Sprengstoffgürtel

Noch zu Großmutters Zeiten hätte manch junger Mensch bei dem Begriff Sprengstoffgürtel wohl an eine langgezogene Gebirgskette mit TNT-Vorkommen gedacht oder an eine Reihe von Splitterminen in denen untertage Krokantsplitter zur Verfeinerung von Kalorienbomben abgebaut werden. Heute jedoch ist der Sprengstoffgürtel in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jedes Kind kennt ihn aus den Vorabendnachrichten. Er ist in, sozusagen en vogue aber noch kein Must have sondern eher ein modischer Geheimtipp. Ihn umweht etwas Unnahbares, und doch fasziniert er zunehmend modebewusste moderne Weltbürger, die sich wieder aktiver in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen wollen. Immerhin haben in demokratischen Sozialstrukturen alle die Möglichkeit, sich unabhängig von gängigen Normenklischees zu entfalten und ihren Kleidungsstil frei zu wählen.

Kleiner Terrorist

So sicher, wie das Amen in der Kirche und das Allahu Akbar vor einem Islamistischen Selbstmordanschlag, so sicher kommt nach dem Winter der Frühling und mit ihm der neuste Modetrend. Manche Trends halten sich nur einen Sommer. Andere halten sich so lange, dass man sie irgendwann am liebsten verboten sähe. Bei den langjährigen Trends hat scheinbar jeder seine eigene Epoche. So sind die Goldenen Zwanziger Jahre für kurzhaarige Damen mit um so längeren Zigarettenspitzen bekannt, die Fünfziger für den Rock 'n' Roll, die Petticoats und die Pomadetollen und die Siebziger für ihre Schlaghosen und die spitzen Hemdkragen in augenkrebsfördernden Knallfarben, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Eine ganz besonders überraschende Moderichtung, die zwar nicht ganz neu ist, aber in der aktuellen Dekade offenbar eingeschlagen ist, wie eine Bombe und sich gerade zum Dauertrend entwickelt, ist der Sprengstoffgürtel. Dieses extravagante Accessoire ist dabei, sich zum weltweit dominierenden Look unserer Zeit zu entwickeln und zieht mit seinem orientalischen Flair und seiner exotischen Anmut zunehmend auch die Jugend westlicher Industrieländer in seinen Bann. Auch mit seiner großen Schwester, der Sprengstoffweste, ist man heute modisch aktuell gekleidet. Außerdem überzeugt sie durch ein bombiges Tragegefühl. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, wann die Welle die Titelseiten der Modemagazine erreicht. Wenig später wird sich dieser wie jeder andere große Trend in den Katalogen der Versandhäuser, auf den Seiten der Internethändler und in den angesagtesten Modeboutiquen der Metropolen widerspiegeln.

Aufbau und Funktion

Diese Sprengstoffmenge reicht aber noch nicht.

Sprengstoffgürtel oder Sprengstoffwesten bestechen grundsätzlich nicht unbedingt nur durch ihren Chic sondern ziehen ihren Charme vor allem aus der Sekundärfunktion, die in diesem speziellen Fall zur Hauptfunktion wird. Denn Sprenggürtel müssen keine Hosen halten; sie sollen lediglich den Transport der Sprengmittel möglichst nah am Körper ermöglichen. Auch die Weste soll nicht den Träger wärmen. Die gespeicherte Energie wäre zwar ausreichend, um mehrere Menschen schwitzend durch einige Winter zu bringen aber vor allem soll ja Angstschweiß bei den Mitmenschen erzeugt werden. Der Träger zieht ein solches Kleidungsstück mit der Gewissheit an, dass er sich am Ende des Tages nicht mehr ausziehen muss.

Neben den Sprengstoffpaketen sollte ein Zündmechanismus eingebaut sein, der auf Knopfdruck die Explosion der gesamten Sprengladung mit einem Schlag auslöst. Aussehen und Style variieren und sind der Funktionalität untergeordnet. Das mag sich schnell ändern, wenn erst die großen Modedesigner auf den Trend aufspringen und ihm ihre eigenen Wertestempel aufdrücken.

Auftritt und Message

Hier ist ein ordentlicher Bums zu erwarten.

