Unhei(m)lig
Unhei(m)lig ist eine ebensolche deutsche Crossover-Band der Stilrichtungen Elektro Schrott und Neue Deutsche Bärte. Angesiedelt zwischen »Blutegel«, »Blöhde Onkelz« und Wolle Petry ist Unhei(m)lig der neue Silbermond am Himmel des Trivialo-Pop und verdrängte mit dem 2010er Album »Großer Freigang« Peter Maffay von Platz 1 der deutschen Albumcharts.
Der Sänger
… von Unhei(m)lig ist eine schwitzige Glatze mit schwabbeligem Bauchansatz im Outfit von Herrn Kaiser – nicht Roland Kaiser, sondern der von der Hamburg-Mannheimer. Nomen est Omen, also nennt sich der singende Bestatteranzug ganz grusel-schaurig Der Graf und adelt sich selbst hinein in die Reihe gräflicher Legenden: Graf Dracula, Peter Graf, Otto Graf Lambsdorf und Graf Zahl.
Mit einem ganz wahnsinnig unkonventionellen Bärtchen à la »Ich wäre so gern Mephisto oder Ralf Zacherl« kommt Der Graf allerdings daher wie ein Teilnehmer am VHS-Kurs »Vom Niemand zum Jemand – Personality und Charisma in 3 Abendveranstaltungen«. Täglich übt er vorm Spiegel den bösen Blick mit seinen Vampirkontaktlinsen. Um richtig unheimlich zu wirken, kann so einem hart-weichen Eierkopf ein Mythos, notfalls selbstgebaut, nicht schaden. Folglich ist über ihn als Privatperson nichts zu erfahren, nicht einmal sein bürgerlicher Name: Bernd Heinrich. Nur ein winziges Detail munkeln Fans ehrfürchtig und unter dem Siegel der Verschwiegenheit: Der Graf soll schon im zarten Alter von 2 Jahren dunkelschwarze Gedichte verfasst und damit sein katholisches Kindermädchen gefügig gemacht haben.
Und was hat der Möchtegerngraf heutzutage zu verbergen? Will er sich Fans von Leib halten? Oder würden vielleicht – schlimmer noch – gar keine Fans vor seiner Haustür campieren? Vermutlich tut Der Graf sehr gut daran, seine Identität zu verbergen, denn würde sie offenkundig werden, wer weiß, vielleicht zerfiele Der Graf zu Asche wie ein Vampir beim ersten Sonnenstrahl. Gut möglich, dass seine unheimlich romantische Residenz sich als Reihenhaus mit Geranien und einer Hausfrau in geblümter Kittelschürze entpuppt. Vielleicht kläfft in seinem Garten kein Dobermann sondern ein Dackelmischling (psst: der Name des Hundes ist »Der Hund«!), vielleicht sammelt Bernd, Der Graf, Bierdeckel und lässt sich in seinem musikalischen Schaffen eher von Hansi Hinterseer, denn von Rammstein inspirieren.
Die Musik
… von Unhei(m)lig ist vor allem eines, unheimlich. Unheimlich Scheiße. Das vertonte Ed Hardy Tattoo. Sie ist der deutsche Schlager mit Nietengürtel und Grufti-Fummel. »Wer Liebe lebt« mit schwarzem Bumsvallera, vorgesungen vom Karnevalsprinzen der Schornsteinfeger-Innung und vier BWL-Abbrechern, die ihre Konfirmationsanzüge auftragen.
Der Erfolg
… von Unhei(m)lig kam standesgemäß über Nacht. Plötzlich schwamm die gesungene Bulimie ganz oben auf der neuen seichten Brutaloschnulz-Welle. Emotionen für Millionen – Auftritte bei Raab, der NDR-Talkshow, GZSZ und etlichen Asi-TV-Formaten von VIVA bis KIKA, Leitartikel in BRAVO und LOKUS und die Teilnahme am Bundesvision Song Contest. Unzählige Menschen sind bereits dem trivialen Gruselbombast von Unhei(m)lig verfallen. Sie glauben irrtümlich, Unhei(m)lig mache wunderbar anspruchsvolle Musik mit tiefgründigen und philosophischen Texten.
Doch der kometenhafte Aufstieg von Unhei(m)lig erfreut nicht jeden. Es scheiden sich die Geister in Normalo-Trittbrettfahrer von 8 bis 80 und waschechte Fans aus der sog. »schwarzen Szene« (Abb.). Letztere verweigerten ihrem Idol die Gefolgschaft in die mainstreamige Suhle und lösten offiziell den offiziellen Unhei(m)lich Fanclub auf mit den Worten: »Es war schön, lass uns geh'n. Wir sagen Graf auf Wiederseh'n.«.
Höhepunkte der unheimlichen Karriere: Sieg bei der deutschen Bundesvision Song Contest-Ausscheidung mit dem Titel »Dünnpfiff ist auch Kagge«, Auftritt bei »Carmen Nebel« im ZDF im Kreise weiterer Untoter wie Peter Kraus, Nicole und DJ Ötzi im Oktober 2010, Auszeichnung mit dem Bambi in der Kategorie »Volksdümmlicher Schlager« am 11.11.2010.
