Sound

Musisch veranlagte Menschen entscheiden nicht nur, was sie hören, sondern auch wie und womit. Weniger entscheidend ist hierbei die Aufnahme- oder Musikerqualität, sondern die Erfahrung, wie es in die Ohren schallt. Dieses Wie nennt man Sound.

Die erste Anlage


Wenn Mutti und Vati der Meinung sind, ihr Nachwuchs sei jetzt reif genug für eine eigene Musik-Anlage, kauft Vati sich eine neue, größere, lautere und schenkt die alte dem Nachwuchs. Sofern es sich bei ihnen um ein Mädchen handelt, dient die Anlage der musikalischen Früherziehung. So kann man etwa den Stupidedia-Radiosender Stupid Talk Station hören. Mädchen gelten, gerade im Vergleich zu ihren geschlechtlichen Gegenstücken, disziplinierter und schon etwas reifer. Trotzdem funktioniert das pädagogische Konzept nicht. Sie hören Geräusche von aktuellen Teenie-Idolen, bei denen Kleidung, Haarpracht und Styling wichtiger sind als musikalisches Können. Spätestens wenn sie 12 sind, möchten sie auf ihr erstes Konzert der Umjubelten. Hier sind die jungen Damen bemüht, durch anhaltende Dauertöne den Sound der 2000 Watt PA der Musiker zu übertönen.

Jungs sind da schon anders. Auch ihnen kommt es nicht darauf an, was sie hören. Hauptsache, es ist laut. Sie nutzen die Anlage so, wie ihre Erfinder sie sich erdacht haben: als Sound-Verstärkung. Technikverliebt stellen sie den Volumenregler auf den äußersten rechten Anschlag und erfreuen sich des Geschäppers, das aus den Boxen ertönt. Kurz nachdem die Eltern ihr Geschenk bereuten, herrschte wieder Stille im Haus. Die Boxen waren der Dauerbelastung nicht gewachsen und gaben ihren Geist auf. Ab jetzt muss der Sprössling sein Taschengeld darauf verwenden, auf neue Boxen zu sparen. So beginnt schon früh das Interesse an diesen technischen Geräten. Er sammelt Prospekte, weiß alles über Klirrfaktor, Impedanz, Frequenzweichen und spätestens, wenn er 12 ist, kauft er seine ersten eigenen Boxen.

Trotz seiner Fachkenntnisse entscheidet er sich für optische Elemente. Je größer und billiger die Box, desto besser. Zu Hause stellt er dann fest, dass der Sound nicht der Gewünschte ist und er beginnt erneut, auf bessere Boxen zu sparen. Die Weichen für das Erwachsenwerden sind ab jetzt gestellt.

Druckbeschallung


Dr. Helmut Kohl, Alt-Bundeskanzler, irrte schon öfter. Auch sein viel zitierter Satz: Entscheidend ist, was hinten raus kommt! ist nachweislich falsch. Jeder, der seine Musik-Anlage im heimischen Wohnzimmer installiert, weiß, dass nur entscheidend ist, was vorne raus kommt!

Die Jugendlichen, von Kindheit an an Anlagen gewöhnt, überstehen die Pubertät und beginnen mit der Abnabelung vom Elternhaus. Die Mädchen interessieren sich ab diesem Zeitpunkt nur noch für ältere Burschen, während die jungen Männer nur noch um Wattzahlen wetteifern. Endlich in einer eigenen Wohnung/WG, lassen sie meist ab 23.00 Uhr ihre Mitbewohner, Nachbarn und Straßenanrainer an ihrem Musikgeschmack teilhaben. Besonders zum Wochenende entstehen, wenn in einem universitätsnahen Wohnviertel regelmäßig Partys stattfinden, regelrechte Sound-Schlachten statt.

Erst wenn Ehefrau und/oder eigener Nachwuchs ins Haus ziehen, ist es mit dem Spaß vorbei. Nur wenn der Mann alleine ist, kann er seine Anlage noch mal aufdrehen. Ansonsten bleibt ihm nur noch der Sound aus dem Kopfhörer oder während einer Fahrt mit dem Auto.