Aber warum muss das Kleidungsstück der Epoche denn unbedingt ein Gürtel und dann auch noch ein Sprengstoffgürtel sein? Warum wirken plötzlich Schuhtick und Handtaschenmanie so überholt und angestaubt? Ganz einfach: Der Sprengstoffgürtel hat zwei ganz entscheidende Vorteile, die beide so perfekt in den Zeitgeist passen, wie es bei kaum einem Produkt je der Fall war. Heute geht es immer um den perfekten Auftritt. Man will mit seinem Erscheinungsbild den größtmöglichen Knalleffekt erzielen. In einer Gesellschaft, für die der Internetauftritt und das Bild, das man als Einzelner von sich über die Medien vermittelt, so wichtig ist wie nie zuvor, kommt ein Kleidungsstück mit einem solchen Überraschungsmoment wie gerufen. Der Hipster mit gesellschaftspolitischer Ambition legt heute weniger Wert auf die Pflege seines Bartes, der kann dann schon mal dem der Freundin ähneln. Viel wichtiger ist ihm der Drama-Effekt und der kurze Ruhm der Breaking-News. Ein fast ebenso wichtiger Aspekt ist heute die Botschaft, die man vermitteln will. Wer heutzutage keine Message, kein Motto hat, wer nichts zu sagen hat zu den brennenden Themen der Welt, der Menschheit und des Lebens insgesamt, der scheint kaum seines eigenen Lebens wert zu sein. Jeder weiß doch heute, was gut für alle ist. Nur weiß es jeder besser. Die Menschen waren sich scheinbar nie so uneinig wie gerade jetzt. Da kann man schon den Eindruck bekommen, dass derjenige am meisten Recht hat, der am lautesten ruft. Und wenn es um Lautstärke geht, dann ist der Sprengstoffgürtel ganz weit vorne. Er ist ein mordsmäßiges Statement.

Anlass

Selbstredend handelt es sich meist um einzelangefertigte Designerstücke, die ausschließlich für den ganz besonderen - ja einmaligen Einsatz gedacht sind. Damit sind mit Sprengstoff gefüllte Kleidungsstücke selbstverständlich kein Allerweltsutensil und werden, wie man das auch vom Smoking oder dem verschleierten Hut bei den Damen kennt, nur zu ganz bestimmten Anlässen getragen. Am besten geeignet dafür sind Massenveranstaltungen, auf denen sich größtenteils Andersgesinnte aufhalten, die in ihrem geistigen Irrglauben schwelgen. Aber auch, wenn man zu Hause Besuch erwartet, kann man mit einem Sprengstoffgürtel alles richtig machen. Sollten die Gäste vorhaben, den gerade Heimgesuchten auf einen Ausflug einzuladen und der Meinung sein, dafür die besseren Argumente zu haben, genügt meist ein kurzer Druck auf den auslösenden Knopf. In Sekundenschnelle wird dann gehen für die meisten Anwesenden im Umkreis von 10 Metern zur Herausforderung, sodass sich eine weitere Argumentation erübrigt. Zum Festnehmen ist dann meist auch nicht mehr viel übrig.

Gesamtoutfit

Also, die Jacke sollte schon drüber bleiben. Wo bleibt denn sonst der Überraschungseffekt?

Als gut dazu passend gilt bequeme Alltagskleidung, die dennoch chic ist und nicht zu eng anliegt. Insgesamt sollte der Stil zum Ambiente passen und sich unauffällig an den restlichen Mitmenschen orientieren. Auch auf die Accessoires sollte besonderes Augenmerk gelegt werden. So wird die Garderobe durch ein kolbenloses Sturmgewehr glänzend abgerundet. Die AK 47 hat sich hier als absolut alltagstaugliche Mainstream-Marke etabliert und harmoniert hervorragend mit den meisten gängigen Gürtel- und Westenmodellen. Außerdem kann sie dezent in der Jacke transportiert werden bis ein günstiger Moment zur argumentativen Konversation eintritt. Der eher martialisch angehauchte Weltverbesserer von heute führt aber auch gerne mal eine Machete mit. Der Knallgurt als letzte Instanz sollte aber dennoch bei keinem Kreuzzug oder Dschihad mehr fehlen.

Paris, die Modestadt

Wie bei allen wirklich bedeutenden Modetrends geht auch in diesem Fall nichts ohne Paris. Paris, die Stadt der Liebe, der Romantik und der Mode ist das Epizentrum der gehobenen Kleidungskreativen, das unangefochtene Mekka einer schillernden Modeoberklasse, wo die Laufstege mit ihren hübschen, zarten Mannequins regelmäßig das Who-is-who der internationalen Branche versammeln. Was in Paris an Neuem über den Catwalk geht, daran kommt die Welt über kurz oder lang nicht mehr vorbei. In New York und Mailand bestätigen und verfestigen sich diese Trends meist nur. Auch Berlin, London oder Tokyo sind lediglich Klone der wahren Haute Couture, die den Siegeszug bereits eingeschlagener Wege fortführen.

