Infantilismus

Infantilismus ist Grundlage eines synthetischen Jugendwahns von Scheinerwachsenen, die von Kindesbeinen an einer Strategie der Verdummung erlegen sind. Lanciert wurde sie von einer Parteiendiktatur und Konsumdesignern, die eine Steuersklavenschaft mit leicht zu führendem kindlichen Gemüt erschaffen wollten. Daraus entstand in der westlichen, säkularisierten Welt eine Trash-Kulturepoche. Ihre Parole ist das „Haben, haben, Habenwollen“, das der Infantile aus seiner oralen Phase in das Erwachsenenleben übernahm. Dabei wird die überlieferte kulturelle Grenze der einst rebellierenden Jugend zum Erwachsenen verwischt.

Merkmale

  • 1/3 der Menschheit gehört der Kulturepoche bereits an.
  • Die vaterlose Gesellschaft und das narzisstische Zeitalter vereinen sich zu einer Ego-Gesellschaft.
  • Es herrscht globale Uniformität in allen Lebensbereichen und Zynismus vor.
  • Vertrautheit, Rituale und Traditionen finden nur noch innerhalb gleichgeschalteter Gruppen statt (Foren, Blogs, soziale Netzwerke, Stupidedia).
  • Erwachsene entwickeln sich zu Jugendlichen zurück und Jugendliche sehen keinen Anreiz mehr, erwachsen zu werden. Trotzdem werden sie immer früher älter, um dann im Zustand der Infantilisierung im Erwachsenenalter zu verharren.
  • Man unterliegt einem rastlosen Aktivismus, die keine Reifung mehr ermöglicht und keine Lebensform favorisiert.
  • Es fehlt der Jugend Protestverhalten, da sowieso alle gleich jung sind. Daraus entwickelt sich ein inaktiver Trancezustand, der alles hinnimmt.
  • Genusssucht wird zum vorherrschenden Lebensziel und zum allmächtigen Gott.
  • Die Öffentlichkeit wird sexualisiert, die wirkliche Nähe aber gefürchtet.

Infantilismus im Alltag

Scheinerwachsene üben auf ihren Tretrollern
Ein Einkaufsparadies für Pups-Prinzessinnen des Kindergartenpops
Vom Infantilismus kreierte Mama-Monster

Manga-Comic-Zeichner entwarfen die Fassaden der Bubble-Tea-Shops, Handy-Shops und Backstuben, die sämtliche Innenstädte zu einem austauschbaren Einheitsbrei gestalteten. Dem Infantilen dient diese Uniformiertheit zur besseren Orientierung und als sichtbares Zeichen seiner Lebenswelt, die keinen erkennbaren Individualismus duldet. Es gilt dabei in Kleidung und Benehmen von Weiten als Teenie oder gar Kind erkannt zu werden und erst bei näheren Hinsehen verwitterter zu erscheinen. Die politischen Statements von T-Shirt-Aufschriften der 1980er- und 1990er-Jahre weichen Uniformabzeichen, die eine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Spaßkollektiv propagieren. In einigen Fällen werden sie als Arschgeweih gleich auf die Haut tätowiert.
So sind ältere Frauen in hautengen, engen Top in grellen Farben zu sehen, die Hand des älteren Mannes daneben legt sich lässig um sein altes Mädchen, die andere umfasst den Designer-Tretroller. Sportliche Funktions-Outdoorjacken gehören zur Kleidervorschrift in den Wildnisbereichen der Fußgängerzonen.
In der U-Bahn ist nicht mehr die Zeitung das Hauptutensil des Geschäftsmanns, sondern der Rucksack und rote Ohren, die dem aufregenden Ego-Shooter-Spiel auf seinem Smartphone geschuldet sind, das er verkrampft in seinen Händen hält. Selbst der biedere KFZ-Mechaniker lässt in seine E-Mails gerne Emoticons einfließen, Gesichtsskizzen aus Satzzeichen. Das Smartphone ersetzt dabei die Rassel in seiner oralen Phase. Überhaupt sind Männer die Avantgarde der Infantilen. Aufgrund der biologischen Evolution sind sie ein Atavismus gegenüber den weiter entwickelten Frauen.
Die Infantile ist interessiert an Botox-Werbung, nuggelt an ihrer Wasserflasche, die alte Erinnerungen an Kindergartentage hervorruft, und spielt mit ihrem Handy „Final Fantasy“. In der Jute-Markenhandtasche verbirgt sich der letzte Harry-Potter-Roman. Puschel- und Blümchenaccessoires bestimmen weiterhin das Bild, sie sollen den Kindergartenpop einer Pups-Prinzessin darstellen. Dazu passend ist auch bei Minusgraden bauchnabelfrei das Fettpölsterchen oder eben nicht zu zeigen. Zu Hause zählt nur „Ich und mein Magnum in der Badewanne“.
Der Busen hingegen musste mit der zunehmenden Infantilisierung der Männer durch Anwachsen mithalten, so dass wahre Mamma-Monster entstehen, die dem Weiblichkeitsbild eines Säuglings ähneln. Hinter den riesigen Brüsten haben nun Tragkörper zu zappeln, auf deren weichen Oberflächen sich männliche Riesenbabys räkeln und als Herrscher ihrer kleinen Welt die orale Phase ihrer frühkindlichen Entwicklung erneut erleben.

