und auch in Romanen aufgegriffen. Überlebende wie der Zweite Offizier Lightoller oder der Passagier Jack Thayer schrieben Bücher über ihre Erlebnisse an Bord der Titanic. Der Sachbuchautor Walter Lord verfasste das Sachbuch A Night to Remember (deutscher Titel Die letzte Nacht der Titanic), das als Standardwerk zum Thema gilt, wenngleich veraltet, jedoch mit den Aussagen von Zeitzeugen, die Lord damals noch befragen konnte.
Romane
Romane beschrieben meist fiktionale Ereignisse, die sich für die Rahmenhandlung der Jungfernfahrt der Titanic bedienten. Große Resonanz erhielt der deutsche Roman Titanic des konservativ-nationalistischen Autors Josef Pelz von Felinau (1939). In der DDR erschien 1957 der von Günther Krupkat geschriebene Roman Das Schiff der Verlorenen, der ebenfalls den Untergang der Titanic thematisiert. Hebt die Titanic! heißt ein Science-Fiction-Roman von Clive Cussler mit dem Helden Dirk Pitt, der vor dem Hintergrund des Kalten Krieges die Bergung des Schiffes beschreibt (1976). Ein darauf basierender Roman, Die Titanic-Verschwörung, von Cussler mit Jack DuBrul über den Helden Isaac Bell folgte 2020. Bekannt und für das Fernsehen verfilmt wurde ein Roman von Danielle Steel von 1991 mit dem Titel No Greater Love.
Drama
- Ernest Raymond: The Berg (1929), die Vorlage für den Film Atlantic von 1929
- Christopher Durang: Titanic (1974)
- Hans Magnus Enzensberger: Der Untergang der Titanic. Eine Komödie. (1978) Enzensbergers „Gesänge“ wurden vor allem durch eine Inszenierung von George Tabori an den Münchner Kammerspielen bekannt. Das Bühnenbild bestand im Wesentlichen aus einem riesigen Aquarium, in dem ein Wels schwamm. Jeder der Darsteller stieg während der Aufführung irgendwann ins Aquarium.
Musik
- Der Schweizer Komponist Stephan Jaeggi (1903–1957) komponierte im Alter von 18 Jahren ein Stück für symphonische Blasorchester. In seiner Fantasie Titanic beschreibt er die verhängnisvolle Jungfernfahrt der Titanic und die damit verbundene Tragödie.
- Der britische Komponist Gavin Bryars komponierte 1969 The Sinking of the Titanic (Der Untergang der Titanic), ein Orchesterwerk über die Schiffskatastrophe, das 1972 in der Londoner Queen Elizabeth Hall uraufgeführt wurde. Das ruhige Werk kreist dabei um Motive aus der Hymne Autumn, die laut Zeugenberichten in den letzten 5 Minuten des Untergangs von der Schiffskapelle noch gespielt worden sei. Das Werk wurde häufig aufgeführt und ist mittlerweile dreimal auf Platte eingespielt worden.
- 1978 veröffentlichte die deutsche Band Birth Control ein Album mit dem Titel Titanic.
- Am 6. September 1979 wurde an der Deutschen Oper Berlin Der Untergang der Titanic von Wilhelm Dieter Siebert uraufgeführt.
- Im Jahr 1984 konnte Peter Schilling mit seinem NDW-Song Terra Titanic einen Hit landen.
- 1991 veröffentlichte der Sänger Howard Carpendale seinen Song Willkommen auf der Titanic.
- Der Jazz-Musiker Steve Cameron schrieb in den 1990er-Jahren ein Konzeptalbum über die Titanic mit dem Namen The Titanic Suite. Die Musik bewegt sich zwischen klassischen Stücken und New Age Synthesizer-Arrangements. Im umfangreichen Booklet finden sich viele Details über verschiedene Räumlichkeiten der Titanic.
- 1992 veröffentlichte der österreichische Sänger Falco seinen Song Titanic auf dem Album Nachtflug.
- 1994 erschien das Album Here’s to the People von Paddy Goes to Holyhead mit dem Titel The Titanic
- 1994 veröffentlichte die Irish-Folk Band An Cat Dubh das Album Black Is the Color, worauf das Stück „A Night to Remember“ enthalten ist, das sich mit dem Untergang der Titanic befasst.
- 2002 veröffentlichte die Rock-’n’-Roll-Band Candyman das Lied „Titanic“, das sich mit dem Untergang der Titanic befasst.
