Konrad Kujau

Konrad Kujau (*27. Juni 1938 in Löbau/Sachsen † 12. September 2000 in Sachtense) war einer der brillantesten und tragischsten Künstler, Maler und Zeichner sowie Hauptvertreter der Post-Genialität. Durch ihn gewann das Wort Kunst wieder den ursprünglichen Bezug zum Adjektiv "künstlich". Er sorgte durch sein Werk für die Dringlichkeit eines enormen Wissens-Fortschrittes der Kunstkritiker und -gutachter und schließlich für die Verschmelzung dieser beiden Sparten.

Umstände seiner Geburt und Kindheit

Ausbildung, Lehr und Leer-Jahre

Sehr früh schon bemerkten Lehrer in Korrespondenz mit dem Heimpersonal bei den vermeintlichen Unterschriften zu Klassenarbeiten sein enormes künstlerisches Potential, welches er kontinuierlich weiterentwickelte.

Die durch die Kriegswirren und Bombenattentate verstreuten Teile der Familie fanden zusammen, als er 13 Jahre alt war. Kujau lebte sich, einem Chamäleon gleich, in die Familie ein und wurde mit dem Wunsch seines echten Vaters konfrontiert, das Abitur zu absolvieren. Dies machte ihn wütend und hilflos, weil er bislang in einer Volksschule unterfordert und immer gut ausgeruht seine Jahre verbrachte und sich ohnehin sehr schwer tat, Lehrerauthorität zu akzeptieren und konzentriert zu lernen, was mit seinem bisherigen Schicksal zu erklären war.

So lernte er in seiner gymnasialen Phase sein Talent noch viel stärker zu nutzen, um Unzulänglichkeiten zu überspielen. So folgten kleinere Betrügereien, wie das Unterschieben nachverfasster fehlerfreierer Arbeiten mit "Original"-Lehrerkorrekturen mit der Bitte um Noten-Korrektur und seine rechtzeitig an den Lehrkörper versandten schulamtlichen Schreiben mit Besuchsandrohung zur Zeit der gefürchtetsten Klausuren, um Zeit zu gewinnen und Milde bei der Themenwahl zu erreichen.

Aktionskunst

Dabei erwischt, 1952 oder 1953 Papierknäuel auf den Schulhof geworfen zu haben, wies er darauf hin, dass es sich dabei um Kunst handele. Er wolle damit den Protest gegen die Bemüllung von Schulhöfen mit Papierknäueln veranschaulichen als Gegenmaßnahme, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, als pädagogisch sinnloses Paradigma des Alten Testaments: "Auge um Auge, Zahn um Zahn" zu entlarven. Also eine archaisch-religiös motivierte Kunst mit der Spiritualität der Spontaneität. Doch es war noch zu früh für seine Kunst, die erst viel später erfolgreich auf dem venezianischen Markusplatz, dem Kölner Domplatz, ja, auf nahezu allen Plätzen dieser Welt gepflegt wurde.

Trotz aller Schelte ließ ihn der Gedanke vorzeitig nicht los. Er wollte die Aktion, das Schnelle, die bloße Idee mit hingeworfenen Eingebungen fern jeglicher klassischer Kunstbegriffe zur Kunstform erheben und baute sein Jugendzimmer zum Atelier um, ohne Lehrer und andere Ordnungspersonen. Er war verunsichert, weil er einerseits wusste, dass er nur Künstler war und auch immer nur sein könne, auf der anderen Seite spürte er den familiären Druck, wie sein Vater Buchdrucker werden zu sollen.

So stahl er riesige Leinwände, um mit großer Kraft und Körpereinsatz Farben ungemischt aufzubringen, was im ersten Augenblick wie unmotiviert aussah. Doch bei den nächsten Blicken war eine Form von abstraktem Expressionismus zu erkennen, die zeitlos seine Gemütszustände, sein Aufbegehren gegen klassische Begriffe gesellschaftlicher Ordnung und "schöner" Kunst äußerten. Veräußern ließ sich dies jedoch nicht und er musste die Schule klassisch beenden und war auf das Einkommen seines Vaters angewiesen.

