Scotch Whisky
Scotch Whisky ist eine bräunlich-klare Flüssigkeit, die bei viel zu niedrigen Temperaturen verdampft und bei exakt 37 °C explodiert – allerdings nur im Kontakt mit Mundschleimhäuten. Selbsternannte Kenner sprechen von Geschmacksexplosion, doch das ist aus wissenschaftlicher Perspektive totaler Humbug, denn bisher hat sich kein einziger Sicherheitsexperte jemals zu den Explosionsgrenzen von Geschmack geäußert.
Die Zutaten
Scotch Whisky besteht aus Wasser, Gerste, Torfrauch, Altes-Eichenfass-Aroma, Zeit und Zuckercouleur. Die Zutaten können in beliebiger Reihenfolge in beliebigen Mengenverhältnissen miteinander vermischt werden. Das befriedigt den Forscherdrang, lässt aber nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen einen trinkbaren Whisky entstehen.
Die wichtigste Zutat ist die Zeit. Schon ein alter Whiskymacherspruch besagt: „Ohne Zeit kommst du nicht weit!“ (Im schottischen Gälisch reimt sich das auch, man hört es nur nicht so deutlich.) Für die Herstellung eines Scotch sollte man locker 1000 Tage einplanen, für einen guten Scotch dürfen es auch gerne 1000 Wochen sein. Doch Obacht! Es ist nicht nur wichtig, wieviel Zeit hinzugegeben wird, sondern auch wann. Als erste Zutat ist Zeit wenig zielführend. Auch zusammen mit Wasser und Gerste wird aus einem Zuviel an Zeit kein Gerstenmalz, sondern bestenfalls ein Gerstenfeld. Völlig nutzlos ist Zeit am Ende des Herstellprozesses: Whisky in der Flasche wird ähnlich einem Pausenbrot in der Butterbrotdose mit der Zeit zwar älter, aber nicht besser. Wenigstens gammelt er nicht so schnell.
Die teuerste Zutat ist das Gerstenmalz. Um aus Gerste Gerstenmalz zu machen, benötigt man zunächst Whirlpools, die größenmäßig geeignet wären, sämtliche Besucher eines Swinger-Clubs auf einmal zu fassen (würde man sie lassen), so dass es die Gerste schön feucht hat. Sorgt man dann noch für ausreichende Sauerstoffzufuhr, beginnen die Gerstenkörner mit der Ontogenese. Das ist nichts Unanständiges, sondern nur ein geschwollener Ausdruck für die Entwicklung eines Lebewesens. Was anschließend folgt, ist schon eher verwerflich: Kaum hat die Natur damit begonnen, neues Leben hervorzubringen, wird diesem mit Hitze und fiesen chemischen Substanzen der Garaus gemacht. Der Fachmann spricht von Darren, doch im Grunde ist es millionenfache Zwangsabtreibung!
Apropos fies: Die beste Zutat ist der Torfrauch. Bei Laien erzeugt er beim Probieren eines getorften Whiskys spontan das Gefühl, direkt in die schottischen Highlands gebissen zu haben. Bei Kennern sorgt er für dieselbe Assoziation – nur finden die es auf mysteriöse Weise toll, ihren Mund voller Erde, Heidekraut und Geröll zu wähnen.
Nun kommt Wasser ins Spiel, viel Wasser: Nachdem man genügend Energie darauf verwendet hat, das Gerstenmalz anständig zu trocknen, wird es geflutet. Meistens wird dazu das Wasser aus dem nächstgelegenen Loch verwendet oder eine nahestehende Quelle angezapft. Da sich die Inhaltsstoffe des Wassers nachhaltig auf den Geschmack des fertigen Getränks auswirken, sollte eine gewisse Sorgfalt auf die Wahl des Wasserlochs gelegt werden. Mineralien können den Geschmack durchaus positiv beeinflussen, Torf stört sowieso nicht, und mitunter sorgen gewisse Mikroorganismen für eine unverwechselbare Note. Lagunen, Klärteiche und Entwässerungsgräben von Schafweiden gehören zu den weniger attraktiven Quellen.
