Spiegelwelten:1. Freundschaftsspiel Aztekenreich vs. Santiago
In der Sprecherkabine (1. Teil)
Stadionsprecher: Es war zwar ein ungewöhnlich kühler Tag in Tenochtitlán, aber die Spieler haben sich alle Mühe gegeben den Fans durch ein heißes Spiel kräftig einzuheizen. Ich bin mir sicher, dass die geschätzte Icihuahuatzin Tlatoani bereuen wird, ihren Gatten Felix Hase nicht ins Stadion begleitet zu haben. Dabei sah es anfangs gar nicht danach aus. Beide Teams vertrauten auf ihre Standardstrategien. Keiner hatte auf dem Papier wirklich Mut zum Risiko, doch sobald der Ball über den Platz rollte, änderte sich das. Aber ich habe schon genug gequatscht, lassen wir die Spieler zu Wort kommen und nutzen wir die Gelegenheit, um aus erster Hand zu erfahren wie das erste Länderspiel zwischen dem Aztekenreich und Santiago verlaufen ist. Ich begrüße Cuahtemoc Blanco und Sito bei mir in der Kommentatorenkabine:
Cuahtemoc Blanco: Salve, schön hier bei dir zu sein.
Sito: Das gilt auch für mich, Hola!
Stadionsprecher: Nun war es ja eine packende Partie. Da interessiert uns brennend, wie es die Spieler empfunden haben. Wie war die Partie für euch?
Sito: Ich überlasse dir gerne das Wort, Cuahtemoc.
Cuahtemoc Blanco: Wo soll ich anfangen?
Stadionsprecher: Wie wäre es mit dem Beginn?
Vor dem Spiel
Cuahtemoc Blanco: Es ist heuer etwas kälter als gestern. Der Wetterbericht kündigte auch für den Abend Gewitter an. Ein letztes Mal kontrolliere ich, ob die Schuhe richtig gebunden sind. Dann gehe ich los, um mit meiner Mannschaft ins Stadion einzuziehen. Neben uns die Spieler aus Santiago. Bruno Jupiter fragt mich, ob ich einen guten Ort kennen würde, um die Nacht zum Tag zu machen. Ich empfehle Harry’s Club im Tenochtitlaner Tempelbezirk, dann setzen sich die Spieler in Bewegung. Die Stollen der Schuhe scharren über die Steintreppen. Ich trete ins Freie. Die Sonne blendet mich. Doch der Jubel der Fans dringt an mein Ohr. Das Stadion ist bis zum letzten Platz ausgebucht. Was sicherlich auf daran liegt, dass die Karten verschenkt wurden. Wir schütteln uns die Hände, Bruno Jupiter bedankt sich für den Tipp, dann nehmen wir Aufstellung. Die Hymne Santiagos wird gespielt. Das rot-violette Fahnenmeer stellt für einige Augenblicke den Dienst ein. Vereinzelt sind sogar blau-weiße Punkte erkennbar. Die Kapelle verstummt. Verhaltener Beifall kommt auf, kommt jedoch rasch wieder zum Erliegen. Einige Sekunden ist es still. Dann beginnt der Trommler. Jeder einzelne, dumpfe Schlag ist nicht nur zu hören, sondern auch zu spüren. Die Zuseher beginnen nun ebenfalls entweder zu trommeln oder zu klatschen. Der Steinboden unter meinen Füßen vibriert. Ich tausche noch einen letzten Blick mit Huitzilíhuitl Cuahtitlan aus, dann setzt die Flöte ein und wir beginnen unseren rituellen Aktivierungstanz. Vor, zurück. Vor, zurück. Seite, Seite, Sprung. Die Spieler Santiagos machen einen eher verängstigten Eindruck. Zum Abschluss schreien wir noch einmal, dann verstummen die Trommelschläge. Jubel bricht aus. Der Schiedsrichter ist kaum zu verstehen und ich begreife, dass meine Blase ziemlichen Druck ausübt.