Immer wieder bewog er konzertierte Aktionen, nach Einbrechen der Dunkelheit. Am Anfang waren es Rache- und Klageaktionen, indem er vorgefertigte Zettel an öffentlichen Mülleimern anbrachte. So verzierte er sie mit Worten wie "Würde", "Anstand", "Gewissen", "Lehrer Schulz" und "Vater". Dann begann er mit Papierresten, die sein Vater von der Arbeit mitbrachte, Eingänge zu unliebsamen Gebäuden "einzupacken" und so eine unsichtbare Barriere zu unerwünschten Situationen zu materialisieren.

Er war aber jeden Morgen enttäuscht, als die Straßenkehrer offensichtlich ganze Arbeit geleistet hatten und gar Zeitungen Fahndungen der Polizei nach einem "unbekannten Schmierfink" abdruckten. Er wollte aber bekannt werden! Enttäuscht von der spröden Haltung gegenüber seiner Kunst fiel er in ein Loch des Schaffens. Er war unstet wie zuvor, aber eben leer wie morgendliche Müllbehältnisse als Gegenbeispiel zu sonst überaus lieblichen Metarmophosen in der Natur, wo Kelche der Morgensonne hin geöffnet werden. Dachte er.

Die Blaue und die Rosa Periode des Kubismus

Nach Abschluss des Abiturs 1959 und volljährig geworden, besann er sich auf neue Methoden, sich seinen Mitmenschen künstlerisch mitzuteilen, was zunehmend durch seinen beginnenden Alkoholismus beeinträchtigt wurde. Das, was ihm an Anerkennung in der Gesellschaft und in seinen missglückten Beziehungsversuchen zu Frauen versagt wurde, versuchte er, mit immer mehr Alkohol zu kompensieren. Dabei ging er immer weiter vom Boden als Ort seiner Kunst weg und näherte er sich wieder bodenständigeren Medien, wie Zigarettenblättchen, Bierdeckeln, Toilettenpapier und auch der Leinwand, wenngleich am Anfang nur im Museum als passiver Besucher, den Sicherheitsabstand einhaltend, bis er völlig am Boden war. Er fantasierte im Delirium, den Tod der Blümeranz vor Augen, an allen anderen Plätzen als gerade diesem erfolgreich Fuß fassen zu können.

Holländische und erste französische Phase

So rang er beim Vater durch, allein nach Holland zu reisen, was er nüchtern nie geschafft hätte. Dort wollte er versuchen, nahe am Meer trocken zu bleiben. Das Haschisch sei unter den Süchten ein besserer Freund des Menschen als die Sauferei, hatte ihm ein Freund geschrieben, der vom Alkohol losgekommen war und mit dem er die künstlerischen Ambitionen teilte. Dieser betrieb Anfang der 60er in Maastricht eine besondere Form der Aktionskunst, wo, wie er erklärte, Frauen in dünner Kleidung den Abgesang auf Moral und Anstand in der Gesellschaft auf der Straße improvisierend darstellen.

Expressionismus und Impressionismus

Doch dort angekommen, sah er in der prüden Welt dieser Jahre wenig Chancen, dass man damit erfolgreich sein könne, wenngleich sich sein Freund teure Autos und Kleidung durch diese Ausstellungen leisten und in neue Projekte investieren konnte. Nein, Geld macht zufrieden, aber hemmt jede Kreativität, so seine damalige Überzeugung. Er begann wieder auf geschenkten Leinwänden zu malen und drückte seine Sucht und die Suche nach der Sucht in tiefblauen Farbtönen, das gerade Gelebte in Schattierungen von blau und blauen Hintergründen darzustellen. Dabei zerteilte er das Gesehene mehr und mehr in seine Bestandteile, in dreidimensionale Körper, in Kugeln, plastische Drei- Viel- und noch-mehr-Ecke. Irgendwann war das Blau aber alle. Er entwickelte einen Trotz, der ihm heilig wurde, wenn Neues von ihm stets verrissen wurde, wollte er nun zeigen, dass er das, was Künstler vor ihm schufen, genauso gut konnte und die Fehler, die bei vielen das Original und die Genialität ausmachten, nun mit dem Wissen des Spätgeborenen absichtlich machte, um ihnen damit eine neue persönliche Qualität zu verleihen.

Immerhin half ihm diese blaue Periode auch über seine Trinkerei gut hinweg und das Haschischrauchen blieb seine einzige Sucht, wobei er auch erste homoerotische Erfahrungen machte, die ihm als logischer Schluss seiner Unfähigkeit, eine funktionierende sexuelle Beziehung zu einer Frau aufzubauen, vorkam. Darüber war er ganz froh und auch darüber, aus einem geklärten Bodensatz seiner Existenz sich künstlerisch in immer extremere Sichtweisen über den Gehalt einer Kopie versteigen zu können - eine Art Heimat als unbeabsichtigte Frucht der gesellschaftlichen Ignoranz seiner früheren Kunst.