Sound-Schlachten


Bekannt geworden ist eine Sound-Schlacht in Tübingen, die sogar Erwähnung in den Tagesthemen fand. An einem Samstag Ende August 2007 lag eine laue Luft über der Stadt. Eine längeranhaltende Hitzeperiode reizte die Anwohner und machte die Stimmung an diesem ansonsten beschaulichen Ort aggressiv. Leider prallten an diesem Wochenende mehrere Veranstaltungen aufeinander, sodass es zu folgenschweren Ausschreitungen kam. Hier das Protokoll des diensthabenden Wachtmeisters.

19.30 Die Bewohner des Seniorenstifts wollten ihr 150jähriges Bestehen feiern. Hierzu luden sie Honoren aus Politik, Sozialwesen und Wirtschaft ein. Als besondere Krönung spielte der Festzug des Freiwilligen Feuerwehr-Musik Korps auf. Aufgeschreckt durch die lauten Marschklänge beteiligten sich auch die Rentner an diesem Fest.

20.30 In unmittelbarer Nähe ging dem Fleischerlehrling Johannes B. (18) die Marschmusik auf die Nerven. Da er sich mit drei Kollegen in seiner Wohnung traf, um einen fröhlichen und alkoholträchtigen Pornoabend auf seinem Großbildschirm mit Dolby-Surround-Sound-System zu verbringen, konnten sie durch das Getöse aus der Nachbarschaft den animierenden Ton nicht mehr ungestört genießen. Frustriert brachen sie den DVD-Abend ab und stellten die Lautsprecher auf die Fensterbank. Von dort beschallten sie die inzwischen hektischer spielende Feuerwehrkapelle mit Heavy Metal Klängen.

21.45 Die Geräuschkulisse empfanden die Tübinger Gartenfreunde vom Kleingartenvereinc Hölderlins Ruh, die an diesem Wochenende ihr jährliches Grillfest starten wollten, als belästigend. Neben einem DJ, der für melodische Stimmung sorgen sollte, engagierten die Kleingärtner Gunther Gabriel, der durch solche Konzerte seinen Lebensunterhalt verdient. Der sensible Berufsmusiker konnte in dieser Atmosphäre nicht die Herzen seiner angetrunkenen Fans erreichen und bat den Tontechniker, alles aus der Anlage rauszuholen, was geht. Sein speziell für diesen Abend umkomponiertes Komm’ unter meine Hecke vernahmen auch die 800 Meter entfernten Senioren und waren unsicher, ob ihre Hörgeräte noch richtig justiert waren.

Unter dem Einfluss einer Straßenlaterne gaben sie ihr erstes Konzert: die Moshin' Headphones

22.20 Angelockt vom irritierenden Krach trafen sich die Bandmitglieder der Moshin’ Headphones aus dem nahen Jugendzentrum zwischen Kleingärtner und Seniorenstift. Sie entschlossen spontan, ihr inzwischen auf drei Stücke gewachsenes Repertoire life vorzuführen und schleppten Instrumente und PA auf die Straße. Hastig studierten sie vorher noch schnell Knockin’ on Heavens Door ein, falls es zu einer Zugabe kommen sollte. Spätestens nachdem ihr erstes Lied verklungen war, gab es niemanden in Tübingen, der noch an Schlaf denken konnte.

23.00 Die ersten Anrufe gingen auf der Polizeidienstelle wegen Ruhestörung ein. Da der Wachtmeister nur die Hälfte von dem, was die Anrufer zu sagen versuchten, verstand, wollte er sich selbst ein Bild vom Geschehen machen. Er setzte sich in sein Dienstfahrzeug und fuhr Richtung Seniorenstift. Weit kam er nicht, denn viele Tübinger hatten den gleichen Gedanken. Wenn sie schon nicht schlafen konnten, wollten sie wenigstens an dem anscheinend großartigen Fest teilnehmen. Die Automassen ließen den Verkehr stocken. Pech für den 54jährigen Polizisten, dessen eingeschaltetes Martinshorn in der allgemeinen Geräuschkulisse nicht vernommen wurde. Er blieb im Stau gefangen.

23.30 Den Freunde des Fleischerlehrlings entging nicht, dass ihre inzwischen auf voll gedrehte Anlage im allgemeinen Sound-Chaos unterging. Beherzt entschloss sich einer von ihnen, der als Roadie einer lokalen Musikantengröße arbeitete, das Bühnen-Equipment seiner Arbeitgeber zu besorgen. Damit wollte man sich wieder Gehör verschaffen.