Hat man bis hierhin alles richtig gemacht, entsteht aus der Graupensuppe Alkohol. Doch leider nicht allzu viel. Mit bescheidenen Alkoholgehalten wie beim Bier gibt sich der Whiskymacher nicht zufrieden. Also hilft er etwas nach und destilliert die braune Brühe zweimal, bevor er sie in alte Eichenfässer abfüllt. Unwissende unterstellen den Schotten Geiz (natürlich!), doch es ist allein der praktische Nutzen, der sie dazu bewegt, ausschließlich gebrauchte Fässer zu verwenden. Nur von denen wissen sie nämlich sicher, dass sie auch dicht sind.
Die blödeste Zutat ist schließlich Zuckercouleur. Der Zusatz von Zuckercouleur zum Whisky hat denselben Effekt wie ein sepiagetöntes Foto eines jungen Leistungssportlers mit Rollator: Der einzige Zweck ist, Alter und Reife zu suggerieren.
Die Macher
Scotch Whisky wird von Schotten gemacht, also von Männern, die karierte Röcke tragen, zu geizig für Unterhosen sind, sich regelmäßig mit Sackpfeifen bewaffnen und in ihrer Freizeit Snooker spielen. Prinzipiell dürfen natürlich auch Nicht-Schotten Scotch Whisky herstellen, doch nur, wenn sie nach Schottland emigrieren und sich als Schotten tarnen, sprich: karierte Röcke anziehen, auf Unterhosen verzichten, einen Dudelsack-Kurs belegen und dem örtlichen Snooker-Club beitreten. Es läuft also aufs Selbe hinaus.
Dass es auch Frauen unter den Scotch-Whisky-Produzenten gibt, ist ausgemachter Schwachsinn – es gibt ja auch keine Männer unter den Scotch-Whisky-Produzentinnen.
Die Trinker
Hauptsache-Alkohol-Schlucker
Den Hauptsache-Alkohol-Schluckern ist es egal, was sie zu sich nehmen – Hauptsache, es knallt. Und zwar möglichst schnell. Die Gruppe lässt sich in drei Kategorien unterteilen:
- Jung und unerfahren
- Alt und verbraucht
- Im besten Alter
Jung und unerfahren
Wer jung und unerfahren ist, verspürt häufig den Drang, seinen Freunden, oder besser gleich der ganzen Welt, etwas zu beweisen. Da den meisten jungen Menschen Ziele wie das Durchschwimmen des Nordpolarmeeres, das Einheimsen eines Nobelpreises oder ein eigener Stern auf dem Walk of Fame berechtigterweise als zu hoch gesteckt erscheinen, um sie kurzfristig zu erreichen, versuchen sie es zunächst auf andere Weise. Wer den Konsum harter Alkoholika gleichmütig wegstecken kann, ohne ins Wanken zu geraten, ist schon mal kein Weichei. Nur wenige Dinge sind so einfach, wie unbeschwert mehrere Drinks in sich hineinzukippen und dabei süffisant und allwissend zu lächeln. Heutzutage müssen dafür Wodka Red Bull, Gummibärchen-Tequila und Schüttelkorn herhalten; früher (also vor ungefähr 20 Jahren) tat es auch ein einfacher Whisky. Doch ausgedient hat der, all den neumodischen Grusel-Getränken zum Trotz, immer noch nicht.
In den meisten Fällen wird er mit Cola gepanscht, die Coolen ordern ihn auf Eis und die ganz Harten trinken ihn pur. Was für ein Whisk(e)y letztlich im Glas bzw. im Magen bzw. in der Kloschüssel landet, spielt eigentlich keine Rolle – Hauptsache, die Bestellung klingt professionell. Da ein gewisser Johnnie W. der Jugend der 1980er Jahre spätestens seit Marius Müller-Westernhagens Ode an die Säufer ein Begriff war und er es offensichtlich auch danach irgendwie geschafft hat, sich in vieler Munde zu halten, bietet er sich als „Ich-will-irgendwas-mit-Whisky-Bestellung“ geradezu an. So kommt es, dass auch junge und unerfahrene Menschen zu Scotch-Whisky-Trinkern werden.