Sito: Ich war mit einem guten Gefühl heute Mittag aus meinem Rausch erwacht, Erinnerungen und sämtliche Körperteile waren noch da. Weit entfernt hinter dem Stadion ziehen sich schon erste düstere Wolken zusammen, ich muss kichern, die eine Wolke sieht aus wie der Schnauzbart meines Trainers. Doch noch scheint die Sonne. Nein, Menezes, ich bin nicht betrunken, so oft du auch fragst. Heute nicht, das Spiel ist mir wichtig, auch wenn ich erst mal auf der Bank Platz nehmen darf. Gemeinsam mit den anderen Ersatzspielern mache ich es mir auf der steinernen Bank bequem, wenn man das so nennen darf, die Nationalhymne wird gespielt, man fordert mich auf mitzusingen, doch ich kenne den Text ehrlich gesagt nicht. Daher schließe ich die Augen, um vor eventuellen Zuschauern sehr bedächtig zu wirken, doch im Augenblick interessiert mich nichts mehr, als die Frage, wann ich endlich spielen darf. Ich werde angetickt und aus meiner Starre gerissen, scheinbar ist bereits die Hymne des Aztekenreiches dran, ein wilder Tanz wird auf dem Feld vollführt. Meine Mitspieler wirken verängstigt, ich finde diese Hampeleien eher witzig.
1. Halbzeit
1. Minute
Cuahtemoc Blanco: Meine Blase beschäftigt mich immer noch. Ich muss wirklich dringen, aber ich kann mich nicht einfach eine Ecke stellen und in die Kabine gehen macht auch einen schlechten Eindruck. Es werden wohl lange 45 Minuten. Nur am Rande bekomme ich einen Vorstoß Santiagos mit, als ich plötzlich einen Schrei höre. Der Stürmer ist über den Ball gestolpert und muss ausgewechselt werden. Sito kommt aufs Feld oder besser gesagt, auf den Steinfußboden. Und dieser Steinboden verzeiht keine Fehler.
Sito: Ich stehe immer noch und schon soll ich auf das Spielfeld, die erste Verletzung, die erste Auswechslung, mein Moment, mein Spiel. Ich ziehe kurz meine warme, lange Trainingshose aus und betrete den Platz.
4. Minute
Sito: Der Ball bewegt sich größtenteils durch das Mittelfeld, aufgrund vieler Fehlpässe bin ich jedoch nicht einmal bis jetzt an den Ball gekommen. Meinem Gegenspieler Chimalpopoca Defendor scheint ebenso langweilig zu sein, wir beginnen mit Smalltalk und in mir steigt das Verlangen auf das Aztekenreich in Zukunft auch nochmal privat zu besuchen, vielleicht sogar die dortige Trinkkultur in spannenden Experimenten selber zu analysieren.
5. Minute
Sito: Mendes de Klappstock, der Gute, drischt den Ball nach einem Eckball des Aztekenreiches in meine Richtung, Chimalpopoca Defendor scheint dies noch nicht bemerkt zu haben, er erklärt mir noch die Vorzüge des aztekischen Sommerwetters, doch ich laufe einfach los, dem Ball hinterher. Der Ball springt vor mir auf dem Boden auf, doch plötzlich höre ich einen Pfiff, verärgert blicke ich zum Linienrichter, der zitternd die Fahne hebt. Da scheint sich ja einer ganz sich zu sein. Verärgert renne ich auf ihn zu, grimmig guckend, ich fürchte gleich beginnt er zu weinen. Schützend hebt er die Hände vor seinem Körper und ich bleibe stehen - „Buh“, der Linienrichter zuckt zusammen, doch diese kleine Freude bringt mir keine Chance zurück, die ich ohne Abseits gehabt hätte.
8. Minute
Cuahtemoc Blanco: Ich ziehe ab. Der Ball trifft einen der Opinel-Zwillinge, die ich nicht wirklich unterscheiden kann, am Kopf. Dieser steckt das jedoch weg, als wäre nichts gewesen. Ich muss wohl an meiner Schusskraft arbeiten. Der Ball rollt ins Aus. Man bereitet sich auf die Ecke vor. Das ist die Gelegenheit aus unserer Überlegenheit Kapital zu schlagen. Huitzilíhuitl Cuahtitlan läuft zur Eckstange, richtet sich den Ball her und läuft an. Der Ball fliegt. Ich springe, verfehle ihn und lande auf einem armen Schwein, dass zusätzlich zum harten Steinboden mein Körpergewicht ertragen muss. Und mit meinen 2,04 Metern bin ich nicht gerade ein Leichtgewicht. Meine Blase drückt immer noch.