Er suchte weiter in den epochemachenden Annalen der Kunst. Alles musste auf einmal im Glanz fleischfarbener Lust sein, es musste strahlend und poppig sein, da fielen ihm in seinem Farbkasten die Rosafarbtöne in die Hand.

Rosa kubische Körper, Würfel, Kugeln, die von ferner betrachtet, nun Menschen darstellten, die sich ineinander verwoben, die seine Erlebnis- und Gefühlswelt auskleideten, vornehmlich seinen Freund und seine Aktionskünstlerinnen und die so offenherzig und breitbeinig waren, dass die wenigen Eingeweihten zu schielen drohten, wie mancher Richter bei der Beurteilung österreichischer Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts. Immerhin geschah dies erst oder andersherum ausgedrückt schon in den prüden 50ern, wo immer noch keine Kunst so groß sein konnte, um Prüderie entmachten zu können.

Das Gefühl, der Zorn, die Gewalt, die Liebe, das Bewundern und die Geilheit, das Erlebnis zählte als Neuerlebtes des bereits malerisch Erlebten doch wohl nur, wenn es an bestimmte klar definierbare Objekte oder Subjekte gebunden ist. Interpretierte er. Und ging tiefer in die Kunstgeschichte ein und immer weiter zurück.

So hatte er nur meist sehr wohlwollenden Menschen das eine oder andere Akt-Bild verkaufen können, da Schieles Werk vergriffen war. Dennoch interessierten sie sich nicht für seine Kunst, seinen Elan, seine Erlebnisse und das, was er sah, was er nicht sah. Es war für die Käufer nur eine verkappte Spende oder ein "Playboy"-Derivat. Aber er verkaufte endlich. Er hielt inne.

Die Getreideschober-, Pappeln- und Kathedralenserien

Hier das Original von Monet
Hier das größer angelegte impressionistisch improvisierte Werk von Kujau

Nach fünf Jahren gemeinsamen Lebens durch diese ersten Erfolge mutig geworden, bat er seinen Freund um finanzielle Unterstützung, um für ein Jahr in Frankreich leben zu können, was dieser ihm auch gewährte. Ihn zog es nach Nordfrankreich, in die Gemeinde Giverny, wo er - mittlerweile völlig familiär losgelöst - eine preiswerte Bleibe fand. Er hatte schon seit längerem eine Idee: den immer gleichen Gegenstand immer wieder anders darzustellen. Gefährlich kann dabei sein, dass es im Gegensatz zu sich bewegenden Menschen bei dem Malen von Kirchen und Bäume schwer sein kann, weil diese sich nicht genüsslich räkeln können und immer so schön stillhalten.

So begab er sich zu in der Gegend einfach so herumstehenden Gegenständen wie Getreideschobern, Pappeln und auch die eine oder andere Kathedrale, um sie bei unterschiedlichen Licht- und Wetterverhältnissen darzustellen, wobei beim Bild "Kathedrale von Rouen bei sternlos-finsterer Nacht", das er insgesamt - immer wütender werdend - 38 Mal gemalt hatte, jedoch immer das Gleiche herauskam. Immerhin brachte es ihm bei der Ausstellung einer Behinderten-Malwerkstätte einen ersten wirklichen Achtungserfolg ein.

Der Wermutstropfen aber war, dass man ihn das erste Mal offiziell mit Fälschungsvorwürfen konfrontierte, da diese 38 Bilder nicht nur einander wie ein Ei dem anderen ähnelten, sondern weil dies bereits vorher ein Mal von Claude Monet 70 Jahre früher gemalt worden sei. Er wies die Vorwürfe zurück. Das Malen sei ohne Gewähr, Ähnlichkeiten mit Werken lebender oder toter Maler seien zufällig, obgleich er nach außen weiter nach anderen größer angelegten Ausdrucksformen suchte und nach innen unter den Vorwürfen litt. Immer wieder wurde doch sein Tun ignoriert oder missachtet.

Schließlich wurde sogar steckbrieflich ("Maler unbekannt") nach ihm gesucht, weil er ein weiteres Gemälde dem Kunstmarkt zuführte, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Selbstpotrait Monets aufwies und zunächst auch erfolgreich verkauft hatte. Er genoss diese leise ansteigende Bekanntheit. Doch.