- Die Geschichte der Titanic wurde auch in einem Broadway-Musical unter dem Titel Titanic – Das Musical wiedergegeben, das von 1997 bis 2000 lief. In den Jahren 2000 und 2001 wurde das Musical in den Niederlanden aufgeführt, und 2002–2003 lief es in Deutschland in der Neuen Flora in Hamburg. Im Juli/August 2012 wurde das Musical in der Felsenbühne Staatz aufgeführt.
- 2011 veröffentlichte die schwedische Power-Metal-Band ReinXeed das Konzeptalbum 1912, das sich mit dem Untergang der Titanic befasst.
- 2012 wurde zum 100. Jahrestag das einstündige Requiem The Titanic Requiem, das von Robin Gibb und seinem Sohn Robin-John geschrieben wurde, in London vom Royal Philharmonic Orchestra uraufgeführt.
- 2012 veröffentlichte Bob Dylan das fast 14-minütige Lied Tempest (erschienen auf der gleichnamigen CD). In 45 Strophen schildert er den Untergang der Titanic anhand einer Reihe von Einzelschicksalen.
Verfilmungen
Fiktionalisierte Darstellungen
- 1912: Saved From the Titanic, verlorener Kurzfilm mit der Überlebenden Dorothy Gibson in der Hauptrolle
- 1912: In Nacht und Eis, deutscher Film unter der Regie von Mime Misu
- 1929: Atlantik, erster Tonfilm zum Theme, jedoch mit einem Schiff namens Atlantic
- 1943: Titanic. nationalsozialistischer Propagandafilm, basierend auf dem Roman von Josef Pelz von Felinau
- 1953: Der Untergang der Titanic, erster Hollywood-Film, mit Clifton Webb und Barbara Stanwyck
- 1958: Die letzte Nacht der Titanic, britischer Spielfilm basierend auf dem Sachbuch von Walter Lord (1955)
- 1964 Goldgräber-Molly, Musical-Verfilmung mit längerer Sequenz über das Überleben von Margaret Brown
- 1979: S.O.S. Titanic, Fernsehfilm, die erste Verfilmung in Farbe
- 1980: Hebt die Titanic, Science-Fiction-Film basierend auf dem Roman von Clive Cussler (1976)
- 1996: Titanic. Fernseh-Zweiteiler, basierend auf dem Roman Titanic: An Illustrated History
- 1996: No Greater Love, Fernsehfilm nach dem gleichnamigen Roman von Danielle Steel (1991)
- 1997: Titanic, Film von James Cameron
- 1999: Die Mäusejagd auf der Titanic, Kinderfilm, Zeichentrick
- 2000: Mäuse-Chaos unter Deck der Titanic, Zeichentrick
- 2011: Titanic, vierteilige britisch-kanadische Fernsehserie
- 2012: Titanic – Blood and Steel, zwölfteilige Fernsehserie mit Neve Campbell, Chris Noth und Joely Richardson
- 2012: Titanic 2 – Die Rückkehr, direkt auf DVD veröffentlichter Film über einen Nachbau der Titanic
Die heute bekannteste Verfilmung ist der Film Titanic von 1997 unter der Regie von James Cameron mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet in den Hauptrollen, der elf Oscars erhielt. Für eine hauptsächlich fiktionale Erzählung aus Hollywood werden die Ereignisse überdurchschnittlich sorgfältig dargestellt. Hervorzuheben ist vor allem die bis auf wenige Details perfekte optische Reproduktion der Titanic.
Außerdem wurde der Untergang der Titanic in verschiedenen Filmen und Fernsehserien thematisiert oder zumindest erwähnt, so beispielsweise als Teil der Handlung in der Folge Rendezvous with Yesterday der Serie Time Tunnel aus dem Jahr 1966. In der Serie Die Zeitreise (siehe unter: Die Zeitreisenden) aus dem Jahr 1982 reisen die Protagonisten, u. a. mit Jon-Erik Hexum als Phineas Bogg und Meeno Peluce als Jeffrey Jones, gleich zweimal auf die Titanic. Die erste Folge der britischen Serie Downton Abbey beginnt mit der Zeitungsmeldung, dass die Titanic gesunken sei; ein Cousin, der den Namen der Familie weiterführen soll, verunglückt beim Untergang und verursacht hierdurch die familiären Probleme.
Dokumentationen
- 1962 Augenzeugen berichten über Schlagzeilen von gestern: Der Untergang der Titanic (Hans Ulrich Reichert, Süddeutscher Rundfunk, wiederholt im 3. Fernsehprogramm des NDR 2012 in der Nacht der Schiffskatastrophen; es berichten die Überlebenden Edith Russell und Alfred Nourney).