13. Minute
Sito: Was ist denn das für ein Linienrichter? Das war doch kein Abseits, man, das nervt mich, ich senke den Kopf, das aztekische Publikum feiert frenetisch, der Linienrichter ist ja auch auf ihrer Seite, verärgert trete ich auf den Boden, was soll man machen, das Spiel läuft an mir bis jetzt vorbei, ich bin deprimiert, doch auf Seiten des Aztekenreiches sieht es glaube ich nicht besser aus.
16. Minute
Cuahtemoc Blanco: Langsam wird es frustrierend. Man gewinnt wirklich den Eindruck als würde man gegen eine Wand rennen. Außerhalb des Sechzehners könnte ich versuchen den Ball auf meinen Kopf zu jonglieren und niemand würde mich daran hindern, aber kaum bin ich im gegnerischen Strafraum, habe ich das Gefühl, ich mache Urlaub in El Centro. Mixtli Xaltocan überspielt Mendes de Klappstock. Ich laufe in den Strafraum, begleitet von der halben Bevölkerung Santiagos und warte auf die Flanke, aber sie kommt nicht. Mendes de Klappstock hat Mixtli Xaltocan einfach umgemäht. Der Schiedsrichter will die gelbe Karte zücken, doch stattdessen wandert ein kleines Geldbündel ins Notizbuch. Freistoß gibt es trotzdem. Ich nehme den Ball an mich, laufe an und haue einfach drauf. Ich höre einen Knall und sehe wie Patë Vieeera zu Boden geht und sich vor Schmerzen krümmt. Offenbar ist meine Schusskraft doch nicht so schlecht.
23. Minute
Cuahtemoc Blanco: Irgendwie ist das Ganze hier frustrierend geworden. Santiago macht einen auf alte Jungfrau und will keinen Ball reinlassen. Daher rollt der Ball durch das aztekische Mittelfeld. Ich nutze die Gelegenheit und erzähle Bruno Jupiter etwas über Harry's Club und schwärme vom Mojito, den es dort gibt. Was meiner Blase wieder Gelegenheit gibt sich zu Wort zu melden. Kaknal Culubá hat anscheinend das Interesse am Passen verloren und spricht nun mit seinem Mitspieler. Sito ist offensichtlich ebenfalls langweilig, denn er läuft zum Ball. Und wieder gibt es einen Abseitspfiff. Wütend drischt er den Ball und dieser kullert ins aztekische Tor, denn Mueller holt sich gerade eine Erfrischung. Plötzlich nimmt der Schiedsrichter seine in den Mund und gibt das Tor. Ich passe ihm ersten Moment nicht wirklich auf, sondern spreche weiter mit Bruno Jupiter. Als es aber zu tumultartigen Szenen beim Schiedsrichter kommt, werde auch ich neugierig. Verdammt, Santiago führt 0:1.
Sito: Die 23. Minute hat das Fass zunächst zum Überlaufen gebracht, zumindest was meine Motivation angeht, ein erneuter Pfiff, der Ball kommt vom Gegner, ernsthaft, wie soll das denn gehen? Man, was ist denn los mit den Schiris? Wütend dresche ich den Ball weg, Kinder, das kann doch nicht wahr sein. Verbittert drehe ich mich um, ja, gut Schiri, jetzt kommt wahrscheinlich die gelbe Karte wegen Ball weg schießen, nicht wahr? Tatsache, der Schiedsrichter pfeift und.. zeigt auf den Punkt? Bruno Jupiter läuft auf mich zu und umarmt mich, ich habe gerade das 1:0 geschossen, vielleicht wird der Tag ja doch noch schön. Passend werden die Wolken über dem Stadion dichter.