Reise nach Polynesien

"Gekreuzte Kreuzungen vor Kreuzungen" - Bild und Text darf aus urheberschutzrechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden
Mit dem Erlös eines verkauften Bildes floh Kujau mit den verbliebenen 38 Kopien als Andenken an seine erste allgemeine Würdigung 1970 hoffnungsvoll nach Polynesien, weil ihm diese pazifische Inselregion durch oftmaligen Konsum einschlägiger Naturdokumentationen als ein El Dorado für Augenmenschen und leicht pädophil Veranlagter vorkam, die sich nach strahlenden Farben, strahlenden Augen, und weichen, runden jugendlichen Formen sehnen. Hier würde er eine ganz neue Form der Inspiration kennen lernen. Nein, ihm war nach über fünf Jahren schnell klar, dass er nicht homosexuell war und dies als eine Art Mimikry für seinen niederländischen Freund eingesetzt hatte, wohl aus Selbsterhaltung und Existenzsicherung. Unbewusst.

Die Frauen waren trotz Gauguin immer noch sehr zutraulich und räkelten sich wohlig vor dem Hintergrund immergrüner Hybriden, sein berühmtestes Bild lautete: "Gekreuzte Kreuzungen vor Kreuzungen", was immerhin eine Erstaufnahme in den PEN-Club ermöglichte, deren Mitgliedschaftspflege aber durch den Haftbefehl und die noch fehlende Internet-Anbindung in Polynesien, Europa, Südamerika, Nordamerika und im Rest der Welt erschwert wurde.

Aber so originell sein Bildtext war, so gefälscht war das Gemälde an sich. So etwas kannte man von Gauguin schon zur Genüge und exakt so, wie dargestellt verletzte er die Urheberrechte und beging Urkundenfälschung, da er das Bild auch mit "Goghöng" (Gauguin war schwerer Legastheniker) "unterschrieb". Das war nun nicht mehr mit unglücklichen Zufällen, dass es jemanden gegeben hatte, der diese Idee schon mal gehabt hatte, erklären. Das war Absicht, ein Grund, warum auch seine Haftpflicht nicht für ihn eintreten wollte. Vermutlich hatte sein erster Bildverkauf ihm den Mund wässrig gemacht und die Verzweiflung ihr Übriges getan, sich mit eigener Arbeit in Übersee sonst kaum über Wasser halten zu können.

Die Ersparnisse und die Einkünfte in Polynesien drohten durch das süffisant-großherzögliche Aushalten seiner Pseudo-Amateurmodelle gegen Null zu gehen. Diese hatte er penibel ausgesucht und ließ sie in immer neuen, alten Stellungen in seinen Gemälden auftreten. Wie entgeistert bejahte er seine ihm immer klarer werdende Berufung und malte besessen Gauguins Gesamtwerk nach und dies mehrere Male. Aus finanzieller Not. Nicht nur.

Man sprach von der polynesischen Gefahr, von einer Überflutung des Kunstmarktes aus Fernost, die die Preise für die Bilder des Originalmalers ins Bodenlose sacken ließen. So verdiente Kujau aber auch immer weniger. Schließlich war er nicht mehr bereit, für umgerechnet 1,80 Euro/Stunde zu malen. Er war ein Opfer seiner selbst geworden. Und da taugte alle Kunst- und künstliche Fertigkeit nichts mehr. Ein neues Betätigungsfeld musste her, auch wegen bereits laufender Auslieferungsverhandlungen nicht nur über seiner Gemälde, sondern auch über ihn selbst.

Reise nach Arles - die zweite französische Phase

Eine Odyssee begann. Als blinder Passagier geriet er auf einen üblen Seelenverkäufer, der Kindermatrosen über den Pazifik beförderte. Als dieser in schlimme Seenot geriet und er kurz vor dem Tod war, schwor er sich mit 42 Jahren, also 1970, ein neues Leben zu beginnen. Er hatte sich vom schnellen Erfolg seiner Kopierkunst mitreißen lassen, ja, sie hatte ihn von arger Not errettet, aber nun wollte er anständig werden und anständig malen. Da traf er in Arles Theo van Gogh, einen jungen Regisseur, der Super-Acht-Filme über Dokumentationen über die besonderen Lichtverhältnisse drehte, die eben im Süden Frankreichs herrschen.