23.45 Die Senioren im Stift waren fasziniert. Während die einen durch die Klänge, die zu ihnen durchkamen, an ihre Jugend erinnert wurden und Rock n’ Roll tanzten, fühlten sich andere an die letzten Kriegstage erinnert. Sofort verdunkeln, riefen sie alarmiert.

23.52 Auch der Pastor der St. Michaelis Kirche konnte sich keinen Reim auf den Lärm machen. Er glaubte, die Trompeter des Jüngsten Gerichts seien nahe. Vorsorglich setzte er mit dem Küster die Kirchen-Glocken, die sich harmonisch über den Klangteppich legten, in Gang. Voller Verzweiflung legten sie sich hierbei besonders mächtig ins Zeug.

00.24 Über Mobiltelefon riefen die Feuerwehrmusikanten befreundete Kapellen um Hilfe. Selbst die Blechleute, die losgelöst von Zwängen einer Notation kräftig ins Horn stießen, konnten sich gegen die allgemeine Schallentwicklung nicht mehr durchsetzen. Nach und nach trudelte die Verstärkung ein, sodass die Marschmusikanten mittlerweile 150 Mann angestiegen war. Da keine Zeit zum Proben war, einigte man sich darauf, ununterbrochen den Floh-Walzer zu spielen, den die meisten aus dem Kopf interpretieren konnten.

01.12 Die Moshin’ Headphones sind inzwischen beim 18. Durchlauf ihres Gesamtwerkes angelangt. Trunken vor Glück, vor solch großartiger Kulisse spielen zu dürfen, setzten sie jetzt dazu an, erstmalig ihre Zugabe zu spielen. Schon nach zwei dissonanten Takten lösten sich die Dachziegel des Kirchturms, sodass die Glocken nun deutlicher wahrnehmbar wurde.

01.52 In der Wohnung des Fleischers war inzwischen die leistungsstarke PA der Profimusiker komplett aufgebaut. Aufgrund der Boxengröße musste ein Teil der Anlage auf den Balkon geschleppt werden. Als zarten Einstieg wählten sie AC/DCs Highway to hell. Nachdem sie den Wiedergabeknopf drückten, ereichte die Schallwelle ein über Tübingen hinwegfliegendes Passagierflugzeug, das sich in Richtung Mailand befand. Die Bordinstrumente fielen aus und die Maschine musste zur Blind-Notlandung ansetzen. Auf einem Feld des Bauern Ernst Bröselmann kam die Maschine zum Liegen. Beim Landeanflug riss sie jedoch einen Strommast mit um, sodass weite Teile Tübingens jetzt ohne Strom waren.

02.15 Die plötzlich einsetzende Stille und Dunkelheit ließ auch die erschöpften Marschmusikanten verstummen. Friedliche Ruhe herrschte über der Stadt. Nur aus dem Seniorenheim hörte man ein ängstliches Ist schon wieder Krieg?

Musikantensprache


Sounderzeuger sind unter Anderem Motoren, Instrumente und High Fidelity Anlagen. Daneben braucht es zur Soundentfaltung auch immer Menschen, die diese Geräte bedienen. Für den Bereich der Musik sind dies Musiker. Sie treffen sich, solange sie Amateure sind, einmal wöchentlich in einem muffigen Probenraum, der mit Eierpappen zur Schallresorption ausgekleidet wurde. In diesen nisten Mäuse und anderes Ungeziefer, die resistent gegen die Klänge der Musiker sind.

Neben dem Üben der Stücke wird die Virtuosität der einzelnen Künstler erprobt. Letztendlich dient alles dazu, den perfekten Sound zu finden. Hierzu bedienen sich die Musiker allgemeiner Worthülsen, die so exakt in jeder Band gesprochen werden.