Die Dankesworte des Grafen:
|
Die Fans
… von Unhei(m)lig sind für Tokio Hotel zu alt und für die Volkstümliche Shitparade zu jung. Selbstverständlich haben sie noch nie eine Ausgabe vom Dummfest der Blödmusik gesehen und wissen nicht, dass der böse Bernd den gleichen trübsüßlichen HerzSchmerzSchicksalsMumpitz jodelt, wie seine dortigen Brüder im Geiste: Udo Jürgens und Howard Carpendale. Auch sie, die Fans, sind wie ihr Idol in Ermangelung eines echten Lebens Freunde der Verkleidung und des rund um die Uhr Faschings in dunkelschwarz: Gothics, Gruftis, Fetischisten, Satanisten. Es eint sie die Attitüde »dunkelmystisch«. Vor Allem wollen sie anders sein und ganz dringend individuell. Und zwar in der Gruppe. Sie tragen alle das Gleiche, hören die gleiche Musik und haben die gleichen Hobbys: Realitätsverweigerung und die Unhei(m)lig Fanpage. Dort schreiben sie um die Wette, wie unheimlich genial sie ausgerechnet die dürftigen Texte finden:
»Der Graf spendet blutenden Seelen Trost und nimmt uns mit auf die Reise in eine Welt, wo wir unseren Kummer für einen kleinen Moment vergessen können. Seine außergewöhnlichen Songs tragen auch immer autobiografische Züge: Die Tür geht auf, die Tür geht zu / Hier steh ich und da stehst du. Diese intensiven und einfühlsamen Verse berühren mich und lassen manch' heimliche Träne fließen.«
Ganz individuell und unheimlich kreativ treten die Fans auf als Black_Rose, Dark_Angel oder Bleading_Heart (nicht zu verwechseln mit Black_Heart, Dark_Rose und Bleading_Angel). Und wo sie nun so enorm anders, genauer gesagt anders angezogen sind, möchten sie selbstverständlich nicht auf Äußerlichkeiten reduziert und angestarrt werden.
Viele Fans von Unhei(m)lig schreiben selbst ganz unheimlich kitschige Heulgedichte. Mit nachstehender Anleitung gelingt es jedem, einen wunderschönen, tiefen und romantischen Lebenshilfe-Text in Stil von Unhei(m)lig zu verfassen, der auf Grund seiner absoluten Inhaltsleere reichlich Platz für jede erdenkliche Interpretation bietet.
Man nehme eine Auswahl methaphorisch schwammiger Begriffe:
Biologisches | Blut, Flügel, Frau, Gesicht, Haar, Hand, Haut, Herz, Kuss, Leben, Mann, Saat, Schlange, Schritt, Rose, Tod, Wunde |
Gefühliges | Angst, Einsamkeit, Ferne, Furcht, Gedanken, Gefühl, Gier, Glück, Hoffnung, Lächeln, Liebe, Lüge, Lust, Mitleid, Nähe, Reue, Seele, Traum, Treue, Vertrauen, Wunsch, Zärtlichkeit, Zuversicht, Zweifel |
Geologisches | Berg, Brücke, Erde, Fluss, Heimat, Horizont, Meer, Schlachtfeld, Straße, Tor, Weg, Welle, Welt |
Magisches | Erlösung, Fluch, Gold, Geist, Kerze, Magie, Schicksal, Traum, Trug, Wunder, Zauber |
Metaphorisches | Bild, Blick, Engel, Farbe, Feder, Freiheit, Freund, Kampf, Maske, Ring, Schatten, Suche, Schein, Spiegel, Spiel, Wahrheit, Wiege, Wort, Zorn, Zuflucht |
Meteorologisches | Dunkel, Eis, Feuer, Hauch, Himmel, Kälte, Licht, Luft, Mond, Nebel, Orkan, Tau, Tropfen, Stern, Sonne, Sturm, Wärme, Wind, Wolken, Zerstörung |
Zeitliches | Abend, Anfang, Augenblick, Ende, Ewigkeit, Heute, Moment, Morgen, Nacht, Sekunde, Stunde, Tag, Uhr, Weile, Zeit, Zukunft |
und austauschbare Worthülsen:
"Mein dies und das" | Du-Floskeln | Ich-Floskeln | Aufforderungen |
---|---|---|---|
Mein Herz mein Schmerz | Du kommst / kamst zu mir | Ich schau nach vorn /zurück | schau nach vorn / zurück |
Meine Liebe mein Leben | Du bist / warst da | Ich halte dich | komm zu mir |
Mein Geben mein Nehmen | Du bist / warst hier | Ich gebe dir | bleib hier |
Mein Rot mein Tod | Du bist / warst nah | Ich bin bei dir | sieh mich an |
Meine Haut mein Haar | Du hast gewartet | Ich denk an dich | denk daran |
Mein Fleisch mein Blut | Du hast gelebt | Ich stell mir vor | geh nicht fort |
Meine Angst meine Lust | Du hast geliebt | Ich wünsche mir | lass dich fallen |
Daraus schwülstiges Gebrumm klöppeln – fertig:
Gekommen um zu gehen | |
Folgt auf Schatten wirklich Licht? Es reimt sich, aber dichtet nicht. |
Tief in der Nacht hab ich gewacht Du warst da, warst mir ganz nah Geh deinen Weg, die Straße das Tor. Dahin ist das Glück kein Blick zurück Geh deinen Weg, die Straße das Tor. Du bist angekommen hast hinfort genommen Geh deinen Weg, die Straße das Tor. Schau in den Spiegel, Magie ist das Siegel Geh deinen Weg, die Straße das Tor. Und weils super klingt, wenn man es singt: Geh deinen Weg, die Straße das Tor. |