Er war begeistert von dieser Idee. Er verstand die Filmkunst wie die seinige, bestanden doch Filme aus einzelnen Bildern, die von der Natur gemalt wurden. Es war impressionistisch und expressionistisch zugleich: So waren die Bildpunkte jene Kleckse, die stimmig nebeneinander gesetzt und aus größerer Entfernung betrachtet, ineinander fließen und Mischfarben, eben ein ganz anderes Gesamtbild ergaben. Aber durchs van Goghs Eigenart, seine Hand in verschiedenen Posen ins Bild zu halten, stellte er damit sein Erlebnis dar, Expressionismus!

So drehte er gemeinsam mit seinem Freund zahlreiche Filme in der "Handycam" bzw. "SteadiCam"-Technik und durch zahlreiche Nachahmer wurde beiden klar, dass sie diese Technik erfunden haben mussten. So agierten sie vehement gegen Kopien und setzten dieses Recht auch weltweit durch, was damals noch bezahlbar war und Chinas Grenzen waren damals sowieso schon/noch immer dicht. Selbst heutzutage müssen Filmbilder mit Händen des Kameramannes im Objektiv noch vor der Freigabe aus urheberrechtlichen Gründen herausgeschnitten werden.

Theo van Gogh, durch den unerwarteten Erfolg experimentierfreudig geworden, begann zehn Jahre später, zunächst Tiere, und danach auch Menschen abzulichten, während der enge Kontakt mit Kujau aufrecht erhalten wurde, obwohl dieser sich wieder zu neuen Ufern begab, zum Main nach Frankfurt.

Später sollte van Gogh die Neuorientierung mit dem Leben bezahlen. Für einen Kurzfilm, bei dem aus Versehen das Schnittmaterial auf den Filmmarkt geriet, wurde er von einem Passanten, der ihn zufällig auf der Straße wieder zu erkennen meinte, ermordet. Der Film zeigte die islamistische Schwester kurz vor dem Beslan-Attentat. Van Gogh war mit ihr verwechselt worden.

Die Hell-Dunkel-Malerei

Während der Zeit als Filmkünstler wurde ihm endgültig klar, dass seine Arbeit nur als eine Art "Schattendasein" vor dem Wirken der großen anerkannten Künstler wirken könne. Doch gerade dadurch hatte sein bisheriges Leben eine besondere Dramatik erfahren. Er dachte darüber nach, wie er dies in sein Werk mit einfließen lassen kann, um endlich an Originalität zu gewinnen. "Hell/Dunkel" wurde für ihn zu einer Art geflügelter Kontrast-Gedanke, dem er Wort halten wollte. Selbstbewusst sagte er allen Originalen den Kampf an: "Ja, sie sollen es wagen, sich dem Vergleich mit meinen Kopien zu stellen." Er forderte sie jetzt offen für sich heraus, aus Sicherheitsgründen zunächst aber nur Tote. Was ihm wenig half.

Er nahm dreist den berühmtesten "Hell-Dunkel"-Maler, Rembrandt, und malte eifrig dessen Werke nach. "Der Mann mit dem Goldhelm", "Die Nachtwache" und die vielen Selbstportaits, in denen er sich vorher aufwendig schminkte, so wie es einst Rembrandt gemacht hatte. Das konnte er alles genauso gut. Wieder begann die Schleife der anfänglichen Erfolge bei den Kritikern in Verbindung mit der Polizei und den mit der steigenden Verbreitung und höheren Stückzahlen sukzessive nach unten fallenden Preisen. Damit erreichte er Bewunderung und Anerkennung als Fälscher, ja, die alten Maler wurden jetzt wirklich mit seinen Werken gemessen.

Mit Hilflosigkeit und enormen Lernwillen verbanden sich Kunstkritiker mit Kunstsachverständigen und -gutachtern, um festzustellen, wer den nun im Selbstbildnis dem Betrachtenden im Hell-Dunkel in die Seele schauen lassen konnte, wer den Pathos einer Gruppe im Spotlicht mit Trommel und Musketen beim Überstundenschieben während der "Nachtwache" verbreitete. So ist bis heute nicht geklärt, welches Gemälde und wie viele Werke überhaupt selbst von Rembrandt gemalt wurden und ob Rembrandt überhaupt Maler war, womit Rembrandts Werkwert sank und Kujaus Anerkennung stieg.