- 1986: Das Geheimnis der Titanic (Unterwasserexpedition, National Geographic Society)
- 1998: Titanic – Zeugen des Untergangs (Discovery Communications Geschichte)
- 1999: Titanic – Dem Mythos auf der Spur (Unterwasseraufnahmen)
- 2000: Titanic – Antworten aus der Tiefe (Discovery Geschichte, Teil 4 der Serie Geschichte und Technik)
- 2000: ZDF History: Die Helden der Titanic (Moderation: Guido Knopp)
- 2003: Die Geister der Titanic (Dokumentation in 3D)
- 2005: Titanic – Der Bau des Superschiffs (Dokumentation über den Bau der Titanic)
- 2006: Der Untergang der Titanic (Sekunden vor dem Unglück)
- 2009: Vergangene Welten: Die Entstehung der Titanic (Dokumentation über die Geschichte des Dorfes „Titanic Town“ in der Nähe von Belfast)
- 2010: Titanic: The Mission (Fernseh-Dokumentation über die Neuerschaffung einzelner Sektionen der Titanic, mithilfe der Werkzeuge und Technologien des frühen 20. Jahrhunderts; Channel 4, englisch)
- 2012: 14. April 1912: Die letzten Stunden der Titanic (DVD Nr. 33 Spiegel TV)
- 2012: Die Helden der Titanic (Dokudrama über den Maschinenraum, englischer Titel Saving the Titanic)
- 2012: Titanic – Anatomie einer Katastrophe (Dokumentation in 4 Teilen)
- 2012: James Camerons Titanic – Analyse einer Tragödie (National Geographic Society)
- 2017: Titanic: The New Evidence
Museen und Ausstellungen
Das Gebäude Titanic Belfast befindet sich auf dem früheren Gelände der Werft Harland & Wolff in Belfast und eröffnete im Jahr 2012. In einer Ausstellung zeigt es die Geschichte der Titanic vom Bau bis zum Untergang. Es ist Teil einer großangelegten Wiedernutzung der ehemaligen Industriefläche als Titanic Quarter.
Das SeaCity Museum in Southampton zeigt in einer Dauerausstellung unter anderem die Betroffenheit der Stadt durch den Tod von mehr als 500 Besatzungsmitgliedern, die aus Southampton stammten.
Der Titanic-Fan John Joslyn, der bereits 1987 das Wrack besucht hat, besitzt zwei ähnliche Museen zur Titanic, die beide unter Titanic Museum Attractions firmieren. Sie sind beide in Gebäuden untergebracht, die dem Vorderteil des berühmten Schiffes nachempfunden sind. Bekannt ist unter anderem der Nachbau der Grand Staircase, das große Treppenhaus der Titanic, in beiden Häusern. Besucher erhalten eine Eintrittskarte mit dem Namen eines Passagiers, dessen Schicksal sie verfolgen. Das eine Gebäude befindet sich in Branson, Missouri, und das andere, größere, in Pigeon Forge, Tennessee.
Die RMS Titanic Inc. bietet an verschiedenen Orten Ausstellungen etlicher Ausstellungsstücke an. Sie wurden während der Tauchgänge zum Wrack geborgen und größtenteils restauriert. 1997 bis 1999 fand die bis dahin größte Titanic-Ausstellung der Welt in der Speicherstadt in Hamburg statt. Eine weitere Ausstellung in Deutschland gab es vom 16. Juni bis 12. August 2007 in Kiel in der Ostseehalle. Ergänzt wurde die Ausstellung in Kiel durch einen 62-seitigen reich bebilderten Ausstellungskatalog.
Yadegar Asisi präsentierte 2017 die Titanic, wie sie auf dem Meeresgrund des Atlantik aussieht, in einem 360°-Panorama im Panometer in Leipzig. Das 32 Meter hohe Rundbild zeigt auf 3500 Quadratmetern Oberfläche das Wrack in einem künstlichen Lichtszenario.
Der letzte Hafen, den die Titanic aufgesucht hat, war Queenstown, das seit 1920 Cobh heißt. Dort am Anlegeplatz der Ausschiffungsboote befinden sich die Räume der ehemaligen Fahrkartenverkaufsstelle der White Star Line. Darin zeigt ein privates Museum (Titanic Experience Cobh) originale Exponate des Schiffes. Daneben beleuchtet das Cobh Heritage Center in einer Dauerausstellung die irische Auswanderung und deren Schicksale insbesondere im Zusammenhang mit der Titanic und der Lusitania.