Alt und verbraucht
Besonders in unserer sogenannten „zivilisierten Gesellschaft“ gibt es viele alte und verbrauchte Menschen und leider noch mehr, die sich so fühlen und einige weitere, die nur so aussehen. Wer zu einer dieser drei Gruppen gehört und Scotch Whisky nur deshalb trinkt, weil er per Gesetz maximal 60 % Wasser enthält, hat nicht nur ein Problem, sondern mindestens zwei. Ganz übel sind diejenigen dran, die sich gleich allen drei Gruppen zugehörig fühlen und Johnny nicht nur als ihren „besten Freund“ bezeichnen, sondern sich auch regelmäßig in tiefgreifende philisophische Debatten mit ihm verstricken.
Im besten Alter
Wer weder jung und unerfahren noch alt und verbraucht ist, befindet sich erfahrungsgemäß im besten Alter – wofür, sei dahingestellt und ist an dieser Stelle auch nicht weiter wichtig. Die Frage an dieser Stelle ist nicht: Was bewegt Menschen im besten Alter, sich die Kante zu geben? sondern vielmehr: Was bewegt Menschen im besten Alter, die sich die Kante geben wollen, dies ausgerechnet mit schottischem Whisky zu tun?. Eine mögliche Antwort ist: Es steht gerade zufällig ein erlesener Single Malt griffbereit auf dem Tisch. Doch so erfreulich diese Situation auch erscheinen mag, tritt sie doch eher selten ein.
Sehr viel häufiger verhält es sich genau wie bei den jungen Leuten: Man benötigt irgendetwas Hochprozentiges, um der Cola oder dem Ginger Ale die Fadheit zu nehmen. Auch ein schnöder Kaffee lässt sich mit wenigen Zentilitern Scotch und einer dekorativen Sahnehaube in ein wirkungsvolles Abschussgetränk verwandeln. Selbst Menschen, denen der Geschmack von Whisky absolut zuwider ist, finden Möglichkeiten, den darin enthaltenen Alkohol zielsicher in ihren Blutkreislauf zu transferieren. Sie behelfen sich einfach mit ein paar weiteren, möglichst geschmacksintensiven Zutaten. Mit kreativen Namen wie Caledonian Mist oder Blood and Sand geschmückt lassen solche Cocktails Säufer wie Gourmets erscheinen.
Selbsternannte Kenner
Den selbsternannten Kennern reicht ein kurzer Blick auf das Flaschenetikett, um zu erkennen, welchen Whisky sie vor sich haben. Bevor sie zu trinken beginnen, begutachten sie das Glas, als könnten sie die nächsten Lottozahlen inklusive Zusatzzahl und Spiel 77 daraus lesen. Anschließend schnuppern sie ausgiebig an seinem Inhalt und geben dabei von Zeit zu Zeit bewundernde, oft nasale Laute von sich. Wer sich nicht zurückhalten kann, äußert nach dem Geruchstest bereits den ersten klar artikulierten Kommentar. Doch da auch die selbsternannten Spezialisten wissen, dass nicht alles so schmeckt wie es riecht, beschränkt sich die Aussage zumeist auf ein „Och, ja...“ oder das universell einsatzbare „Mmmh, interessant...“.
Anschließend wird der erste Schluck in der Mundhöhle verteilt wie eine kariesheilende Zahnspülung mit ewigwährendem Schutz vor Parodontitis; Gurgeln gilt jedoch als unprofessionell. Geschluckt wird mit Bedacht und kontrollierter Mimik. Nach einer langen Pause, die dem Verkoster Gelegenheit gibt, möglichst viele erwartungsvolle Blicke auf sich zu sammeln, zeigt er zunächst ein Stirnrunzeln. Auf eine weitere, diesmal kürzere Bedenkzeit folgen in seltenen Fällen eindeutige Bekundungen wie „Oha, der ist aber rauchig.“ oder „Pfirsich! – Ich schmecke ganz klar Pfirsich und vielleicht einen Hauch von Vanille.“ Sehr viel häufiger sind rätselhafte Kommentare wie „Nicht schlecht, aber ich bevorzuge doch eher die Speysides.“ oder „Der salzige Charakter gefällt mir, aber der Torf dominiert zu stark und das Finish ist unausgereift.“. Dem ahnungslosen Beiwohner einer solchen Verkostung kann man nur raten: Nicke anerkennend, halt die Klappe und lächle!
Selbsternannte Kenner trinken ihren Whisky niemals auf Eis (niemals!) und kommen nur äußerst selten auf die Idee, ihn mit Wasser zu verdünnen. Die richtige Antwort auf die in schottischen Pubs standardmäßig gestellte Frage "Do you like ice or a drop of water?" ist daher: "No thanks, I must drive!".