Bewährung

Nach dem Tod van Goghs erschuf er im Wahn eines Trauernden, nunmehr wieder in Deutschland sein elterliches Erbe antretend, neue und immer wieder neue alte Gemälde alter Künstler und merkte gar nicht, wie sehr ihm die Polizei auf den Fersen war. So wurde er festgenommen und nur mit der Auflage, für den Staat zu arbeiten, wieder auf freien Fuß gelassen.

Er bekam als erster Normalbürger die neuen angeblich fälschungssicheren Geldscheine vorgelegt, mit dem Auftrag, diese zu fälschen. Und das tat er und so gekonnt schlecht, dass er bald wieder als hoffnungsloses Ausnahmetalent (Talent nur in Ausnahmefällen) entlassen wurde. Derweil hatte er natürlich erreicht, was er wollte und sich einige sehr gute Kopien einbehalten und wartete auf die Ausgabe der neuen Noten, weil aufgrund seiner vorgelegten Arbeit das Urteil "fälschungssicher" gefällt wurde.

Die Umorientierung zum Schriftsteller - Die Hitler-Tagebücher

Kujau schien zwischenzeitlich vollkommen die Orientierung zwischen Original und Kopie und zwischen Gut und Böse verloren zu haben. Offen stellte er bei den Polizeiverhören die Frage, mit welcher Arroganz man denn - ungeprüft auf die künstlerische Qualität - bei dem "Spät Gekommenen" einfach von einer strafwürdigen Tat ausgehen könne. Das könne nur etwas mit Lobbyismus zu tun haben, die Verbesserungen der Fehler in den Originalen alter Meister, wobei man wohl lange genug Gelegenheit über das jahrhundertfache Korrekturlesen gehabt hätte zu reifen, in perfekten Kopien zu ignorieren, wodurch er das Wort "Kopie" neu zu initialisieren schien. Den Bonus der "ersten Idee" schien er völlig zu verkennen. Wie dumm.

Immerhin wuchs mit der anschließenden Haft wegen Verbreitung von Falschgeld sein Ruhm; sicher unter vorgehaltener Hand auch unter Bemühung handwerklicher Aspekte bei den heimlichen Debatten arrivierter Händler in der Kunstwelt. Er hatte mit seinem "Zweitwerk" so etwas wie ein handwerkliches Gütesiegel, gepaart mit equisitem Kunstgeschmack - Monet, Schiele, Rembrandt -, erschaffen: nur der ihm kopierenswert erscheinende Künstler war so auch für das Publikum ein interessanter Künstler oder anders ausgedrückt: nur derjenige, der kopiert wurde, bekam eine Chance auf Anerkennung seiner künstlerischen Einmaligkeit.

So gingen immer mehr Angebote bei Kujau ein, die eigenen Werke doch zu fälschen, um die eigene Position auf dem Kunstmarkt zu verbessern oder gar zu etablieren. Durch Schweigegelder wurden zunächst kujauische Kopien von nichtexistenten Originalen erstellt, die dann von angehenden Vernisage-Akteuren erschaffen wurden und später das Gegenteil behauptet - mit dem Vorteil für beide "Parteien". Das Kujau-Witz-Paradoxon machte die Runde "Er kann malen wie kein Zweiter".

Sein innerer Schweinehund nach Genugtuung und Befriedigung schrie: für dieses Leben schien sein Potential nun doch verbraucht und sein Ruf verdorben zu sein: niemand glaubte ihm mehr selbst Erschaffenes. Auch bei dem vermeintlich genialsten originellen Werk suchte man das "Original" und disqualifizierte ihn damit.

So musste er neue Wege beschreiten: Ökonomisch orientiert ging er davon aus, dass es nur eine Biographie sein könne, sein selbst Erlebtes, sein Lebensweg sein, was ihm niemand durch eine "Präkopie" und einem Kopievorwurf stehlen konnte. Tagebuch hatte er immer geführt und als eine Brainstormingmaßnahme, die ihn an seinen abstrakten Expressionismus erinnerte, flog er expressionistisch durch die Kapitel seiner erlebten Zeit. Nur ganz am Anfang fehlte viel Material, die Kriegswirren, die Kindheit und so viele Dinge, die ihn am Schreiben gehindert hatten:

So schrieb er aus der Erinnerung über die Bombennächte nieder:


Schrecklich waren die langen, langen Bombennächte in diesem dreckigen und feuchten Bunker. Generatoren dröhnten und es gab nur vegetarisches Essen, was ich wie kaum etwas anderes auf der Welt hasse. Dieser räudige Köter ist allerdings auch nicht zu verachten: ständig leckt er an meinen nackten Waden herum, weil ich meistens Kurzbundhosen ohne Socken trage. Auch Tritte helfen da nicht. Vielleicht sind aber doch die rauchenden und saufenden Vertreter des Militärs am schlimmsten. Was machen die eigentlich hier??? Die sollen doch kämpfen. Ich habe das denen schon öfters gesagt, aber sie haben nur gelacht. Man wird einfach nicht von ihnen ernst genommen.



...und über seine Referate während des Kunstunterrichts:


Ich stehe nicht gerne da vorne und erkläre den Leuten etwas, was sie sowieso nicht verstehen. Aber ich werde ja immer wieder dazu gezwungen! Das Aufnahmevermögen der Masse ist ohnehin sehr begrenzt. So muss man sich immer knapp halten. Und wenn man mit seinen Werken endlich überzeugt hat, wird man ohnehin nicht mehr mit Fragen bestürmt.



Der Verlagskaufmann, ein Kollege seines Vaters, sah in dieser ihm vorgelegten biografischen Schrift ein enormes Potential, das sich aber anders, als von Kujau gedacht, vermarkten ließe. Er strich die kujauspezifischen Passagen und bat Kujau doch einmal zu überdenken, auf wen das Resultat seines Lektorentums wohl wie die Faust aufs Auge passe.

Kujau stimmte ihm zu und schlug vor, sie als "Hitler-Tagebücher" einem bekannten Nachrichtenmagazins mit eckiger Hand- und dominanter Unterschrift in rotem Einband und den berühmten Initialen versehen, zur Verfügung zu stellen, ohne dass das mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden könnte.

Er schrieb wie besessen und ließ nur dann seine Erlebnisse so stehen, wenn Hitler sie so auch erlebt haben könnte, so wurde er im Geiste zu ihm und die beiden Figuren verschmolzen zueinander. Seine Persönlichkeit gab er mit dem Schreiben auf und ordnete sein Reich in genauso perverser Manier, wie es der Diktator auch gemacht hatte. Er herrschte als Postdiktator und vermenschlichte ihn mit der Schilderung uninteressanter Details des Pseudoalltags und entmenschlichte sich damit. Über einen V-Mann wurde de Plan in die Tat umgesetzt und das gesamte Tagebuchwerk für mehrere Millionen Mark verkauft. Trotz aller gekonnt ausgelebten Macht der Welt hatte er die falschen Initialen auf den Werken hinterlassen.

Die Kunstgutachter und Hitlersachverständigen sahen das mit glänzenden Augen, die allzu oft unklar sehen, anders, weil sie dachten, dass das FH (statt dem "Aha!") wohl für "Führer Hitler" stehen werde. Weil die Historiker aber keine Lust hatten, die neuere deutsche Geschichte in weiten Bereichen durch die neuen Erkenntnisse aus den Tagebüchern umschreiben zu müssen, drängten sie auf eine materialtechnische Überprüfung.

Bei dieser wurde festgestellt, dass das verwendete Papier tatsächlich aufgrund fehlender Weichmacher und spezieller anderer neuerer Inhaltstoffe zwischen dem 8. November 1931, 9 Uhr 30 und Anfang September 1939 erstellt und beschrieben worden sein könnte. Da Hitler in dieser Zeit aber fast unausgesetzt geredet habe, könne er aber in keinem Falle der Urheber dieser Tagebücher gewesen sein.

So wurde Kujau trotz der unpassenden Zeitleiste, aber trotzdem zu Recht wegen Betruges zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, weil er in einem Anflug von Ruhmeseuphorie das Fälschen zugegeben hatte.

Todesaktionskunst

Kujau bekam dann Krebs, der leider echt war und echt immer schlimmer wurde, so dass er - als der "Hitlertagebuch-Fälscher" berühmter als je zuvor geworden - an ein letztes Projekt dachte: Die Erhebung seines Todes zur Kunst, als Rückkehr zu seinen Anfängen, der Aktionskunst. Doch dazu kam es nicht mehr, weil er verstarb. Schade. Bis heute konnte jedoch nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Kujau wirklich gestorben ist oder die Sterbeurkunde nur sehr gut gefälscht wurde.

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