28. Minute
Cuahtemoc Blanco: Aus meiner vorgelagerten Position beobachte ich wie Santiago zum ersten Mal so etwas wie kollektives Interesse am Toreschießen bekommt. Bruno Jupiter versucht es über die Flanke wird aber unsanft von Chimalpopoca Defendor von den Füßen geholt wird. Dieser begreift die Bedeutung des fehlenden Schiedsrichterpfiffes und spielt nach vorne. Huitzilíhuitl Cuahtitlan nimmt den Ball an sich, setzt sich gegen drei Spieler Santiagos durch. Ich stehe frei, laufe mich in Position und bin zum ersten Mal fast alleine im gegnerischen Strafraum. Die Vorlage ist scharf und in halbhoher Position, aber eigentlich kein Problem für einen Stürmer meines Formates. Ich will mein Bein heben, doch meine Blase gibt mir zu verstehen, dass sie diese Position nicht mitmacht. Die Vorlage bleibt ungenutzt und das halbe Stadion fragt sich vermutlich, warum mein Bein nicht heben kann.
34. Minute
Sito: So langsam findet mein Team besser in das Spiel rein, auch wenn ich weiterhin größtenteils die Beobachterrolle einnehme, wirklich viel nach vorne geht leider nicht. Hugo Boss kann den Ball hinten gewinnen, vielleicht klappt es ja mit einem Konter, ich löse mich von meinem Gegenspieler, der Steilpass kommt, ich konzentriere mich auf jeden einzelnen meiner Schritte, sonst spielen die mir wieder ihre beliebten Streiche und wackeln witzig rum, doch diesmal scheint es zu funktionieren, ein paar Schritte ohne große Probleme, ich komme an den Ball, ein Pfiff, diesmal ignoriere ich ihn wissentlich, meinen Lauf darf ich jetzt nicht unterbrechen. Mit rechts schießen wäre vermutlich am günstigsten, das ist schließlich mein starker Fuß, glaube ich, der Alkohol macht mich echt vergesslich. Ich entscheide mich dafür einfach mit der Picke zu schießen – und treffe, dann haut es mich um, meine Beine verknoten sich mysteriös und ich schlage auf dem Boden auf, wie angenehm. Aber es steht 2:0.
40. Minute
Cuahtemoc Blanco: Ich stehe auf meinem Platz abseits des Spielgeschehens, nahe der Eckstange. Mittlerweile haben wir schon zwei Gegentreffer kassiert und ich weiß nicht, ob es schlimmer ist, dass wir uns nichts mehr trauen, weil wir Angst haben ein Tor zu kassieren, oder dass meine Blase so stark drückt, dass ich von einem Bein aufs andere hüpfe, wie ein Mädchen vor der Neujahrsfeier. Centero am Ball. Centero passt. Centero ist wieder am Ball. Centero passt wieder. So geht es schon seit zwei Minuten. Ja nicht den Ball verlieren lautet die Devise und Santiago scheint mit dem Vorsprung glücklich zu sein. Ich betrachte die Besucher auf den Tribünen, mache mir ein paar Gedanken übers Wetter. Am Horizont sind schon die ersten Wolken zu erkennen und wenn es regnet, ist dieser Platz eine riesige Rutschfläche. Plötzlich wird es wieder laut. Ich drehe mich um und sehe wie Huitzilíhuitl Cuahtitlan erst einen, dann zwei, dann drei, dann vier und schließlich fünf Gegenspieler stehen, vor dem Tor abstoppt und den Ball elegant über den Torhüter lupft. Der runde Leder rollt bedächtig über die Linie. Der Pfiff des Schiedsrichters ist nicht mehr zu hören. Die Menge tobt. Der Boden vibriert. Ich richte meinen Blick auf die Tribünen und blicke in rot-violettes Fahnenmeer, das bald seine Siedetemperatur erreicht. Es steht 1:2.