Nachbauten
Es gab mehrere Ansätze, die Titanic nachzubauen. Der angekündigte Bau oder die Fertigstellung sind allerdings immer wieder abgesagt oder abgebrochen worden. Ein Beispiel ist die Titanic II (Schiff), hinter der ein australischer Milliardär (Clive Palmer) steht, oder die Romandisea Titanic aus China. Im Gegensatz zur Titanic II soll die Romandisea Titanic allerdings nicht auf Reise gehen, sondern bei den „Romandisea Resorts“ in Daying in der Provinz Sichuan, Südwestchina, in ruhigen Gewässern ankern.
Im Mai 2022 kommentierte der Belfast Telegraph, dass beide Projekte das unrühmliche Schicksal der ursprünglichen Titanic teilten. Vom angekündigten 500-Millionen-Pfund-Schiff, das Palmer im Jahr 2015 für das Jahr 2022 in Aussicht gestellt hatte, sei nichts zu sehen. Im Jahr 2019 gab ein Vertreter des Unternehmens zu, dass keine Werft einen Auftrag bekommen habe.
Mit dem Bau des chinesischen Schiffs, der auf 150 Millionen Pfund veranschlagt worden ist, sei tatsächlich begonnen worden. Geplant war, dass die Unsinkable Titanic als Attraktion im Themenpark (1600 Kilometer vom Ozean entfernt) dienen würde. Auch einen nachgemachten Eisberg sollte es geben. Die Besucher würden eindringendes Wasser und Leucht- und Geräuscheffekte erleben. Das zu einem Viertel fertiggestellte Schiff roste nun aber vor sich hin.
Sprachgebrauch
Beiname für havarierte Fahrzeuge
Titanic wurde in der Medienberichterstattung und in Dokumentationen zum Beinamen von besonders großen Fahrzeugen – zumeist Schiffen –, die Opfer einer Unfallkatastrophe geworden waren. Die gesunkene Tayleur wurde so zur „ersten Titanic der White Star Line“, die britische Hilda zur „Titanic der Bretagne“, die 1989 gesunkene Mogoșoaia zur „Titanic Rumäniens“. Titanic der Lüfte – Die letzte Fahrt der Hindenburg ist der Titel einer Folge der Fernseh-Dokuserie Höllenfahrten.
„Titanic-Effekt“
Das Schiffsunglück wurde auch in der Wortbildung „Titanic effect“ (englisch) beziehungsweise Titanic-Effekt aufgegriffen. Wissenschaftler versuchten mit diesem Schlagwort, auf strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen dem Untergang der Titanic und anderen Katastrophen aufmerksam zu machen. Der Ökologe Kenneth Watt warnte in seinem Buch The Titanic Effect (1974), die Wirtschaft der USA sei „nicht unsinkbar“, und forderte dazu auf, auch für unvorstellbare Katastrophen vorzusorgen. Das Ausmaß von Katastrophen werde in dem Maße geringer, in dem die Menschen sie für möglich hielten und sie planmäßig zu verhindern oder ihre Folgen zu minimieren versuchten.
Das Prinzip wurde auch für die Seenotrettung beschrieben.
In Publikationen über EDV wurde folgender Zusammenhang als Titanic-Effekt definiert: „Das Ausmaß, in dem ein System versagt, hängt direkt proportional davon ab, wie sehr der Entwickler davon überzeugt ist, dass es nicht scheitern kann.“ Oder: „Je mehr ein System als sicher gilt, desto katastrophaler die Ausfälle des Systems.“
Literatur
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- Eigel Wiese: Titanic – Vier Tage bis zur Unsterblichkeit. Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 2012, ISBN 978-3-7822-1053-9.
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Erinnerungen
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Technische Berichte in englischer Sprache
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- W. Garzke u. a.: Titanic, The Anatomy of a Disaster. The Society of Naval Architects and Marine Engineers [Marine Forensic Panel (SD 7)], 1997.
Offizielle Untersuchungen
- Subcommittee of the Committee on Commerce, United States Senate: “Titanic” Disaster. New York 1912
- Wreck Commissioners’ Court: Proceedings on a Formal Investigation ordered by the Board of Trade into the loss of the S.S. “Titanic”. London 1912
Weblinks
Englisch
- Titanic Historical Society, Inc.
- Titanic International Society
- Encyclopedia Titanica (Philip Hint)
- Titanicology (Samuel Halpern)
- Site von Bill Wormstedt
- Site von Mark Chirnside
- Titanic Inquiry Project (Robert Ottmers), Berichte der amerikanischen und der britischen Untersuchungskommission
Belege
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Koordinaten: 41° 43′ 55″ N, 49° 56′ 45″ W