Und diese französische Stadt ist es auch, in der Sprengmittel heute so selbstverständlich am Gürtel oder in der Weste herumgetragen werden, wie sonst an keinem anderen Ort in Europa - jedenfalls seit die Jugoslawienkriege zu Ende sind. Hier gilt es nicht als anstößig, wenn junge Damen an der Wohnungstür die Ordnungsmacht Knall auf Fall mit nichts als einem Gürtel bekleidet hereinbitten. Hier können bei Rockkonzerten nicht nur die Musiker sondern auch die hippsten Gäste im Publikum durchschlagenden Erfolg haben, wenn sie die angesagtesten Accessoires bei sich tragen. Und nirgendwo sonst kann man mit seinen Freunden in den Straßencafés so unverhofft auf einen Café mit Schuss zusammenkommen oder gar völlig Fremde treffen und bei ihnen sofort einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Von hier beginnt der Siegeszug des ultimativen Kleidungsstückes mit dem besonderen Etwas der Verheißung. Immerhin verspricht mancher sich von der einmaligen Benutzung nichts weniger als den Einzug ins Paradies. Und als wenn das nicht schon fast zu viel des Guten wäre, bekommt der Träger bei der Einreise 72 Ungeküsste Wesen an die Hand, denen er zu Diensten sein darf. Oder war es anders herum? Egal. Geben ist ja bekanntlich eh seliger als nehmen.

Risiken und Kritik

Wie allerdings trotz geschätzter 8 bis 10 Kilogramm C4 um Bauch und Hüfte die Unversehrtheit des Körpers gewährleistet werden soll, die man benötigt, um das Date mit dem jungfräulichen Harem wirklich genießen zu können (sofern so etwas möglich ist), steht sehr wahrscheinlich nicht in der Bedienungsanleitung. Davon abgesehen handelt es sich fast ausschließlich um Produkte, die unter Umgehung tariflicher Grundbestimmungen in Billiglohnländern hergestellt wurden. Oft wird sogar aus Schwarzmarktmaterial in unbezahlter Heimarbeit mangelhafte Qualität produziert. Trotzdem verbreitet sich der Trend, der in der jüngeren Vergangenheit auch im Nahen Osten schon aufgeflackert ist, nun verstärkt auch im angeblich so nachhaltig orientierten Europa - und das obwohl man bisher die Werbung auf Internetvideos, Internetmagazine und Anschläge in öffentlichen Einrichtungen beschränkt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen großen Anteil an kostenloser Guerillawerbung durch die Nachrichtensender.

Umweltaktivisten kritisieren derweil die Ressourcenverschwendung des Konzeptes. Immerhin ließen sich mit den Mengen an benutzten Sprengmitteln durchaus sinnvollere Dinge unternehmen. So würde der Fischfang mit deutlich weniger Netzen auskommen und dadurch die Gefahr herumtreibender Geisternetze stark minimiert werden. Das Töten von Menschen ist hingegen mit weitaus weniger Energieaufwand möglich. In durchschnittlichen Haushalten wimmelt es nur so von Mordwerkzeugen. Der Hang zur unverhältnismäßigen Knallerei drückt einer aktuellen Sozialstudie zufolge lediglich ein übersteigertes Geltungsbedürfnis aus, das aus eingebildeten Entbehrungsempfindungen im Zusammenspiel mit einem stark ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex der Betreffenden resultiert. Überdurchschnittlich häufig sollen der Erhebung zufolge bildungsferne und erfolglose Nachkommen gescheiterter Einwanderer diesem Zeitgeist anhängen und damit ihrer Perspektivlosigkeit Ausdruck verleihen.

Nach Meinung einiger Experten sind die Kollateralschäden wegen einem einzigen Explosionssuizid unverhältnismäßig hoch. Zu viele Unbeteiligte müssen ärztlich versorgt oder mit Steuermitteln bestattet werden, nur weil eine einzelne Knallcharge ihre Nutzlosigkeit für die Gesellschaft erkannt und den Entschluss gefasst hat, der natürlichen Auslese nachzuhelfen. Natürlich ist gegen diesen Entschluss grundsätzlich nichts zu sagen. Nur leider hat deren Mangel an Intelligenz dann meist eine riesige Sauerei zur Folge, unter der dann viele Menschen leiden müssen.

Fazit

Kritik an umstrittenen Trends ist aber beileibe kein neues Phänomen und hat auch früher schon den Siegeszug anderer Modeartikel kaum zu bremsen vermocht. So sind ähnlich dekadente Dinge wie Schlangenlederstiefel, Krokohandtaschen oder Hermelinmäntel bis heute nicht vollständig vom Modemarkt verschwunden. Auch deren Träger tragen damit ja ihre psychischen Störungen vor sich her und versuchen, diffuse Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Der Unterschied ist nur, dass ein erfolgreich ausgeführter Suizid als Hilfeschrei kaum taugt. Aber woher sollen das diese armen Menschen denn wissen?!

Warnhinweis

Sprengstoffe können töten. Nur unterwiesenes Fachpersonal sollte mit diesen gefährlichen Stoffen hantieren.

Was man mit einem Sprengstoffgürtel nicht machen sollte:

Empfehlung

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