Zugansage
Die Bahn macht mobil. Neue, schöne, schnelle Züge sollen dem Fahrgast auf angenehme Weise das Dahingleiten mit dem Schienenfahrzeug versüßen. Der Satz „Nur Fliegen ist schöner!“ soll aus dem Sprachgebrauch der Eisenbahner und ihrer Kunden endgültig verbannt werden. Die aktuelle Devise lautet: Bahnfahren ist noch viel, viel schöner und stellt bereits verbal die Weichen für den Generalangriff auf die Luftfahrzeuge. Kein Wunder, dass die Bahn sich hierbei bestimmter Instrumente der Fliegerei bedient. So auch die Ansagen, die von den Lokführern international vorgetragen werden müssen. Leider kommen die Bezwinger des Schienensystems hierbei sprachlich an ihre Grenzen.
Dieser Artikel ist für Bahnreisende. Weitere Ansagen gibt es unter Ansagen |
Grundproblem Akustik
Man kennt es. Nachdem man in einem überfüllten Zug einen Sitzplatz ergattert hat, stellt man sich die bange Frage, ob man in der Hektik auch den richtigen Eisenbahnwagon erwischt hat. Anstatt unangenehm aufzufallen und dumme Fragen zu stellen, wartet man lieber ab, was der Zugführer durch die Lautsprecheranlage quäkt. Nachdem der Zug angerollt ist, vernimmt man ein deutliches Knacken in den Bordlautsprechern und anschließend ein langandauerndes Räuspern, das als Einleitung zur Begrüßungsrede herhalten soll. „Guten Tag, meine Damen und Herren, Lokführer Günter Störtebeeker und sein Service-Team begrüßen Sie an Bord des IC...Krrrr...von Hambur...Krrrr, krrr...nach...krrrr. Der Zug hält in Hamburg- Harburg,. Krrr... krrr...., krrrver, fährt dann weiter über Dokrrrr, krrrr... und.... krrzzzr, kr! In Krrrrrrr ...krrraben Sie die Möglichkrrr, umzusteigen. Weiterfahrt ICE 321 nach Bramsche auf Gleis 11 Abfahrt 14.27 und Weiterfkrrrzzr nach Würzburg, ICE 554 „Michael Schumacher“ auf Gleis 5, Abfahrt 14. 41. Das Team der Deutschen Bahn wünkrrrrt ein angenehme Reise!“ So, oder Ähnlich erfährt der Reisende wenigstens, dass es um die technische Ausstattung des Zuges nicht besonders gestellt ist und hofft, dass der Rest des mobilen Rollkommandos den Anforderungen des TÜVs genügt. Vorsorglich informiert man enge Angehörige darüber, dass man eine Bahnreise mache und dass die sicher Daheimgebliebenen verstärkt auf Nachrichten im Radio oder Fernseher achten sollen.
Grundproblem Sprache
Nach ein paar weiteren Knacksgeräuschen scheint sich dann die Lautsprecheranlage stabilisiert zu haben und kommt nun störungsfrei, aber englisch durch die Schallmembranen. Dummerweise macht das die Sache nicht besser. „Good mornladiesan gemlmn. Captain Gunner Störtebeeker anhis Delvry-Team welcomsu at train I.C.E. fourhundertfourandfiftig from Hmborg to Munike. This train stops at Hmbrg-Haarbrg, Hannfer an Drtmund. Hereumaychange to train I.C.E. tree to one, Dstnation Bramsch, Departschrr time frteen twentsevn frm lane elevn an train I.C.E. five five fr “Mikel Shoemaker” to Wrzbrg, partschrr timefrteen fortyone frmlanefive. Captn Störtebeeker an the team german railways wishu a plsant jrney an hope, that u enjoyouride. Thnku.” Entweder die Anlage verschluckt Vokale oder der Mann ist nicht mehr ganz nüchtern. Die Unsicherheit, vielleicht die letzte Reise zu machen, will einfach nicht weichen.