44. Minute
Sito: Naja, 2:1 zur Halbzeit, das ist ein Ergebnis, dass zwar noch alles offen lässt, mich selber aber recht zuversichtlich stimmt, vielleicht gönne ich mir ja ein kleines Bierchenfass in der Halbzeit, ah, da kommt sogar nochmal der Pass auf Jorge Gorgonzola. “Lauf du Lusche“ brülle ich, obwohl es schon wieder einen Pfiff gab und Jorge hört zum Glück auf mich, Abseits ist das doch eh nie. Noch ein Pfiff. Es war Abseits. Verdammt, wie schade. Zudem eine gelbe Karte für Gorgonzola, der außerdem noch gefoult wurde und eine nette Ohrfeige eines aztekischen Abwehrspielers verpasst bekommt. Aua.
Halbzeit
Cuahtemoc Blanco: Erleichtert verlasse ich die Toilette und kann nicht aufhören zu grinsen. Das Spiel verlief zwar nicht so wie geplant, aber jetzt kann ich endlich frei aufspielen. Es lastet kein Druck mehr auf mir. Gemächlich trotte ich in die Kabine, wo ich mir von meinem Trainer anhören kann, dass ich hätte Karten besorgen sollen, wenn ich nur zuschauen möchte. Danach macht er uns darauf aufmerksam, dass wir, wenn wir gewinnen wollen, vorne effizient und hinten Konsequent sein müssen. Das heißt vereinfacht lautet das Motto für die nächste Halbzeit: Den Ball nicht verlieren und falls das doch passiert, ihn sofort zurückgewinnen.
Sito: Ich bin einfach nur zufrieden mit dieser Halbzeit, vielleicht 200 Meter musste ich bis jetzt laufen, für jemanden wie mich, die Faulheit in Person, ist das natürlich das angenehmste Spiel der Welt, wenn es auch so langweilig ist, dass ich mich mit Chimalpopoca Defendor ernsthaft angefreundet habe. Hoffentlich sehen wir uns nochmal bei der UM. Die Kabine ist angenehm kühl, ein Gewitter scheint draußen aufzuziehen. Meine Motivation sinkt, doch es geht weiter.
2. Halbzeit
47. Minute
Sito: Es läuft wunderbar, ich werde aktuell sogar in das Spiel eingebunden. Sacé passt zu mir, ich lasse den Ball abprallen, Hugo Boss leitet weiter auf Vieeera, womit der nächste Mittelfeldspieler eingebunden wäre, Gorgonzola wird geschickt, die Azteken können nur zusehen. Hichago zündet sich zufrieden eine Zigarre an.
52. Minute
Cuahtemoc Blanco: Während ich immer noch im Strafraum Santiagos stehe, muss ich mit ansehen, wie der Rest meine Mannschaft versucht, so etwas wie ein Defensivspiel aufzuziehen. Aber das war nie unsere Stärke. Auf den Regen wird es leiser. Egal ob man Fan des Aztekenreiches ist und sich über die schlechte Abwehrleistung ärgert oder Fan von Santagio ist und sich über die fehlende Chancenauswertung ärgert, man hat es momentan nicht leicht als Zuschauer. Mendes de Klappstock kommt zu mir und fragt mich, ob meine Geburt meiner Schmerzen bereitet hätte. Ich antworte: „Selbstverständlich. Aber weshalb interessiert dich das?“ „Ich wollte schon immer wissen, wie es ist einen Mutanten aus der Gebärmutter rauszuquetschen. Sie dich an. Deine Mutter hat sicher geglaubt, es handle sich um Drillinge, so schwer wie gewesen sein muss.“ Antwortet er. Immer ruhig bleiben, sage ich zu mir selbst. Ich atme einige Male durch, aber funktioniert nicht. Ich kann meine Gefühle nicht unterdrücken. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Centero läuft zu mir und fragt mich, was los sei. Ich deute auf Mendes de Klappstock. Durch den Tränenschleier glaube ich eine Rangelei zu erkennen, doch es interessiert mich nicht. Ich gehe zur Außenmauer und lasse meinem Frust freien Lauf. Nur am Rande bekomme ich mit wie ausgewechselt wird.