Wahre Spezialisten
Die wahren Spezialisten können mehr als einen Malt und einen Bourbon zweifelsfrei voneinander unterscheiden. Am Geschmack eines Single Malt erkennen sie, aus welcher Destille er stammt, wie lange er in welchem Fass gelagert wurde und wie der Holzwurm hieß, der versucht hat, es anzubohren. Sie sind in der Lage, allein anhand des Geruchs die kompletten Klimadaten der entsprechenden Region im Zeitraum vom Anbau der Gerste bis zur Flaschenabfüllung zu rekonstruieren – inklusive Windrichtung und jeweiliger Konsistenz des Niederschlags.
Ihre Lieblingsfarben sind „Bernsteingelb“ und „Goldgelb mit bernsteingelben Reflexen“. Bei der sensorischen Bewertung unterscheiden sie zwischen „Nase“, „Körper“, „Gaumen“ und „Nachklang“ und ignorieren dabei geflissentlich die neueren Erkenntnisse der Anatomie, denen zufolge Nase und Gaumen eindeutig Bestandteile des Körpers sind. Wahre Spezialisten riechen Heide, grüne Melonenbällchen, Sahne und Motoröl, schmecken feuchte Kokosnuss, Adlerfarn, Sackleinen und Ölzeug, bermerken im Nachklang gekochte Teeblätter, Ruß, Cremefüllung und Jod und finden das Ganze trotzdem noch lecker. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass sie Algen nicht nur geschmacklich klassifizieren, sondern aus dem, was der Laie als latenten Fischgeruch wahrnimmt, eindeutig den Safran herausriechen können.
Letztendlich erkennt man wahre Spezialisten daran, dass sie die Namen sämtlicher Destillerien Schottlands fehlerfrei aussprechen können. Bei Bowmore und Highland Park mag das nicht als herausragende Fähigkeit erscheinen, bei Abhainn Dearg, Auchroisk und Bunnahabhai können Ungeübte hingegen schon leicht ins Schwitzen kommen.
Whisky vs. Whiskey
So unterschiedlich Schotten und Amerikaner in ihrer Mentalität sind, so verschieden sind auch ihre bekanntesten Destillate. Im Grunde verhält es sich genau wie mit der Sprache: Obwohl eine entfernte Ähnlichkeit zu erkennen ist, klingt bzw. schmeckt das eine wie eine versaubeutelte Imitation des anderen.
Weil den Amerikanern Gerstenmalz zu teuer ist, verwenden sie lieber Mais als Ausgangsstoff für ihren Bourbon. Da daraus per definitionem kein Whisky und noch nicht einmal ein ordentlicher Whiskey entstehen kann, wird meistens ein kleiner Anteil Roggen oder Weizen und Gerstenmalz (ach, was!) hinzugemischt. Auch der Sinn für Nachhaltigkeit geht diesem Volk bekanntermaßen völlig ab, so dass ausschließlich neue Fässer zur Lagerung verwendet werden. Damit der Whiskey während der Reifung trotzdem ein wenig Farbe bekommt und zumindest das ein oder andere Aromamolekül entstehen kann, werden die Fässer zuvor von innen ordentlich angekohlt. Heraus kommt ein Getränk, das sich so ähnlich nennen darf wie Whisky – aber nur so ähnlich.
Wenn es sich schon nicht um ein wohlschmeckendes Getränk handelt, so muss wenigstens ein wohlklingender Name her. Um dem Ganzen einen noblen Anstrich zu verleihen, ersann ein findiger Geist für das Destillat aus Maismatsche die Bezeichnung Bourbon. Das klingt so verheißungsvoll nach Vanille... – ...schmeckt aber nicht besser als Gurgelwasser. Durch die Zugabe von Cola-Farbstoff gewinnt amerikanischer Whiskey bedeutend an Klasse. Deshalb darf man ihn auch ungestraft mit Cola vermengen, ohne dass sich dadurch der Charakter des Getränks nennenswert verändert. Mit Vanille-Coke lässt sich hingegen Einiges reißen.
„Amerikanischer Whiskey ist kein missglückter Versuch, Scotch herzustellen, sondern die voll beabsichtigte Demonstration verkorksten Geschmacks.“
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