Achtjährige können Computersysteme von Staatsbehörden knacken, sechzehnjährige Gymnasiasten spekulieren an der Börse, während Frührentner in Nike-Turnschuhen und mit Headset des iPod am Ohr bei McDonalds sitzen und Chicken McNuggets in sich hineinstopfen. Die süße Nusspampe Nutella am Frühstückstisch gehört schon längst den Erwachsenen, die ehemalige heimliche Bürodroge muss auch nicht mehr in der Schublade versteckt werden, sondern kann nun selbstbewusst offen herumstehen. Ähnlich verhält es sich mit der Eszett-Schnitte oder der Kinderschokolade, ganz zu schweigen vom Hipp-Fruchtglas, um das sich der Säugling nun mit der infantilen Mutter streiten muss. Die Tatsache, dass auf der Autobahn zwischen Florenz und Rom kein Eis am Stiel herbeizuzaubern war, musste einst nur dem quengelnden Kleinkind auf der Autorücksitzbank erklärt werden. Nun bleibt auch der anscheinend ausgereifte Zeitgenosse unverständig zurück, wenn man ihm die logistische Unmöglichkeit einer gekühlten Magnum-Champagnerflasche im Trekkingrucksack auf dem Berggipfel erklärt. Das „Kau richtig“ oder „Setz dich zum Essen hin“ hört man von den Erwachsenen auch nicht mehr an ihren Nachwuchs gerichtet, isst man doch selber lieber mit bloßen Händen und hastig beim Gehen, Geschäftigkeit in sinnfreier Langeweile vortäuschend.
Die Gruppeninfantilität erlebt man in den Fitnessstudios, ein Spielplatz ohne Sandkasten. Dort wiederholen alte Kinder in Schweißduft absorbierenden Strampelanzügen an Metallgeräten endlos dieselbe Bewegung. Aufgehört wird erst, wenn man wie ein Dreijähriger, der zu lange geschaukelt hat, kotzen muss. Die vergreisende, zunehmend zeugungsunfähige oder einem Zeugungsboykott unterworfene Senioren-Gesellschaft trifft sich aber ebenso in Anti-Aging-Instituten und Wellnessfarmen um dem biologischen Alter stets hinterherlaufen zu können.

Ursachen

Mario Barth. Erfinder des Freundin-Bashings
Dieter Bohlen. Gallionsfigur des Infantilismus