Sito: Hichago nennt es ein “Vorsichtsmaßnahme“, warum er mich jetzt auswechselt. Das gibt mir das Gefühl wichtig zu sein, ich, Sito, werde ausgewechselt in der 52. Minute um für das wichtige Großturnier, die UM, geschont zu werden. Mit nach vorne gestreckter, vor Stolz angeschwollener Brust verlasse ich das Spielfeld und klatsche mit Carlos Hichago ab, ein Betreuer reicht mir ein Glas Wein, doch ich lehne es ab – was ist nur los mit mir? Ich bin anscheinend in sportlicher UM-Stimmung, wenn ich sogar ein Weinglas ablehne, wobei ein winziger Tropfen sicherlich nicht schaden würde, sagen mir mein Appetit und mein Gehirn. Doch meine Leber sagt nein und damit gewinnt sie für heute.
56. Minute
Cuahtemoc Blanco: Ich stehe immer noch an der Außenmauer und denke an meine werte Frau Mutter. Sie hat immer so ausgezeichneten Kakao gemacht und mir vorgelesen. Sie fehlt mir. Menezes ist so nett und reicht mir ein Taschentuch. Meine Mutter hat mir auch immer Taschentücher gereicht.
70. Minute
Cuahtemoc Blanco: Ich versuche mich in Position zu bringen. Was aber nicht so leicht ist, da man anscheinend über meine Kopfballstärke informiert ist und ich von fünf Spielern gleichzeitig gedeckt werde. Auf den Rängen ist wieder etwas mehr los. Zumindest der eine oder andere Fan hat sich daran erinnert, dass noch ein Spiel auf dem Steinboden stattfindet und er nicht hier ist, um an einer kollektiven Siesta teilzunehmen. Chaak Uxmal bereitet sich auf den Freistoß vor. Er läuft an und schießt. Der Ball fliegt ihn hohen Bogen über die Mauer, auf den Strafraum zu. Ich stoße mich ab, arbeite mich nach oben und erwische ihn noch. Der Ball segelt durch die Luft und trifft die Latte. Patë Vieeera bemüht sich das runde Leder aus dem Strafraum zu bekommen und haut einfach drauf. Aber ohne Erfolg. Der Ball landet bei Huitzilíhuitl Cuahtitlan. Dieser tunnelt zuerst Bruno Jupiter, trickst die Opinel-Zwillinge durch einen Übersteiger aus und versenkt das Ding im Netz. Die Menge tobt. Es steht 2:2. Alles ist wieder offen.
77. Minute
Cuahtemoc Blanco: Uxmal passt zu mir. Ich sehe mich um, kein Mitspieler steht in günstiger Position. Ich muss es also alleine versuchen. Ich laufe los, täusche an und lasse Nicolas Sacé stehen. Danach stellt sich mir einer der Opinel-Zwillinge in den Weg. Ich räume ihn einfach durch den Einsatz meiner Körpermasse aus dem Weg. Er bleibt liegen und hält sich das aufgeschürfte Knie. Nun ist es so weit. Ich spanne mich an und ziehe ab. Der Ball segelt durch die Luft. Doch Kann LeMan hält, kann ihn aber nicht festhalten. Der Ball kullert wieder zu mir. Ich ziehe nochmals ab. Das runde Leder trifft die Latte. Xaltocan am Ball. Er schlägt eine Flanke, doch Bruno Jupiter kann zur Ecke klären.
84. Minute
Cuahtemoc Blanco: Ich habe den Ball. Xaltocan läuft sich frei. Ich passe. Xaltocan hat das runde Leder und dann wird er im gegnerischen Strafraum brutal umgesäbelt. Der Schiedsrichter pfeift und gibt Abseits.