Grundproblem Gestik
Da sprachliche Internationalität, unbequeme, enge Fauteuils und rollbare Trollis mit Säften und Kaffee den Flugbetrieb nur imitieren, entwickelten die Marketing-Strategen der Bahn weitere Taktiken, um ihren Kunden das Gefühl vom Fliegen näher zu bringen. So nahmen sie beispielsweise Fluggeräusche auf, die anschließend während der Fahrt über die Lautsprecheranlage ausgestrahlt wurden. Weiterhin wurden organoleptische Studien zum spezifischen Geruch eines Flugzeuginneren in Auftrag gegeben. Die Idee mit den Geräuschen musste schnellstens wieder eingestampft werden, da die Kunden bei der Verbindung von Fluggeräuschen und den Störungs-Tönen der Bahn-Lautsprecher regelmäßig in Panik verfielen. Auch Gerüche halfen nicht weiter, weil die Eigengerüche, die aus Bierfahnen, Körpergerüchen und regenfeuchter Kleidung bestanden, die dezenten Düfte der weiten Flug-Welt dominierten und chancenlos verpuffen ließen.
Als letztes Mittel fiel den Menschen der Marketing-Abteilung ein, die Schaffner, Kontrolleure und Kellner anzuweisen, die Gäste mittels pantomimischer Darstellung von den Sicherheitsbestimmungen während der Bahnfahrt aufzuklären. Während im Hintergrund eine Ansage in drei Sprachen vom Band läuft, turnen die schlecht und nur notdürftig ausgebildeten Mimen in den Gängen umher und weisen auf Notausgänge, Notbremse hin und deuten das Umbinden einer Schwimmweste an. Was beim deutschen Teil noch einigermaßen von den deutschsprachigen Bediensteten in Übereinstimmung gebracht wird, verschwindet im englischen und spätestens im französischen Teil zu eurythmischer Verbiegung und dient, so es überhaupt wahrgenommen wird, eher zur Belustigung der Kunden.
Bahntypische Lösung
Um einerseits der Sprachprobleme Herr zu werden und andererseits die Kosten im Griff zu halten, entschied der Vorstand der Bahn, die Lokführer nicht mehr mit ihrem Schulenglisch allein zu lassen, sondern gezielte Mitarbeiterschulungen durchzuführen. Als pädagogische Wunderwaffe wurde ein kurz vor der Pension stehender Lokführer für die Entwicklung und Umsetzung des Lehrplans ausgewählt. Seine Aufgabe bestand darin, seinen aktiven Kollegen den Rest seines Schulenglischs zu vermitteln. Da dieser Mann aus Kostengründen allein verantwortlich für die Sprachausbildung war, erklärt sich, dass bundeseinheitlich alle Lokführer den Wissensstand dieses Hilfspädagogen übernahmen.
Nuschelkurs
Mit legendären Worten begrüßt der Coach jede neue Gruppe von Lokführern. „Meine Herren! Englisch ist eine Sprache und wird von vielen Menschen außerhalb unseres Sprachraumes verstanden. Daher ist es wichtig, auch den Kunden, die nicht von hier kommen, mit dieser Sprache anzusprechen. Aber: keine Angst. Ich kann Ihnen Tricks vermitteln, wie es möglich ist, ausländisch zu sprechen, ohne das Vokabular oder die Grammatik zu beherrschen. Nach diesem Kurs werden Sie sicher im Umgang mit englisch sein.“
Basis seines Curriculums ist die Erkenntnis, das englisch, so wie er es aus dem Fernseher (CNN) kennt, undeutlich und schnell gesprochen wird. Folglich beinhaltet sein Lehrgangsziel, englisch so klingen zu lassen, wie er es selbst wahrgenommen hat. Dazu hilft es, Worte aneinander zu reihen, Vokale, Silben und notfalls auch Konsonanten zu „verschlucken“ und die Stimmlage von Kermit, dem Frosch, zu imitieren. Mit diesem Rüstzeug logopädischer Erkenntnisse lernen die Lokführer nun, einzelne, berufsspezifische Begriffe auswendig und können frohen Mutes auf die Reisenden losgelassen werden.
The Diakonie – Das Wörterbuch
Epochales Grundlagenwerk für jeden sich auf internationalem Gewässer befindlichen Lokführer ist das vom Bahn-Tutor selbst verfasste Wörterbuch Deutsch – Bahn. Auf vier Seiten werden die wichtigsten Fachbegriffe von abbey (Abteil) bis zentrl-statn (Hauptbahnhof) alphabetisch erfasst und in gut lesbarer Schrift dargestellt. Ein msthave für jeden im Fahrdienst beschäftigten.