Psychologisch gesehen wird das alte „Über-Ich“ bei der Infantilisierung in einer Metamorphose zu etwas neuem verwandelt. Aus Disziplin, Rechtschaffenheit, Edelmut, sexueller Reinheit und Gehorsam wird das Streben nach schnellem Erfolg, Ruhm und Wohlstand. Dies zwingt zu einer perfekten Selbstdarstellung und einer sofortigen Selbstverwirklichung, die Hindernisse im Alltag als Sabotage auffasst.
Die Infantilisierung terrorisiert den Menschen durch Demütigungen, weil seine Ansprüche niemals zur vollen Zufriedenheit erfüllt werden können. Hängende Mundwinkel und das rüpelhafte Benehmen eines verzogenen Kleinkinds sind die Folgen. Darunter leidet wiederum das Selbstwertgefühl, dass sich ganz den Äußerlichkeiten hingibt, weil im Innern gähnende Leere herrscht. Das nicht-befriedigt-Werden oder Herausschieben der Glücksmomente lässt den Narziss unglücklich zurück und er empfindet dies als persönliche Kränkung.
Der besitzgierstimulierende Konsumkapitalismus ändert die Psyche grundlegend. Sie verfällt in ein „Peter-Pan-Syndrom“, das immer klein sein will und im Nimmerland Spaß haben, weiland Michael Jackson in seiner überzogenen Kindes- und damit Selbstliebe folgend. Dabei muss alles ebenfalls jung und neu sein, denn altes erinnert nur an die eigene Vergänglichkeit. Konnten Erwachsene früher ihre unmittelbare Bedürfnisbefriedigung mittels Vernunft aufschieben, ist heute Wunschgetriebenheit angesagt. Hedonistische Propagandaverheißungen ließen einen Großstadt-Single jenseits der 40 entstehen, der dem Erwachsenwerden zu entfliehen trachtet und nur mit Grauen sein körperliches Altern wahrnimmt. Jedes Fältchen avanciert zum weiteren Sargnagel, Rückenprobleme dürfen keinesfalls als altersbedingt deklariert werden, sondern als Sportverletzung.
In der „Ich-Hölle“ wogt der Kampf nach Anerkennung und Bewunderung, Ausdruck eines Geltungsbedürfnisses, bei dem mit der Gegenwart zwar nichts angefangen werden kann, aber diese Mutlosigkeit möglichst erst spät durch den verdrängten Tod beendet werden soll. Eigene Kinder hätten diesen Verblendungszustand nur gestört. Fürsorge für einen anderen Menschen würde einen unheilbaren Realitätsschock hervorrufen. Dieser tritt allerdings auch ein, wenn echte Teenager den Jungbleibenwoller mit verächtlichen Blicken auf seine vermeintlich coolen Klamotten strafen oder die CD-Sammlung als altmodischen, ausdruckslosen Schrott betiteln.
Dieser Peter Pan wird heute in Kleinfamilien herangezogen. Dem Einzelkind stehen in der älter werdenden Gesellschaft mit Eltern und Großeltern bis zu sechs Erwachsene gegenüber, die den süßen Fratz mittels Verwöhnungsexzessen zu einem nicht altern wollenden Haustyrannen verwandeln. Der Suppenkasper gelangt an die Macht.

Rolle der Medien

Aus dieser Verunsicherung heraus entsteht wachsende Gewalt im Alltag, nur gemildert durch grenzdebile Comedy und Gaga-Serien im uniformierten Quotenfernsehen. Die belanglosesten Medieninhalte werden zu Kult deklariert und damit unangreifbar. Ihn zu kritisieren bedeutet, nicht zu kapieren. Der virtuelle Sandkasten der Miracoli-Republik kreiert nur die Backförmchen der Kindheit durch elektronische Videotien im Abendprogramm. So wird das Ablecken von Rolltreppen oder der Gewinn von Zahnkronen durch Einsammeln von künstlichen Gebissen beim Publikum zum Mega-Event. Comedians begnügen sich mit der Banalität des Guten, Blöden, Doofen und kleiden es im hippen Charme von Dummheit und Unschuld. Die Zehenzwischenräume von Mario Barths Freundin und ihre Duschgewohnheiten avancieren damit zum bundesweiten Gesprächsthema.
In den Medien werden vorwiegend „Nicht-Ereignisse“ präsentiert. Sie sind zwischen die Werbeblöcke gestreut, die bereits Kindern konsumgeiles Verhalten antrainieren. Außerhalb dieses Paralleluniversums hätten Gestalten wie Bohlen, Kübelböck, Raab oder sonstige in Endlosschleifen-Talentshows gecastete D-Promis mit eingebauten Verfallsdatum keine Resonanz. Denn dort würde die Bloßstellung anderer oder das karnevalesk drapierte Blödelmikrofon vor überraschten Zeitgenossen nur eine Anwiderung hervorrufen. Einziges Motiv ist der Effekt, der da heißt: „Fun ohne Ende, voll erwischt, Spiel ohne Grenzen“.
Allerdings verweisen die Medien darauf lediglich die wabernden Motive und Gefühlslagen der Bevölkerung zu spiegeln. Mediale „All-Age“-Produkte sollen kindgerecht Erwachsene ansprechen, doch Bücher wie Harry Potter werden nicht zusätzlich zu Nabokov und Heinrich Heine gelesen, sondern ausschließlich, weil darüber hinausgehende intellektuelle Impulse fehlen. Dies schlägt auch bei PISA-Studien zu Buche und der Erfolgsquote smart-betrügerischer „20-Prozent-Rendite-ohne-Risiko-Anlageberater“.