90. Minute
Cuahtemoc Blanco: Wir drücken und drücken, nach vorne gepeitscht durch die Fans. Aber Santiago steht hinten sicher und hat den Strafraum dicht gemacht. Das Spiel ist gleich vorbei. Santiago scheint das Unentschieden zu genügen, aber wir wollen zuhause natürlich den Sieg. Huitzilíhuitl Cuahtitlan macht sich bereit für die Ecke. Es ist vielleicht die letzte Torchance. Er läuft an. Das Stadion tobt, treib ihn vorwärts. Er schießt. Der Ball segelt durch die Luft. Defendor springt nach oben, streift den Ball. Das Ding geht an die Stange und danach ins Aus. Doch das bekommt keiner mehr mit. Der Schiedsrichter hat gepfiffen. Es ist schlagartig ruhig im Stadion geworden. Erst jetzt sehe ich, dass Xaltocan am Boden liegt und sich den Bauch hält. Offenbar gab es einen schmerzhaften Zusammenstoß. Der Schiedsrichter holt einen der Opinel-Zwillinge zu sich und zeigt ihm die gelbe Karte. Danach deutet er auf den Elfmeterpunkt. Jubel bricht im Stadion aus. Huitzilíhuitl Cuahtitlan schnappt sich die Kugel. Jedoch nur um sie mir in die Hand zu drücken. Langsam schreite ich zum Elfmeterpunkt. Die Fans trommeln auf den Sitzbänken. Die anderen Spieler beziehen Position. In derFerne ist das erste Grollen des herannahenden Gewitters zu vernehmen. Die Luft ist feucht und sie riecht nach gebratenem Mais. Ich lege den Ball auf den Punkt, gehe gemächlich zurück, schließe die Augen und atme tief ein. Eine Fliege landet auf meiner rechten Hand. Der Schweiß tropft von meinen nassen Haaren. Der Pfiff ertönt. Mein ganzer Körper spannt sich an. Im Stadion ist es mittlerweile so leise, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Ich laufe an und schieße. Ich habe das Gefühl, dass der Ball Stunden in der Luft ist. Und nach einer gefühlten Ewigkeit trifft der Ball die Stange, um von dort ins Tor abzuprallen. Das Runde ist im Eckigen. Der Ball ist im Tor. Der Schiedsrichter beendet die Partie. Ich knie mich nieder und küsse den Boden, während ich die ersten Regentropfen spüre. Wieder ist das Grollen des Donners zu vernehmen. Die Fans auf den Rängen toben. Der Boden vibriert. Man kann kaum sein eigenes Wort verstehen. Der Regen wird stärker. Wir versammeln uns an der Außenmauer, genießen den Jubel, den Zuspruch der Fans; stolzieren entlang der Außenlinie und vollführen unseren Triumphmarsch. Es war zwar nur ein Testspiel, aber es ist immer etwas Schönes, wenn man zuhause gewinnt.
In der Sprecherkabine (2. Teil)
Stadionsprecher: Es war eine spannende Partie. Nun steht die UM vor der Tür. War sie auch von Bedeutung?
Cuahtemoc Blanco: Das ist schwer zu sagen. Sicherlich haben wir Fehler gemacht, aber unsere Leistung war solide. Wenn wir aus diesen Fehlern lernen, können wir uns sicherlich Chancen auf den Aufstieg machen, denn Santiago ist keine Kindergartenmannschaft, doch es ist schwer zu sagen, welche Spieler einfach nur einen schlechten Tag hatten oder wirklich schlecht sind. Daher sind die Resultate nur bedingt aussagekräftig.
Sito: Gewissermaßen kann man den heutigen Tag als Generalprobe ansehen, uns fehlte heute in vielen Momenten die Konzentration und Präzision, Hichago wird noch viel am Team schrauben müssen.
Stadionsprecher: Man darf gespannt sein. Möchten Sie vielleicht noch ein paar abschließende Worte sagen?
Cuahtemoc Blanco: Unterm Strich war es eine grandiose Partie und die Fans haben etwas geboten bekommen. So sollte ein Spiel sein. Die UM kann kommen.
Sito: Wie wahr, die Stimmung war atemberaubend. Wenn das auch bei der UM so sein wird, steht uns ein grandioses Turnier bevor!
Xoktapayolistliololihuān iuikpa Astekatlajtokayotl (Aztekenreich) |
Freundschaftsspiel | Nationalteam Santiago (Santiago) | |
03.06.2012 in Tenochtitlán Zuschauer: Knapp 100.000 |
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Beste Spieler: Cuahtemoc Blanco, Huitzilíhuitl Cuahtitlan |
Beste Spieler: Sito | ||
Keine Karten | Jorge Gorgonzola (Ball weggeschossen) |