  • Das holpert nicht, das sind Triolen! Schlagzeuger
  • Bin ich der Einzige, der hier musikalisch ist? Gitarrist
  • Bin ich der Einzige, der hier Noten kann? Keyboarder
  • D- und G-Saiten, was ist das? Bassist eines 4-Saiters
  • Ich zeig dir mal, wie das geht. Bassist eines 5-Saiters zum Gitarristen
  • Kann mich mal jemand einstöpseln? Sängerin
  • Mach’ ich wirklich zu viel? Timbales-Spieler, falls er mal zur Probe auftaucht
  • Wartet mal. Da ist zuviel Gain im Reverb. Tontechniker


Motor-Sound


Kaufentscheidend für den Erwerb eines motorisierten Fortbewegungsmittels ist neben Farbe und Höchstgeschwindigkeit der Sound des Gefährts. Man unterscheidet zwischen Fahrt- und Motorgeräusch. Damit auch der Laie am Straßenrand mitreden kann, hier eine Auflistung der wichtigsten Gattungen.


Motor Motorsound Fahrtsound Anmerkung
Porsche 911 Brummmm Brommmm  
Fiat Barghetta prörrrrr SchSchischSchhhh* * Fahrtwind durch nicht schließende Fenster
Mercedes SL Srrrrrrrrr Tre spiri… una carrozza… Presto!* Der kultivierte SL Fahrer hört natürlich Oper (Tosca)
Bentley - Tck... Tck... Tck...* *Man vernimmt nur das Ticken des Sekundenzeigers
Trabbi renndededenndenn renndededenndenn  
Harley Davidson Brrrrrooooo * - * je nach Helm
Lada Vampir mmmm prötötoooh mm krr pffffft RongKrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrt der Vampir saugt auch Fahrgeräusche auf
Zündapp wie Trabbi wie Trabbi und Fiat  
Mazda MX5 Kriiii Kröööö Kriiii Kraaa Schriiii Schröööö Schriiii Schraaa Der runterhängende Auspuff übertönt den Motorsound
Volvo 8 PS Diesel döpp döpp döpp döpp döpp döpp döpp döpp Kriiiie* döpp döpp *An Bord sind noch Möwenschreie wahrnehmbar


Sound of silence


Während vorangegangene Beispiele fast ausschließlich männlich besetzt sind und junge Mädchen mehr auf die Frisuren der Sound-Erzeuger stehen, gibt es für die reifere weibliche Fraktion eine eigene Kategorie: den Sound of silence.

Damen, die sich auf diesen Sound spezialisiert haben, sind meist alleinstehend, trinken nur Tee und Wasser, kennen verschieden Meditationstechniken, haben spirituelle Erfahrungen gemacht, lernen in Süd-Frankreich die Kunst des Töpferns oder der Seidenmalerei und sind wie die Würde des Menschen: unantastbar.

In ihrem CD-Ständer befinden sich Aufnahmen von Cat Stevens, Simon & Garfunkel, mehrere Tschibo-Meditations CDs und als Zeichen ihres Ausbruchs aus der Zurückgezogenheit alles von Robbie Williams. Sie hören Musik nicht zur Zerstreuung oder Untermalung bei Hausarbeiten, sondern sie hören bewusst. Manchmal wird dieses Hörgefühl auch unterstützt durch Räucherstäbchen, es sei denn, ihre Katze verträgt den Geruch nicht.

Lernt sie einen Mann kennen, der, wenn er das erste Mal ihre Wohnung betritt, als erstes die Musik-Anlage inspiziert und dann probiert, etwas Passendes aus den CDs auszusuchen, wendet er sich verstört wieder ab. Entweder verlässt er fluchtartig das Haus (sofort oder hinterher) oder er ist blind vor Liebe. Dann setzt die Frau ihn vor die Tür. Die betroffene Dame verbucht beiderlei Verhalten als Negativ-Eintrag auf das Konto Mann.

Später besucht sie Selbsterfahrungsgruppen, Kontaktbörsen der 40+ Gesellschaft oder schaltet Kleinanzeigen in der örtlichen Presse. Letztendlich verliebt sie sich dann doch in eine artverwandte Frau und weiß, was sie ihr Leben lang falsch gemacht hat. Gemeinsam hören sie Tea for the Tillerman, was sie, nun gemeinsam Rotwein trinkend, lachend als Pee for the Pillerman mitsingen.

Der Sound of Silence formt eine erschreckend häufig vorkommende Gattung Frau, die den Männern, die sich entweder schon alleinstehend im betreuten Wohnen sehen oder eine Philippina erhaschen, angst und bange macht.

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