Folgen, Gefahren

Wahlplakat der Haben-haben-wollen-Partei der Piraten. Spass nicht nur für "Best-Ager"
Eigentum war für Kinder und einer Infantilenpartei noch nie ein Argument

Natürlich hat auch die Konsumgesellschaft an der Kulturepoche des Infantilismus Anteil. Die Firmen unterstehen dem Druck, ihre oftmals an sich wertlosen und sinnfreien Produkte loszuwerden. Dafür muss die Lust am Konsum geweckt werden und ein andersfarbiger Button ein völlig neues und natürlich besseres Produkt suggerieren. Nur dann kann auch das gewaltige Computerspiel der Börse Herrschaft über die Produktion erlangen. Der Mensch wird nicht mehr durch Arbeit geadelt, sondern durch das kindliche erfolgreiche Spiel mit virtuellen Welten. Der prekariate Rest verarmt in Plapperjobs der Dienstleistungsbranche. Er lackiert Fußnägel, schneidet Haare, stapelt Solarmodule aus China oder entlädt deren Container voll kaputtbereiten Plastikspielzeugs.
Der Mensch, im Alltag emotional unterfordert, sucht in der Freizeit Zerstreuung und neue Kicks. Er versucht sich in harmloser Weise, von der Vernunft, die eines Kindes unwürdig ist, zu befreien. So vernunftbefreit lädt er in seinem narzisstischen Drang nach Selbstdarstellung die gestrigen Partyfotos ins Netz, die ihn verkrampft daliegend neben seinem Erbrochenen zeigen oder Frauengruppen mit aneinander gepressten obligatorischen Duck-Face und Victoryzeichen. Dabei zählt nicht der Moment, sondern das Foto davon, sonst wäre er gar nicht passiert. Der inaktive Trancezustand des Infantilismus akzeptiert die sanfte Diktatur der Datenerhebung oder die Timeline von Facebook.

Infantile Genusssucht hat keinen Platz für emotionale Bindungen und persönliche Verantwortung. Der Lebensabschnittsgefährte erlangt eben nur während eines bestimmten Abschnitts Bedeutung, in der er den eigenen Bedürfnissen entspricht. Karrieristen werden dadurch fit für mobile Massenkultur im ewig jungen, vitalen und dynamischen. Es gilt, niemals dick zu werden oder wenigstens die passenden Ausreden für Dickleibigkeit zu besitzen und stets auf jeder Modewelle zu surfen.
Auch die Demokratie leidet unter dieser Verniedlichung. Bereits Herbert Grönemeyers Lied „Kinder an die Macht“ nimmt die Entwicklung vorweg. Politiker wie Westerwelle, Lindner oder Fischer rekrutieren sich aus diesem Milieu. Wie im Trance des Spiels glaubt man Dinge durch Behauptungen und Worthülsen zu ändern. Der Satz „Die Finanzmärkte müssen neu geregelt werden“ lässt bei den Politikern sofort das Gefühl erwachsen, dass die Regelung bereits beginnt. Natürlich erwarten sie dafür gleich Liebe und Anerkennung wie Kindergartenkinder, die zum ersten Mal auf dem Töpfchen waren. Mit den Piraten gießt sich diese Einstellung schließlich sogar in Parteiform. „Haben, haben, Habenwollen“ ist deren Parteiprogramm, ersichtlich aus den Forderungen nach kostenlosem Nahverkehr, kostenlosen Daten aus dem Internet und damit verbunden der Verhöhnung des Urheberrechts. Die Logik daraus fordert das Wahlrecht für Zwölfjährige, denn für Kinder war Eigentum noch nie ein Argument.

Wenn dann alles erlaubt ist, alle dafür sind, wird auch alles egal. Empörte Pseudo-Ökoaktivisten sind gegen Banken und kaufen die Tropenholzgartengarnitur beim Discounter. Die politische Meinung beschränkt sich auf das gerade Kultige, der große Weitblick fehlt, denn ihn zu erhalten würde bedeuten, über sein eigenes zukünftiges Dasein nachzudenken. So ist man flexibel, durchlässig und austauschbar in der Meinung sowie begnadet mit unbegrenzter Wichtigtuerei. Dem Juchtenkäfer wird grenzenlose und fanatische Aufmerksamkeit geschenkt, den dahinsiechenden AIDS-Kranken in Afrika nur ein Achselzucken. Die Welt wird nicht begriffen und kritisiert, sondern inszeniert und die beste aller möglichen Meinungen verwendet, die das Ich von sich selbst haben kann. Die Lebensstile geraten so in Wettbewerb zueinander. Brat Pitt und das jeweilige It!-Girl wird zur Konkurrenz, nicht mehr Heinz-Rüdiger oder Frauke aus der Mensa.
Junge, möglichst wenig bekleidete Körper in der Werbung sollen suggerieren, dass man beim Produktkauf zu ihnen gehört. Die Nacktheit wird glamourös, weit entfernt von Verklemmtheit und spiegelt eher die vorherrschende kalte Lust als Liebe und Leidenschaft wider. Der Körperkult mit tätowierten Landschaftsansichten auf der Haut wirkt körper- und liebesfeindlich, die Darstellung des Körpers wird aspetisch wie das neueste Deodorant. Der Sex wird dabei zur körperlosen Kommunikation ohne Folgen. Zwei Egomanen benützen sich, meist nur, um ihr aufgeblähtes Selbstbewusstsein im Höhepunkt weiter aufzublasen, bis der Leistungsdruck es platzen lässt. Der Sex ist dadurch eingehüllt in einsamer Coolness, abgeschottet von der Erfüllung der Sehnsucht. Diese erfährt weder unter Betäubung mittels Drogen Befriedigung, noch durch die per Internet gedatete aufgeblondete Russen-Schickse, die verspricht, sich nach Überweisung von 5000 Euro für Flug, Visum und Impfpass in einer innigen Partnerschaft im Einzelbett hinter dem Nerd-Computertisch zu räkeln.

Die Popkultur ließ mit der Botschaft „Die young, stay pretty“ das Altern zum Fluch werden. Die Besten wollten früher jung sterben, heute wollen sie niemals sterben, nach dem Motto „Die late, stay pretty“. Jugendliche verlassen nicht mehr ihr Hotel Mama, weil sie dort fugenlos Kind und Erwachsener sein können. Sie verschwinden zusehends im Alltag. Regresspflichtige Ausfälle bengalofeuernder vierzigjähriger Fußballrowdies werden als Massenunterhaltung deklariert, anstatt die Frage nach Altersklugheit und Vorbildfunktion ins Spiel zu bringen. Dem Gespenst des Alterns entkommt man nämlich vorzüglich im Puppenhaus der Infantilität. Angesichts der Klimakatastrophe bedeutet der Porsche Cayenne FunCruiser oder der Innenstadt-SUV: Nichts ist unmöglich, aber wir sind unschuldig. Das führt zur Opfersuche, auf dass die eigene Verantwortung abgeschoben werden kann. Die Welt ist ein Kindergeburtstag mit integrierten Ferienclub.

Versingelung, Verkasperung und Endlospubertierung führen zu einem europaweiten Kinderzimmer mit zynischen Infantilgreisen. Allerdings findet man diese dann weniger auf der Kurpromenade von Bad Pyrmont wieder, eher auf der Whiskymeile von Sylt oder dem mallorquinischen Ballermann. Dort sitzt der Infantile und seine Spieljungen mit toupetintegrierten Baseballkappen sowie immer noch engen Hosen und sie fahren mit ihren Harleys oder Oldtimern vor, großmaßstäbliche Ausführungen ihrer ehemaligen Matchboxautos. Daneben sitzen ihre mehrfach plastisch-chirurgisch umgestalteten Frauen, deren Haut einer Zeitmaschine gleicht, weil sie an jeder Stelle ein anderes Alter aufweist. Wichtig dabei ist, dass weit und breit kein Kind auf die Silberpappeln zulaufen kann und mit dem Ruf „Opa, Oma“ die bezaubernde Illusion zerstört. Nur die Altersarmut könnte diesen Horror abwenden. Endpunkt dieser Infantilisierung ist eine Gerontokratie, in der perspektivlose Jugendliche ihrer Jugendlichkeit und zwangsverjüngte Greise ihrer Altersweisheit beraubt werden sowie immense Rentenzahlungen auf Jugendarbeitslosigkeit treffen.

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